Berührender Roman, dessen historischer Teil mir zu skiz-zenhaft erzählt war
Das Haus der FrauenBereits mit „Der Zopf“ hat mich Laetitia Colombani nachhaltig beeindruckt und so wollte ich auch unbedingt ihren neuen Roman „Das Haus der Frauen“ lesen. In diesem nur gut 250 Seiten umfassenden Buch spiegelt ...
Bereits mit „Der Zopf“ hat mich Laetitia Colombani nachhaltig beeindruckt und so wollte ich auch unbedingt ihren neuen Roman „Das Haus der Frauen“ lesen. In diesem nur gut 250 Seiten umfassenden Buch spiegelt die Autorin die Situation von Frauen in Abstand von 100 Jahren wider. Anhand der Anwältin Soléne erzählt sie von den heutigen Frauen, die in Frauenhäusern unterkommen. Im historischen Teil setzt sie Blanche Peyron ein Denkmal, einer Funktionärin der Heilsarmee, die für eines der größten Frauenhäuser von Paris verantwortlich zeichnet.
Soléne lernen wir in einer Lebenssituation kennen, die ihr den Boden unter den Füßen weggerissen hat. Kurz nach der Urteilsverkündung springt ihr Mandant vor ihren Augen aus dem Fenster des Gerichtsgebäudes und stürzt Soléne in Schuldgefühle und eine tiefe Depression. Auf Rat ihres Psychologen nimmt sie ein Ehrenamt an – sie wird „öffentliche Schreiberin“ in einem großen Frauenhaus in Paris. Dort wird sie mit Lebensgeschichten konfrontiert, die sie völlig entsetzen und nachhaltig berühren. Nach anfänglicher Feindseligkeit erkämpft sie sich einen Platz unter den Frauen, für die Misstrauen immer Grundvoraussetzung zum Überleben war. Ein schwieriger Weg, der letztlich aber sowohl Soléne als auch einigen der Frauen hilft, sich weiterzuentwickeln.
Der historische Teil erzählt in eingestreuten Abschnitten die Biografie der Aktivistin Blanche Peyron und beschreibt die Entstehung des „Palastes der Frauen“, in dem Soléne 100 Jahre später tätig sein wird. Aus meiner Sicht hätte Blanches Geschichte auch für sich allein einen Roman füllen können – die Verarbeitung in diesem ohnehin verhältnismäßig dünnen Buch erscheint mir zu skizzenhaft. Ich hätte mir weniger einen „biografischen Bericht“ gewünscht als vielmehr eine lebhafte Erzählung, die Blanches Verdienste nicht nur aneinanderreiht, sondern nachvollziehbar und ausführlicher beschreibt.
Ohnehin ist der Stil des Buches etwas gewöhnungsbedürftig. Kaum direkte Rede, immer eher Bericht als Roman, schafft er nicht wirklich Nähe, sondern blieb für meine Begriffe etwas zu distanziert. Dennoch behandelt er ein wichtiges Thema, über das unbedingt gesprochen gehört und sollte schon aus diesem Grund von möglichst vielen Menschen gelesen werden.
Mich hat das Buch nachdenklich gemacht, es hat mich einige Dinge hinterfragen lassen und mich angesichts der geschilderten Frauenschicksale auch sehr berührt. Es ist eine Geschichte, die man wirken lassen muss und die nicht dazu geeignet ist, sie mal schnell nebenbei wegzulesen. Wer sich darauf einlassen kann, für den könnte „Das Haus der Frauen“ zu einem Highlight werden.