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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.04.2019

Die Vergangenheit holt jeden irgendwann ein…

Der stumme Bruder
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Also, ich muss zugeben, es hat eine Weile gedauert, bis Herr Herzberg, Frau Weigand und ich miteinander warm geworden sind. Entweder ist mir das mecklenburg-vorpommernsche Naturell fremd oder ich bin zu ...

Also, ich muss zugeben, es hat eine Weile gedauert, bis Herr Herzberg, Frau Weigand und ich miteinander warm geworden sind. Entweder ist mir das mecklenburg-vorpommernsche Naturell fremd oder ich bin zu einfach gestrickt für dieses Buch… ODER es ist einfach wie es ist: hier handelt es sich um den zweiten Band einer Reihe und ich habe den ersten verpasst und keine Ahnung was läuft

Denn mein Gefühl beim Lesen der ersten ca. 100 Seiten lässt sich ungefähr so beschreiben: es war, als würde ich neben zwei Leuten stehen, die ständig Insidersprüche klopfen, während ich ratlos daneben herdackel und keine Ahnung habe, was die meinen… Nach ca. einem Viertel des Buches wurde es besser – oder ich hatte mich einfach dran gewöhnt und kam langsam dahinter, wohin der Hase hoppelt.

Zunächst mal hoppelt er in die Vergangenheit, denn da gibt es in dem kleinen Ort Lichtenfels einiges aufzuarbeiten. Zum einen scheint die alte Magda noch mit Begebenheiten aus dem 2. Weltkrieg zu hadern, zum anderen scheint der verschiedene Rudolf nach der Wende einen ordentlichen Reibach mit der Umgestaltung der ortsansässigen LPG zum gesamtdeutschen Agrarunternehmen gemacht zu haben. Und, nicht zu vergessen, die umliegenden rechtsorientierten Gemeinschaften scheinen auch noch irgendwie in der Sache mit drin zu hängen…
Ein ziemlich dichtes Geflecht, durch das sich Herzberg und seine Ex-Kollegen hier wühlen müssen. Und mit der Zeit hat es mir wirklich Spaß gemacht, zusammen mit dem Ermittlerteam die alten Stukturen aufzubrechen und der Wahrheit auf den Grund zu gehen.

Zu empfehlen ist dieser Krimi deshalb auf jeden Fall – auch wenn man sich als „Neu-Leser“ erst ein paar Seiten zur Eingewöhnung geben sollte. Die Sprache von Claudia Rikl ist dem Fall und dem Ermittlerteam angemessen. Nordisch anmutend, ein bisschen karg, manchmal aber gleichzeitig mit zarter Poesie. Dieser Stil hat Eindruck bei mir hinterlassen und das Buch aus der Masse herausragen lassen.

Wer mal einen „etwas anderen“ deutschen Krimi sucht, der ist hier mit Sicherheit an der richtigen Adresse.

Veröffentlicht am 25.03.2019

Das Erbe der Rosengräfin

Der Rosengarten am Meer
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In ihrem dritten Ostsee-Roman geht es, wie schon im Vorgänger „Ein Sommer im Rosenhaus“ um die berühmtesten Blumen der Welt: Rosen. Die Bücher haben jedoch inhaltlich nichts miteinander zu tun und können ...

In ihrem dritten Ostsee-Roman geht es, wie schon im Vorgänger „Ein Sommer im Rosenhaus“ um die berühmtesten Blumen der Welt: Rosen. Die Bücher haben jedoch inhaltlich nichts miteinander zu tun und können völlig unabhängig voneinander gelesen werden.

Das Besondere an diesem Roman: er erzählt auch eine historische Geschichte, diese wird in eigenen Kapiteln eingewoben. Zunächst dominiert der Erzählstrang aus der Jetzt-Zeit, während im Laufe des Romans auch der historische Erzählstrang immer mehr an Bedeutung gewinnt. In beiden Geschichten geht es um Frauen, die ihren eigenen Weg gehen. Die „aktuelle“ Geschichte stellt die Wiener Landschaftsarchitektin Isabel in den Vordergrund, die nach der Trennung von ihrem Mann und Geschäftspartner versuchen muss, auf eigenen Beinen zu stehen und die ein Bauprojekt an die Ostsee lockt. Die historische Geschichte erzählt von der sogenannten Rosengräfin Marie Henriette von Chotek, die aus einer ländlichen Gegend der heutigen Westslowakei stammt und für die es tatsächlich ein historisches Vorbild gleichen Namens gibt.

Aus meiner Sicht macht besonders der historische Teil diesen Roman lesenswert und aus meiner Sicht hätte es auch gern ein komplett historischer Roman über die Rosengräfin sein dürfen. Die Geschichte um Isabel hingegen konnte mich nicht so fesseln, zudem waren mir in diesem Erzählstrang einige Dinge unplausibel bzw. ich konnte einige Handlungen nicht ganz nachvollziehen. Dadurch habe ich mich beim Lesen an bestimmten Gedanken/Problemen „festgehakt“. Der bildliche und leichte Schreibstil waren für die Geschichte aber gut geeignet und so war es dennoch eine schöne, gemütliche und entspannte Lesereise an die Ostsee und in die Westslowakei.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Ein Wohlfühlroman für Büchermenschen – und solche, die es werden wollen

Mühle mit Meerblick
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„Line Henriksen hatte sich verliebt. […] Nicht ein Mann mit schönen Augen und tollen Bauchmuskeln war ihr zum Verhängnis geworden, sondern eine Insel mit Schafen und Kühen […] und Menschen, die sie bei ...

„Line Henriksen hatte sich verliebt. […] Nicht ein Mann mit schönen Augen und tollen Bauchmuskeln war ihr zum Verhängnis geworden, sondern eine Insel mit Schafen und Kühen […] und Menschen, die sie bei sich aufgenommen hatten, als hätten sie auf sie gewartet.“ (S. 65/E-book) Dieses Zitat sagt schon viel über das Buch, denn es geht hier tatsächlich darum, anzukommen und seinen Lebensmittelpunkt zu finden. Ich denke ich verrate nicht zuviel, wenn ich ankündige, dass nicht nur Line in diesem Buch ihr Zuhause findet.

Ihre Geschichte ist aber nicht nur geprägt von der Sehnsucht nach Heimat, die sie als Pflegekind schon seit ihrer Kindheit mit sich herumträgt, sondern auch von einem anderen großen Thema: Legasthenie. Lines Schwäche führt zunächst dazu, dass sie sich ausschließlich über dieses Thema definiert und damit natürlich kaum Selbstwertgefühl hat. Da braucht es erst einen behutsamen und einfühlsamen Menschen, der ihr Buchstaben näherbringt und ihr zeigt, dass sie auch mit ihrem Handicap ein vollwertiger Mensch ist. Dass dieses Thema im Buch eine große Rolle spielt, hat mich überrascht – im positiven Sinn, denn so bekommt der Roman mehr Tiefe.

Eine weitere Überraschung war, dass es auch sehr viel um Bücher und das Verständnis für Literatur geht. Es werden so einige Klassiker in Bezug genommen – ich als „Büchermensch“ habe mich deshalb besonders wohl gefühlt mit dieser Geschichte.

Auch wenn sie mich nicht ganz hundertprozentig überzeugt hat – Schwächen hatte sie meines Erachtens darin, dass Lines Briefe (ziemlich am Ende des Romans) sehr eloquent geschrieben waren, obwohl die junge Frau noch immer mit Schwierigkeiten (insbesondere mit langen, komplizierten Worten) zu kämpfen hatte. Doch recht viele davon fanden sich in den Briefen. Das erschien mir nicht ganz schlüssig.

Außerdem hätte ich gern mehr über Lines Mutter Karla erfahren. Das Verschwinden von Karla wurde im Buch öfters angesprochen, aber niemand – weder Karlas Mutter (Lines Großmutter Lou) noch Line selbst entwickeln Ambitionen, ihren Verbleib zu klären. So zog sich die Geschichte um Lines Geburt zwar durch das gesamte Buch, aber es bleibt für mich am Ende als loser Faden hängen… schade.

Insgesamt fand ich das Buch wirklich lesenswert und sympathisch – und es hat mir ein noch ein wunderschönes Zitat beschert, das ich mir merken werde: „Doch der, der liest, lebt tausend Leben, und er kann jeden Tag von Neuem entscheiden, was er sein will.“ (S. 88/E-book)

Veröffentlicht am 15.03.2019

Simon Beckett bleibt sich und seinem Genre treu

Die ewigen Toten
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Wer etwas über den Tod im naturwissenschaftlichen Sinne wissen möchte, ist bei Simon Becketts Thrillern schon immer gut aufgehoben gewesen – und auch diesmal bleibt sich der Erfolgsautor treu. Das Buch ...

Wer etwas über den Tod im naturwissenschaftlichen Sinne wissen möchte, ist bei Simon Becketts Thrillern schon immer gut aufgehoben gewesen – und auch diesmal bleibt sich der Erfolgsautor treu. Das Buch beginnt mit einer Abhandlung über die Gerüche beim Verwesungsprozess und auch zwischendurch fängt Hauptfigur Dr. Hunter immer mal wieder an, mit seinem Wissen zu glänzen und über den Verwesungsprozess zu dozieren. Das ist für Fans von Beckett genau das, was sie lesen wollen – für mich war es bisher immer „schmückendes Beiwerk“ (wenn auch sehr interessant!). Aber diesmal gab es tatsächlich Seiten, die ich nur quergelesen habe, weil mir das zu sehr ins Detail ging.

Der Kriminalfall, in den Hunter diesmal hineingerät, ist gewohnt wendungsreich – wenn sich auch für mich schon früh abzeichnete, wer hier wohl seine Finger im Spiel hatte. Dafür erzählt Beckett die persönliche Leidensgeschichte von Dr. Hunter weiter – auch diesmal gerät er nicht nur einmal in Lebensgefahr. Man fragt sich so langsam, wo das noch hinführen soll (bzw. ob es irgendwann wirklich noch glaubhaft ist, dass ein Mensch nach so vielen traumatischen Erlebnissen noch „normal“ sein und weiter seiner – ohnehin emotional schwierigen – Arbeit nachgehen kann). Für mich ist jetzt langsam der Grenzpunkt erreicht. Aus meiner Sicht müsste der Autor beim nächsten Hunter-Roman definitiv die Bremse ziehen und auf andere Weise Spannung in die Story bringen. Sonst wird es unglaubwürdig.

Trotz allem ist Beckett hier wieder ein gut gestrickter Thriller mit Überraschungsmomenten gelungen, den ich verschlungen habe. Ich werde mit Sicherheit auch wieder zum nächsten Roman aus der Serie greifen.

Veröffentlicht am 10.03.2019

Schönes Buch, merkwürdige Titelwahl…

Die Villa an der Elbchaussee
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Dieses Buch ist ein schöner historischer Schmöker, der mit den bewährten Zutaten eines historischen Frauenromans punktet. Im Mittelpunkt steht eine junge Frau (Friederike Hannemann, genannt Frieda), gut ...

Dieses Buch ist ein schöner historischer Schmöker, der mit den bewährten Zutaten eines historischen Frauenromans punktet. Im Mittelpunkt steht eine junge Frau (Friederike Hannemann, genannt Frieda), gut situiert und ehrgeizig, die im Laufe des Romans ihr Selbstbewusstsein entdeckt und zur (Mit-)Gründerin einer Schokoladenfabrik wird. Die Hannemanns sind angestammte Kaufleute in der Speicherstadt und der Weg der jungen Leute ist vorgezeichnet. Sohn Hans wird die Firma erben und Tochter Frieda soll möglichst gewinnbringend verheiratet werden. Aber das Schicksal schlägt zu und alles kommt anders…

Mir hat die Darstellung von Frieda recht gut gefallen. Man kann ihren Weg und ihre Entwicklung nachvollziehen, ihre Handlungen sind logisch und ihre Gedanken geben den Zeitgeist junger Menschen in den 1920er Jahren wieder. Der Generationenkonflikt wird angesprochen, indem Frieda gegen die altehrwürdigen Konventionen aufbegehrt, die insbesondere ihre Mutter noch immer pflegt. Frieda ist jung und sehnt sich nach Anerkennung – und so probiert sie sich aus und trifft sich mit diversen jungen Männern, was ihre Mutter überhaupt nicht gutheißt. Aber das ist eben das Wesen junger Menschen und man bekommt als Leser eine Ahnung davon, wie sehr die Welt in dieser Zeit im Umbruch war.

Gut gefallen hat mir auch Ernst Krüger, Friedas bester Freund aus Kindertagen. Er verkörpert eine Art „Self-made-man“, stammt aus bescheidenen Verhältnissen und arbeitet sich zielstrebig und konsequent in der Firma von Friedas Vater nach oben. Dabei bleibt er immer bescheiden und humorvoll – eine Figur, die dieses Buch absolut bereichert.

Nur mit dem Titel des Buches hadere ich. In meiner Vorstellung von diesem Roman residiert die Familie Hannemann in der Villa an der Elbchaussee (so der Eindruck, den der Titel und das Cover bei mir erweckten). Aber es stellte sich heraus, dass die Villa überhaupt nicht der Dreh- und Angelpunkt des Geschehens ist. Die Familie wohnt in der Speicherstadt, lediglich der Vater hat den Kauf einer Villa an der Elbchaussee ins Auge gefasst. Dies ist auch kein Thema, das sich durch den Roman zieht, sondern eher ein Thema am Rande (zumindest kam es mir beim Lesen so vor). Ich hätte einen Titel besser gefunden, der sich auf Frieda bezieht, da das Buch sich ja komplett um sie und ihren Weg ins Erwachsenenleben dreht („Die Schokoladenprinzessin“ oder so ähnlich). Zumindest etwas, das keine falschen Vorstellungen beim Leser weckt…

Deshalb – mit einem Stern Abzug für den Titel – gute 4 Sterne für einen guten historischen Schmöker.