Profilbild von Caillean

Caillean

Lesejury Star
offline

Caillean ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Caillean über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.03.2019

Ein Wohlfühlroman für Büchermenschen – und solche, die es werden wollen

Mühle mit Meerblick
0

„Line Henriksen hatte sich verliebt. […] Nicht ein Mann mit schönen Augen und tollen Bauchmuskeln war ihr zum Verhängnis geworden, sondern eine Insel mit Schafen und Kühen […] und Menschen, die sie bei ...

„Line Henriksen hatte sich verliebt. […] Nicht ein Mann mit schönen Augen und tollen Bauchmuskeln war ihr zum Verhängnis geworden, sondern eine Insel mit Schafen und Kühen […] und Menschen, die sie bei sich aufgenommen hatten, als hätten sie auf sie gewartet.“ (S. 65/E-book) Dieses Zitat sagt schon viel über das Buch, denn es geht hier tatsächlich darum, anzukommen und seinen Lebensmittelpunkt zu finden. Ich denke ich verrate nicht zuviel, wenn ich ankündige, dass nicht nur Line in diesem Buch ihr Zuhause findet.

Ihre Geschichte ist aber nicht nur geprägt von der Sehnsucht nach Heimat, die sie als Pflegekind schon seit ihrer Kindheit mit sich herumträgt, sondern auch von einem anderen großen Thema: Legasthenie. Lines Schwäche führt zunächst dazu, dass sie sich ausschließlich über dieses Thema definiert und damit natürlich kaum Selbstwertgefühl hat. Da braucht es erst einen behutsamen und einfühlsamen Menschen, der ihr Buchstaben näherbringt und ihr zeigt, dass sie auch mit ihrem Handicap ein vollwertiger Mensch ist. Dass dieses Thema im Buch eine große Rolle spielt, hat mich überrascht – im positiven Sinn, denn so bekommt der Roman mehr Tiefe.

Eine weitere Überraschung war, dass es auch sehr viel um Bücher und das Verständnis für Literatur geht. Es werden so einige Klassiker in Bezug genommen – ich als „Büchermensch“ habe mich deshalb besonders wohl gefühlt mit dieser Geschichte.

Auch wenn sie mich nicht ganz hundertprozentig überzeugt hat – Schwächen hatte sie meines Erachtens darin, dass Lines Briefe (ziemlich am Ende des Romans) sehr eloquent geschrieben waren, obwohl die junge Frau noch immer mit Schwierigkeiten (insbesondere mit langen, komplizierten Worten) zu kämpfen hatte. Doch recht viele davon fanden sich in den Briefen. Das erschien mir nicht ganz schlüssig.

Außerdem hätte ich gern mehr über Lines Mutter Karla erfahren. Das Verschwinden von Karla wurde im Buch öfters angesprochen, aber niemand – weder Karlas Mutter (Lines Großmutter Lou) noch Line selbst entwickeln Ambitionen, ihren Verbleib zu klären. So zog sich die Geschichte um Lines Geburt zwar durch das gesamte Buch, aber es bleibt für mich am Ende als loser Faden hängen… schade.

Insgesamt fand ich das Buch wirklich lesenswert und sympathisch – und es hat mir ein noch ein wunderschönes Zitat beschert, das ich mir merken werde: „Doch der, der liest, lebt tausend Leben, und er kann jeden Tag von Neuem entscheiden, was er sein will.“ (S. 88/E-book)

Veröffentlicht am 15.03.2019

Simon Beckett bleibt sich und seinem Genre treu

Die ewigen Toten
0

Wer etwas über den Tod im naturwissenschaftlichen Sinne wissen möchte, ist bei Simon Becketts Thrillern schon immer gut aufgehoben gewesen – und auch diesmal bleibt sich der Erfolgsautor treu. Das Buch ...

Wer etwas über den Tod im naturwissenschaftlichen Sinne wissen möchte, ist bei Simon Becketts Thrillern schon immer gut aufgehoben gewesen – und auch diesmal bleibt sich der Erfolgsautor treu. Das Buch beginnt mit einer Abhandlung über die Gerüche beim Verwesungsprozess und auch zwischendurch fängt Hauptfigur Dr. Hunter immer mal wieder an, mit seinem Wissen zu glänzen und über den Verwesungsprozess zu dozieren. Das ist für Fans von Beckett genau das, was sie lesen wollen – für mich war es bisher immer „schmückendes Beiwerk“ (wenn auch sehr interessant!). Aber diesmal gab es tatsächlich Seiten, die ich nur quergelesen habe, weil mir das zu sehr ins Detail ging.

Der Kriminalfall, in den Hunter diesmal hineingerät, ist gewohnt wendungsreich – wenn sich auch für mich schon früh abzeichnete, wer hier wohl seine Finger im Spiel hatte. Dafür erzählt Beckett die persönliche Leidensgeschichte von Dr. Hunter weiter – auch diesmal gerät er nicht nur einmal in Lebensgefahr. Man fragt sich so langsam, wo das noch hinführen soll (bzw. ob es irgendwann wirklich noch glaubhaft ist, dass ein Mensch nach so vielen traumatischen Erlebnissen noch „normal“ sein und weiter seiner – ohnehin emotional schwierigen – Arbeit nachgehen kann). Für mich ist jetzt langsam der Grenzpunkt erreicht. Aus meiner Sicht müsste der Autor beim nächsten Hunter-Roman definitiv die Bremse ziehen und auf andere Weise Spannung in die Story bringen. Sonst wird es unglaubwürdig.

Trotz allem ist Beckett hier wieder ein gut gestrickter Thriller mit Überraschungsmomenten gelungen, den ich verschlungen habe. Ich werde mit Sicherheit auch wieder zum nächsten Roman aus der Serie greifen.

Veröffentlicht am 10.03.2019

Schönes Buch, merkwürdige Titelwahl…

Die Villa an der Elbchaussee
0

Dieses Buch ist ein schöner historischer Schmöker, der mit den bewährten Zutaten eines historischen Frauenromans punktet. Im Mittelpunkt steht eine junge Frau (Friederike Hannemann, genannt Frieda), gut ...

Dieses Buch ist ein schöner historischer Schmöker, der mit den bewährten Zutaten eines historischen Frauenromans punktet. Im Mittelpunkt steht eine junge Frau (Friederike Hannemann, genannt Frieda), gut situiert und ehrgeizig, die im Laufe des Romans ihr Selbstbewusstsein entdeckt und zur (Mit-)Gründerin einer Schokoladenfabrik wird. Die Hannemanns sind angestammte Kaufleute in der Speicherstadt und der Weg der jungen Leute ist vorgezeichnet. Sohn Hans wird die Firma erben und Tochter Frieda soll möglichst gewinnbringend verheiratet werden. Aber das Schicksal schlägt zu und alles kommt anders…

Mir hat die Darstellung von Frieda recht gut gefallen. Man kann ihren Weg und ihre Entwicklung nachvollziehen, ihre Handlungen sind logisch und ihre Gedanken geben den Zeitgeist junger Menschen in den 1920er Jahren wieder. Der Generationenkonflikt wird angesprochen, indem Frieda gegen die altehrwürdigen Konventionen aufbegehrt, die insbesondere ihre Mutter noch immer pflegt. Frieda ist jung und sehnt sich nach Anerkennung – und so probiert sie sich aus und trifft sich mit diversen jungen Männern, was ihre Mutter überhaupt nicht gutheißt. Aber das ist eben das Wesen junger Menschen und man bekommt als Leser eine Ahnung davon, wie sehr die Welt in dieser Zeit im Umbruch war.

Gut gefallen hat mir auch Ernst Krüger, Friedas bester Freund aus Kindertagen. Er verkörpert eine Art „Self-made-man“, stammt aus bescheidenen Verhältnissen und arbeitet sich zielstrebig und konsequent in der Firma von Friedas Vater nach oben. Dabei bleibt er immer bescheiden und humorvoll – eine Figur, die dieses Buch absolut bereichert.

Nur mit dem Titel des Buches hadere ich. In meiner Vorstellung von diesem Roman residiert die Familie Hannemann in der Villa an der Elbchaussee (so der Eindruck, den der Titel und das Cover bei mir erweckten). Aber es stellte sich heraus, dass die Villa überhaupt nicht der Dreh- und Angelpunkt des Geschehens ist. Die Familie wohnt in der Speicherstadt, lediglich der Vater hat den Kauf einer Villa an der Elbchaussee ins Auge gefasst. Dies ist auch kein Thema, das sich durch den Roman zieht, sondern eher ein Thema am Rande (zumindest kam es mir beim Lesen so vor). Ich hätte einen Titel besser gefunden, der sich auf Frieda bezieht, da das Buch sich ja komplett um sie und ihren Weg ins Erwachsenenleben dreht („Die Schokoladenprinzessin“ oder so ähnlich). Zumindest etwas, das keine falschen Vorstellungen beim Leser weckt…

Deshalb – mit einem Stern Abzug für den Titel – gute 4 Sterne für einen guten historischen Schmöker.

Veröffentlicht am 05.03.2019

Das wichtige Jahr 1945 aus verschiedenen Perspektiven

Café Engel
0

Mit „Café Engel“ reiht sich Marie Lamballe ein in die Vielzahl der historischen Familien-Trilogien, die derzeit auf den Markt schwemmen. Aber der Erfolg gibt den Büchern in der Regel recht – epische Familiensagas ...

Mit „Café Engel“ reiht sich Marie Lamballe ein in die Vielzahl der historischen Familien-Trilogien, die derzeit auf den Markt schwemmen. Aber der Erfolg gibt den Büchern in der Regel recht – epische Familiensagas im historischen Gewand sind gefragt wie noch nie. Auch in bin eine begeisterte Leserin solcher Bücher – wenn sie gut geschrieben und mitreißend sind.

Letzteres kann ich hier auf jeden Fall unterschreiben. Der erste Teil dieser Trilogie katapultiert den Leser in die letzten Kriegsmonate – in den Winter des Jahres 1945. Doch nicht nur die Zustände im Café Engel werden hier beleuchtet. Das Buch erzählt vom Schicksal mehrerer Personen, deren Verbindung zum Café Engel erst im Laufe der Geschichte offenbar wird.
Besonders im ersten Drittel haben mich die Schilderungen gefangen genommen. Da ging es z. B. um Soldaten in Gefangenschaft, ostpreußische Flüchtlinge, aber auch um die vormals berühmten Künstler, die vor dem 2. Weltkrieg im Café Engel gegenüber des Theaters ein und aus gingen. Ihre Schicksale demonstrieren den Wahnsinn des Krieges aus ganz verschiedenen Perspektiven und die Lektüre geht nah.

Leider kann das Buch nicht über die gesamte Länge halten, was es im ersten Drittel verspricht. Als die Handlungsstränge langsam aufeinander zu laufen, hatte ich den Eindruck, dass die Charaktere zugunsten der Dramatik arg „zurechtgebogen“ wurden. Eine ehemals patente junge Frau mit dem Herz auf dem rechten Fleck wird zur missgünstigen Furie, der alternde Cafebesitzer (der in Gefangenschaft seinen jungen Kameraden ein Vorbild an Genügsamkeit und Mut war) wird zum wehleidigen Pascha. So ganz nachvollziehbar erklärt waren diese Sinneswandel für mich nicht. Ganz im Gegenteil – es wird noch eins draufgesetzt und nach einer kleinen Wendung wird die missgünstige Schnepfe plötzlich wieder zur liebevollen Freundin…

So sehr ich das Buch auch beim Lesen genossen habe – diese Missklänge wollten nicht aus meinem Kopf verschwinden, ich konnte sie nicht einfach ausblenden. Das Buch ist dadurch für mich nicht ganz „rund“, so dass ich es im guten Mittelfeld mit 3,5 Sternen ansiedele.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Authentizität
  • Figuren
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 03.03.2019

Mit Witz und (Ge-)Wissen

Unverfrorene Freunde
0

Ich hatte gerade mal das Vorwort gelesen, da wusste ich schon: dieses Buch und ich – das wird was! Die unterhaltsame Art, in der Klemens Pütz und Dunja Batarilo vom Leben und Wirken eines Pinguinforschers ...

Ich hatte gerade mal das Vorwort gelesen, da wusste ich schon: dieses Buch und ich – das wird was! Die unterhaltsame Art, in der Klemens Pütz und Dunja Batarilo vom Leben und Wirken eines Pinguinforschers erzählen, lässt einen sofort Sympathie empfinden. Ich habe mich dadurch schnell auf das Buch und seine Geschichten einlassen können.

Ich habe unheimlich viel über Pinguine in ihren ganz unterschiedlichen Arten und Lebensräumen gelernt, ich habe ihnen quasi beim Brüten zugeschaut, mit ihnen Krill gejagt und die putzigen Küken beim Erwachsenwerden beobachtet. Ich habe aber auch die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, als ich erfahren habe, welchem Wandel ihr Lebensraum unterworfen ist – und wie katastrophal sich das auswirken könnte.

Mir hat gefallen, dass Klemens Pütz die Dinge nicht nur von einem Moralapostel-Standpunkt aus betrachtet. Natürlich grämen ihn Plastikinseln im Ozean, Überfischung und der Klimawandel – aber er weiß, dass er als Einzelner hier wenig ausrichten kann. Deshalb versucht er, im Rahmen seiner Möglichkeiten Gutes für die Tiere zu tun bzw. zu erreichen – und freut sich auch über kleine Erfolge. Das hat ihn mir sehr sympathisch gemacht.

Bei mir selbst hat das Buch einen großen Eindruck hinterlassen. Ich bin mir nun viel bewusster darüber, wie schädlich auch kleine Umweltsünden für das große Gefüge der Tier- und Pflanzenwelt sein können.
Ich habe mir – ähnlich wie Klemens Pütz – schon überlegt, mit welchen Kleinigkeiten ich im Alltag dazu beitragen kann, dass die Bedingungen für Pinguine und auch andere gefährdete Tierarten besser werden oder zumindest nicht schlechter. Und ich denke, wenn ein Buch das bei einem Leser erreicht – ein Nachdenken und vielleicht sogar ein Umdenken – dann hat es seinen Zweck wirklich bestens erfüllt.

Mein Wissen wurde erweitert und mein Gewissen nachhaltig berührt. Danke, Klemens Pütz, für dieses Buch (auch im Namen deiner Schützlinge, der Pinguine)! Ich hoffe, dass es noch viele, viele Leser finden wird.