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Cleopatra0103

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Veröffentlicht am 18.09.2024

Endlich wieder Kommissar Dühnfort

Der Spieler (Dühnfort 10)
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Ich habe mich sehr auf den neuen Dühnfort-Krimi von Inge Löhnig gefreut. Und schon mit den ersten Seiten hat er mich wieder. Der charmante Kommissar ist einfach sympathisch. Die kleinen Randgeschichten ...

Ich habe mich sehr auf den neuen Dühnfort-Krimi von Inge Löhnig gefreut. Und schon mit den ersten Seiten hat er mich wieder. Der charmante Kommissar ist einfach sympathisch. Die kleinen Randgeschichten vom besten Kaffee, dem Bummel über den Viktualienmarkt und den Vorbereitungen des Abendessens in der schönen Wohnung im Glockenbach-Viertel verstärken das heimelige München-Gefühl. Dennoch kommt auch dieses Mal die Spannung nicht zu kurz. Dühnfort ermittelt auf eigene Faust verschiedene Mordfälle, die wie Unfälle oder Selbstmord aussehen, aber die eine kleine Spielkarte am Tatort verbindet. Keiner will einen Zusammenhang sehen und so legt Tino allein los. Die Rolle des einsamen Ermittlers, der auch mal aneckt steht ihm irgendwie. Generell scheint eine gewisse Unruhe und Unzufriedenheit den sonst so ausgeglichenen Kommissar umzutreiben. Ist es das Alter? Der Job, der sich in einer Sackgasse befindet? Oder der unfreiwillige Wechsel der Wohnung? Dass es mit Gina mal nicht so einvernehmlich läuft, finde ich ganz kurzweilig. Es bringt etwas Schwung in die schon etwas eingeschlafene private Geschichte um Tinos Liebesleben. Der Fall an sich ist äußerst spannend und wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Aus der Ermittlersicht, der Perspektive der Aussteigerin Jasmin, bei der alle Fäden zusammenzulaufen scheinen und aus der Perspektive eines Opfers. So wird das Rätselraten um den Spieler besonders spannend. Letztlich ist mir Jasmin etwas zu stark in viele Details verwoben, aber das tut der Spannung keinen Abbruch. Für mich ein Krimi mit vielen alten Bekannten und ich hoffe, dass es nicht wieder ganz so lange dauert, bis der 11. Teil der Reihe erscheint. Ich freue mich drauf.

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Veröffentlicht am 16.09.2024

Tiefe Einblicke in die marokkanische Geschichte

Schaut, wie wir tanzen
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Der zweite Teil der Familiengeschichte um Mathilde, Amine, Aicha und Selim führt wieder tief in die marokkanische Geschichte und in die schwierige Beziehung zwischen Frankreich und Marokko. Im Mittelpunkt ...

Der zweite Teil der Familiengeschichte um Mathilde, Amine, Aicha und Selim führt wieder tief in die marokkanische Geschichte und in die schwierige Beziehung zwischen Frankreich und Marokko. Im Mittelpunkt steht dieses Mal vor allem Aicha, die in Straßburg Medizin studiert und sich nach und nach von ihrer Familie und dem Land, in dem sie aufgewachsen ist entfernt. Dennoch kehrt sie nach dem Studium nach Marokko zurück und wird Ärztin. Sie lernt Mehdi kennen und verliebt sich in den klugen jungen Mann, der Karl Marx genannt wird. Seine Figur empfinde ich als sehr zwiespältig. Seine einst hohen Ideale zerbröseln nach und nach. Die tragischste Figur ist für mich der Bruder Selim, dem es einfach nicht gelingt, seinen Vater zufriedenzustellen und der sich den Hippies anschließt und in einem wirren Sumpf aus Drogen und Ekstase zu entgleiten droht. Letztlich geht er nach Amerika, viel mehr erfährt man leider nicht. Sehr gut eingefangen ist das Lebensgefühl der jungen marokkanischen intellektuellen Elite in den 70er Jahren. Strandvillen, Partys, lange Gespräche und Alkohol. Keine Existenzängste mehr, Lebensgenuss steht im Mittelpunkt. Die Ehe von Amine und Mathilde hat Bestand, dennoch tut mir Mathilde leid. Sie reibt sich auf für Familie und Haushalt, stärkt ihrem Mann den Rücken und wird dennoch betrogen und belogen. Wie hält sie das aus? Die schwierige politische Situation ist ebenfalls sehr eindringlich beschrieben. Doch leider bleiben mir die Figuren ein wenig fremd, sie berühren mich nicht so sehr wie im ersten Teil. Ich folge ihrem Weg zwar interessiert, aber etwas teilnahmslos. Der Schreibstil selbst gehört mir jedoch sehr gut. Bildhaft und detailreich, ohne ausschweifend und blumig zu sein.

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Veröffentlicht am 13.09.2024

Raffiniert geschrieben

Going Back – Wo fing das Böse an?
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Ein wirklich ungewöhnlicher, raffiniert konstruierter Thriller, den ich von der ersten Seite an nicht mehr aus der Hand legen konnte. Jens Sohn Todd begeht einen Mord. Von einer Minute auf die andere bricht ...

Ein wirklich ungewöhnlicher, raffiniert konstruierter Thriller, den ich von der ersten Seite an nicht mehr aus der Hand legen konnte. Jens Sohn Todd begeht einen Mord. Von einer Minute auf die andere bricht Jens gewohntes Leben zusammen. Um zu ergründen, warum es zu dieser Tat kommen konnte, tritt Jen eine Reise in die Vergangenheit an. Zugegeben, dieser Punkt war mir erst etwas suspekt, zu phantastisch. Der Autorin gelingt es aber, dass man sich schnell in die Zeitreise einfindet. Schon nach wenigen Kapiteln war das befremdete Gefühl weg und ich konnte mich auf die rückwärts erzählte Handlung einlassen. Dabei ertappe ich mich von Zeit zu Zeit wie ich etwas ungeduldig werde und endlich den Grund der Katastrophe erfahren möchte. Aber Weiterblättern kommt nicht in Frage. Jen versucht Stück für Stück in ihrer Vergangenheit nach Anzeichen und Weggabelungen zu suchen, die zum Mord führten. Dabei deckt sie Geheimnisse auf, die ihr gesamtes Leben ins Wanken bringen. Die Charaktere sind sehr interessant und facettenreich, haben Ecken und Kanten und sind dennoch sehr nahbar. Todd in seiner jugendlichen Verwirrung, dem Suchen und Finden. Kelly, Jens Mann, der etwas scheu und abweisend wirkt. Unterbrochen wird die Handlung von der Perspektive des Polizisten Ryan, ebenfalls eine sehr sympathische Figur. Letztlich führen alle Fäden zusammen und es entwirrt sich ein Puzzle von Lügen, Verbrechen und Geheimnissen, die jahrelang im Verborgenen schlummerten. Was mich an diesem Buch besonders fasziniert und während des Lesens begeisterte, ist der Schreibstil und das Vermögen die vielen Fäden und Zeitebenen so übereinander zu legen, dass letztlich ein komplettes Bild entsteht und man sich nicht verliert oder die Handlung unlogisch wird. Das ist wunderbar gelungen. Man muss sich etwas auf diesen Thriller einlassen, wird dann aber mit einem ganz besonderen Leseerlebnis überrascht und belohnt.

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Veröffentlicht am 11.09.2024

Eine perfekte Familie?

Bevor es geschah
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Ein kleiner Roman, der mit viel Gefühl und Wucht von einer Familie erzählt, die nach außen hin perfekt scheint, im Inneren aber gebrochen ist. Die Geschichte spielt an einem sonnigen Sommertag, bei einem ...

Ein kleiner Roman, der mit viel Gefühl und Wucht von einer Familie erzählt, die nach außen hin perfekt scheint, im Inneren aber gebrochen ist. Die Geschichte spielt an einem sonnigen Sommertag, bei einem der reglmäßigen Familienessen. Alle vier Geschwister kommen mit ihren Familien im Haus der Mutter zusammen. Die Mutterfigur, streng, kalt und hart, beeinflusst das Gefüge zwischen den Geschwistern enorm. Angst, Aufbegehren und Nervosität prägen das Bild. Die ersten Kapitel werfen einen kurzen Blick auf die Vorbereitungen. Wie ein Vouyeur wirft der Leser einen Blick in die Schlafzimmer, Ankleiden und Badezimmer der Protagonisten. Schnell wird klar, niemand freut sich auf den gemeinsamen Tag. Was ist es, was diese Familie von innen heraus zerstört? Nach und nach entblättern sich die Geheimnissen und das Grauen hinter der Fassade entblößt sich. Missbrauch, Alkohkol, Macht und Lügen bestimmten die Kindheit und Jugend. Niemand wollte wohl, dass es soweit kommt, aber man ist nicht ehrlich und Probleme werden lieber unter den Teppich gekehrt. Fast jeder hat etwas zu verbergen, kleinere oder größere Geheimnisse, Träume, die nicht in die perfekte Idylle passen und die Geschwister schauen mit Liebe aber auch Neid aufeinander. Während jeder den anderen beobachtet und versucht einen Blick hinter die Gefühle des Gegenüber zu werfen, ihn zu analysieren, ereignet sich im Pool eine Tragödie. Der Unfall des kleinen Thomas wird schon im Prolog angekündigt, ist also kein Spoiler. Unter diesem Ereignis verschmelzen die Geheimnisse und Untiefen der Familie wie unter einem Brennglas. Wer ist schuld? Was führte zu was? Und welche Lüge, welches Schweigen war eines zu viel. Die Figuren sind gut gezeichnet. Manche mehr, manche weniger sympathisch. Dennoch fühlt man eine Nähe zur Familie, die durch die Kälte der Mutter aber immer auf Distanz bleibt. Im letzten Teil wird auch ihre Figur noch näher beleuchtet und greifbarer. Ein Roman, wie ein Thriller. Fast ein Kammerspiel im Garten, wären da nicht die Rückblenden, die immer wieder neue Facetten und Schatten auf die Familienidylle werfen. Großartig.

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Veröffentlicht am 10.09.2024

Von besseren und schlechteren Menschen

Über Menschen
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Ich hatte sehr hohe Erwartungen an dieses Buch von Juli Zeh. Wir begegnen Dora, einer Berlinerin, die schon vor den ersten Corona-Monaten aus der Enge der Stadt ausbricht und ein Haus auf dem Land kauft. ...

Ich hatte sehr hohe Erwartungen an dieses Buch von Juli Zeh. Wir begegnen Dora, einer Berlinerin, die schon vor den ersten Corona-Monaten aus der Enge der Stadt ausbricht und ein Haus auf dem Land kauft. Als der Lockdown kommt und die Menschen um sie herum, allen voran ihr Freund Robert, immer paranoider werden, verlässt sie Berlin und beginnt ihr neues Leben auf dem Land. Bracken hält für Zugereiste nicht viel bereit. Der Einkauf mit dem Bus wird zur Tagestour, die Nachbarn entpuppen sich als Afd-Wähler und schlimmer noch, als waschechte Nazis mit krimineller Vergangenheit und letztlich verliert sie auch noch ihren Agenturjob und die Perspektive. Die Figuren sind gut beschrieben und eingefangen, man fühlt sich als Leser selbst als Besucher Brackens und stiller Beobachter. Doras Nachbar Gote, eigentlich ein hilfsbereiter Kerl, leider auch der Dorf-Nazi zwingt sie dazu, ihre Perspektive und ihren manchmal etwas selbstgefälligen Blick von oben herab zu ändern und weniger zu bewerten als viel mehr genau hinzuschauen. Dass man als Leser an einigen Stellen sogar Sympathie für Gote und auch die anderen Nachbarn empfindet, ist sicher so gewollt. Es gibt eben kein schwarz und weiß, auch bei Themen, bei denen man eigentlich glaubt eine klare Meinung zu haben. Das Buch liest sich gut, oft muss ich schmunzeln oder etwas länger über die Wahrhaftigkeit der Sätze nachgrübeln. Vieles ist punktgenau aus dem Leben und insbesondere dieser zerrissenen Corona-Zeit gegriffen und trifft mitten hinein in das Selbstverständnis von Städtern, die sich oft über die vermeintlich zurückgebliebene Bevölkerung auf dem Land erhebt. Dennoch ist mir manches zu gewollt, zu konstruiert und zu plakativ. Nichtsdestotrotz finde ich den Roman gelungen und rund und das Ende berührt mich und wahrscheinlich die meisten Leser trotz aller vorgefertigten Meinungen.

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