Spannend, witzig, warmherzig und aufrüttelnd. Ein tolles Kinderbuch!
Ajay und die TintenheldenAls ich zum ersten Mal von „Ajay und die Tintenhelden“ hörte, war ich sofort Feuer und Flamme. Das Cover gefiel mir auf Anhieb, ich liebe diese orientalischen Vibes, die es ausstrahlt, und da ich mich ...
Als ich zum ersten Mal von „Ajay und die Tintenhelden“ hörte, war ich sofort Feuer und Flamme. Das Cover gefiel mir auf Anhieb, ich liebe diese orientalischen Vibes, die es ausstrahlt, und da ich mich auch der Klappentext direkt ansprach, stand für mich sehr schnell fest, dass ich das Buch lesen möchte.
Ajay ist als Straßenjunge in Mumbai aufgewachsen und hat einen großen Traum: Er möchte ein bekannter Journalist zu werden. Mehr als zum Zeitungsverkäufer hat er es bisher allerdings noch nicht gebracht. Dies soll sich jedoch ändern, als er eines Tages eine alte ausrangierte Druckerpresse findet. Ajay hat daraufhin eine tolle Idee: Er gründet einfach seine eigene Zeitung! Dank seines Freundes Saif, der Ingenieurlehrling ist, ist die Maschine schnell repariert und seine Freundin Yasmin, die großartig zeichnen kann, ist sofort bereit, die Illustrationen für die Artikel zu liefern. Nun fehlt nur noch eine gute Story. Ajay begibt sich auf die Suche...und stolpert mitten hinein in ein gefährliches Abenteuer. Die Textilfabrik, in der Yasmin täglich hart arbeitet, ist unter mysteriösen Umständen eingestürzt. Für Ajay und seine Freunde steht sofort fest, dass sie der Sache nachgehen müssen. Bei ihrem Versuch, die Wahrheit ans Licht zu bringen, bekommen sie es mit einigen der einflussreichsten Menschen Mumbais zu tun und diese halten natürlich gar nichts davon, dass sich eine Bande Straßenkinder mit ihnen anlegt und ihre Pläne zu vereiteln versucht. Ob es den gewitzten Freunden wohl gelingen wird für Gerechtigkeit zu sorgen?
Als ich mit dem Lesen begann, war mir bereits nach wenigen Seiten klar, dass ich mal wieder den richtigen Riecher gehabt habe und mit „Ajay und die Tintenhelden“ ein Buch in Händen halte, das mir richtig gut gefallen wird. Inzwischen habe ich es beendet und tja, was soll ich sagen, mein erster Eindruck hat mich getäuscht – mich hat Varsha Shah mit ihrem Kinderbuchdebüt hellauf begeistern können. Ich habe dank des flüssigen und leichten Schreibstils mühelos in das Buch hineingefunden und da ich es kaum mehr aus der Hand legen konnte, habe ich es nahezu in einem Rutsch durchgelesen.
Geschildert wird alles aus der Sicht des 12-jährigen Straßenjungen Ajay in der dritten Person. Mir war unser Hauptprotagonist direkt sympathisch. Ich mochte seine pfiffige und humorvolle Art total gerne und für seine Entschlossenheit und Tapferkeit und sein großes Selbstbewusstsein habe ich ihn richtig bewundert. Stellenweise war mir Ajay für sein Alter allerdings fast schon etwas zu mutig und selbstsicher drauf, muss ich gestehen. Groß gestört hat mich dieser Aspekt jedoch nicht. Ich habe Ajay dennoch innerhalb kurzer Zeit fest in mein Herz geschlossen und mich nur zu gerne von ihm in seine Welt mitnehmen lassen.
Im Verlauf der Geschichte dürfen wir noch viele weitere unterschiedliche Charaktere kennenlernen, die wie unser Romanheld liebevoll und glaubhaft gezeichnet sind und alle ihre Besonderheiten besitzen. Nett und freundlich sind sie jedoch nicht alle. Ajay und seine Freunde Yasmin, Jai, Vinod und Saif werden auf ihrer Mission auf so einige unangenehme und machthungrige Personen treffen, die wahrlich vor nichts zurückschrecken, um ihre fiesen Pläne in die Tat umzusetzen.
Die Erzählung befasst sich insgesamt mit einer Vielzahl wichtiger und teils auch schwerer Themen wie soziale Ungerechtigkeit, Korruption, Kinderarbeit und Armut. Auf eine ehrliche, aber stets kindgerechte Weise wird uns vor Augen geführt, was für unmenschliche Arbeitsbedingungen in vielen Textfabriken Indiens herrschen und wie groß und gravierend die Folgen von Fast Fashion sind. Wir erhalten überdies einen, sofern ich das beurteilen kann, sehr realistischen Einblick in das Leben in den Slums Mumbais und erfahren, wie hart es vor allem Straßenkinder haben. Die Story liefert eine Menge Stoff zum Nachdenken und Diskutieren und rüttelt auf, sie wird aber an keiner Stelle zu heftig oder ernst. Sie steckt zugleich auch voller Hoffnung und mutmachender Botschaften und zeigt uns, dass man niemals zu klein ist, um die Welt ein Stückchen besser zu machen und man gemeinsam eine Menge schaffen und erreichen kann. Zusammenhalt, Mut und Freundschaft, der Glaube an sich selbst und das Kämpfen für seine Ziele und Träume – von all diesen Dingen handelt das Buch neben den bereits genannten Themen noch, gelungen verpackt in einem fesselnden, witzigen und warmherzigen Abenteuer, das uns in das ferne Indien mitnimmt und das, obwohl es in der heutigen Zeit spielt, einen herrlich zeitlosen Charme verströmt.
Mit dem Stichwort Indien leite ich dann auch mal zum Setting über. Mir hat die Kulisse unheimlich gut gefallen. Varsha Shah beschreibt sämtliche Orte sehr bildhaft und stimmungsvoll, sodass man sich alles ganz genau vorstellen kann und in den Genuss einer wundervollen Atmosphäre kommt. Klasse fand ich auch, dass viele indische Begriffe und Gerichte genannt werden, die hinten im Buch erklärt werden, und die das Ganze nur noch authentischer machen (und stellenweise auch die große Lust auf fernöstliche Speisen in einem erwecken).
Das Ende ist abgeschlossen und schließt die Erzählung stimmig ab, es lässt allerdings genügend Spielraum für eine Fortsetzung. Ich persönlich gehe eher davon aus, dass es sich bei „Ajay und die Tintenhelden“ um einen Einzelband handelt, aber wer weiß, vielleicht irre ich mich ja auch. Ich würde mich jedenfalls sehr über einen zweiten Teil freuen.
Und zu guter Letzt noch ein paar Worte zur Innengestaltung. Diese darf schließlich auf gar keinen Fall unerwähnt bleiben.
Sònia Albert, der wir auch dieses tolle Cover zu verdanken haben, hat das Buch mit vielen bezaubernden schwarz-weiß Illustrationen versehen, die die Stimmung der Geschichte perfekt einfangen und das Leseerlebnis nur noch schöner machen.
Fazit: Varsha Shah hat mit ihrem Debüt „Ajay und die Tintenhelden“ einen wunderbaren Kinderroman ab 10 Jahren geschrieben, der informiert und wachrüttelt wie ein Zeitungsartikel, zum Mitfiebern einlädt wie ein spannendes Detektivabenteuer, berührt wie eine herzerwärmende Freundschaftsgeschichte und nicht für Kinder absolut lesenswert ist. Mir hat es jede Menge Freude bereitet, Ajay und seine Freunde auf ihrem Abenteuer zu begleiten und ich hoffe sehr auf ein Wiedersehen mit ihnen. Ich kann das Buch nur empfehlen und vergebe 4,5 von 5 Sternen!