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Veröffentlicht am 02.08.2017

Zadie Smith ist eine sehr gute Beobachterin

Swing Time
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Zadie Smith ist eine sehr gute Beobachterin.
Sie beobachtet Tendenzen in der Gesellschaft. Und stellt sie in Romanform dar. Dabei bedient sie sich einer ausgefeilten, beschreibenden, klaren Sprache, die ...

Zadie Smith ist eine sehr gute Beobachterin.
Sie beobachtet Tendenzen in der Gesellschaft. Und stellt sie in Romanform dar. Dabei bedient sie sich einer ausgefeilten, beschreibenden, klaren Sprache, die sicherlich literarisch anspruchsvoll ist. Und trotzdem gut zu lesen ist.


Dieser Roman spielt wieder überwiegend im Londoner Nordwesten, wie schon einer der Vorgänger-Romane "London NW", den ich damals mit Begeisterung gelesen habe. Diesmal hat die Begeisterung mich leider nur so knapp durch den ersten Teil des Romans getragen. Danach ließ meine Begeisterung nach und ich empfand vieles als langatmig oder uninteressant. Was sicher daran lag, dass ich persönlich wenig mit der Protagonistin / Erzählerin der Geschichte anfangen konnte.


Schon in London NW gab es eine Protagonistin dieses Typs: Gut erzogen von einer Mutter mit Ambitionen und Bildung - aber selbst ziemlich lethargisch, phantasielos und komplett un-ambitioniert. Was man gerne auch als Anti-Reaktion auf den Ehrgeiz der Mutter interpretieren kann - mir persönlich war die Protagonistin deshalb trotzdem sehr fern. Und die meisten anderen Personen in der Geschichte auch.


Es geht im Kern um zwei Freundinnen, beide "Mischlinge" (sprich Milchkaffee-Braun), die im Londoner Nordwesten aufwachsen. Die eine, Tracey, mit einer arbeitslosen, weißen Mutter, die nichts anderes zu tun hat, als ihre Tochter anzuhimmeln und in Rosa-Glitzer-Zeugs zu stecken. Und in den Tanzunterricht. Zum Glück ist die Tochter begabt und wird später einige Engagements ergattern. Aber dann....
Die andere, die Erzählerin, hat eine schwarze Mutter aus Jamaika und einen weißen Vater, der als Postbote arbeitet. Was aus Sicht von Tracey "falsch herum" ist. Der Vater kümmert sich ums Kind - und die Mutter um die Bildung. Ihre eigene. Denn die Mutter will raus aus dem Sozialwohnungs-Umfeld. Und sie wird es schaffen. Und später in die Politik gehen. Ihre Tochter wird sie auf diesem Weg aus den Augen verlieren - oder diese sie - je nachdem, wie man das sieht.
Die Tochter wird keine Tänzerin (mangelnde Begabung). Sie wird zwar studieren - aber keinen Ehrgeiz entwickeln. Und als persönliche Assistentin einer weltbekannten Sängerin arbeiten (diese ist so ein wenig Madonna und ein wenig Kylie Minogue). Als Assistentin ist die Protagonistin immer schön in der zweiten Reihe - und ohne eigene Ziele. Aber irgendwann wird die weltbekannte Sängerin sie feuern. Warum? Damit beginnt der Roman. Und erzählt in Rückblenden abwechselnd aus der Zeit der Kindheit und aus der Zeit mit der Sängerin.


Obwohl mir das Lesen zwischendurch schon langweilig wurde. so muss ich doch das Können von Zadie Smith bewundern. Sie ist eine scharfe Beobachterin gesellschaftlicher Zustände und eine begnadete Analystin dieser Zustände. Und schaut damit gleichzeitig in die Zukunft unserer Gesellschaft. London ist eine viel multikulturellere Stadt, als sie bei uns in Kontinentaleuropa oft wahrgenommen wird (und das hat sich mit meinen persönlichen Erfahrungen während eines Auslandssemesters in London gedeckt). Und Rasse und Hautfarbe spielen eine ganz andere Rolle, als viele heute noch Denken. Und Bildung und Ehrgeiz spielen auch eine ganz andere Rolle und sind in Zukunft wahrscheinlich noch viel bedeutender als Hautfarbe und Rasse.


Damit bewegt sich Zadie Smith mit ihren Romanen eigentlich schon in der Zukunft. Sie ist eine wahrhaft "moderne" Schriftstellerin, was sich in ihrer eher assoziativen und Episoden-artigen Schreibform erkennen lässt. Manchmal überfordert sie damit ihre Leser. Und manchmal gelingt es ihr nicht, die heutigen Leser zu fesseln (wie zeitweise bei diesem Roman). Und manchmal sind die Figuren dem Leser einfach fremd (wie in mehreren ihrer Romane) - aber immer beobachtet und beschreibt Zadie Smith hervorragend.


Deshalb gebe ich diesem Roman dann doch 4 Sterne - obwohl mir zwischendurch manchmal das Lesen schwer fiel.

Veröffentlicht am 10.07.2017

Gute Idee - leider nicht so gut umgesetzt

Die Tochter des Seidenhändlers
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Vietnam Anfang der 50er Jahre. Der 2. Weltkrieg ist vorbei, aber Vietnam ist immer noch unter französischer Herrschaft. Doch der Widerstand der vietnamesischen Bevölkerung wächst.
In dieser Zeit haben ...

Vietnam Anfang der 50er Jahre. Der 2. Weltkrieg ist vorbei, aber Vietnam ist immer noch unter französischer Herrschaft. Doch der Widerstand der vietnamesischen Bevölkerung wächst.
In dieser Zeit haben es zwei Schwestern besonders schwer, die "gemischtrassig" sind. Der Vater ist ein erfolgreicher Seidenhändler (daher der Titel). Und die vietnamesische Mutter ist bei der Geburt der zweiten Tochter Nicole gestorben. Nicole sieht auch - im Gegensatz zu ihrer Schwester Sylvie - vietnamesisch aus, während Sylvie äußerlich als Französin durchgeht.

Als der Vater dann noch seiner ältesten Tochter die Leitung der Firma übergibt und für seine jüngste Tochter nur die Leitung eines alten Seidenladens übrig bleibt, spitzen sich die Konflikte zwischen den Schwestern zu. Umso mehr, als dass der smarte Amerikaner Mark plötzlich zwischen den Schwestern steht. Nicole verliebt sich in ihn, er scheint auch Gefühle für Nicole zu haben - aber Sylvie behandelt ihn wie ihren zukünftigen Ehemann.

So wie sich die Konflikte zwischen dem Vater und Nicole und zwischen den Schwestern zuspitzen und gleichzeitig Mark eine undurchsichtige Rolle spielt, so spitzen sich die Konflikte über die Herrschaft in Vietnam zu. Und Hanoi scheint an die vietnamesischen Kämpfer zu fallen....

So gut auch diese Grundidee der Geschichte war, so spannend und interessant der geschichtliche Hintergrund - so recht schlecht waren leider Schreibstil und Konzeption des Buches. Schade. Am Anfang haben mich noch die Geschichte und das exotische Setting begeistert. Aber zum Schluss hin bin ich immer mehr an der recht unmotivierten Personenzeichnung und am holprigen Sprachstil verzweifelt.

Ich hatte einen guten Unterhaltungsroman erwartet. Und wurde leider enttäuscht. Schade, die Geschichte hätte Potential gehabt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Atmosphäre
  • Dramaturgie
  • Figuren
  • Gefühl
Veröffentlicht am 22.06.2017

Wer Schwesterherz verschlungen hat muss auch Bruderlüge lesen

Bruderlüge
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In Bruderlüge wird die Geschichte um Martin Benner und um seine Ermittlungen zur angeblichen Serienmörderin Sara aus "Schwesterherz" weiter erzählt.


Inzwischen ist viel passiert. Und im Grunde genommen ...

In Bruderlüge wird die Geschichte um Martin Benner und um seine Ermittlungen zur angeblichen Serienmörderin Sara aus "Schwesterherz" weiter erzählt.


Inzwischen ist viel passiert. Und im Grunde genommen wird es in diesem Buch fast noch schlimmer für Martin als im Vorgängerband. Um seine Adoptivtochter Belle zu schützen, muss Martin viel Undercover ermitteln, wobei ihm weiterhin versucht wird. Morde unter zuschieben. Aber Martin ist beharrlich. Und so langsam dämmert ihm, dass das Ganze mit einem Todesschuss zu tun haben könnte, den er als junger Polizist in Texas abgefeuert hat....


Aber wie hängt das alles zusammen?


Die noch nicht aufgelösten Handlungsstränge aus Schwesterherz werden in diesem Buch zu Ende erzählt.
Deshalb: Unbedingt Schwesterherz zuerst lesen.


Ich persönlich war mit einigen Auflösungen nicht so ganz glücklich. Aber trotzdem waren beide Bücher spannende Unterhaltung.

Veröffentlicht am 22.06.2017

Temporeicher Thriller

Schwesterherz
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Martin Benner ist ein erfolgreicher Anwalt, hat eine Dachgeschosswohnung in einem der guten Viertel von Stockholm, fährt Porsche und plant gerade mit seiner Kanzlei-Partnerin mit der ihn eine on-off-Beziehung ...

Martin Benner ist ein erfolgreicher Anwalt, hat eine Dachgeschosswohnung in einem der guten Viertel von Stockholm, fährt Porsche und plant gerade mit seiner Kanzlei-Partnerin mit der ihn eine on-off-Beziehung verbindet, einen Urlaub an der Cote d`Azur.
Da kommt ein etwas abgerissener Mann in seine Kanzlei und bittet ihn, die Wahrheit über seine verstorbene Schwester und deren verschwundenen Sohn herauszufinden.
Wobei die Schwester fünf Morde gestanden hatte.....Mafia


Eigentlich ein No-Go, diesen Auftrag anzunehmen. Aber Benner war einmal kurzzeitig Polizist in Texas - und das Ermittlerfieber hat ihn nie ganz losgelassen. Und außerdem fanden die ersten Morde in Texas statt.


Und so fängt ein Strudel von Ereignissen an. Temporeich wird der Leser auf viele Fährten und in viele Sackgassen geführt und entwickelt so langsam eine Paranoia. Denn es ist irgendwie nichts, wie es scheint. Und Martin Benner scheint fast hoffnungslos verloren in diesem Spiel - und als dann noch Belle, seine Adoptivtochter, bedroht wird, begreift auch Martin Benner, dass er sich mit einem Mafia-ähnlichem Kartell angelegt hat.


Kristina Ohlsson ist eine bekannte schwedische Krimi-Autorin. Hier hat sie jedoch eher einen amerikanischen Thriller geschrieben. Actionreich, viele Tote, viele Verwicklungen, ein (Neben) Schauplatz in Texas und ein interessanter Ermittler. Erfolgreich als Rechtsanwalt und ein liebevoller Ersatzvater für seine Adoptivtochter. Aber auch mit schwierigen Seiten: Sexsüchtig, Beziehungsunfähig und mit einer traurigen Vergangenheit als Kind einer Alleinerziehenden, Alkoholsüchtigen Mutter, die vom Vater des Kindes (einem Afroamerikaner aus Texas) verlassen wurde.


Dies alles wird so einem wirklich furiosen Krimi verarbeitet. Und im zweiten Band "Bruderlüge" werden dann auch die restlichen offenen Fragen aus "Schwesterherz" geklärt.

Veröffentlicht am 15.06.2017

Realistische und schöne Geschichte einer Freundschaft

Als wir unbesiegbar waren
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1995 liegen vier Freunde im Gras auf dem Campus eines Colleges in Bristol und philosophieren über ihre Zukunft, Die natürlich glänzend und erfolgreich sein wird. 2015 werden die vier Freunde immer noch ...

1995 liegen vier Freunde im Gras auf dem Campus eines Colleges in Bristol und philosophieren über ihre Zukunft, Die natürlich glänzend und erfolgreich sein wird. 2015 werden die vier Freunde immer noch befreundet sein - aber inzwischen wird eine Menge passiert sein.


Es wird beruflichen Erfolg und beruflichen Misserfolg gegeben haben, scheiternde Beziehungen, zuviel Alkohol und zu viel Drogen, geplante Kinder und ungeplante Kinder, Das "normale" Leben eben. Aber das werden die vier Freunde noch lernen müssen, Einfach weiterzumachen im Leben, neue Wege zu denken und neue Wege zu gehen. Und das Glück beim Gehen zu finden.


Wahrscheinlich macht jeder Mensch diese Erfahrungen im Laufe seines Lebens. Und genau deshalb ist das Buch so interessant und aufschlussreich. In irgendeiner Person wird sich jeder Leser in irgendeinem Aspekt wiederfinden. Und vielleicht beginnen, darüber nachzudenken, wie das bei ihm selbst so abgelaufen ist.


Der Schreibstil des Buches ist sehr gut, es werden viele Entwicklungen zwischen 1995 und 2015 gut erläutert (Finanzkrise, Kokain aus Partydroge usw.) und die Charaktere im Buch sind gut herausgearbeitet und vielschichtig, bei allem Klischee. Denn wer erinnert sich nicht an die schillernden Künstlerfiguren, die in der Schule eher mittelmäßig waren - aber sooo anders und sooo interessant - vor ihnen lag doch sicher ein tolles Leben - oder?


Die Auflösung gibt es im Buch.