Profilbild von Dajobama

Dajobama

Lesejury Star
offline

Dajobama ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Dajobama über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.03.2021

Jugend in Weißrussland

Der ehemalige Sohn
0

Der ehemalige Sohn – Sasha Filipenko
Franzisk verunglückt beim Besuch eines Rockkonzerts in Minsk schwer und fällt ins Koma. Die Aussichten, wieder aufzuwachen sind schlecht, beinahe alle in seinem Umfeld ...

Der ehemalige Sohn – Sasha Filipenko
Franzisk verunglückt beim Besuch eines Rockkonzerts in Minsk schwer und fällt ins Koma. Die Aussichten, wieder aufzuwachen sind schlecht, beinahe alle in seinem Umfeld haben ihn längst aufgegeben. Doch schließlich geschieht das Wunder – Franzisk erwacht 2009, nach zehn Jahren im Koma. Er erholt sich schnell und vollständig, ein weiteres Wunder. Dennoch ist er fassungslos. Dieses Minsk, in dem er sich nun zurechtfinden soll, hat sich zur letzten Diktatur Europas entwickelt. Machthaber Lukaschenko regiert mit eiserner Hand, das Land liegt am Boden.
Sasha Filipenko wurde in Minsk geboren, lebt heute allerdings in St. Petersburg. Er prangert ganz offen die Missstände in Weißrussland an. Auch wenn er Lukaschenko nie beim Namen nennt, ist sofort klar, wen er meint. Etliche historische Begebenheiten hat er in diesem Roman verarbeitet. Damit hat er es geschafft, mich zur weiteren Recherche anzuregen. Es war mir nicht bewusst, wie lange Lukaschenko tatsächlich sein Volk bereits systematisch unterdrückt, wie aussichtslos sämtliche Versuche der Opposition ihn abzulösen, sind. Auch die Tatsache, dass es bereits 2010 Proteste und Demonstrationen gab, die brutal niedergeschlagen wurden, war mir nicht bekannt.
Franzisk wird schwer verletzt in ein weißrussisches Klinikum eingeliefert. Erst ist unklar, ob er überleben wird, schließlich liegt er im Koma. Sämtliche Ärzte geben ihm keinerlei Chance wieder aufzuwachen. Dass er dies nach langen zehn Jahren tut und dann noch ohne bleibende Schäden ist eigentlich unmöglich. Tatsächlich war das ein Punkt, den ich kritisch sehe und der dem Roman unter anderem einen Stern meiner Bewertung gekostet hat. Aber gut. Im Prinzip ist in all der langen Zeit nur eine Person ständig an Franzisks Seite. Und zwar seine Großmutter. Diese zieht ganz und gar zu ihm ins Krankenzimmer, kümmert sich um alles, ist die gute Seele. Eine sehr resolute Frau, die all die negativen Prognosen einfach nicht akzeptieren kann und will.
Sobald Franzisk ins Leben zurückgekehrt ist, erhält der Autor die einmalige Chance, die Missstände eines Regimes von Grund auf zu erklären. Franzisk ist schließlich weitgehend ahnungslos und muss sich in der neuen Wirklichkeit erst zurechtfinden. Er fühlt sich wie „eine Geisel in diesem Irrenhaus.“
Grundsätzlich mochte ich Filipenkos Schreibstil sehr gerne und ich bewundere seinen Mut, über all diese Dinge zu schreiben. Er hat eine sehr direkte, unverblümte Erzählstimme, die gut zum jugendlichen Protagonisten passt. Es gab viele Stellen, die mich sehr berühren konnten. Ab und an fand ich allerdings die Entwicklungen etwas unglaubwürdig. Das Problem hatte ich ganz ähnlich übrigens bereits bei „Rote Kreuze“. Hier kam ich etwas besser damit zurecht, ich fand hier auch die Handlung nicht ganz so hoffnungslos.
Auf jeden Fall ein sehr beeindruckendes Buch, das mich stellenweise sehr berührt hat und mich zur Recherche über die Geschichte Weißrusslands angeregt hat. Gerade dieser starke Bezug zu realen Ereignissen und die Tatsache, dass ebendieser autoritäre Machthaber nach wie vor Angst und Schrecken verbreitet, haben mich sehr erschreckt und fasziniert. Von daher, ein Roman, der dem Leser ein Stück Zeitgeschichte näherbringt.
4 Sterne

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.03.2021

Robotermädchen in der Schule

Undercover Robot – Mein erstes Jahr als Mensch
0

Undercover Robot – Mein erstes Jahr als Mensch
Dotty ist ein Roboter und teil eines supergeheimen Projekts. Ein Jahr lang soll sie ganz normal zur Schule gehen – und dabei darf niemand bemerken, dass mit ...

Undercover Robot – Mein erstes Jahr als Mensch
Dotty ist ein Roboter und teil eines supergeheimen Projekts. Ein Jahr lang soll sie ganz normal zur Schule gehen – und dabei darf niemand bemerken, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Natürlich stolpert Dotty von einem Fettnäpfchen zum nächsten, denn diese Menschen verhalten sich manchmal wirklich seltsam…
In erster Linie ist dieses Buch einfach total witzig. Dotty ist ein sehr sympathischer Android und man kann ihre Probleme gut nachvollziehen. Uns Menschen wird dabei des Öfteren der Spiegel vorgehalten. Darüber hinaus wirft dieses Kinderbuch durchaus existentielle Fragen auf: Was ist eigentlich menschliches Leben? Können Roboter Gefühle haben? Was ist Freundschaft, was Liebe? Ein Gesamtpaket, das ich auch als Erwachsene sehr interessant fand. Mein Elfjähriger zeigte sich in erster Linie von den teils krassen Fettnäpfchen begeistert, in die Dotty arglos und gutmütig stolpert.
Meiner Meinung nach ist dieses Kinderbuch für Jungs wie Mädchen gleichermaßen geeignet. Der Schreibstil ist angenehm und der Zielgruppe angemessen. Aufgrund der Länge des Textes richtet es sich schon an geübtere Leser ab 10 oder 11 Jahren. Uns hat es gut gefallen! 4 Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.02.2021

Von Schimpansen und Menschen

Sprich mit mir
0

Sprich mit mir – T.C. Boyle
Boyle schafft es immer wieder, seine Leser in „unvorstellbare“ Situationen zu entführen. Durch seinen eingängigen Schreibstil gelingt das problemlos. Auch hier widmet er sich ...

Sprich mit mir – T.C. Boyle
Boyle schafft es immer wieder, seine Leser in „unvorstellbare“ Situationen zu entführen. Durch seinen eingängigen Schreibstil gelingt das problemlos. Auch hier widmet er sich wieder tiefpsychologischen Themen, verpackt in eine ungewöhnliche, fesselnde Geschichte.
„Wo verläuft die Grenze des menschlichen Bewusstseins – und sind uns Tiere ähnlicher, als wir vermuten?“ Zitat Buchrücken. Wie schon in „Die Terranauten“ verarbeitet Boyle ein tatsächliches Experiment aus den 70er Jahren. Und natürlich ist auch dieses zum Scheitern verurteilt.

Es ist ein groß angelegtes Experiment mit einem Schimpansen „Sam“, der bereits als Baby von dem Forscher Guy adoptiert wird und wie ein „Menschenbaby“ erzogen wird. Später erhält er dabei Hilfe von Aimee, einer schüchternen Studentin. Es geht in erster Linie um die Erforschung des Spracherwerbs. Tatsächlich kann Sam seine Zieheltern verstehen und mit Hilfe von Gebärdensprache antworten. Absichtlich soll der Schimpanse sich selbst als Mensch fühlen. Das mutet beim Lesen teils grotesk an, lässt sich doch mit zunehmenden Alter keineswegs verleugnen, dass es sich bei Sam um ein wildes Tier handelt, das nur allzu leicht außer Kontrolle gerät. Dem Leser dämmert es schnell, dass es geradezu verantwortungslos ist, was diese Leute treiben. Sowohl den Menschen im Umfeld gegenüber, noch viel mehr jedoch Sam gegenüber. Denn klar ist, dieses Schimpansenkind, das sich als Menschenkind fühlt und so behandelt wird, wird dieses Leben nicht sehr lange führen können. Und was dann?
Diese unverrückbare Tatsache wird von Guy und Aimee, sowie all den anderen Helfern immer wieder erfolgreich verdrängt. Zumindest Aimee ist dennoch durchaus eine Sympathieträgerin. Eine Einzelgängerin, die sich auf den ersten Blick in Sam verliebt und ihn unter keinen Umständen aufgeben will. Niemals. In der Hinsicht ist sie kompromisslos. Dieses Gespann Sam – Aimee ist ein herzzerreißendes Gespann, dem man gerne auf allerlei Abenteuern folgt.
Hilfreich sind zudem die vielen Kapitel, in denen Sam zu Wort kommt. So kann man sich noch besser in ihn hineinversetzen und vor allem auch sehen, wie nahe er einem menschlichen Bewusstsein kommt.
Sprachlich finde ich Boyle – wie immer – gut, aber nicht herausragend. Es lässt sich flüssig lesen, konzentriert sich jedoch vielmehr auf den Inhalt. Und dieser liefert hier ein weiteres Mal viel Stoff zum Nachdenken. Die von mir so deutlich empfundene Kritik an Experimenten mit Menschenaffen, an dem Versuch, einen Schimpansen zum Sprechen zu bringen, grundsätzlich an nicht artgerechter Haltung – diese Kritik wird im Roman leider nicht ganz so deutlich. Ich gehe stark davon aus, dass Boyle, genau das mit dieser Geschichte sagen will, er fehlen mir persönlich ein paar klare Spitzen und eine deutliche Stellungnahme. In erster Linie sehe ich dieses Buch als Unterhaltungsroman. Über die Hintergründe kann man sich wunderbar Gedanken machen, muss man aber vermutlich nicht.
Sehr unterhaltsam, sehr Horizont erweiternd, sehr lesenswert.
4 Sterne

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.02.2021

Süßes Kinderbuch mit Naturbezug

Hüterin des Waldes 1: Hannas Geheimnis
0

Hüterin des Waldes, Hannas Geheimnis – Mona Larch

Hanna zieht mit ihren Eltern in das alte Haus ihrer verstorbenen Großmutter Hilda. Kaum angekommen, wartet bereits die erste Herausforderung auf sie: ...

Hüterin des Waldes, Hannas Geheimnis – Mona Larch

Hanna zieht mit ihren Eltern in das alte Haus ihrer verstorbenen Großmutter Hilda. Kaum angekommen, wartet bereits die erste Herausforderung auf sie: ein Vogel mit einem verletzten Flügel! Zum Glück taucht das sprechende Wiesel Flitz auf und weiht Hanna ein, in ihre neue Aufgabe als Hüterin des Waldes….

Eine ganz süße Geschichte um das Mädchen Hanna und deren Verbundenheit zur Natur und den Tieren des Waldes. Hanna muss sich den Tieren gegenüber erst einmal als würdig erweisen. Und nebenbei alles vor ihren Eltern geheim halten, die von nichts wissen. Dabei wird es natürlich auch spannend, aber nie zu sehr. Dieses Buch enthält zudem viele interessante Informationen zu den Pflanzen und Tieren im Wald. Hanna weiß schon einiges, muss aber noch viel lernen. Wiesel Flitz hilft ihr natürlich gerne dabei!

Durch die relativ große Schrift und die vielen schönen Illustrationen ist dieses Buch geeignet für kleine Leser ab 2./3. Klasse.

Eine wunderbare Geschichte und der Auftakt einer neuen Reihe. Sehr empfehlenswert! 4 Sterne

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.01.2021

Lied der Geister

Das Lied der Arktis
0

Das Lied der Arktis  - Berengere Cournut

Sieben Jahre lang hat die Autorin sich mit der Lebensweise und den Mythen der Inuit in der Arktis beschäftigt. Das merkt man, denn dieser Roman vermittelt ein ...

Das Lied der Arktis  - Berengere Cournut

Sieben Jahre lang hat die Autorin sich mit der Lebensweise und den Mythen der Inuit in der Arktis beschäftigt. Das merkt man, denn dieser Roman vermittelt ein ganz besonderes, sehr exotisches und fremdes Lebensgefühl. Berengere Counut erzählt nicht nur von den indigenen Einwohnern dieser lebensfeindlichen Landschaft, sie verschmilzt regelrecht damit. Alles, Schreibstil, Erzählweise, viele Lieder, sind sehr besonders und geben dem Leser einen intensiven, atmospärischen Einblick in eine andere Welt.

Das Mädchen Uqsuralik ist noch recht jung, als sie durch das Brechen einer Eisscholle von ihrer Familie getrennt wird. Fortan muss sie selbst in einer absolut lebensfeindlichen Umgebung zurecht kommen. Sie lebt mit der Natur und verschiedenen Geistern, den Mythen der Inuit. Schließlich trifft sie auch wieder auf andere Menschen, was allerdings nicht nur Vorteile mit sich bringt.

Uqsuralik erzählt in der Ich-Form von ihrem Leben. Sie nimmt den Leser mit in eine exotisch-fremde Welt. Es ist ein gänzlich anderes Denken, das diese indigenen Völker antreibt. Sie kämpfen ständig ums Überleben und trotz ihrer sehr naturverbundenen Lebensweise, erklären sie sich vieles zwischen Leben und Tod mit dem Einfluss von Geistern und Seelen. Sie glauben an Wiedergeburt und etliches mehr. Das ist wirklich hochinteressant und wird hier sehr atmosphärisch dargestellt. Immer wieder unterbrochen und verstärkt durch Lieder, die die Figuren selbst texten und darbieten.

Zweifellos eine wertvolle Darstellung einer fast komplett unbekannten, doch so interessanten Kultur. Gerade die mythische Seite war mir bisher gänzlich fremd, obwohl sie scheinbar das Leben dieser Menschen unheimlich stark beeinflusst. Ich finde es gut, dass die Autorin das entsprechend in ihren Roman eingewoben hat. Mir persönlich wurde es allerdings irgendwann etwas zu viel, das ist aber eine sehr subjektive Empfindung. Ich mag diese Dinge leider so gar nicht und recht oft driftete die Handlung für mich zu stark in eine spirituelle Richtung ab, mit der ich nichts anfangen konnte. Aber natürlich sehe ich durchaus ein, dass diese Mythen und Geisterglauben/Aberglauben zu dieser Kultur dazugehören und damit auch in diesen Roman.

Ansonsten habe ich die Lektüre sehr genossen und vergebe 4 Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere