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Veröffentlicht am 24.07.2021

Epidemie in der Zeit des Großen Terrors

Eine Seuche in der Stadt
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Eine Seuche in der Stadt – Ljudmila Ulitzkaja

Dieses Drehbuch ist topaktuell und wurde doch schon 1978 verfasst. Es handelt von einem tatsächlichen Pestausbruch in Moskau im Jahr 1939. Der Forscher Rudolf ...

Eine Seuche in der Stadt – Ljudmila Ulitzkaja

Dieses Drehbuch ist topaktuell und wurde doch schon 1978 verfasst. Es handelt von einem tatsächlichen Pestausbruch in Moskau im Jahr 1939. Der Forscher Rudolf Iwanowitsch Mayer infiziert sich versehentlich mit einem Pest-Erreger. Nach seiner Erkrankung tritt umgehend eine Maschinerie in Kraft, die uns seit der Corona-Pandemie nur allzu bekannt vorkommen dürfte: die Nachverfolgung von Kontakten, sowie die Isolierung dieser Personen.

Der Unterschied zu unserer heutigen Situation liegt in der Zeit und am Regime. Moskau befindet sich in der Zeit des Großen Terrors, ohnehin fürchtet jeder täglich, von Stalins Schergen in dessen Folterkeller verschleppt zu werden.

Tatsächlich tritt der sowjetische Geheimdienst auf den Plan und setzt die Quarantäne ohne viel Federlesens und sehr radikal durch. Stalins Regime ist damit auf schreckliche Art und Weise sehr erfolgreich. Und so stellt sich die Frage, wer die größere Gefahr für das Volk darstellt: die Seuche, oder das Terrorregime.

Dieses Werk ist nur knapp über 100 Seiten lang. Außerdem ist es ausdrücklich kein Roman, sondern ein Drehbuch und als solches sehr stakkato artig, mit vielen schnellen Szenewechseln geschrieben. Der Leser ist ganz klar auf den Zuschauersessel verbannt – und bleibt dem Geschehen distanziert, trotz teils schlimmer Szenen. Die erste Hälfte fand ich hier noch sehr interessant, dann wurde mir diese Erzählweise doch etwas zu monoton.

Ich muss zugeben, dass mich mehr noch als das eigentliche Drehbuch, das Nachwort der Autorin „Schlimmer als die Pest“ vom Herbst 2020 fasziniert hat. Die Infos zur Entstehungsgeschichte fand ich hochinteressant. Mir wurden auch noch einige andere Dinge zum Zusammenhang klar, die ich nicht auf Anhieb verstanden hatte.

Insgesamt topaktuell und sehr lesenswert! Die Erzählform des Drehbuchs lag mir nicht ganz so sehr. Trotzdem gebe ich 3,5 Sterne, die ich gerne auf 4 aufrunde!

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Veröffentlicht am 23.07.2021

Haus der Libellen

Das Haus der Libellen
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Das Haus der Libellen – Emma Behrens

Sophie kehrt nach Jahren zurück in ihren Heimatort. Sie soll ihrer alten Freundin dabei helfen, den verschwundenen Bruder zu finden. In der Kindheit waren die drei ...

Das Haus der Libellen – Emma Behrens

Sophie kehrt nach Jahren zurück in ihren Heimatort. Sie soll ihrer alten Freundin dabei helfen, den verschwundenen Bruder zu finden. In der Kindheit waren die drei unzertrennlich, später waren Sophie und Noah ein Paar, bis die Beziehung ein unglückliches Ende fand. Bereits als Kinder waren die Geschwister besonders, genauso wie die alte Villa, in deren Keller Emilia mittlerweile eine Libellenzucht eingerichtet hat. Sophie ist sich ihrer Gefühle insbesondere Noah gegenüber alles andere als klar, als sie sich auf die Spurensuche begibt.

Ein sehr stimmungsvoller, atmosphärischer Frauen-/Unterhaltungsroman, der mir sehr gut gefallen hat. Die Geschichte wird auf mehreren Handlungsebenen erzählt, im Hier und Jetzt – und in der Vergangenheit, der Kindheit der drei, der Jugend, in der Beziehung zwischen Sophie und Noah. So erfährt man immer wieder Bruchstücke der Vergangenheit und gewinnt Einsicht in die Charaktere. Durch diese Erzählweise erhält die Geschichte überraschende Tiefe und damit Qualität.

Der Titel „Das Haus der Libellen“ wird immer wieder aufgegriffen. Beispielsweise beinhaltet jede Kapitelüberschrift eine Info über Libellen. Auch Emilias Dschungellabor und ihre Libellenzucht werden immer wieder thematisiert und ganz toll beschrieben. Das mochte ich sehr.

Die Geschichte ist voller Gefühle und deren Irrungen und Wirrungen. Nicht jede Reaktion fand ich ganz angemessen oder verhältnismäßig, insgesamt konnte ich aber gut mitfiebern. Dabei hilft auch der angenehme Schreibstil, der mich problemlos durch die Seiten trug. Man muss sich nur dessen bewusst sein, dass es sich hierbei um einen Unterhaltungsroman handelt, ohne hohen literarischen Anspruch. Dann kann man ihn auch genießen.

Insgesamt also ein sehr berührender, gefühlvoller Roman über eine große Liebe und deren Hintergründe. 4 Sterne.

 

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Veröffentlicht am 19.07.2021

Leben auf der Müllhalde

Vertraute Welt
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Vertraute Welt – Hwang Sok-yong

Glupschaug und Glatzfleck, das sind zwei Jugendliche, noch fast Kinder, die in einer Kolonie der Ausgestoßenen inmitten einer riesigen Müllhalde in der Nähe der südkoreanischen ...

Vertraute Welt – Hwang Sok-yong

Glupschaug und Glatzfleck, das sind zwei Jugendliche, noch fast Kinder, die in einer Kolonie der Ausgestoßenen inmitten einer riesigen Müllhalde in der Nähe der südkoreanischen Großstadt Seoul, leben und arbeiten. Es ist eine harte und gefährliche Arbeit und es stinkt bestialisch. Die Menschen leben zu Tausenden in einfachsten, selbstgebauten Hütten und atmen Tag für Tag giftige Dämpfe ein. Von allen Menschen außerhalb dieser Müllhalde werden sie gemieden, was vor allem am Gestank liegt, der ihnen hartnäckig anhaftet.

Unvorstellbare, schockierende Lebensumstände, insbesondere für Jugendliche, sind es, die in diesem Roman sehr schonungslos skizziert werden. Abstoßende Müllberge und unglaublicher Gestank bestimmen die Atmosphäre dieser Geschichte. Es sind eindrückliche Bilder, die hier übermittelt werden.

Ja, natürlich handelt es sich hierbei um eine anklagende Sozialkritik und Kritik an unserer modernen Wegwerfgesellschaft. Der eklatante Unterschied zwischen zumindest einigen wohlhabenden Seouler Bürgern und den Bewohnern der Müllhalde macht betroffen. Insbesondere auch, die Unschuld und Arglosigkeit der Kinder, mit der sie in die allerunterste Gesellschaftsschicht rutschen. Es ist gut gemacht und regt zum Nachdenken an. Darüber, wohin all unser Müll eigentlich geht und wie gedankenlos wir heutzutage, Dinge und auch Lebensmittel entsorgen.

Über Südkorea hab ich wohl noch kaum ein Buch gelesen. Hier ist mir aufgefallen, dass sehr viel erzählt wird, im Vergleich zu nicht sooo vielen Dialogen. Mehr tell statt show. Das ist auch mein einziger Kritikpunkt. Denn diese Erzähllastigkeit der Geschichte führt doch dazu, dass selbst auf gerade mal knapp über 200 Seiten ein paar kleinere Längen entstehen und die ein oder andere Stelle etwas holperig erscheint. Das mag durchaus auch an der Übersetzung liegen.

Trotzdem, eine tolle Geschichte mit einer wichtigen Botschaft, die wohl überall auf der Welt gültig ist. Tatsächlich habe ich bei meinen Recherchen im Internet entsprechende Fotos von Menschen in Afrika, Asien, Südamerika auf Müllhalden gefunden. Offensichtlich ein globales Problem, das mir bisher nicht so richtig bewusst war. Von daher ein wichtiges Buch! 4 Sterne

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Veröffentlicht am 14.07.2021

Im Angesicht des Todes

Die Wütenden und die Schuldigen
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Die Wütenden und die Schuldigen – John von Düffel

Richard, ein ehemaliger protestantischer Pfarrer hat nicht mehr lange zu leben. Um ihn geht es hier in diesem Roman. Um seinen Rückblick auf das Leben, ...

Die Wütenden und die Schuldigen – John von Düffel

Richard, ein ehemaliger protestantischer Pfarrer hat nicht mehr lange zu leben. Um ihn geht es hier in diesem Roman. Um seinen Rückblick auf das Leben, auf seine Schuld und Versäumnisse. Aber auch die Angehörigen werden beleuchtet. Der Sohn in der Psychiatrie. Die Schwiegertochter, die ihre zweiwöchige Quarantäne mit einem Rabbi verbringt und neue Erkenntnisse erlangt. Die Enkelkinder Selma und Jakob, von denen jeder sein eigenes Päckchen zu tragen hat. Eigene Leben und doch eng miteinander verflochten.

Über Holger, den Sohn, der sich nach einem Suizidversuch in der Psychiatrie befindet, erfährt man konkret am Wenigsten. Er ist vielmehr der wunde Punkt, die Leerstelle, die sie alle verbindet.

Gerade die Situation des Lockdown verschärft etliche bereits vorhandenen Konflikte. Die Figuren machen sich Gedanken über die Vergangenheit und die Zukunft. Insbesondere der Rabbi hält zahlreiche weise Aussagen über das Leben bereit.

Hochinteressante Themen. Woran liegt es nur, dass ich mich dennoch immer mal wieder gelangweilt habe? Zu den Figuren konnte ich leider überhaupt kein Gefühl aufbauen. Der ständige Wechsel zwischen den Perspektiven hat mich zunehmend ermüdet. Die Geschichte konnte mich nicht berühren.

Immer mal wieder stachen Szenen hervor, die geradezu provokativ abstoßend (teils brutal, teils eklig) ausgeführt waren. Meiner Meinung nach unnötig.

Insgesamt ein spannendes Thema, das mich in der Ausführung leider nicht so ganz überzeugen konnte. 3 Sterne.

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Veröffentlicht am 10.07.2021

Sehr fossilienlastig

Zwei bemerkenswerte Frauen
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Zwei bemerkenswerte Frauen – Tracy Chevalier

Dieser Roman erweckt tatsächliche Figuren und Begebenheiten zum Leben.

Mary Anning verdient ihren Lebensunterhalt im englischen Lyme mit der Suche und dem ...

Zwei bemerkenswerte Frauen – Tracy Chevalier

Dieser Roman erweckt tatsächliche Figuren und Begebenheiten zum Leben.

Mary Anning verdient ihren Lebensunterhalt im englischen Lyme mit der Suche und dem Verkauf von Fossilien. Ihre Familie ist arm, eine Arbeiterfamilie. 1830 zieht die unverheiratete, aber aus besseren Londoner Kreisen stammende Elizabeth Philpot nach Lyme. Die beiden Frauen freunden sich an, auch Elizabeth entdeckt ihre Liebe zu den Fossilien. Marys Funde werden derweil immer spektakulärer und von öffentlichem Interesse.

Diese Geschichte ist tatsächlich sehr fossilienlastig. Darüber hinaus leider ein bisschen blutleer und langatmig.

Das damalige England und seine Gesellschaft, insbesondere auch die Klassenunterschiede, werden sehr detailliert beleuchtet. Vermutlich deshalb wirkt die Geschichte etwas altbacken.

Die Handlung dümpelt so vor sich hin, Spannungsmomente gibt es nicht. Die beiden Frauenfiguren erzählen abwechselnd. Trotzdem blieben sie mir beide recht fremd.

Ein eigentlich interessantes Thema, das mich hier aber nicht wirklich berühren konnte.

3 Sterne.

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