"Wellenwinter" ist ein wunderbarer winterlicher Wohlfühlroman, der das Herz erwärmt.
Nach einer Trennung zieht Marie bis auf Weiteres zu ihrer Mutter nach Norderney. Wider Erwarten fühlt sie sich dort ...
"Wellenwinter" ist ein wunderbarer winterlicher Wohlfühlroman, der das Herz erwärmt.
Nach einer Trennung zieht Marie bis auf Weiteres zu ihrer Mutter nach Norderney. Wider Erwarten fühlt sie sich dort sofort heimisch und sogar ihren geliebten Beruf der Glasbläserin kann sie vorrübergehend ausüben. Dann lernt sie auch noch den attraktiven Arne kennen und alles scheint perfekt.
Vor allem die Beschreibungen des weihnachtlichen Norderney hat mir sehr gut gefallen. Ebenso wie das Handwerk der Glasbläserin. Interessant und heimelig. Für mich persönlich hätte die Liebesgeschichte noch etwas ausführlicher, gar dramatischer ausfallen dürfen, aber auch so hab ich mich gut unterhalten gefühlt.
4 Sterne!
Die Autorin entführt in diesem recht kurzen Roman in eine vollkommen eigene Welt. Es ist ein kleines russisches Dorf, ...
Der Himmel vor hundert Jahren – Yulia Marfutova
Longlist Deutscher Buchpreis 2021
Die Autorin entführt in diesem recht kurzen Roman in eine vollkommen eigene Welt. Es ist ein kleines russisches Dorf, etwa um 1918, das völlig abgeschieden liegt. Schon seit längerem, mutmaßt man, sollte doch wohl der letzte Krieg zu Ende sein. Doch bisher ist noch keiner der Männer wieder zurückgekehrt. Sowieso verlässt man sich hier lieber auf die Weissagungen eines Glasröhrchens, den Aberglauben und alte Ikonen.
Die Figuren könnten schrulliger kaum sein. Der alte Ilja, der ganz auf sein Glasröhrchen vertraut. Der ebenfalls alte Pjotr, der sich lieber am Fluss aufhält und mit den Wassergeistern spricht. Iljas Frau Inna, der ein Messer runterfällt – ganz klar, das heißt, ein Fremder kommt ins Dorf. Tatsächlich kommen Fremde von der anderen Seite des Flusses – was die wohl wollen?
Unterstützt werden diese Sonderlichkeiten des Personals von der recht speziellen Sprache. Stakkatoartig, beinahe abgehakt erzählt die Autorin in einem Ton, der direkt von diesen weltfremden, einfachen Leuten kommen könnte. Es ist schon eine Art Kunst, Sprache derart zu vereinfachen und sich quasi so sehr in die Figuren hineinzuversetzen. Dabei nimmt die Erzählstimme eine gefühlte Position oberhalb des Dorfes ein. Abwechselnd beleuchtet sie einzelne Protagonisten und scheint allwissend zu sein – mit einem liebevoll zwinkernden Auge.
Allzuviel passiert eigentlich gar nicht in dieser Geschichte. Es ist die Beschreibung dieses irgendwie aus der Welt gefallenen Dorfes und seiner Bewohner. Man nimmt das Leben hin, wie es kommt und interessiert sich eigentlich gar nicht weiter dafür, was außerhalb alles an Weltgeschichte passiert. Trotzdem ist es ein wichtiger Moment im Leben dieses Ortes. Denn etwas drängt von außen herein. Man ist gezwungen über den Tellerrand zu schauen, etwas verändert sich. Plötzlich ist es nicht mehr möglich, die Augen zu verschließen. Mit einer unglaublichen Naivität und guten Portion Aberglaube sind die Figuren dieses Romans ausgestattet. Wie könnten sie auch anders sein in ihrer Abgeschiedenheit?
Kurze Kapitel, wortkarge Charaktere. Ein ahnungsloses Dorf inmitten eines Sturms der Weltgeschichte – dem Untergang des Zarenreiches. Es ist ein kurzweiliges Lesevergnügen. Es sind auch nur knapp 200 Seiten. Am Ende muss ich aber auch sagen, dass das genug ist von diesem doch recht anstrengenden Schreibstil. Auf interessante Art und Weise anstrengend. Deshalb von mir 4 Sterne.
Ein leichter Liebesroman mit trotzdem durchaus sehr ernsten Themen.
Lisa lernt Tom über ein Datingportal kennen. Die beiden verstehen sich sofort blendend, nur will Tom partout kein Treffen mit Lisa. Was ...
Ein leichter Liebesroman mit trotzdem durchaus sehr ernsten Themen.
Lisa lernt Tom über ein Datingportal kennen. Die beiden verstehen sich sofort blendend, nur will Tom partout kein Treffen mit Lisa. Was ist nur mit ihm los? Diese Auflösung bzw. Spannung bis dahin zieht sich über beinahe das komplette Buch. Das heißt für den Leser, dass es viele Chat-Verläufe zu lesen gibt. Daran sollte man sich also nicht stören. Ansonsten mochte ich diesen Roman sehr gerne und war über längere Zeit absolut gefesselt. Lisas Reaktionen und der Handlungsverlauf im Allgemeinen würde sicherlich des Öfteren eine Plausibilitätskontrolle nicht bestehen. Wenn man darüber hinwegsehen kann - alles gut. Eine nette Geschichte fürs Herz.
Der spritzige Humor hat mir sehr gut gefallen, ich musste öfters laut auflachen. Tom scheint fast zu perfekt zu sein und Lisa ist sympathisch und hat Mumm.
Ich schwanke etwas zwischen 3 und 4 Sternen - möchte dann aber doch wohlwollende 4 Sterne vergeben.
Der Kolibri – Sandro Veronesi
Dieser Roman wurde mit dem italienischen Premo Strega 2020 ausgezeichnet. Und wie so oft bei preisgekrönten Werken war es mir irgendwie von allem zu viel.
Im Wesentlichen ...
Der Kolibri – Sandro Veronesi
Dieser Roman wurde mit dem italienischen Premo Strega 2020 ausgezeichnet. Und wie so oft bei preisgekrönten Werken war es mir irgendwie von allem zu viel.
Im Wesentlichen wird hier das Leben des Augenarztes Marco Carrera erzählt. Dieser ist ein ewiger Verlierer, ein typisches Opfer des Lebens, das sich von Schicksalsschlag zu Schicksalsschlag treiben lässt, ohne sich je davon zu erholen.
Das Raffinierte an der Erzählweise ist die Anordnung der einzelnen Fragmente als großes Puzzle. Willkürlich springt die Handlung zwischen Ereignissen in Marcos Leben vor und zurück – gekennzeichnet einzig durch die Angabe der jeweiligen Jahreszahl in der Kapitelüberschrift. Dieses Vorgehen ist spannend – fügen sich doch die einzelnen Teile nach und nach zu einem Gesamtbild zusammen. Allerdings wird man immer wieder aus dem Lesefluss herausgerissen und muss sich komplett neu orientieren.
Auch der Inhalt der verschiedenen Episoden ist besonders. Vieles erscheint märchenhaft, auf jeden Fall sehr kreativ. An Ideen scheint es Herrn Veronesi auf keinen Fall zu mangeln. An manchen Stellen fühlte ich mich an gewisse südamerikanische Autoren erinnert (wie nannte sich das noch… magischer Realismus?).
Das Nachwort am Ende des Buches bringt hier etwas Licht ins Dunkel. Scheinbar hat Veronesi etliche Ideen (bekannter?) italienischer Autoren aufgegriffen. Bei mir bleibt auch hier wieder eher ein Gefühl der Unzulänglichkeit zurück. Es gibt so einiges, was man nicht wirklich ernst nehmen kann. Zweifellos ist auch das beabsichtigt, nur erschließt sich mir das wahre Wesen dieses Werkes nicht. Es wirkt vieles sehr künstlich, zwanghaft zu einer Geschichte gepresst.
Inhaltlich ist die Psychoanalyse ein großes immer wiederkehrendes Thema. Beispielsweise der eingebildete Faden am Rücken der Tochter…. Allerdings ist Marco ein großer Kritiker ebendieser Psychoanalyse, scheinbar sieht er darin den Quell allen Übels. Hm, ich bin mir nicht sicher, was der Autor uns mit diesem Werk sagen will. So wie ich mir sicher bin, dass ich sehr vieles darin nicht verstanden habe. Die Familiengeschichte ist wohl nur vorgeschoben, aber worum geht es eigentlich? Ist dies eine Abrechnung mit allen möglichen Dingen, beispielsweise eben der Psychoanalyse? Es ist ein Werk, das furchtbar komplex ist. Offenkundig eine Familiengeschichte, die recht leicht zu greifen ist. Allerdings kann ich das was dahinter liegt, nicht fassen.
Dann auch noch eine Liebesgeschichte, die Jahrzehnte andauert und sich im Prinzip auf Briefkontakt beschränkt. Einige Briefe sind abgedruckt – furchtbar überzeichnet, irgendwie unpassend und unbegreiflich, warum diese beiden unglücklichen Figuren es partout nicht geschafft haben sollen, zusammen zu kommen. Auch hier: was will der Autor damit ausdrücken? Ich komm nicht dahinter.
Insgesamt also ein einigermaßen gut lesbarer Roman über eine Familiengeschichte, serviert als Puzzle. Zurück bleibt ein unbefriedigendes Gefühl, soviel nicht verstanden zu haben, nur an der Oberfläche gekratzt zu haben. Sprachlich und inhaltlich total überfrachtet – eine anstrengende Lektüre, für die ich auch recht lange gebraucht habe.
Auch wenn ich der Meinung bin, dass dies schriftstellerisch eine großartige Leistung ist, hat es mir trotzdem nicht wirklich gefallen. 3 Sterne!
Kleine Freuden – Clare Chambers
Es ist eine leise, etwas altbacken daherkommende Geschichte, die Clare Chambers hier erzählt. Kein Wunder, schließlich spielt sie 1957 in London.
Jean Swinney geht gnadenlos ...
Kleine Freuden – Clare Chambers
Es ist eine leise, etwas altbacken daherkommende Geschichte, die Clare Chambers hier erzählt. Kein Wunder, schließlich spielt sie 1957 in London.
Jean Swinney geht gnadenlos auf die Vierzig zu. Lachen hat sie dabei nicht allzu viel in ihrem ziemlich langweiligen und eingeengten Leben. Tagaus tagein kümmert sie sich aufopferungsvoll um ihre Mutter. Eine Wende naht, als sie in ihrem Job als Redakteurin auf eine seltsame Geschichte stößt. Gretchen Tilbury behauptet steif und fest, ihre Tochter vor zehn Jahren jungfräulich empfangen zu haben. Tatsächlich scheinen die ersten medizinischen Tests diese Aussage zu stützen. Jean geht der Sache nach und es dauert nicht lange, bis sie sich nicht nur mehr beruflich mit den Tilburys beschäftigt.
Hatte sich Jean über so viele Jahre ganz in ihrem wenig aufregendem, beengtem Leben eingerichtet, sieht sie nun plötzlich die (vielleicht letzte) Chance auf ein bisschen Glück und eine eigenständige Zukunft.
Es dauerte ein bisschen, bis ich mich an den recht altmodischen Erzählstil gewöhnt hatte. Dann war das aber ganz gut und auch wirklich authentisch. Inhaltlich löst sich der Roman über weite Teile etwas von dem Thema der Jungfrauengeburt. Vielmehr steht die Entwicklung Jeans in Vordergrund – und eine ziemlich vorhersehbare Liebesgeschichte. Tatsächlich bietet dieses Werk wenig Überraschungen – einzig der Schluss rettet hier noch mindestens einen Stern.
Ein sehr ruhiger Roman, der wunderbar zu lesen ist, aber wenig überraschendes bereithält. Ich mochte ihn gern, ob sich davon etwas im Gedächtnis hält, wird sich zeigen. 3 Sterne.