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Veröffentlicht am 23.01.2021

Auch ein Weltmeer kann Familienbande nicht trennen

Weiter als der Ozean
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1909 London. Edna McAlister lebt mit ihren Zwillingen Kathie und Garth sowie der jüngsten Tochter Gracie über einer Näherei, wo sie nach dem Tod ihres Ehemannes mehr schlecht als recht für das Familienauskommen ...

1909 London. Edna McAlister lebt mit ihren Zwillingen Kathie und Garth sowie der jüngsten Tochter Gracie über einer Näherei, wo sie nach dem Tod ihres Ehemannes mehr schlecht als recht für das Familienauskommen arbeitet. Ihre älteste Tochter Laura trägt mit ihrer Anstellung als Dienstmädchen auf dem Land zum Unterhalt bei. Doch dann wird Edna schwer krank und muss ins Krankenhaus. Aufgrund einer unüberlegten Tat von Garth steht plötzlich die Polizei in der Wohnung und bringt die drei Kinder ins Waisenhaus, um sie von dort nach Kanada zu verbringen, wo sie in unterschiedlichen Familien untergebracht und dort zur Arbeit herangezogen werden. Als Laura aufgrund der Nachricht bezüglich der Krankheit ihrer Mutter nach London eilt, sind ihre Geschwister bereits weg. Laura setzt alles daran, ihre Geschwister aus Kanada zurückzuholen und erhält Unterstützung durch den Sohn ihres ehemaligen Dienstherren, den Anwalt Andrew Frasier, der gemeinsam mit seinem Kanzleipartner von der Regierung dazu aufgefordert wurde, der Kinderverschickung auf den Grund zu gehen…
Carrie Turansky legt mit „Weiter als der Ozean“ einen gefühlvollen historischen Roman basierend auf wahren Begebenheiten vor. Der flüssige, berührende und farbintensive Erzählstil lässt den Leser in das erste Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts reisen, um dort Laura und das Schicksal ihrer Familie sowie vieler anderer Kinder kennenzulernen. Empathisch, aber auch unterhaltsam, schildert die Autorin dem Leser, dass im damaligen England Waisenkinder nach Kanada verschickt wurden, um dort Aufnahme in neuen Familien zu finden. Mal fanden sie dort wirklich Familienanschluss, doch viele von ihnen wurden auch misshandelt oder als billige Arbeitskräfte ausgebeutet. Viel schlimmer jedoch mutet die Tatsache an, dass Kinder aus Familien verschickt wurden, die ein liebevolles Zuhause besaßen und deren Familie gerade in einer finanziellen oder krankheitsbedingten Notlage waren, ohne die Eltern zu informieren und so auseinanderzureißen, ganz zu schweigen davon, dass die leiblichen Eltern kaum Möglichkeiten hatten, ihre Kinder zurückzubekommen. Dies ist auch Tatbestand in dieser Geschichte und lässt beim Leser neben einer Achterbahn der Gefühle auch Fassungslosigkeit aufkommen. Fürsorgepflicht des Staates ist gut und richtig, sollte aber so stattfinden, dass Familien die Chance haben, wieder zusammenzufinden, wenn sich die Umstände geändert haben. Der christliche Aspekt spielt in diesem Buch ebenfalls eine Rolle, die nach Beistand suchenden kleinen Gebete der Protagonisten sowie das Vertrauen in Gott sind sehr schön den jeweiligen Situationen angepasst. Am Ende fügt sich einiges zusammen, schade nur, dass man nicht erfährt, was aus Gracie geworden ist.
Lebendige Charaktere mit glaubhaft menschlichen Zügen nehmen den Leser schnell für sich ein und lassen ihn hautnah an den einzelnen Schicksalen teilhaben. Laura ist eine fürsorgliche und liebevolle Frau, die manchmal nicht unbedingt die richtigen Mittel wählt, um ans Ziel zu kommen, jedoch aus hehren Motiven handelt. Sie behält ihr Ziel im Auge, lässt sich nicht entmutigen und zeigt viel Liebe für ihre Familie. Kathie ist zwar ein Teenager, doch wirkt sie in vielem schon sehr erwachsen. Ihr Schicksal geht einem richtig zu Herzen, während ihr Zwillingsbruder mehr Glück hatte und schon die kurze Aufenthaltsspanne ihn wie einen Mann wirken lassen. Andrew ist ein ehrlicher und empathischer Mann, der sich dem Recht verschrieben hat, ebenso sein Partner Henry Doubt. Und Rose wird Laura eine herzlich zugeneigte Freundin.
„Weiter als der Ozean“ ist historisch aufbereitetes Zeitzeugnis anhand von wahren Begebenheiten und einem ergreifenden Familienschicksal, wobei auch die Liebe nicht zu kurz kommt. Trotz schwierigem Thema besticht die Geschichte durch ihre leichte Erzählweise. Wirklich empfehlenswerte Lektüre!

Veröffentlicht am 23.01.2021

Billie Walkers erster Fall

Die Jägerin
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1946 Sydney. Nach Kriegsende führt die Journalistin Billie Walker gemeinsam mit ihrem Assistenten Sam die Privatdetektivagentur ihres verstorbenen Vaters weiter. Noch mangelt es an zahlungskräftigen Kunden, ...

1946 Sydney. Nach Kriegsende führt die Journalistin Billie Walker gemeinsam mit ihrem Assistenten Sam die Privatdetektivagentur ihres verstorbenen Vaters weiter. Noch mangelt es an zahlungskräftigen Kunden, denn die wirtschaftliche Lage hat sich noch nicht erholt, aber der Auftrag einer aus Deutschland geflüchteten, wohlhabenden Frau erregt ihre Aufmerksamkeit. Mrs. Brown vermisst ihren 17-jährigen Sohn Adin, der seit 2 Tagen wie vom Erdboden verschluckt ist. Billie kommen die Aussagen der verstörten Mutter irgendwie suspekt vor, ihre Neugier ist geweckt. So macht sie sich mit Sam daran, Adin aufzuspüren, doch je mehr sie den Spuren folgen und Hinweisen nachgehen, umso merkwürdiger wird der Fall. Schon bald erregt ihre Suche Aufmerksamkeit und bringt sie in Gefahr…
Tara Moss hat mit „Die Jägerin“ einen sehr unterhaltsamen historisch angehauchten Kriminalroman vorgelegt, der nicht nur für Spannung sorgt, sondern auch einiges an Informationen zur australischen Gesellschaft und Kultur beiträgt. Der locker-flüssige und bildhafte Erzählstil nimmt den Leser sofort für sich ein und lässt ihn eine Zeitreise antreten, um sich in der Nachkriegszeit am anderen Ende der Welt wiederzufinden und sich einen Platz in Billies Privatdetektei zu ergattern, um ihr bei den Ermittlungen über die Schulter zu sehen. Über die Lebensumstände in Australien nach dem Krieg setzt die Autorin den Leser ebenso gut ins Bild wie über die Ureinwohner des Kontinents, die aufgrund von Regierungserlassen ihrer Kinder beraubt wurden, damit diese nicht nur in einer ihnen unbekannten Religion unterwiesen werden sollten, sondern auch als preiswerte Arbeitskräfte missbraucht wurden, um die die Wirtschaft wieder auf Vordermann zu bringen. Auch die Ermittlungsarbeit von Billie Walker ist recht unkonventionell, tritt sie doch nach außen eher wie eine wohlhabende Femme fatal auf und blendet damit ihr Umfeld, während ihr messerscharfer Verstand jede Einzelheit registriert und ihre feuerroten Lippen so manchen zu Auskünften verleiten, die sie gebrauchen kann. Ihre Zusammenarbeit mit Sam, der Aborigine Shyla und Detective Hank Cooper ist interessant gestrickt und lässt aus dem ursprünglichen Suchauftrag noch einen zweiten entspringen, nämlich Shyla zu helfen. Die beiden parallel laufenden Fälle pushen die Spannung immer weiter in die Höhe, wobei auch die teils doch sehr zwielichtigen Gesellen beitragen, die sich in der Nachkriegszeit zu Hauf tummeln, um andere auszunehmen und sich zu bereichern.
Ihre Charaktere hat Moss gut ausgestaltet in Szene gesetzt, der damaligen Zeit angepasst und mit glaubwürdigen Eigenschaften versehen. Es macht Spaß, ihnen als Leser bei den Ermittlungen zu folgen und der Auflösung entgegenzufiebern. Billie ist eine selbstbewusste, attraktive Frau mit Sinn für Mode und Esprit. Sie becirct die Männer mit ihrem Charme, doch kann sie auch knallhart und unbeugsam sein, vor allem aber hat sie eine gute Spürnase und lässt sich so schnell nichts vormachen. Sam ist Billie ergeben und ihr eine große Hilfe bei ihrer Spurensuche. Shyla entstammt den Aborigines und musste schon so einiges ertragen. Sie fungiert als Billies Informantin, ist jedoch selbst auf der Suche. Hank Cooper ist ein intelligenter Polizist, der sich Billies Charme nur schwer entziehen kann.
„Die Jägerin“ überzeugt mit einem interessanten und spannungsgeladenen Plot, während er gleichzeitig einiges an gesellschaftlichen und historischen Details Australiens liefert. Fesselnder Erzählstil lässt die Seiten durch die Finger rinnen, während man auf das Ende zurast. Sehr empfehlenswert!

Veröffentlicht am 23.01.2021

Der Liebesknoten

Das Glück kommt per Express
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1895 Texas. Die 18-jährige Claire Nevin ist in der von Emma gegründeten Frauengemeinschaft in Harpers Station gestrandet und kümmert sich dort fürsorglich um die Schwachen und Kranken. Ein Brief ihrer ...

1895 Texas. Die 18-jährige Claire Nevin ist in der von Emma gegründeten Frauengemeinschaft in Harpers Station gestrandet und kümmert sich dort fürsorglich um die Schwachen und Kranken. Ein Brief ihrer Schwester Polly versetzt sie in Alarmbereitschaft, denn diese kündigt ihr eine Sendung an, die Claire hüten soll wie einen Schatz. Als Claire sich am Bahnhof einfindet, um die Sendung in Empfang zu nehmen, traut sie ihren Augen kaum, denn der Überbringer ist ihre ehemals große Liebe Pieter van Duren, der sie so sehr verletzt hat und sie veranlasst hat, ihre Heimat Hals über Kopf zu verlassen. Und die Sendung entpuppt sich als eine große Verantwortung, die Claire für ihre Schwester übernehmen soll. Claire weiß gar nicht, wie ihr geschieht, denn nicht nur Pieter bringt ihr Herz zum Rasen, sondern auch ihr Leben steht auf einmal Kopf…
Karen Witemeyer hat mit „Das Glück kommt per Express“ einen wunderschönen historischen Kurzroman vorgelegt, der sich an ihr Buch „Selbst ist die Frau!“ anlehnt und mit viel Romantik zu unterhalten weiß. Der flüssige, farbenprächtige und anrührende Erzählstil lässt den Leser ans Ende des 19. Jahrhunderts reisen, wo er sich in einer von hauptsächlich Frauen geführten Kleinstadt im tiefsten Texas wiederfindet und Claire kennenlernt, die dort ein neues Zuhause gefunden hat, nachdem sie nicht nur von ihrer Jugendliebe bitter enttäuscht wurde, sondern auch großes Pech mit ihrem Katalogehemann hatte, den sie aus Trotz heiraten wollte. Der Brief ihrer Schwester und die überraschende Sendung nebst Überbringer lassen viele Erinnerungen bei Claire an die Oberfläche kommen, der Leser erfährt, was in ihrer Vergangenheit passiert und warum sie letztendlich in Harpers Station gelandet ist. Die Gemeinschaft der Frauen ist besonders, denn hier wird jeder gleich behandelt und findet Zuflucht vor misshandelnden Ehemännern oder Ausgrenzung. Die Rolle der Frau zur damaligen Zeit als „nur Ehefrau und Mutter“ ist hier außer Kraft gesetzt. Besonders schön und unaufdringlich ist in dieser Geschichte der christliche Gedanke eingearbeitet, der sich nicht nur in Claires handwerklichen Tätigkeiten zeigt, sondern auch immer wieder hervorhebt, wie wichtig Vertrauen ist.
Die Charaktere sind liebevoll und lebendig in Szene gesetzt und überzeugen mit authentischen menschlichen Ecken und Kanten. Schnell hat der Leser sich an Claires Fersen geheftet, fühlt sich ihr sehr nah und kann ihre Gedanken- und Gefühlswelt gut nachvollziehen. Als irische Einwanderin besitzt Claire nicht nur einen Rotschopf, sondern auch dessen Temperament. Sie ist hilfsbereit, fürsorglich und ehrlich, aber auch ein absoluter Sturkopf, der es seinem Gegner nicht leicht macht. Enttäuschungen hat sie in ihrem Herzen verschlossen, doch um ihr Vertrauen zu gewinnen, muss man den Beweis antreten, dass man dessen würdig ist. Pieter van Duren ist ein fleißiger und sparsamer Mann, der sich endlich ein eigenes Geschäft aufbauen will und dazu vorher unbedingt die Frau seiner Träume zurückgewinnen will. Er ist zwar wortkarg und zurückhaltend, dafür aber selbstlos, liebevoll und empathisch. Zusätzliche Unterhaltung gibt es durch das Auftauchen von Emma, Malachi, Grace und viele weitere Bewohner von Harpers Station.
Obwohl nur 144 Seiten stark, überzeugt „Das Glück kommt per Express“ durch eine wunderschön erzählte Liebesgeschichte mit viel Romantik. Freundschaft und Vertrauen sowie Familiensinn spielen ebenfalls eine große Rolle. Das Kopfkino springt sofort an und lässt einen die Seiten nicht aus der Hand legen. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 17.01.2021

"Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart." (R. v. Weizsäcker)

Die Ankündigung
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Die FBI-Verhaltensanalytikerin Kaely Quinn hat sich durch eine Namensänderung eine neue Identität aufgebaut, um ein Inkognito-Leben zu führen und davon abzulenken, dass ihr Vater ein Serienmörder ist. ...

Die FBI-Verhaltensanalytikerin Kaely Quinn hat sich durch eine Namensänderung eine neue Identität aufgebaut, um ein Inkognito-Leben zu führen und davon abzulenken, dass ihr Vater ein Serienmörder ist. Die Erinnerungen der Vergangenheit nehmen sie durch ihre Alpträume immer noch gefangen, doch durch ihre Arbeit versucht sie, einen eigenen Eindruck beim FBI zu hinterlassen. Doch dann wird ihr mühsam errichtetes Kartenhaus durch ein Gedicht erschüttert, in dem ein Unbekannter nicht nur ihren Mord ankündigt, sondern auch den von sechs weiteren Personen. Neben der unterschwelligen Angst, die sich in Kaely breit macht, versucht sie mit ihrem Kollegen Noah Hunter, dem anonymen Täter rechtzeitig auf die Spur zu kommen…
Nancy Mehl hat mit „Die Ankündigung“ einen außerordentlich spannenden Thriller vorgelegt, der den Leser von Beginn an zu fesseln weiß. Der flüssige und bildhafte Erzählstil der Autorin bringt den Leser schon mit einem ungewöhnlichen Prolog mitten hinein ins Geschehen, wo er zuallererst den anonymen Täter kennenlernt, der die Protagonisten in Atem halten wird. Man klebt regelrecht an den Seiten und an den Fersen von Kealy und Hunter, um nur bloß keine Entwicklung zu verpassen. Schon der Lebenslauf der Hauptprotagonistin Kealy ist ungewöhnlich und herausfordernd zugleich, denn die Tatsache, dass sie die Tochter eines Serienmörders ist, macht es ihr nicht gerade leicht, sich innerhalb der Institution zu behaupten, für die sie arbeitet. Sie steht allein und muss doppelt so viel leisten, um eine einigermaßen stabile Position zu erreichen, in der sie Kollegen ernst nehmen und ihr Vertrauen entgegenbringen. Ihre Herangehensweise als Verhaltensanalytikerin ist zugleich unorthodox und ungewöhnlich, aber durchaus nachvollziehbar und führt zu verblüffenden Ergebnissen. Die Autorin lässt mit immer neuen Wendungen die Spannung stetig steigen und stellt den Leser vor die Herausforderung, die Situation ständig neu zu überdenken, denn die Palette der Verdächtigen ist vielfältig. Die Handlung ist zu keiner Zeit vorhersehbar und verblüfft auch am Ende bei der Entlarvung des Täters. Der in die Geschichte eingewebte christliche Aspekt ist unaufdringlich und passt gut in die jeweilige Situation. Es geht um Vergebung und das tiefe Vertrauen, Gott an seiner Seite zu haben.
Interessant gestaltete Charaktere mit realistischen menschlichen Ecken und Kanten machen es dem Leser leicht, sich ihnen bei den Ermittlungen anzuschließen und als unsichtbarer Dritter alles hautnah mitzuverfolgen. Kaely ist eine eher zurückhaltende Frau mit einem schicksalsträchtigen Familienhintergrund, der sie zwingt, ihre eigene Identität zu leugnen. Sie hält sich lieber im Hintergrund, jedoch zeigt sie im Job ihre Intelligenz und ein besonderes Einfühlungsvermögen. Ihre Außenseiterposition lässt sie einem schnell besonders ans Herz wachsen. Noah Hunter wirkt im ersten Moment wie ein arroganter und misstrauischer Kerl, doch entwickelt er sich im Verlauf immer mehr zu einem echten Partner für Kaely. Während Kaely mehr ihrer Intuition folgt, ist Hunter der Logiker, um Zusammenspiel machen die beiden eine gute Figur. Auch die übrigen Protagonisten spielen ihre Parts durchweg gelungen, einige führen den Leser gekonnt an der Nase herum.
„Die Ankündigung“ ist ein sehr fesselnder, unterhaltsamer Thriller, der nach den ersten Seiten regelrecht eine Sogwirkung entfaltet, so dass das Buch kaum aus der Hand zu legen ist. Eine intelligent konstruierte Handlung lässt den Leser zum Teil des Ermittlungsteams werden und überrascht mit einem nicht vorhersehbaren Ausgang. Absolute Leseempfehlung für spannende Lesestunden!

Veröffentlicht am 17.01.2021

„Eifersucht ist die Angst vor dem Vergleich.“ (Max Frisch)

Die perfekte Freundin
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Früher waren Jillian und Weston ein Liebespaar, doch nun sind sie nur noch enge gute Freunde, die öfter ein gemeinsam ein Tennisspeil bestreiten und sich seit über 25 Jahren in und auswendig kennen. In ...

Früher waren Jillian und Weston ein Liebespaar, doch nun sind sie nur noch enge gute Freunde, die öfter ein gemeinsam ein Tennisspeil bestreiten und sich seit über 25 Jahren in und auswendig kennen. In Paige hat Weston seine vermeintliche große Liebe getroffen und bald sollen die Hochzeitsglocken läuten. Doch bevor es soweit kommt, setzt ihm Paige die Pistole auf die Brust, denn Jillian ist ihr ein Dorn im Auge. So verlangt Paige von Weston, Jillian in die Wüste zu schicken und sich fortan von ihr fern zu halten. Weston trifft diese Forderung empfindlich, alles in ihm sträubt sich dagegen, seine Freundschaft zu Jillian aufzugeben. Wem gehört sein Herz wirklich und wird er sich unter Druck tatsächlich um eine enge Freundschaft bringen, damit Paige ihre vermeintliche Rivalin endlich los ist?
Lionel Shriver hat mit „Die perfekte Freundin“ einen sehr unterhaltsamen sowie kontroversen Kurzroman vorgelegt, der die unterschiedlichen Ansichten beleuchtet und den Leser aufgrund der Handlung ins Grübeln bringt, hat man die eine oder andere Reaktion schon selbst oft genug im Umfeld beobachten können. Der flüssige und mit Humor gewürzte Erzählstil laviert den Leser mitten hinein in ein Personendreieck, deren interessante zwischenmenschliche Konstellation schon für ein Augenbrauenlifting und während der Lektüre für einige Mutmaßungen bezüglich des Ausgangs der Geschichte sorgt. Über wechselnde Perspektiven lernt der Leser jeden einzelnen kennen, wobei er sich nach und nach selbst ein Urteil über ihre unterschiedlichen Motive bildet. Shriver beweist wieder einmal ein geschicktes Händchen in der Darstellung ihrer Charaktere, die nie schwarz oder weiß sind, sondern durchaus jede nur mögliche Schattierung aufweisen, die den Leser mal in die eine Richtung mal in die andere driften lassen, weil man die jeweilige Sicht der Dinge ebenfalls nachvollziehen kann. Irgendwann allerdings kommt der Zeitpunkt, wo sich nicht nur der Leser entscheiden muss, auf welcher Seite er steht und dementsprechend ist man mit dem Ausgang der Geschichte dann zufrieden oder auch nicht.
Die Charaktere sind sehr gut nuanciert und bestehen durch ihre typisch menschlichen Eigenschaften mit Authentizität und Glaubwürdigkeit. Jillian ist eine lebensbejahende Mittvierzigerin, die neben ihrem guten Aussehen und ihrer offenen, ungezwungenen Art vielseitig interessiert ist. Das trägt ihr den Neid aller Frauen in ihrem Umfeld ein, die am liebsten ebenso wären wie sie, aber nicht aus ihrer Haut können. Da fällt es leichter, Frauen wie Jillian abfällig zu beurteilen und sich herauszunehmen, die rote Karte zu zeigen. Paige fällt leider unter diese Kategorie, denn sie münzt ihre Kleingeistigkeit und ihre Eifersucht als Druckmittel um und bringt Weston in eine Lage, in der er nur verlieren kann, nämlich entweder seine beste Freundin oder seine zukünftige Ehefrau. Das ist nicht nur äußerst kleingeistig, sondern auch ein Zeichen dafür, dass Paige sich Westons Liebe wohl doch nicht sicher ist. Weston versteht nicht, warum er sich entscheiden soll, er hat doch klar gemacht, wen er heiraten will. Die Forderung an ihn, sich zwischen den beiden Menschen zu entscheiden, die ihm am wichtigsten sind, ist unangebracht und sorgt früher oder später für einen Bruch.
„Die perfekte Freundin“ ist eine intelligente, tiefgründige Geschichte, die durchgängig fesselt und das Gehirn auf Hochtouren laufen lässt. Toll gemacht, absolut zu empfehlen!