Profilbild von Dreamworx

Dreamworx

Lesejury Star
offline

Dreamworx ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Dreamworx über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.04.2020

Wenn die Vergangenheit einen einholt

Die Seebadvilla
0

1992 München. Als Caroline ihrer Mutter Henriette „Henni“ Faber beim den Vorbereitungen zu einem Umzug hilft, findet sie beim Stöbern neben einem alten Foto auch ein Anwaltsschreiben, indem es um die Rückübertragung ...

1992 München. Als Caroline ihrer Mutter Henriette „Henni“ Faber beim den Vorbereitungen zu einem Umzug hilft, findet sie beim Stöbern neben einem alten Foto auch ein Anwaltsschreiben, indem es um die Rückübertragung einer alten Usedomer Villa geht. Caroline hat noch nie etwas davon gehört, aber als sie Henni darauf anspricht, macht diese dicht und lässt nicht mit sich reden. Carolines Neugier treibt sie erst zu ihrer dementen Großmutter Grete nach Berlin und dann nach Usedom, um das Geheimnis zu lüften…
1952 Ahlbeck. Grete betreibt mit Hilfe ihrer Töchter Lisbeth und Henni eine kleine Pension, die ihnen ihr Auskommen sichert. Sie wehrt sich gegen die Enteignung und Verstaatlichung ihres familiengeführten Hauses durch das DDR-Regime und sieht sich tagtäglich Anfeindungen und Repressalien ausgesetzt, die immer schlimmer werden…
Kathleen Freitag hat mit „Die Seebadvilla“ einen unterhaltsamen und berührenden Roman vorgelegt, der neben einer schön gestrickten Geschichte über zwei Zeitebenen auch eine wunderbare historische Hintergrundrecherche offenbart, die der Handlung viel Authentizität verleiht. Der flüssige und bildgewaltige Schreibstil der Autorin veranlasst Leser von Beginn an ein tolles Kopfkino, so sieht er nicht nur das wunderschöne Usedom vor sich, spürt die Seeluft auf der Haut, während der Sand unter den Füssen knirscht, sondern darf auch gemeinsam mit Caroline ein altes Familiengeheimnis aufdecken, indem er sich mit ihr daran macht, die Vergangenheit wieder aufzurollen. Bei der historischen Recherche für ihren Roman hat die Autorin gute Arbeit geleistet, der Leser erfährt über die erbarmungslosen Methoden der DDR-Regierung, um Menschen zu drangsalieren, die nur ihr eigen Hab und Gut schützen und in der Familie halten wollten. Dabei offenbart sich auch, wer linientreu und gleichzeitig neidisch auf seine Mitmenschen und Nachbarn ist, die sich bisher erfolgreich zur Wehr setzten. Wechselnde Perspektiven, die mal die Gegenwart und mal die Vergangenheit wiederspiegeln, steigern die Spannung und lassen trotzdem jede Menge Gefühle im Leser aufsteigen, die ihn den Protagonisten sehr nahe bringen.
Die Charaktere sind sehr lebendig und realistisch in Szene gesetzt, so dass der Leser ihnen aufgrund ihrer Glaubwürdigkeit nur zu gerne durch die Handlung folgt und mit ihnen so einiges durchsteht. Caroline ist eine hilfsbereite, offene und freundliche Frau, die mit einer gesunden Neugier ausgestattet ist und sich nicht so schnell von ihrem Vorhaben abbringen lässt, den Dingen auf den Grund zu gehen. Henriette (Henni) hat zu viel erlebt und die Dinge in ihrem Herzen begraben, um nach vorn sehen zu können. Doch die Vergangenheit holte einen immer wieder ein, damit man sich ihr endlich stellt und darin Frieden findet. Grete ist zwar dement, doch in ihren lichten Momenten kommen die Erinnerungen wieder, dann gelingt ihr der Blick zurück. Aber auch Lisbeth spielt eine wichtige Rolle in der Geschichte, die rundum sehr gelungen ist.
„Die Seebadvilla“ ist ein unterhaltsamer Roman mit Tiefgang, der die deutsch-deutsche Geschichte wieder sehr präsent werden lässt. Ein einfühlsamer und fesselnder Erzählstil sowie eine geschickt verpackte Handlung über zwei Zeitebenen schenken dem Leser eine schöne Auszeit und einen Ausflug in die Vergangenheit. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 05.04.2020

Dramatische Zeiten

Gut Greifenau - Goldsturm
0

Die Nachwirkungen des Ersten Weltkriegs, die Folgen der Misswirtschaft sowie die Hyperinflation sind im ganzen Land zu spüren, auch das Pommersche Gut Greifenau bleibt davon nicht verschont. Rebecca und ...

Die Nachwirkungen des Ersten Weltkriegs, die Folgen der Misswirtschaft sowie die Hyperinflation sind im ganzen Land zu spüren, auch das Pommersche Gut Greifenau bleibt davon nicht verschont. Rebecca und ihr Ehemann Konstantin haben alle Hände voll zu tun, um sich und ihre Lieben durch diese unsicheren Zeiten zu bringen und stehen immer mit einem Bein am finanziellen Abgrund, was sie mit Julius‘ Hilfe immer wieder kurzfristig durch Landverkäufe abwenden können. Gleichzeitig ist ein Erbe nötig, um das Gut in der Familie zu halten, doch die eigene Verwandtschaft stellt sich als besonders intrigant heraus, will sie dies doch unbedingt verhindern. Währenddessen lebt Katharina mit Julius Urban recht komfortabel, doch Katharina hat ihren Traum von einem Medizinstudium noch nicht aufgegeben, auch wenn sie bald Mutter wird…
Hanna Caspian hat die Gebete ihrer Leserschaft erhört und mit „Goldsturm“ den vierten Band ihrer historischen Gut Greifenau-Reihe vorgelegt, der in punkto Spannung, Drama und Familienintrigen den drei Vorgänger das Wasser reichen kann und den Leser wieder in das vergangene Jahrhundert entführt, der sich sofort wieder gern als alter Bekannter unter die Familie und Dienstboten mischt, um den weiteren Verlauf hautnah mitzuerleben. Es ist geradezu wie ein „Nachhause kommen“, denn die Charaktere sind einem inzwischen ans Herz gewachsen und so teilt man ihre Sorgen und Nöte mit ihnen und verfolgt, wie sie angesichts schwerer Zeiten zurechtkommen. Die Autorin lässt mit ihrem flüssigen, bildhaften und fesselnden Schreibstil wieder wunderbar das Kopfkino des Lesers anspringen, so erlebt er die harten und entbehrungsreichen Zeiten auf dem Gut mit, ist bei so mancher Intrige dabei und sieht die verzweifelten Versuche der Bewohner, diese schwierigen Zeiten irgendwie durchzustehen. Das außerordentliche Geschick der Autorin, ihre fiktiven Geschichte mit sehr guter historischer Hintergrundrecherche zu bereichern, macht den Roman geradezu prädestiniert für Geschichtsstunden, denn die eingebrachten Informationen wie z.B. über die Hyperinflation und deren Folgen sind sehr lehrreich. Der Spannungsbogen ist auch in diesem Roman wieder bis aufs Äußerste gedehnt, der Leser fiebert mit jeder Zeile mit und kann das Buch nicht aus der Hand legen.
Die liebevoll lebendig erschaffenen Charaktere haben einen weiteren Entwicklungssprung hinter sich, bleiben dabei sehr authentisch und glaubwürdig, so fällt es dem Leser nicht schwer, an ihrer Seite zu kleben, um mit ihnen gemeinsam die schwere Zeit mitzuerleben und zu –leiden. Rebecca ist an ihren Aufgaben gewachsen, lässt sich nicht mehr so schnell einschüchtern und gibt auch mal Paroli. Sie bildet mit Konstantin eine Einheit, die sich gerade in schweren Zeiten bewährt. Ihre Stärke, Schicksalsschläge einzustecken, ist bewundernswert. Katharina hat eigentlich ein sorgenloses Leben, denn Julius bietet ihr alles auf einem Silbertablett. Doch ihren größten Wunsch will er nicht unterstützen und bringt ihre Ehe damit in Gefahr. Feodora ist eine Hexe, die sich nur wohlfühlt, wenn sie andere gegeneinander ausspielen kann und reibt sich am Ende die Hände, wenn es geklappt hat. Aber auch Albert, Ida, Frau Schott, Alexander oder Caspar sind unverzichtbar in dieser Geschichte und drücken der Handlung ihren besonderen Stempel auf.
Mit „Goldsturm“ hat Hanna Caspian einmal mehr bewiesen, welches Erzähltalent sie besitzt, um ihre Leser in den Bann zu schlagen. Das besondere dieser Reihe ist nicht nur der historische Hintergrund und die Geschichte an sich, vor allem sind es die lebendigen Protagonisten, die einem ans Herz gewachsen sind und mit denen man das Leben teilt. Wieder einmal perfekt in Szene gesetzt und mit einer absoluten Leseempfehlung ausgestattet! Chapeau – besser geht es nicht!

Veröffentlicht am 04.04.2020

Unruhige Zeiten

Das Savoy - Schicksal einer Familie
0

1936 London. 4 Jahre steht Violet Mason dem Savoy Hotel nun vor, nachdem sie es von ihrem Großvater Sir Laurence Wilder übernommen hat, der die Leitung nach einem Schlaganfall an sie übergeben hat. Gemeinsam ...

1936 London. 4 Jahre steht Violet Mason dem Savoy Hotel nun vor, nachdem sie es von ihrem Großvater Sir Laurence Wilder übernommen hat, der die Leitung nach einem Schlaganfall an sie übergeben hat. Gemeinsam mit ihrer Schwägerin Judy und dem Personal versucht sie, es ihren Gästen so angenehm wie möglich zu machen, doch das Hotel ist in die Jahre gekommen und müsste von Grund auf renoviert werden. Das alles lenkt Violet aber nicht vom Selbstmord ihres Verlobten John ab, für dessen Tod vor 4 Jahren sie sich immer noch verantwortlich fühlt. Die Begegnung mit dem charismatischen Franzosen Omar, der als Gast im Savoy weilt, erweckt Violet wieder zum Leben. Seine Einladung zu den Olympischen Spielen nimmt sie gern an und reist mit ihm nach Berlin. Dort kreuzt ihr alter BBC-Chef Max ihren Weg, der sie über die politische Lage in Deutschland aufklärt, was Violet erschauern lässt. Schon bald verändert sich nur Violets Leben, sondern auch dem Hotel Savoy steht so einiges bevor…
Maxim Wahl hat mit „Das Savoy-Schicksal einer Familie“ den zweiten Band seiner historischen Hotel-Reihe um die berühmte Londoner Luxusherberge vorgelegt. Da der Autor gekonnt die Ereignisse aus dem Vorgänger in die Handlung mit einfließen lässt, kann man das Buch auch ohne Vorkenntnisse lesen. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft, so dass sich der Leser schnell gedanklich zeitlich knapp 84 Jahre zurück in das Luxushotel hineinbeamen kann, wo er einen Blick durchs Schlüsselloch wirft und sowohl Violet und ihren Familienangehörigen als auch dem Dienstbotenpersonal bei ihrem Treiben verfolgt. Die detaillierten Beschreibungen des traditionsbehafteten Hotels sind so farbenfroh, dass man als Leser das Gefühl hat, selbst durch die Räumlichkeiten zu wandeln. Nicht nur die zwischenmenschlichen Begegnungen und familiären Beziehungen lässt der Autor vor dem inneren Auge des Lesers vorbeiziehen, auch ein gut inszenierter Mordfall im Hotel sorgt für einige spannende Momente. Der historische Hintergrund wird ebenfalls gut mit der Geschichte verwoben, die Nazis haben die Macht in Deutschland an sich gerissen, die allgemeine politische Unruhe ist schon spürbar und die Welt nicht mehr weit vom Zweiten Weltkrieg entfernt.
Die Charaktere haben gegenüber Band 1 weiterentwickelt, wirken lebendiger und glaubwürdiger, so fällt es dem Leser leicht, sich ihnen anzuschließen. Violet wirkt nach außen sehr selbstbewusst und stark, hat ihre Augen überall und weiß ihr Personal zu führen. Hinter der Fassade jedoch kommen ihre Schuldgefühle und ihre Unsicherheit hervor, die sie einiges an Kraft kosten. Manchmal wünscht sie sich ihren Job beim Radio zurück, denn die Verantwortung für das große Hotel, aber auch für die Pflege ihres Großvaters beanspruchen sie enorm. Omar ist ein attraktiver charmanter Mann, der weiß, wie man die Aufmerksamkeit einer Frau erregen kann. Er ist weltmännisch, dabei freundlich und einfühlsam. Judy ist eine fleißige und aufmerksame Frau, der nichts entgeht und die das Personal mit unsichtbarer Hand zu führen weiß. Aber auch Nebendarsteller wie Laurence und Max sorgen mit ihren Auftritten für eine abwechslungsreiche Geschichte.
„Das Savoy-Schicksal einer Familie“ ist eine gelungene und unterhaltsame Fortsetzung der Savoy-Saga, die nicht nur durch gute historische Hintergrundrecherche, sondern auch mit einigen Spannungsmomenten und dem außerordentlichen und bunten Flair des luxuriösen Traditionshauses glänzen kann. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 04.04.2020

Der Puderkrieg

Rouge
0

Die junge Jüdin Josiah Herzenstein kommt als junge Frau von Polen per Schiff nach Australien, um bei ihren Verwandten in Sicherheit zu sein. Sie hat hochfliegende Pläne und möchte einmal ein eigenes Schönheitsunternehmen ...

Die junge Jüdin Josiah Herzenstein kommt als junge Frau von Polen per Schiff nach Australien, um bei ihren Verwandten in Sicherheit zu sein. Sie hat hochfliegende Pläne und möchte einmal ein eigenes Schönheitsunternehmen leiten. Schon bald setzt sie ihre Ideen in die Tat um und verkauft eigens angerührte Cremes mit großem Erfolg. Die Heirat mit einem amerikanischen Journalisten führt sie von Australien erst nach London und dann nach New York, wo sie ihren Namen in Josephine Herz ändert und ihr Kosmetikunternehmen immer mehr wächst. Ihre größte Konkurrentin ist die Kanadierin Constance Gardiner, die mit ihren Schönheitsprodukten ebenfalls den Weltmarkt erobern will. Die beiden Frauen wetteifern umeinander, indem sie immer wieder neue Produkte entwickeln und als erste auf den Markt bringen wollen. Constance‘ Geheimwaffe ist die junge CeeCee, die mit Ideenreichtum gesegnet ist. Als Constance eines Tages CeeCee eine ihrer Ideen klaut und sie auch noch vor den Kopf stößt, bewirbt sich CeeCee bei Josephine und vergrößert mit deren Hilfe das Herz-Imperium, während CeeCee auch ihre eigene Schönheitsmarke unter die Frauen bringt. Der Konkurrenzkampf zwischen Josephine und Constance wird immer härter….
Richard Kirshenbaum hat mit „Rouge-Rivalinnen der Schönheit“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der zwar fiktiv ist, dennoch starke biografische Parallelen der Lebensläufe von Helena Rubinstein und Elizabeth Arden aufweist, die jahrelang miteinander den berühmten „Puderkrieg“ miteinander führten. Der flüssige und bildhafte Schreibstil sowie wechselnde Perspektiven geben dem Leser die Möglichkeit, schnell in der Geschichte zu versinken, um den Frauen beim Aufbau ihrer Imperien und auch in ihrem bunten Privatleben zuzusehen. Der Autor erzählt seine Geschichte abwechselnd mal aus der Sicht von Josiah/Josephine, Constance und CeeCee und deckt mit ihnen einen Zeitraum von 1922 bis 1950 ab. Der Rahmen der Geschichte wird durch die Erzählungen von Josephines Butler Bobby de Vries abgebildet und erstreckt sich 1983 bis 1993. Interessant zu verfolgen sind die Verfolgung der einzelnen Produktideen der Hauptakteurinnen sowie die unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, die sie mit ihren Marken ansprechen wollten. Der Autor lässt auch den historischen Hintergrund gut in seine Geschichte hineinfließen und zeigt auf, dass auch in den USA der Antisemitismus stark ausgeprägt war. Zudem wurden berufstätige Frauen schon damals eher schräg angesehen und als Unternehmensführerinnen erst einmal nicht besonders ernst genommen. Das Thema Homosexualität spielt in dieser Geschichte ebenfalls eine große Rolle, die zu jenen Zeiten in Amerika strafbar und ein Tabuthema war.
Die Charaktere sind gut in Szene gesetzt und wirken neben ihrer Lebendigkeit auch glaubwürdig. Sie strahlen zwar nicht gerade Wärme und Sympathie aus, dennoch folgt der Leser ihrem Treiben gern und lässt sich mitnehmen in die Welt der Schönheit. Josiah ist schon als junge Frau extrem ehrgeizig und einfallsreich. Sie arbeitet hart und verlangt von anderen unbarmherzig das gleiche. Oftmals wirkt sie wie ein General, der seine Kommandos abfeuert, doch gegen die Vorbehalte gegen sie als Jüdin und als Geschäftsfrau wappnet sie sich und erwirbt sich damit auch stetig immer mehr Respekt. Constance steht der Ehrgeiz ebenfalls auf die Stirn geschrieben. Allerdings kämpft sie oft mit unlauteren Mitteln, sie stiehlt die Ideen anderer, um sich zu bereichern und muss sich gleichzeitig darauf konzentrieren, dass ihr privates Geheimnis nicht ans Licht kommt. Als Mulattin hat CeeCee es besonders schwer, sich in der Geschäftswelt zu behaupten. Dennoch gibt sie nie auf und durch ihren scharfen Verstand erblickt so manche Innovation das Licht. Ebenfalls erwähnenswert sind Mickey, Alexej, Van Wyke, Lally oder James, um nur einige der Weggefährten der drei Frauen zu nennen, denen wichtige Rollen zukommen.
„Rouge-Rivalinnen der Schönheit“ ist ein unterhaltsamer Roman über den „Puderkrieg“, der jahrelang zwischen zwei Gründerinnen von Schönheitsimperien herrschte, der aber auch ihr Privatleben auf interessante Weise beleuchtet. Kurzweilige Lektüre, die eine Empfehlung verdient!

Veröffentlicht am 04.04.2020

Wie ein Licht in dunkler Nacht

Der Leuchtturm von Hope Harbor
1

Seine schönsten Kindheitssommer hat der Militärarzt Ben Garrison bei seinem Großvater Skip in Hope Harbor verbracht und ihn sowohl auf seinem Boot als auch zu Spaziergängen am Leuchtturm begleitet. Nun ...

Seine schönsten Kindheitssommer hat der Militärarzt Ben Garrison bei seinem Großvater Skip in Hope Harbor verbracht und ihn sowohl auf seinem Boot als auch zu Spaziergängen am Leuchtturm begleitet. Nun ist Skip tot und Ben kehrt nach langer Zeit in den kleinen Küstenort zurück, um den Nachlass zu regeln. Dazu gehört zu Bens großer Überraschung auch der Leuchtturm, den Skip vor einigen Jahren von der Stadt gekauft hat. Ben, der dem Militärdienst den Rücken gekehrt hat, will alles so schnell wie möglich abwickeln und verkaufen, um sich dann auf den Weg nach Ohio zu machen, wo er die Aussicht auf eine Partnerschaft in einer Arztpraxis hat. Die Begegnung mit Marci Weber, der Eigentümerin der lokalen Zeitung, hat er allerdings nicht eingeplant. Als Marci hört, dass der Leuchtturm verkauft und womöglich einem Gebäudekomplex weichen soll, setzt sie alles daran, dies zu verhindern. Ob sie Ben von ihren Plänen überzeugen kann?
Irene Hannon hat mit „Der Leuchtturm von Hope Harbor“ einen weiteren wunderschönen Episodenroman über das kleine fiktive Küstenstädtchen Hope Harbour vorgelegt, dass für Kenner inzwischen ein Sinnbild für gefühlvolle Begegnungen, romantische Liebesgeschichten und aktuelle Themen geworden ist. Der flüssige, bildhafte, einfühlsame und fesselnde Schreibstil lässt den Leser schnell gedanklich ins malerische Hope Harbor reisen und sich unter die bereits liebgewonnenen Küstenbewohner mischen darf, während er neben Ben und Marci auch Gregg und Rachel näher kennenlernt. Neben der wunderschön gezeichneten Landschaft erlebt der Leser ein Wechselbad der Gefühle teils begleitet von kriminalistischen Spannungselementen, aber auch von alltäglichen Sorgen, alten Erinnerungen, belastende Dinge aus der Vergangenheit sowie die Neuausrichtung des Lebens aufgrund von gravierenden Veränderungen. Themen wie Stalking oder Invalidität finden hier ebenso ihren Raum wie auch unterdrückte Gefühle, Aussprachen oder das Gemeinschaftsprojekt „Rettet den Leuchtturm“, das für einige der Beginn eines neuen Lebens bedeutet. Die Autorin versteht es meisterhaft, all dieses wunderbar miteinander zu verknüpfen und währenddessen auch die christliche Botschaft der Nächstenliebe, des Vertrauens und Verzeihens miteinzubinden.
Die Charaktere sind so liebevoll gestrickt und mit Leben versehen, dass der Leser sich in ihrer Mitte wie unter alten Freunden fühlt, gespannt ihre Wege verfolgt und er mit ihnen fiebert. Ben ist ein sehr einfühlsamer und feinfühliger Mann, der mit dem Arztberuf genau die richtige Wahl getroffen hat. In seiner Vergangenheit hat er einige unschöne Erfahrungen machen müssen, doch lässt er sich davon nicht unterkriegen. Ben strahlt Ruhe, Kompetenz und Hilfsbereitschaft aus. Marci ist ein Temperamentsbolzen, die ihr Herz auf der Zunge trägt. Sie ist nicht die Geduldigste und schießt schnell mal über das Ziel hinaus. Aber sie ist eine freundliche und offene Frau, die andere gern unterstützt. Gregg ist seit einem Kriegseinsatz verletzt und lässt sich seitdem gehen, was seiner noch jungen Ehe mit Rachel gar nicht bekommt. Rachel ist eine fleißige und intelligente Frau, die ihren Ehemann nicht verlieren möchte und ihm ein Ultimatum stellt. Taco-Koch Charley ist wieder einmal die Schlüsselfigur, mit seiner besonnenen Art gibt er so manche Weisheit von sich, die anderen die Augen öffnen. Aber auch das Möwenpärchen Floyd und Gladys sorgt für einige Schmunzler, denn ihr Auftritt verblüfft immer wieder aufs Neue.
„Der Leuchtturm von Hope Harbor“ ist ein wunderschöner und tiefgründiger Roman, den man, einmal begonnen, nicht mehr aus der Hand legen kann. Mit hinreißendem Gespür für Charaktere und Geschichten lässt die Autorin den Leser an der Handlung teilhaben und zaubert ihm am Ende ein Gefühl von Zufriedenheit und Wohlgefühl ins Gesicht. Einfach wunderbar und sehr empfehlenswert!