Gemischte Gefühle
Josses TalIch lese wahnsinnig viel zu der furchtbaren, grausamen Zeit der Nationalsozialisten, einfach, weil es in meinen Augen so wichtig ist sich immer wieder mit diesem Schrecken auseinanderzusetzen, damit die ...
Ich lese wahnsinnig viel zu der furchtbaren, grausamen Zeit der Nationalsozialisten, einfach, weil es in meinen Augen so wichtig ist sich immer wieder mit diesem Schrecken auseinanderzusetzen, damit die Erinnerung an die entsetzlichen Taten und das Gedenken an die Opfer wach bleiben. Auf „Josses Tal“ bin ich durch eine Rezensionsseite aufmerksam geworden und relativ ohne Erwartungen in das Buch gegangen.
1930: Josef Tomulka ist ein Außenseiter. Von seinem Vater verlassen, von seiner Mutter vernachlässigt und von seinem Großvater geschlagen, stellt er nach seinem Umzug nach Reichenbach leichtes Opfer für den jungen Mann Wilhelm dar, der den Jungen schnell für sich und die Ideologie der Nationalsozialisten einnimmt. Endlich in etwas angenommen, integriert und gut zu sein, lässt Josef zu einem effektiven und zuverlässigen Spitzel werden. Doch alles ändert sich, als seine Mutter stirbt und neue Details zu seiner Kindheit ans Licht kommen.
Zu Beginn des Buches war ich gefesselt. Gemeinsam mit der Deutschen Helen, die einer Postkarte folgend nach Reichenbach reist um dort Josse/Josef zu treffen, begegnen wir Josef Tomulka der von seiner Kindheit in der NS-Zeit erzählt. Zuerst erfahren wir von den Misshandlungen durch seinen Großvater und dann relativ schnell von den ersten Begegnungen mit Wilhelm.
Das Buch fokussiert sich wirklich sehr stark auf Josef, seine Geschichte und die tatsächlich geschehenen Ereignisse in Reichenbach. Dadurch erlebt man die Jahre zwischen 1932-1945 hauptsächlich aus der Perspektive eines Jungen, der in der Ideologie aufgeht, nur wenige Informationen bekommt und über die Menschen in seinem Dorf, sowie über seinen Gönner Wilhelm spricht. Auf der einen Seite war das sehr interessant, denn in vielen Büchern, die ich bisher zu dem Thema gelesen hatte, ging es hauptsächlich um den Widerstand, um die unvorstellbaren Taten in den KZs, um das Schicksal von Opfern und um die Biographien von Tätern, sowie die Nachwirkungen und die Vergangenheitsbewältigung in Deutschland. Hier erleben wir stattdessen im Detail aufbauend auf Erlebnisberichten, die die Autorin gesammelt hat, den Alltag in Reichenbach. Es geht mehr um die alltäglichen Entwicklungen, Schrecken und Einflüsse des Nationalsozialismus. Nur wenige der „großen Ereignisse“ oder beispielweise der Verlauf des Krieges werden angesprochen. Während des Lesens bin ich geschwankt zwischen „Wieder eine ganz neue Perspektive, wirklich interessant“ und „Das zieht sich etwas, diese detaillierten Beschreibungen des Dorflebens, die irgendwie gleichzeitig sehr schwammig sind“.
Zum Ende wurde es dann nochmal fesselnder, was nicht nur an einigen Wendungen lag, sondern auch an den nachdenklich machenden Gesprächen zwischen Helen und Josse in der Gegenwart, die einige wichtige Fragen stellt und das ganze nochmal mehr in einen größeren Zusammenhang stellt bzw. einige Ereignisse erklärt.
FAZIT:
Insgesamt war „Josses Tal“ ein Buch, dass mich gleichermaßen nachdenklich und traurig gemacht hat. Die Autorin fokussiert sich auf die Einflüsse des Nationalsozialismus im alltäglichen Leben und die Zeit in der HJ. Für mich hatte das Buch einige Längen und es ist in meinen Augen wichtig, zuvor vielleicht andere, detaillierte, mehr erklärende Werke/Bücher zu der Zeit des Nationalsozialismus gesehen/gelesen zu haben, um diesen Roman wirklich zu verstehen.
3,5 von 5 Sternen