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Veröffentlicht am 19.10.2024

Trauma einer Kindheit

Im Namen der Barmherzigkeit
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Die kleine, kaum dreijährige Steffi kommt in den Siebzigerjahren als Pflegekind zu der Bauernfamilie Kellerknecht in die Steiermark. Steffi ist nicht das einzige Pflegekind aus Kinderheimen, das diese ...

Die kleine, kaum dreijährige Steffi kommt in den Siebzigerjahren als Pflegekind zu der Bauernfamilie Kellerknecht in die Steiermark. Steffi ist nicht das einzige Pflegekind aus Kinderheimen, das diese Familie im Namen der Barmherzigkeit aufnimmt. Die Wirklichkeit sieht für die Kinder allerdings entsetzlich aus. Sie müssen bei jedem Wetter barfuß im Stall und auf den Feldern schuften. Die Mahlzeiten sind dürftig, die Unterbringung erfolgt in einer zugigen Dachkammer mit Etagenbett. Die Kinder werden regelmäßig vom Bauern und seiner Frau geschlagen. Später missbraucht der Bauer sogar wiederholt Steffi. Mit fünfzehn Jahren wird sie schwanger und bringt ihre Tochter in einem Kloster zur Welt. Es gelingt ihr mit viel Willenskraft, einen anderen Weg einzuschlagen.

Bereits das Cover lässt das schwere Schicksal des kleinen Mädchens Steffi in der geflickten roten Jacke erahnen. Hera Lind ist für ihre sehr emotional geschriebenen Romane, denen wahre Begebenheiten zugrunde liegen, bekannt. Nachdem ich ihre ihre letzten Romane aus den Zeiten des zweiten Weltkrieges sowie aus dem geteilten Deutschland gelesen habe, hat mich das traurige Schicksal von Steffi, der Protagonistin des neuen Romans, wiederum sehr berührt.
Nach dem Lesen einiger Abschnitte des Buches konnte ich meine Tränen nicht zurückhalten. Ihre leiblichen Kinder, von den Kellerknechts echte Kinder genannt, bekamen reichlich zu essen und wurden gut gekleidet. Ganz im Gegensatz dazu die Pflegekinder, die immer Hunger hatten und Schwerstarbeit verrichten mussten. Unverständlich, wie Fürsorgerinnen das so gleichgültig hinnehmen konnten, für einen „Fresskorb“ den ihnen die Bauersfrau regelmäßig zukommen ließ. Besonders traurig war für mich neben dem Schicksal Steffis, dass sogar ein Kleinstkind dieser Familie überlassen wurde.
Mir war bislang das traurige Schicksal der Schwabenkinder bekannt, die bis Anfang der Zwanzigerjahre aus Tirol kamen und auf Bauernhöfen Schwerstarbeit verrichten mussten. Kaum vorstellbar, dass so etwas noch in den Siebzigerjahren in Österreich geschah.
Trotz aller schweren Schicksalsschläge, die Steffi hinnehmen musste, fand sie später zum Glück die Unterstützung ihr wohlgesinnter Menschen. Dazu zählte vor allem die Ärztin Karin Winkler. Berührend war die bedingungslose Liebe, die Steffi ihrer kleinen Tochter entgegenbrachte. Trotz der Zurückweisung durch ihrer leibliche Mutter und der eigenen, tragischen Kindheit.
Die Autorin beherrscht perfekt das Wechselspiel der kraftvollen und der leisen, behutsamen Worte. Ihr Schreibstil ist so fesselnd und bildhaft, dass ich die jeweilige Situation vor Augen hatte. Die Figuren ihres Romans sind authentisch und sie hat sie treffend charakterisiert.
Hera Lind ist wiederum ein sehr emotionaler Roman gelungen, der betroffen macht, aber zum Ende zugleich auch Hoffnung vermittelt.
Ich vergebe für das Buch fünf Sterne und spreche eine Leseempfehlung aus.

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Veröffentlicht am 01.10.2024

Schatten der Vergangenheit

Blutbuße
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Kurz vor Ostern befindet sich in dem kleinen, verschneiten Bergdorf Åre in Nordschweden eine große Anzahl an Urlaubern. Zudem hat die Stockholmer Immobilienentwicklerin Charlotte Wretlind eine Suite in ...

Kurz vor Ostern befindet sich in dem kleinen, verschneiten Bergdorf Åre in Nordschweden eine große Anzahl an Urlaubern. Zudem hat die Stockholmer Immobilienentwicklerin Charlotte Wretlind eine Suite in einem Luxushotel gebucht, wo sie bestialisch erstochen aufgefunden wird. Unter den Hotelgästen bricht Furcht aus, einige reisen ab. Hanna Ahlander und ihr Kollege Daniel Lindskog sowie ihre Kollegen Anton und Raffe übernehmen den Fall. Ihre Ermittlungen führen sie in ein altes, unbewohntes Hochgebirgshotel. Charlotte kannte es seit ihrer Kindheit, wollte es dennoch abreißen und durch ein mondänes Hotel ersetzen lassen. Die Ermittlungen gestalten sich schwierig, als auch noch ein zweiter Mord geschieht.

Ein einsames Haus in einer kalten Winterlandschaft, bereits das Cover passt perfekt zum Krimi. Endlich ist er da, der dritte Band der skandinavischen Krimi-Queen Viveca Sten um das sympathische Ermittlerduo Hanna Ahlander und Daniel Lindskog. Wieder haben die beiden einen kniffligen Fall zu lösen. Der Tod einer Stockholmer Immobilienentwicklerin wirft viele Fragen auf. Angefangen von der besonderen Brutalität des Verbrechens über das Wirken der exzentrischen Unternehmerin bis hin zu ihrer Familie und ihrem Bekanntenkreis. Alles sehr undurchsichtig, nichts ist so wie es scheint.
Auf Hannah, Daniel, Anton und Ruffe kommen keine ruhigen Osterfeiertage zu. Schön, dem gesamten Team wieder zu begegnen und zu sehen, wie alle aufeinander eingespielt sind. Auch das Privatleben der sympathischen Ermittler kommt nicht zu kurz, ohne einen zu großen Rahmen einzunehmen.
Der Krimi ist in kurze Kapitel untergliedert, angenehm und flüssig zu lesen.
Zwischen den einzelnen Kapiteln hat die Autorin weitere Erzählstränge in Kursivschrift eingebaut, die zurück in das Jahr 1973 und in das Hochgebirgshotel führen. Neben überraschenden Wendungen und einem spannenden Schreibstil überzeugt die Viveca Sten durch viel Lokalkolorit, die Atmosphäre in der eisigen Landschaft am Polarkeis wird perfekt eingefangen. Ich habe mich mit dem Krimi bestens unterhalten gefühlt, vergebe fünf Sterne und spreche eine Leseempfehlung aus.

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Veröffentlicht am 14.09.2024

Der Weg in die Freiheit

Als wir nach den Sternen griffen
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Die junge Botschaftsmitarbeiterin Judith Gontrau ist im Sommer 1989 an der deutschen Botschaft in Prag beschäftigt. Es ist die Zeit, als Tausende DDR-Bürger nach Prag gelangen und über den Zaun in die ...

Die junge Botschaftsmitarbeiterin Judith Gontrau ist im Sommer 1989 an der deutschen Botschaft in Prag beschäftigt. Es ist die Zeit, als Tausende DDR-Bürger nach Prag gelangen und über den Zaun in die deutsche Botschaft flüchten. So auch der zweiunddreißigjährige Tobias aus Halle an der Saale und sein dreijähriges Töchterchen Jasmin. Tobias Frau Doreen hat Republikflucht begangen. In der Folge durfte Thomas seinen Beruf als Fotograf nicht mehr ausüben und war den Schikanen der Staatssicherheit ausgesetzt. Er hat nichts zu verlieren und hofft auf einen Neubeginn in der BRD. Judith fühlt sich bald zu dem alleinerziehenden Vater hingezogen und ihre Gefühle werden erwidert.


Das schön gestaltete Cover hat mich sofort auf das Buch eingestimmt. Theresa Herold versteht es, den Leser durch ihren bildhaften Sprachstil sofort in Bann zu ziehen. Sie beschreibt die Verhältnisse in der DDR im Jahr 1989 sehr authentisch. Zu dieser Zeit habe ich selbst in Halle, der Heimatstadt des Protagonisten Tobias, gelebt und die Wende erlebt.

Das Buch ist in Kapitel untergliedert, in denen die sympathischen Romanfiguren Judith und Tobias abwechselnd zu Wort kommen und die jeweilige Situation aus ihrer Sicht schildern. Der Mut von Tobias, mit seiner kleinen Tochter Jasmin die gefährliche Flucht aus der DDR zu wagen, hat mich sehr beeindruckt. Darüber hinaus zögert Tobias in Prag nicht, auch unter schwierigen Bedingungen in der völlig überlasteten Botschaft mit anzupacken. Judith erweist sich als sehr warmherzig, ihr liegt vor allem das Wohl der Kinder am Herzen.
Zwischen den einzelnen Kapiteln gewährt die Autorin einen Blick in die Vergangenheit der kleinen Familie, auch mit Doreen.

Theresa Herold hat in ihrem historischen Roman ein wichtiges Stück deutscher Geschichte aufgegriffen. Sie schildert sehr anschaulich die schwierige Situation in der deutschen Botschaft in Prag angesichts Tausender Flüchtlinge und sich verschlechternder Wetterbedingungen. Besonders ergreifend das Ende der Anspannung, als der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher die Ausreise der Flüchtlinge in die BRD verkündete.
Die Autorin hat die historischen Fakten ihres sehr emotional geschrieben Buches geschickt mit einer netten Liebesgeschichte verbunden. Ich habe mich mit diesem Roman sehr gut unterhalten gefühlt, vergebe fünf Sterne und spreche eine Leseempfehlung aus.

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Veröffentlicht am 06.09.2024

Frauen mit Zivilcourage

Die Frauen jenseits des Flusses
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Die zwanzigjährige Frances (Frankie) McGrath sowie ihr Bruder Finley leben in einem wohlhabenden Elternhaus in Kalifornien. Im Mai 1965 zieht Finley als Absolvent der Marineakademie in den Vietnamkrieg. ...

Die zwanzigjährige Frances (Frankie) McGrath sowie ihr Bruder Finley leben in einem wohlhabenden Elternhaus in Kalifornien. Im Mai 1965 zieht Finley als Absolvent der Marineakademie in den Vietnamkrieg. Frankie ist Krankenschwesternschülerin und beabsichtigt, ihrem Bruder freiwillig nach Vietnam zu folgen. Selbst die Nachricht über den Tod ihres Bruders bringt sie nicht von ihrem Entschluss ab. Entgegen dem Willen der Eltern meldet Frankie sich bei der Army und gelangt in ein Lazarett in Vietnam. Die katastrophalen Zustände dort und die grauenvollen Verletzungen der Soldaten hat sie sich so nicht vorgestellt. Aber sie kämpft sich durch. Als Frankie nach Ende ihrer Dienstzeit zurück in der Heimat ist, schlägt ihr Ablehnung, sogar Hass, entgegen. Vor allem wird bezweifelt, dass Frauen überhaupt in Vietnam waren.


Nicht nur das perfekt auf den Roman abgestimmte Cover hat meine Leselust geweckt. Kristin Hannah garantiert emotional geschriebene Romane, ihr Buch "Die Nachtigall" habe ich nicht nur einmal gelesen. Ihre Figuren sind starke Frauen, die sich nicht beugen und unbeirrt ihren Weg gehen. Ihr neuer Roman spielt zur Zeit des Vietnamkrieges und wiederum stehen mutige Frauen im Vordergrund. Bereits die Widmung für diese Heldinnen am Anfang des Buches hat mich sehr berührt.

Die bildhafte und kraftvolle Ausdrucksweise der Autorin fesselt von der ersten bis zur letzten Seite des Buches. Der Anfang in Vietnam ist für Frankie alles andere als einfach. Die Autorin schildert alles so ausdrucksstark, dass ich den Schmutz und das Ungeziefer in den Baracken vor mir sehe. Die ungewohnte feuchte Hitze stellt ein weiteres Problem dar. Rückhalt findet Frankie bei ihren Zimmergenossinnen Ethel und Barb. Nach und nach entwickelt sich zwischen den Frauen eine Freundschaft, die den Krieg überdauert.

Kristin Hannah schildert schonungslos die grausamen Verletzungen der Soldaten und den Tod vieler. Frankie wächst in diesen Situationen über sich hinaus. Besonders hat mich berührt, wie sie die sterbenden Soldaten nicht im Stich lässt und neben ihnen sitzen bleibt. Selbst feindlicher Granatbeschuss hält sie nicht davon ab. Ergreifend waren auch die Szenen, als die Freundinnen der unter Krankheiten leidenden Zivilbevölkerung in den Dörfern geholfen haben, vor allem Kindern. Ein überzeugendes Plädoyer für die Menschlichkeit in Zeiten des Krieges.

Auch Frauen können Heldinnen sein, die Frauen in diesem Buch stehen dafür. Umso schlimmer für sie und alle Vietnamveteranen war der Empfang in der Heimat, als ihnen Unverständnis und Feindseligkeit entgegengebracht wird.
Kristin Hannah hat in ihrem neuen, perfekt recherchierten Roman außergewöhnliche Protagonisten geschaffen. Ein Buch, das aufrüttelt und durchaus Parallelen zum Krieg in der Ukraine aufweist. Auch dort stehen Feldschwestern an der Front ihren Mann.
Ich bin überzeugt, dass dieser Roman auch in Deutschland ein Bestseller wird. Für die Frauen jenseits des Flusses vergebe ich fünf Sterne und spreche eine unbedingte Leseempfehlung aus.

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Veröffentlicht am 10.08.2024

Was im Verborgenen liegt

Das Dickicht
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Die Hamburger Kommissare Juha Korhonen und Lucas „Lux“ Adisa ermitteln im Entführungsfall. Es wird schnell zur Gewissheit, dass dieser Fall Parallelen zu einem Verbrechen aufweist, das zwanzig Jahre zurückliegt. ...

Die Hamburger Kommissare Juha Korhonen und Lucas „Lux“ Adisa ermitteln im Entführungsfall. Es wird schnell zur Gewissheit, dass dieser Fall Parallelen zu einem Verbrechen aufweist, das zwanzig Jahre zurückliegt. Damals wurde ein Junge in einer Kiste im Wald tot aufgefunden. Der neue Fall kann sehr schnell aufgeklärt werden. Im Rahmen der Ermittlungen stoßen die Kommissare jedoch auf Ungereimtheiten beim alten Fall. Die Ermittler studieren die Akte gründlich und ihre Zweifel mehren sich. Der Täter von damals hat zwar Suizid begangen. Doch hat er das Verbrechen wirklich begangen und können Juha und Lux die Tat nach so langer Zeit noch aufklären?

Vorliegend handelt es sich um den Debüt-Krimi von Nikolas Kuhl und Stefan Sandrock. Die Autoren erzeugen in den ersten Seiten wirklich Spannung. Die Kommissare Juha und Lux sind erfrischend neu, sympathisch und bilden ein gutes Team. Das durchaus komplizierte Privatleben der beiden Ermittler nimmt aber zu viel Raum ein. Der Schauplatz der im Wald vergrabenen Kiste mit dem toten Daniel Boysen ist authentisch dargestellt. Hervorzuheben ist, dass der damals mit dem Fall befasste Kommissar Werner Swobada in den Verlauf der Handlung einbezogen wurde. Der neue Fall der entführten Charlotte wurde für meinen Geschmack zu flach abgehandelt. Die Autoren haben zwar einige Wendungen eingebaut und das Ende kam überraschend. Überzeugen konnte mich der Krimi, für den ich noch drei Sterne vergebe, jedoch nicht.

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