Profilbild von Eternal-Hope

Eternal-Hope

Lesejury Star
offline

Eternal-Hope ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Eternal-Hope über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.12.2024

Denkmal einer Mutter für ihren ermordeten Sohn

American Mother
0

Als ich die Beschreibung des Buches "American Mother" von Colum McCann mit Diane Foley zum ersten Mal gelesen und mich für die Lektüre des Buches entschieden habe, dachte ich, im Zentrum des Buches würde ...

Als ich die Beschreibung des Buches "American Mother" von Colum McCann mit Diane Foley zum ersten Mal gelesen und mich für die Lektüre des Buches entschieden habe, dachte ich, im Zentrum des Buches würde die Begegnung zwischen der Mutter des vom IS ermordeten James ("Jim") Foley mit einem seiner Entführer und Mörder, Alexanda Kotey, stehen. Diese Begegnung kommt im Buch auch durchaus vor, ist aber weit weniger zentral, als ich vermutet hätte.

Das Buch beginnt in einem kurzen ersten Abschnitt direkt damit, wie Diane Alexanda in seiner Zelle gegenübersitzt. Es wird einiges von der Atmosphäre dort und von ihren Gedanken und Gefühlen geschildert, aber nur wenige Sätze aus dem Gespräch.

Darauf folgt ein langer mittlerer Abschnitt, der den Hauptteil des Buches ausmacht. In diesem lernen wir den verstorbenen James Foley, sein Leben und seine Herkunftsfamilie aus der Perspektive der hinterbliebenen Mutter kennen. Mitfühlend betrachtet kann man sagen, es zeigt sich in dieser Beschreibung die große Liebe der Mutter für ihren verstorbenen Sohn, denn sie idealisiert und heroisiert ihn sehr. So wirklich nahe kommt mir James Foley dadurch nicht. Ich bekomme den Eindruck, dass er ein Getriebener war, der nicht so recht wusste, wohin mit sich im Leben. Der nach einem Vorfall mit Cannabis nur noch als Freelancer im Journalismus tätig sein konnte, und auch nach einer ersten Entführung in Libyen, von der er glücklicherweise wieder frei gekommen ist, das Risiko nicht scheute, sondern geradezu suchte, und sich als Freelancer mit Syrien in ein noch gefährlicheres Gebiet aufmachte, alle Warnungen in den Wind schlagend. Laut seiner Mutter natürlich getrieben von noblen Motiven: die Wahrheit über das Elend der Menschen im dortigen Krieg zu recherchieren und zu verbreiten.

Geprägt ist das ganze Buch durch Diane Foleys Weltsicht und diese ist tief religiös, in einer Art, wie es für nicht-religiöse Lesende möglicherweise oft schwer nachvollziehen sein kann. Beispielsweise ist die größte Sorge der Mutter, als ihr Sohn in Geiselhaft ist, ob er dort auch beten wird können, das kommt als Priorität deutlich vor der Sorge um seine Ernährung oder Gesundheit. Und auch im Kontakt mit dem Entführer und Mörder Alexanda Kotey sagt sie diesem, er solle dankbar für seinen Glauben sein... negierend, dass ausgerechnet dieser Glaube zur Fanatisierung ihres Gegenübers beigetragen hat und damit mitverantwortlich für das Leid und den Tod ihres Sohnes ist.

Solche kritischen Reflexionen sind nicht die Sache von Diane Foley, auch sonst merkt man in dem Buch, dass sie eine sehr starre und einseitige Weltsicht zu haben scheint und auch die Handlungen der amerikanischen Regierung und des amerikanischen Militärs und deren Konsequenzen niemals auch nur ansatzweise kritisch hinterfragt - das sind in ihrer Sicht alles Helden, die für das Gute kämpfen, und das einzig Unverständliche ist, warum sie sich nicht für die Befreiung der amerikanischen Geiseln eingesetzt haben und sogar der Familie bei Androhung von Strafverfolgung verboten haben, auf eigene Faust Geld dafür zu sammeln.

Am Ende des Buches kommt es in einem kurzen letzten Abschnitt noch einmal zu einer abschließenden letzten Begegnung zwischen Diane Foley und Alexanda Kotey im Gefängnis.

Es ist schwierig, einem Buch, das so ein persönlicher Erfahrungsbericht ist, Sterne zu geben. Die trauernde Mutter hat jedenfalls meinen tiefsten Respekt dafür, wie mutig sie in Kontakt mit dem Mörder ihres Sohnes geht, wie sehr sie sich für die Änderung der Haltung der amerikanischen Regierung zu Geiselnahmen einsetzt und wie sie von dem allen berichtet. Ihre tiefe Liebe zu ihrem Sohn und ihr unerschütterlicher Glaube an Gott werden im Buch spürbar, das ist beeindruckend.

Literarisch hätte ich mir von dem Buch mehr erwartet, insbesondere durch die Zusammenarbeit mit dem Autor Colum McCann. Ebenso hätte das Buch von der Einarbeitung von Hintergrundinformationen und von etwas mehr kritischer Reflexion profitieren können. Wäre es ein Roman, würde ich dem Buch 3 Sterne geben, hier bekommt es einen Zusatzstern für meinen Respekt vor der wahren Geschichte und dem Umgang damit.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.12.2024

Ein Plädoyer für die Qualitäten und Bedürfnisse introvertierter Menschen

So schön still
0

Wir leben in unserer westlichen Gesellschaft in einer Kultur, die das Extravertierte überbetont und mehr wertschätzt. Das zieht sich durch das ganze Leben: statt Frontalunterricht geht seit einiger Zeit ...

Wir leben in unserer westlichen Gesellschaft in einer Kultur, die das Extravertierte überbetont und mehr wertschätzt. Das zieht sich durch das ganze Leben: statt Frontalunterricht geht seit einiger Zeit der Trend zu ständiger Teamarbeit in der Schule, zu gemeinsamen Referaten und Gruppenarbeiten auf der Uni und zu Großraumbüros. Die mündliche Mitarbeit ist ein beträchtlicher Teil der Note, macht in manchen Schulen und Fächern mehr als 50 % aus. Und zurückhaltende, stillere Kinder bekommen die ganze Zeit die Botschaft, sie sollten mehr aus sich herausgehen, mehr auf andere zugehen, die ganze Zeit mit anderen spielen usw. Das ist übrigens nicht in allen Kulturen gleich, so wurden offenbar z.B. im sozialistischen Polen als auch im China der Gegenwart die Qualitäten introvertierter Menschen deutlich mehr geschätzt, erzählt die Autorin.

Zum Glück beginnt in den letzten Jahren aber eine Gegenbewegung, die auf die Bedürfnisse und Qualitäten auch introvertierter Menschen aufmerksam macht, z.B. hat Susan Cain dazu ihr monumentales Werk "Still" geschrieben, und es gibt mittlerweile auch einige Bücher zu Introversion und zu Hochsensibilität (was nicht genau das gleiche ist).

Eva Lohmann hat nun ein weiteres, sehr empfehlenswertes und persönliches, Werk zu dieser Reihe hinzugefügt. Sie war selbst ein introvertiertes Kind und ist nun eine introvertierte Erwachsene und Mutter einer extravertierten Tochter, die in dieser Hinsicht ganz nach dem Vater kommt, nach Aussagen der Autorin einer der extravertiertesten Menschen, den sie kennt (mittlerweile sind die beiden getrennt, und was anfangs faszinierend war, stellte sich offenbar spätestens in der Elternrolle als sehr herausfordernd heraus).

Das Buch ist in zwei Teile geteilt. Im ersten und längeren Teil geht es um das introvertierte Kind, der zweite Teil ist für introvertierte Eltern geschrieben. Zwar bezieht die Autorin durchaus gelegentlich auch Erkenntnisse aus Studien, aus anderen Büchern oder Blog- und Social-Media-Beiträgen mit ein, grenzt Introversion von Schüchternheit und Hochsensibilität ab, und empfiehlt auch einige Bücher, insgesamt ist es aber überwiegend ein persönlicher Erfahrungsbericht.

Im Teil über das introvertierte Kind geht es hauptsächlich um das introvertierte Kind Eva Lohmann, das die Autorin einmal war, und um die Erfahrungen, die sie gemacht und reflektiert hat. Im Teil für introvertierte Eltern geht es hauptsächlich um die introvertierte Mutter Eva Lohmann, die ein extravertiertes Kind erzieht - immer mit der Haltung, wie können introvertierte Menschen sie selbst bleiben und gleichzeitig ihre Umwelt so anpassen, dass es ihnen dabei gut geht, oder die für sich passende Umgebung finden, z.B. gibt es große Unterschiede in der Qualität von Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen und auch Arbeitsplätzen in dem, wie sehr sie den Rückzugs- und Ruhebedürfnissen introvertierter Menschen entgegen kommen.

Durchs Buch ziehen sich immer wieder auch praktische Übungen zur Selbstreflexion, z.B. dazu, sich das innere Bild des eigenen Wunschkindes bewusst zu machen und dieses zu verabschieden, denn kein reales Kind wird diesem Bild jemals entsprechen können.

Aufbauend auf ihrer eigenen Erfahrung gibt die Autorin interessante und hilfreiche Tipps, sowohl zum Umgang mit introvertierten Kindern als auch dazu, sich als introvertierter Elternteil Pausen zu verschaffen. Es ist ein leicht zu lesendes und interessantes Buch einer sehr reflektierten Autorin, das für ein wichtiges Thema sensibilisiert und aus dem ich einiges mitnehmen konnte - danke für das hilfreiche Buch zu diesem wichtigen Thema!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.12.2024

Vielseitig und spannend

Kursbuch 220
0

Das ist schon das zweite Kursbuch, das ich lese, und wieder habe ich die Lektüre als äußerst bereichernd empfunden. In jedem Kursbuch finden sich Beiträge verschiedener Autoren und Autorinnen, die das ...

Das ist schon das zweite Kursbuch, das ich lese, und wieder habe ich die Lektüre als äußerst bereichernd empfunden. In jedem Kursbuch finden sich Beiträge verschiedener Autoren und Autorinnen, die das Titelthema von unterschiedlichen Gesichtspunkten aus beleuchten. In diesem Jubiläumskursbuch speziell handelt es sich um Interviews des Herausgebers mit Expertinnen und Experten zum Thema "Wie geht's weiter?". Alle interviewten Personen haben Spannendes zu erzählen: über bisher fehlende Sprunginnovationen in Deutschland und was das mit der Zukunft von Technologie und Wirtschaft zu tun hat. Über künstliche Intelligenz, ihre Möglichkeiten, Grenzen und Gefahren. Über sichtbares Judentum in Deutschland, zu diesem Thema gibt es sogar zwei Interviews, eines mit einem Rabbi in Ostdeutschland und eines mit einer jungen Frau. Beide thematisieren, was es bedeutet, sichtbar anders zu sein und wie sich die Erfahrungen diesbezüglich in den letzten Jahrzehnten verändert haben, aber auch, was es mit einem macht und wie man damit umgehen kann. Weitere Beiträge beschäftigen sich damit, was Kunst ist, wen sie ein- und ausschließt und wie sie gefördert wird und was das mit der Gesellschaft macht, mit der Tatsache, dass es immer weniger Kinder gibt und deren Interessen dadurch weniger gehört werden, mit bewusstem Altern, Offenheit für Innovationen und Neues und mit vielem mehr. Es handelt sich um ein spannendes Buch, das dazu anregt, die eigenen Positionen zu reflektieren und zu erweitern. Sprachlich und inhaltlich richtet es sich, wie alle Kursbücher, an ein gebildetes, vielseitig interessiertes Publikum. Wer gerne über die aktuellen Themen unserer Zeit und die Herausforderungen der Zukunft auf hohem Niveau nachdenkt oder diskutiert, wird an diesem Kursbuch seine Freude haben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.12.2024

Nur für Hartgesottene

Über dem Tal
0

Wer das wunderschöne Buchcover von "Über dem Tal" sieht, stellt sich vielleicht ein nettes, idyllisches, angenehm zu lesendes Buch vor. Hier vorab eine Warnung: dem ist nicht so. Dieses Buch trieft vor ...

Wer das wunderschöne Buchcover von "Über dem Tal" sieht, stellt sich vielleicht ein nettes, idyllisches, angenehm zu lesendes Buch vor. Hier vorab eine Warnung: dem ist nicht so. Dieses Buch trieft vor Gewalt gegenüber Tieren und Menschen, und ist definitiv nur für Hartgesottene etwas.

Sprachlich kann der Autor durchaus etwas und mit Feingefühl und Poetik zeigt er das Leben zutiefst verzweifelter und abgebrühter Menschen, die mit Schafen arbeiten und denen nach der behördlich angeordneten Keulung ihrer Schafherden aufgrund der Maulen- und Klauenseuche in den 00er-Jahren einfach mal so ihr Lebensinhalt und ihre Existenzgrundlage genommen werden. Finanzielle Entschädigungen gibt es, aber die machen das entstandene Leid wohl nicht wett... wütend und verzweifelt zerreißt einer der Bauern die entsprechenden Antragsformulare.

Die Keulung, also massenhafte Tötung, aller Schafe in einem angeordneten Umkreis ist etwas, was wir nicht nur abstrakt hören, sondern miterleben, mitfühlen, mitriechen, mitleiden... schon in den ersten Kapiteln wird das detailliertest geschildert, in einer Form, die sehr starke Bilder im Kopf erzeugt und für das Thema sensibilisiert. Sehr schwierig zu lesen für alle, die auch nur ein bisschen Mitgefühl mit Tieren haben.

Und dann geht es um die Menschen und die Bewältigung der Krise und hier wird das Ganze unrealistisch bis surreal und der in der bäuerlichen Landschaft angesiedelte Roman geht in einen Banditenroman über: der angekündigte Diebstahl einer fremden Schafherde ist nur der Anfang einer Spirale immer weiter zunehmender Verwahrlosung und Gewalt, die auch vor Folter und Mord nicht zurückschreckt. Hier wurden Geister gerufen, die man nicht mehr los wird.

Ob der Roman eine klare Botschaft hat, weiß ich nicht. Mir erschließt sie sich nicht, auch wenn er mich auf vielen Ebenen zum Nachdenken anregt, z.B. über unseren Umgang mit Tieren und Landwirtschaft und darüber, ob ein Unrecht manchmal zwangsläufig das andere nach sich zieht.

Schwierig war für mich, neben der überbordenden Gewalt, die sich durch den ganzen Roman zieht, dass mir keiner der Charaktere emotional wirklich nahe gekommen ist, ich mit keinem von ihnen mitfühlen konnte und mir auch ihre Motive weitgehend im Unklaren blieben. Emotional am stärksten berührt haben mich die Schafe und ihr Schicksal, ihnen gilt auch mein größtes Mitgefühl in diesem Roman.

Menschen, denen ich dieses Buch empfehlen würde, kenne ich nicht. Dennoch lässt sich bestimmt auf einigen Ebenen etwas daraus lernen, wenn man bereit ist, sich auf dieses harte Buch einzulassen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.12.2024

Sehr süß und absolut treffend

Widder Willi will aber!
0

Nachdem das "Neinhorn" - ein Buch zu einem ähnlichen Thema - uns schon ein bisschen langweilig geworden war, war ich auf der Suche nach einem neuen lustigen und kindgerechten Buch zum Thema Autonomiephase ...

Nachdem das "Neinhorn" - ein Buch zu einem ähnlichen Thema - uns schon ein bisschen langweilig geworden war, war ich auf der Suche nach einem neuen lustigen und kindgerechten Buch zum Thema Autonomiephase für meine kleine Tochter. Schon der Titel "Widder Willi will aber!" hat mich schmunzeln lassen - genau diese Worte bringen es auf den Punkt.

Ich öffne das Buch und entdecke lauter entzückend gezeichnete Widder inmitten ihrer Schafherde. Dazu die Beschreibung: "Widder Willi lebt glücklich und zufrieden inmitten seiner Schafherde" - und ein unzufrieden schauender Widder Willi mit Sprechblase dazu: "Das stimmt überhaupt nicht!". Schon da bringt das Buch Eltern zum Lachen, die diese schwierige Phase ihres Kindes hier treffend widergespiegelt finden.

Aber auch für Kinder, die eigentliche Zielgruppe, ist es ein absolut entzückendes Buch und sehr kindgerecht für die Altersgruppe der 3- bis 5-jährigen mit vielen ansprechenden Illustrationen und nur kurzen begleitenden Texten. Widder Willi kann eine wichtige Identifikationsfigur für die Kinder sein, und das Buch zeigt auch Verständnis dafür, wie es sich für ihn aus der Innenperspektive anfühlt und was für Stürme in ihm toben können.

Witzig auch der Widderonkel, der Willi und seinem neu gefundenen Steinbockfreund vorschlägt, sie sollten mal über ihren Schatten springen - eine Metapher, die Kinder so noch nicht verstehen, die die beiden Böcklein dann aber wörtlich nehmen und dabei viel Spaß haben. Insgesamt ein abwechslungsreiches, wunderschön gezeichnetes und lustiges Buch, das uns sicher noch an vielen Vorleseabenden begleiten wird!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere