Als Hörbuch gruslig
Ich, ein Kind der kleinen MehrheitIch habe das Buch angefordert, weil ich Jovanovic aus dem Fernsehen kenne und ihn sehr charismatisch finde. Er ist ein Mensch, der einen mit seiner aufgedrehten, durchdachten Art einnimmt und über wichtige ...
Ich habe das Buch angefordert, weil ich Jovanovic aus dem Fernsehen kenne und ihn sehr charismatisch finde. Er ist ein Mensch, der einen mit seiner aufgedrehten, durchdachten Art einnimmt und über wichtige Themen aufklärt. Denn auch heute werden Sintizze und Romnja oft nicht als diskriminierte Gruppe wahrgenommen. Allerdings tut sich der Autor mit dem Hörbuch keinen Gefallen, ganz im Gegenteil: Es war eine Qual für mich, die ich nach 91 % abgebrochen habe.
Worum geht es?
Überwiegend chronologisch schildert Jovanovic seine Kindheit, Jugend bis zum Erwachsenenalter. Unterbrochen wird das immer wieder durch Reden gegen Rassismus und Diskreminierung. Der Schwerpunkt liegt auf der Kindheit und der frühen Hochzeit, erst später widmet er sich seinem Entdecken als schwuler Mann.
Wie hat mir das Buch gefallen?
Inhaltlich fand ich es beklemmend, in welchen Zuständen Jovanovic leben musste, und das, obwohl die Familie unter städtischer Obhut stand. Dass sie in einem Haus leben mussten, in dem es nicht einmal fließendes Wasser gab, war bitter. Dazu Lehrer, die ihm nicht zugetraut haben, dass er die Schule schafft. Eine wichtige Rolle spielt Jovanovics Vater, den er einerseits bewundert und noch immer liebt. Der jedoch auch seine Frau betrog und manchmal wochenlang alleine ließ. Der dachte, Homosexualität könne man mit Pillen bekämpfen. Auch Gewalt wird erwähnt - nicht ausführlich oder sensationsgeil, aber sie war vorhanden. Dann die frühe Heirat, der Erwartungsdruck. Für die Familie sorgen zu müssen, ein guter Ehemann zu sein und sich ausleben zu wollen. Ich spürte, dass diese Zeit nicht einfach für alle Seiten war und dass Jovanovic einiges verschweigt. Ich verstehe, dass er solche privaten Details nicht preisgeben möchte, aber für mich war nicht klar, wie sich diese Konflikte, zu den Eltern und der Ehefrau, gelöst haben. Auch, wie er zu dem starken Mann wachsen konnte, das nimmt nicht soviel Raum ein und ich konnte es nicht nachfühlen.
Obwohl er soviel erzählt, kam ich dem Menschen nicht so nah, wie ich gehofft hatte. Weniger Plädoyers und mehr Geschichten wären besser gewesen.
Trotzdem fand ich es total interessant, diesen Einblick zu bekommen.
Das große Manko war für mich das Hörbuch. Der Text stolpert oft, es gibt viele unnatürliche Sprechpausen, teilweise innerhalb eines Wortes oder Satzes. Oft klingt er arrogant, weil er etwas Wichtiges betonen will, das aber eher steif klingt. Komischerweise dann, wenn es um Rassismus geht. Dann widerum wechselt er in Umgangssprache, kürzt Worte ab, wirkt scheinbar locker, ist es aber nicht. Wirklich gelöst klingt Jovanovic nur, wenn er über seine Zeit als Drag-Queen und mit seinen Freund:innen redet. Manchmal hört man sogar Versprecher. Ich glaube, ich habe hier erstmals gemerkt, dass auch der Tonschnitt nicht sauber ist. Meine Vermutung ist, dass es Jovanovic schwerfällt, Texte abzulesen und dass man diese Probleme nicht bereinigen konnte. Vielleicht war keine Zeit oder man wollte das Unperfekte aus Gründen der Authentizität im Buch lassen.
Für Leute, die mehr Wert auf den Inhalt legen, sollte das kein Problem sein. Ich musste aber oft pausieren und habe mich mehrmals gefragt, ob ich abbreche. Der Inhalt hat mich aber davon abgehalten.
Aufgefallen ist mir auch, dass die Sprache, wenn es um Rassismus geht, oft fachlich ist. Einen Pluspunkt gibt es für die fließende Aussprache von BIPoC und dass das Z-Wort immer abgekürzt wird.
Fazit
Jovanovics Botschaft ist wichtig, aber als Hörbuch empfehle ich es nicht. Als Fließtext ist es gut für eine Zugfahrt geeignet, jedoch fehlen mir inhaltlich einige Dinge. Ich find's besser, ihn in einem Video frei sprechen zu hören.