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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.11.2022

Tolles Konzept, leider nichtssagend umgesetzt

Die Perspektive des Zwielichts
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Die Kurzgeschichtensammlung „Die Perspektive des Zwielichts“ von Andrea Fehringer und Thomas Kopf hat eigentlich eine sehr reizvolle Grundidee: fünf Szenarien, die einmal als Horrorstory und einmal aus ...

Die Kurzgeschichtensammlung „Die Perspektive des Zwielichts“ von Andrea Fehringer und Thomas Kopf hat eigentlich eine sehr reizvolle Grundidee: fünf Szenarien, die einmal als Horrorstory und einmal aus humorvoller Perspektive erzählt werden. Dass das Duo jedoch weder in der einen noch der anderen Sparte brilliert, macht das Buch leider schnell eintönig und dröge.

Gerade das erste Szenario des Buchs bietet eigentlich sehr viel Raum für Grusel und schwarzen Humor: Eine Frau kommt zu einem Tierpräparator und möchte ihren Mann ausstopfen lassen. Die Horrorgeschichte verkommt leider schnell zu einem eher mittelprächtigen Krimi, die humorvolle Variante zeigt sich erschreckend humorbefreit und ohne rechte Aussage. Insgesamt ist die schriftstellerische Qualität bei den Horrorgeschichten etwas höher: Sie brillieren zwar auch nicht gerade durch Einfallsreichtum und Atmosphäre, sind aber stilistisch durchaus flüssig zu lesen. Interessant für Horrorfans sicher auch diese Information: Es geht hier fast nie übernatürlich zu, meist handelt es sich um härtere Kriminalgeschichten. Im Humorsegment fehlt hingegen nicht nur der Witz, sondern vor allem das Gespür für Timing und Struktur. Die Geschichten dümpeln ohne rechten roten Faden dahin und bleiben vor allem nichtssagend.

Eine positive Ausnahme bei dieser insgesamt leider enttäuschenden Leseerfahrung bildet die titelgebende letzte Horrorgeschichte „Eine Perspektive des Zwielichts“. Hier kommt tatsächlich Atmosphäre und so etwas wie Gänsehaut auf, wenn wir die junge Austauschschülerin Vicky auf einem Horrortrip zu ihrer US-amerikanischen Gastfamilie begleiten. Einzig diese (erfreulicherweise recht lange) Geschichte rettet dem Buch zumindest zwei Sterne.

Insgesamt leider eine wenig überzeugende Umsetzung eines eigentlich sehr reizvollen Konzepts, die weder Grusel noch Gelächter aufkommen lässt. Abgesehen von der letzten Horrorgeschichte keine lesenswerte Kurzgeschichtensammlung.

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Veröffentlicht am 06.11.2022

Ein extrem wichtiges Thema, jedoch ein wenig aussagekräftiges Buch

NO GAME - Jetzt ist Schluss mit Schweigen!
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Das Thema sexuelle Gewalt ist spätestens seit der MeToo-Debatte gesellschaftlich deutlich präsenter geworden, jedoch hapert es trotzdem noch an allen Ecken und Enden an Aufklärung und öffentlicher Wahrnehmung. ...

Das Thema sexuelle Gewalt ist spätestens seit der

MeToo-Debatte gesellschaftlich deutlich präsenter geworden, jedoch hapert es trotzdem noch an allen Ecken und Enden an Aufklärung und öffentlicher Wahrnehmung. „

NoGame – jetzt ist Schluss mit Schweigen“ möchte diese Lücke schließen und Jugendlichen den Mut geben, das Thema sexuelle Gewalt offen anzusprechen – eine wichtige Botschaft, die jedoch im Roman leider in allzu sachlicher und künstlerisch wenig anspruchsvoller Weise verarbeitet wird.

Die Highschool-Schülerin Nora wacht nach einer College-Party mit heruntergezogenem Slip auf einem Golfplatz auf und kann sich an kaum etwas erinnern. Ihr Mitschüler Adam, der Zeuge des Übergriffs wurde, konnte ihre Angreifer zwar noch rechtzeitig in die Flucht schlagen, aber Nora ist traumatisiert. Da hilft auch ihre Freundin Cam nicht, die in wildem Aktionismus versucht, Beweise zu sichern und Nora zu einer Anzeige zu überreden. Nora will einfach nur vergessen. Also stellt Cam gemeinsam mit Adam auf eigene Faust Nachforschungen an und entdeckt bald, dass Übergriffe dieser Art System in dem kleinen Städtchen haben. Wer wusste davon? Wer ist alles betroffen? Wie gebietet man dem Einhalt?

„#NoGame“ stellt all die richtigen Fragen und spricht all die richtigen Themen an, jedoch geschieht das leider auf etwas nichtssagende Weise. Dem Buch gelingt es trotz des wichtigen und brisanten Themas nicht so recht, seine Leserschaft mitzureißen. Die Figuren bleiben trotz der intensiven Einblicke in ihre Innenleben immer auf Distanz – das mag an den vielen, ständig wechselnden Erzählperspektiven liegen, die ein echtes Einlassen auf einen Charakter kaum zulassen. Insgesamt bleibt der Roman also leider ein wenig blutleer und weniger emotional, als sein drastisches Thema es zulassen würde. Für junge Menschen kann es sicher trotzdem ein hilfreiches Buch und vor allem ein Denkanstoß dazu sein, wie man mit sexueller Gewalt umgehen kann.

Ein pädagogischer Roman, der ein äußerst wichtiges Thema behandelt, jedoch in puncto literarische Qualitäten hinter den Erwartungen zurückbleibt.

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Veröffentlicht am 06.11.2022

Hochinteressante Einblicke in aktuelle Forschung

Raben
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Thomas Bugnyar ist ein renommierter österreichischer Verhaltensforscher, der sich mit den Verhaltensweisen von Raben beschäftigt. In diesem außergewöhnlich schön gestalteten Sachbuch präsentiert er seine ...

Thomas Bugnyar ist ein renommierter österreichischer Verhaltensforscher, der sich mit den Verhaltensweisen von Raben beschäftigt. In diesem außergewöhnlich schön gestalteten Sachbuch präsentiert er seine aktuelle Forschung und vermittelt auf verständliche Art und Weise hochinteressante Informationen über extrem intelligente und soziale Tiere.

„Raben“ stellt keine allgemeine Übersicht über den Stand der Forschung zu Raben dar, sondern beschäftigt sich vielmehr gezielt mit aktuellen Forschungsprojekten, die versuchen, das Sozialverhalten und die „Persönlichkeit“ dieser faszinierenden Vögel näher zu ergründen. Vom Rufverhalten bis zur Gruppen- oder Paardynamik werden hier viele Aspekte des Rabenlebens angesprochen und erläutert, sodass ein beeindruckend komplexes Bild der Fähigkeiten dieser Vögel entsteht und auch mit einigen Mythen aufgeräumt wird. Besonders interessant dabei ist, dass Bugnyar auch sehr konkret auf die Forschungsmethoden eingeht und Schritt für Schritt schildert, wie sich eine These durch Versuche überprüfen lässt und wie solche Versuchsanordnungen auszusehen haben, um aussagekräftige Ergebnisse daraus zu ziehen.

Der Stil des Sachbuchs ist auch für Laien gut verständlich, nur bekommt man hin und wieder das Gefühl, dass der Verfasser es mit der einfachen Verständlichkeit etwas übertrieben hat: Häufig werden bereits zuvor erläuterte Informationen, etwa zu den Gegebenheiten in der Rabenvoliere, wiederholt und Begriffe erläutert, die eigentlich keiner Erläuterung bedürfen (etwa „valide“ oder „interdisziplinär“). Das hemmt den Lesefluss ein wenig, macht das Buch aber inhaltlich kein Stück weniger faszinierend. Positiv hervorzuheben ist auch noch die ausnehmend schöne optische Gestaltung des Buchs mit Farbdruck, Lesebändchen und kleinen Illustrationen.

Insgesamt ein hochinformatives und gut verständliches Sachbuch, das nicht nur Wissen über Raben, sondern auch über die Vorgehensweise in der Verhaltensforschung vermittelt.

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Veröffentlicht am 17.10.2022

Ein beklemmender Blick in ein wahnhaftes Hirn in einer Abwärtsspirale

In der Schlinge des Hasses
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Mit „In der Schlinge des Hasses“ gelingt Herbert Dutzler ein literarisches Kunststück, das seinesgleichen sucht: Zugleich authentisch, zutiefst verstörend und emotional mitreißend gewährt er einen tiefen ...

Mit „In der Schlinge des Hasses“ gelingt Herbert Dutzler ein literarisches Kunststück, das seinesgleichen sucht: Zugleich authentisch, zutiefst verstörend und emotional mitreißend gewährt er einen tiefen Einblick in die Gedankenwelt eines rechtsextremen Mörders während seines Abstiegs in die vollständige Verblendung. Ein Sog, dem man sich nicht entziehen kann!

Leo ist Mitglied einer rechten Burschenschaft, studiert Jura und lebt bei seiner alkoholkranken Mutter, die er verabscheut. Den verstorbenen Vater, der ihn zu einem strammen Neonazi zu erziehen versuchte, himmelt er an, trotz des Missbrauchs, den er als Kind durch ihn erfuhr – physische und psychische „Disziplinierung“ waren für ihn und seine Mutter an der Tagesordnung. Als erwachsener Mann sucht Leo ein Ventil für die aufgestauten Emotionen und findet es in einem stetig zunehmenden wahnhaften Hass auf Menschen anderer Herkunft, gepaart mit einer Art verklemmter Misogynie. Tiefer und tiefer rutscht Leo in eine Abwärtsspirale aus Hass, Gewalt und Paranoia, verbunden mit einem bizarren Überlegenheitsgefühl gegenüber der Welt um ihn herum und der Polizei. Als seine kroatischstämmige Kommilitonin Marinca beginnt, sich für ihn zu interessieren, bekommt er die Chance, sich daraus zu befreien, aber ist es dafür nicht schon zu spät?

Mit Leo hat Herbert Dutzler einen durch und durch unsympathischen Charakter erschaffen. Dadurch wird es umso beeindruckender, dass es ihm im Laufe des Romans gelingt, so etwas wie Mitgefühl für ihn bei der Leserschaft zu erzeugen. Die Rückblenden in Leos Kindheit zeigen deutlich die vielen Kreuzungen, an denen etwas anders hätte laufen können, an denen jemand hätte eingreifen und Leo unter Umständen retten können – und thematisieren damit auch die gesellschaftliche Verantwortung für eine solche Radikalisierung. „In der Schlinge des Hasses“ ist ein Buch, das man aushalten muss, denn man kommt nicht weg aus der Innenperspektive von Leo, muss sich mit seinen irrsinnigen Gedankengängen auseinandersetzen. Der Roman liefert keine Entschuldigungen oder Ausflüchte, aber Erklärungen. Er nimmt seinen radikalen Protagonisten nicht aus der Verantwortung, zeigt aber das gesamte Bild, in dem deutlich wird, dass eine Radikalisierung nicht ohne das Zutun anderer stattfindet. All das gelingt Dutzler, ohne auf graphische Schockmomente zu setzen, denn das Schockierende ist nicht die stattfindende Gewalt, sondern das, was im Kopf des Protagonisten vorgeht. Trotz dieser strikten Innenperspektive bleibt die Spannung kontinuierlich erhalten, und der Text entwickelt eine regelrechte Sogwirkung, der man sich nicht entziehen kann.

Eine beeindruckende, emotional fordernde und betroffen machende Charakterstudie, die tief berührt und aufwühlt. Dieses Buch lässt sich nicht so einfach vergessen!

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Veröffentlicht am 17.10.2022

Ein aus der Zeit gefallener italienischer Krimi – Chauvinismus pur!

Schatten der Vergangenheit
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Mit Commissario Casabona schickt Antonio Fusco in „Schatten der Vergangenheit“ einen Protagonisten ins Rennen, der leider schnell zum Stereotyp eines italienischen Machos verkommt. Zwar kann der Krimi ...

Mit Commissario Casabona schickt Antonio Fusco in „Schatten der Vergangenheit“ einen Protagonisten ins Rennen, der leider schnell zum Stereotyp eines italienischen Machos verkommt. Zwar kann der Krimi durchaus mit einer interessanten Kriminalhandlung punkten, die platten Figuren und das hochproblematische Frauenbild des Romans zerstören jedoch jegliche aufkommende Atmosphäre.

Casabona wird verdächtigt, den Liebhaber seiner Ex-Frau ermordet zu haben und muss daher vor der Justiz fliehen – was gar nicht so einfach ist, denn es handelt sich um seine eigenen Freunde und Kollegen. Um seinen guten Namen reinzuwaschen, stellt er auf eigene Faust Ermittlungen an und muss gleichzeitig versuchen, seinen Kollegen immer einen Schritt voraus zu sein. Auf der Suche nach der Wahrheit und Unterstützung von Menschen, denen er vertrauen kann, muss er rasch feststellen, dass die italienische Unterwelt ihre Finger im Spiel hat.

Trotz der Kürze des Romans hat dieser Krimi auf Handlungsebene durchaus einiges zu bieten. Vor allem zu Beginn macht es großen Spaß, Casabona dabei zu begleiten, wie er seine Kollegen bei der Polizei an der Nase herumführt, um sich der Verhaftung zu entziehen. Der Lesespaß wird aber leider bald ruiniert von dem desaströsen Frauenbild, das nicht nur in Casabonas Perspektive, sondern auf jeder Seite durchschimmert – man hätte eigentlich hoffen dürfen, dass Haltungen wie „Ich verstehe die Frauen nicht, und sie sind alle gleich“ irgendwann mal aus der Literatur verschwinden würden, aber weit gefehlt. Frauen tauchen bei Fusco nur als (betrügerische) Geliebte auf, die den tiefgründigen Herzschmerz des tragischen Helden zu verantworten haben. Persönlichkeit oder Charakter gönnt er keiner der spärlich gesäten Frauenfiguren. Stattdessen ergeht sich Casabona regelmäßig in ausführlichen melodramatischen Ergüssen über die Härten des Lebens. Das ist vor allem insofern schade, als es dem Autor durchaus gelingt, mit einem flüssigen Schreibstil Spannung aufzubauen, jedoch kann man seine stereotypen Figuren leider einfach nicht ernst nehmen.

Ein Krimi, der sich leider liest, als wäre er vor mindestens sechzig Jahren geschrieben worden und hätte das Gesellschaftsbild dieser Zeit mitgebracht. Trotz Potenzial in der Handlung eine enttäuschende Lektüre.

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