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Veröffentlicht am 11.09.2017

Band 3 der Neapolitanischen Saga

Die Geschichte der getrennten Wege
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Weiter geht es mit der Neapolitanischen Saga! Endlich liegt der dritte von vier Bänden in deutscher Übersetzung vor. Ich empfehle dringend, die Reihe von Anfang an zu lesen und mit 'Meine geniale Freundin' ...

Weiter geht es mit der Neapolitanischen Saga! Endlich liegt der dritte von vier Bänden in deutscher Übersetzung vor. Ich empfehle dringend, die Reihe von Anfang an zu lesen und mit 'Meine geniale Freundin' zu beginnen! 'Die Geschichte der getrennten Wege' ist allerdings wohl auch ohne Vorkenntnisse zu verstehen.
Auf den ersten Seiten gibt es wieder eine Zusammenfassung der wichtigsten bisherigen Ereignisse und der handelnden Personen. Das reichhaltigen Personal mit (sich manchmal ähnelnden) Namen und Spitznamen erfordert eine gewisse Konzentration des Lesers, macht für mich aber auch mit den Reiz der Reihe aus.

Italien, Ende der 1960'er Jahre. Die Ich-Erzählerin Elena und ihre Freundin Lila sind Mitte zwanzig, Elena hat ihr Studium beendet und Lila ist Mutter und Arbeiterin in einer Wurstfabrik. So unterschiedlich beider Leben bisher verlaufen sind, so zeigen sich doch auch immer wieder Gemeinsamkeiten. Beide engagieren sich politisch links und für die Gewerkschaft, obwohl sie beide eher zufällig in diese Strömung hineingerutscht zu sein scheinen.
Wie schon im vorangegangenen Band fragt man sich, warum beide an der Freundschaft festhalten, wo doch die Konflikte, Neid und Missgunst die innigen, freundschaftlichen Momente oftmals überdecken. Aber das macht wohl eine Freundschaft fürs Leben aus.

Die Neapolitanische Saga ist nicht nur die Geschichte einer Freundschaft, sondern auch italienische Geschichte. Anhand der Leben von Elena, Lila und der anderen Bewohner des Rione in Neapel wird das Leben im Italien der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit vielen Facetten beschrieben. Im vorliegenden Band sind das die 1960'er und 1970'er Jahre, geprägt von politischen Kämpfen zwischen links und rechts.

Die Geschichte wird von Elena Ferrante im gewohnt ruhigen Ton erzählt, der sehr angenehm zu lesen ist.

Veröffentlicht am 31.08.2017

Aus einem Thriller wird eine Familiengeschichte

Stille über dem Schnee
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Die Ich-Erzählerin Nicky lebt als 12-Jährige mit ihrem Vater in ländlichen New Hampshire, wo die beiden in einer eisigen Winternacht im verschneiten Wald ein ausgesetztes Neugeborenes finden. Was wie ein ...

Die Ich-Erzählerin Nicky lebt als 12-Jährige mit ihrem Vater in ländlichen New Hampshire, wo die beiden in einer eisigen Winternacht im verschneiten Wald ein ausgesetztes Neugeborenes finden. Was wie ein Thriller beginnt, entwickelt sich immer mehr zu einer einfühlsamen Familiengeschichte, die ohne größere Überraschungen erzählt wird. Insgesamt herrscht eine düstere Stimmung, geprägt von Winterstürmen, Trauer und auch ein bisschen Pubertät.
Keine leichte Lektüre, gleichzeitig aber auch keine extrem anspruchsvolle Literatur. Eher ein Buch für kalte Winterabende als für den Hochsommer

Veröffentlicht am 31.08.2017

Intelligenter Thriller

Girl on the Train - Du kennst sie nicht, aber sie kennt dich.
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Paula Hawkins Debüt ist ein wirklich lesenswertes Buch für Liebhaber anspruchsvollerer Thriller. Die Erzählweise mit drei Ich-Erzählerinnen und zwei Zeitebenen erfordert mehr Aufmerksamkeit als andere ...

Paula Hawkins Debüt ist ein wirklich lesenswertes Buch für Liebhaber anspruchsvollerer Thriller. Die Erzählweise mit drei Ich-Erzählerinnen und zwei Zeitebenen erfordert mehr Aufmerksamkeit als andere Thriller - mir hat das gefallen. Über die Handlung will ich nicht viel verraten - ich bin froh, das Buch mit wenig Vorkenntnissen gelesen zu haben. Es ist ein vielschichtiger Roman, der einige Themen abhandelt und bei dem man lange nicht weiß, wer gut und wer böse ist und wie das ganze genau endet.
Sprachlich hat es mich nicht vollständig überzeugt. Ich habe den Verdacht, dass es die Übersetzung von Christoph Göhler ist, die den Text an manchen Stellen etwas ungenau übersetzt und an anderen Stellen sprachlich etwas holprig wirken lässt.
Für Frauen vermutlich interessanter als für Männer.

Veröffentlicht am 31.08.2017

Genre-Mix

Wolf Road - Die Angst ist immer einen Schritt voraus
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Beth Lewis hat mit "Wolf Road" eine interessante Mischung aus Dystopie, Thriller und Abenteuerroman geschrieben. Die 17-jährige Ich-Erzählerin Elka lebt in einer dystopischen Welt. Sie hält sich vorwiegend ...

Beth Lewis hat mit "Wolf Road" eine interessante Mischung aus Dystopie, Thriller und Abenteuerroman geschrieben. Die 17-jährige Ich-Erzählerin Elka lebt in einer dystopischen Welt. Sie hält sich vorwiegend in der freien Natur bzw Wildnis auf, wo sie das eigenständige (Über-)Leben perfektioniert hat. Schließlich gerät sie in eine Jagd durch die Wälder, bei der sie sowohl Gejagte als auch Jägerin ist.

Die Genre-Mischung macht für mich den großen Reiz dieses Buches aus. Die Autorin kombiniert aus den verschiedenen Aspekten einen guten Unterhaltungsroman. Leider steht die eigentliche Story dahinter zurück. Diese finde ich etwas lang gezogen mit einigen Wiederholungen. Ich finde das Buch aufgrund seiner ungewöhnlichen Hauptdarstellerin und des interessanten Genre-Mixes aber dennoch lesenswert.

Manchmal mutet der Text sprachlich und inhaltlich wie ein Jugend- oder All-Age-Buch an. Dort würde ich es aufgrund der Gewaltszenen allerdings nicht einordnen und auch nicht für Jugendliche empfehlen.

Veröffentlicht am 31.08.2017

Spannende und einfühlsame Geschichte einer Flucht [Bonus: Vergleich mit Gyasi, Heimkehren]

Underground Railroad
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Zusammen mit der jungen Sklavin Cora begibt sich der Leser auf die Flucht durch die Südstaaten der USA. Die Handlung spielt (vermutlich) Mitte des 19. Jahrhunderts.

Die titelgebende Underground Railroad, ...

Zusammen mit der jungen Sklavin Cora begibt sich der Leser auf die Flucht durch die Südstaaten der USA. Die Handlung spielt (vermutlich) Mitte des 19. Jahrhunderts.

Die titelgebende Underground Railroad, das illegale Netzwerk, das wirklich Sklaven auf der Flucht geholfen hat, wird hier sehr fiktiv und auch nur als Nebenschauplatz dargestellt. Im Buch handelt es sich um eine Eisenbahn, die unter der Erde fährt, was so natürlich nicht geschehen ist. Diese Darstellung ist einerseits etwas schade, da ich gerne mehr über das Netzwerk erfahren hätte, andererseits rücken durch diese fiktive, unaufgeregte Umsetzung die Menschen und die Lebensumstände der Schwarzen in den USA in den Fokus. Das Amerika - vor allem die Südstaaten - vor dem Bürgerkrieg wird hier verdichtet in vielen Facetten dargestellt.

Da die Darstellung der Underground Railroad fiktiv ist, habe ich mich gefragt, wie nah an der Realität die restlichen Schilderungen im Roman sind. Die Sklaverei wird brutaler dargestellt, als ich es je zuvor gelesenen habe - in der Annahme, dass es wirklich verbreitet solche Vorkommnisse gab, wie sie hier beschrieben sind, ist die Darstellung manchmal an der Grenze des Erträglichen. Hier wird nichts geschönt oder ausgelassen. Auch der Alltag der (vermeintlich) freien Schwarzen wird meiner Einschätzung nach mit Alltagsrassismus und Diskriminierungen sehr treffend dargestellt.

Die Wurzeln des Rassismus in den heutigen USA und der dort teilweise immer noch herrschende Rassentrennung wurden für mich durch diesen Roman erklärbar (was beides aber natürlich nicht rechtfertigt).

Definitiv ein lesenswertes Buch! Colson Whitehead hat eine einfühlsame, aber auch spannende Geschichte geschrieben. Für Laien in amerikanischer Geschichte hätte ich mir allerdings noch eine historische Einordnung der wahren Geschehnisse als Nachwort gewünscht.

***

Ein Vergleich zum anderen großen aktuellen Roman über Sklaverei bietet sich hier natürlich an. Yaa Gyasis "Heimkehren" ist in meinen Augen ebenfalls ein grandioses Buch zum Thema, geht dieses aber völlig anders an. Sie setzt in ihrem Roman einen Fokus auf Afrika und die Entwicklung einer Familie über mehr als 200 Jahre, während bei Colson Whitehead sich die Handlung auf die USA und eine einzelne Person bezieht. Der weiße Blickwinkel spielt bei Yaa Gyasi keine Rolle, während Colson Whitehead auch diesen beleuchtet. Ich lege dem interessierten Leser beide Bücher ans Herz.