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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.06.2017

Guter Thriller für Jugendliche (und interessierte Erwachsene)

Niemand wird sie finden
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Mit dem 15-jährigen Ich-Erzähler Flynn durchläuft der Leser zwei parallele Handlungsstränge: einerseits geht es um das spurlose Verschwinden von Flynns Freundin January, andererseits um seinen Umgang mit ...

Mit dem 15-jährigen Ich-Erzähler Flynn durchläuft der Leser zwei parallele Handlungsstränge: einerseits geht es um das spurlose Verschwinden von Flynns Freundin January, andererseits um seinen Umgang mit seiner Homosexualität. Obwohl sich eine Kombination dieser zwei Thematiken nicht unbedingt anbietet, gelingt dem Autor Caleb Roehrig damit ein sehr gutes Jugendbuch, das auch ich als Erwachsene gerne gelesen habe.

Die Geschichte ist gut geschrieben. Kritischen Lesern wird auffallen, dass Flynns Erzählsprache nicht unbedingt die eines 15-jährigen ist - sie klingt sehr viel erwachsener. Für mich überwiegt allerdings die gute Lesbarkeit der Geschichte über diesem Manko - zudem fände ich es schlimmer, wenn der Autor versuchen würde Jugendsprache zu imitieren. Durch die Ich-Perspektive ist man als Leser ganz nah dran am Geschehen und auch in Flynns Gedankenwelt - gefällt mir sehr!

Veröffentlicht am 21.06.2017

Wiederentdeckung aus den 1920'er Jahren

Marylin
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Marylin ist ein Buch, das 1928 als Fortsetzungsroman in einer österreichischen Zeitschrift erschienen ist. Der Leser sollte sich also auf eine spezielle Lektüre einstellen. Das äußert sich einerseits ...


Marylin ist ein Buch, das 1928 als Fortsetzungsroman in einer österreichischen Zeitschrift erschienen ist. Der Leser sollte sich also auf eine spezielle Lektüre einstellen. Das äußert sich einerseits in der Erzählweise eines Fortsetzungsromans, andererseits und vor allem aber in der fast 90 Jahre alten Sprache, die sich manchmal durchaus ungewohnt liest, manchmal Dinge andeutet, die damals wohl leicht verständlich waren, heutzutage aber nicht so offensichtlich sind.
Alles in allem liest das Buch sich aber gut - mit der gebührenden Aufmerksamkeit wird man keine Probleme haben, der Handlung zu folgen.


Erzählt wird eine Geschichte, über die der Verlag im Klappentext und auf seiner Homepage mehr preis gibt, als ich vor der Lektüre hätte wissen wollen. Es ist eine ungewöhnliche Liebesgeschichte ohne Kitsch. Gleichzeitig erfährt der Leser einiges über das Leben in den USA zu Zeiten der Rassentrennung. Der Roman ist hierbei nie belehrend.


Arthur Rundt bietet einen interessanten Blick auf die USA der 1920'er Jahre. Er kannte die USA zwar durch mehrere Reisen, bewahrte sich aber dennoch den Blick von außen, wodurch dieser Roman wohl erst möglich wurde. Die 1920'er Jahre sind in diesem Buch nicht voll von glamourösen Parties, stattdessen wird das Leben ganz normaler Menschen beschrieben.


Das Nachwort von Primus-Heinz Kucher ist sehr wissenschaftlich - hier hätte ich mir mehr und einfacher formuliertes Hintergrundwissen zur Thematik gewünscht.


Insgesamt eine tolle, unbedingt lesenswerte Wiederentdeckung!

Veröffentlicht am 21.06.2017

Unterhaltsame literarische Aufarbeitung des Stromkrieges Ende des 19. Jahrhunderts

Die letzten Tage der Nacht
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Der Inhalt von Graham Moores "Die letzten Tage der Nacht" hört sich zunächst etwas dröge an: Patentstreitigkeiten und der Stromkrieg Ende des 19. Jahrhunderts. Umgesetzt ist das aber fantastisch, was das ...

Der Inhalt von Graham Moores "Die letzten Tage der Nacht" hört sich zunächst etwas dröge an: Patentstreitigkeiten und der Stromkrieg Ende des 19. Jahrhunderts. Umgesetzt ist das aber fantastisch, was das Buch zu überaus lesenswerter Literatur macht.

Zusammen mit dem jungen Anwalt Paul Cravath, der Sängerin Agnes Huntington und den Erfindern Thomas Edison, George Westinghouse und Nikola Tesla erlebt der Leser den sogenannten Stromkrieg, der rund um die Glühbirne und Gleich- und Wechselstrom Ende des 19. Jahrhunderts in den USA stattfand. Vorallem die Charaktere Paul Cravath, Agnes Huntington und Nikola Tesla sind liebevoll gezeichnet und größtenteils sympathisch. Überraschende Wendungen führen immer wieder dazu, dass die Geschichte spannend bleibt und nicht in juristischen oder wissenschaftlichen Details untergeht.

Auch Leser, die wenig Kenntnisse in Technik- und amerikanischer Geschichte haben, können der Geschichte gut folgen - die Frage, was tatsächlich so passiert ist und was der Fantasie des Autors entspringt, sollte man meiner Meinung nach aber hinten an stellen und die gut erzählte Geschichte einfach genießen. In seinem Nachwort legt der Autor dann ausführlich dar, wo er den tatsächlichen Ereignissen folgt und wo er dichterische Freiheit hat walten lassen.

Veröffentlicht am 08.06.2017

Kindsein im Nachkriegsdeutschland

Die Unschuld der Kastanienblüten
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Mit der aufgeweckten Ich-Erzählerin Sophie erlebt der Leser eine Kindheit kurz nach Kriegsende. Die evangelische Sophie und der jüdische Hanno lernen sich 1952 als Grundschüler kennen, als Hanno mit seinen ...

Mit der aufgeweckten Ich-Erzählerin Sophie erlebt der Leser eine Kindheit kurz nach Kriegsende. Die evangelische Sophie und der jüdische Hanno lernen sich 1952 als Grundschüler kennen, als Hanno mit seinen Eltern in das kleine Örtchen in der Nähe von Düsseldorf zieht. Episodenhaft wird die kindliche Erfahrung in der jungen Bundesrepublik beschrieben. Die Zeit ist geprägt von Ressentiments und Schweigen über die Vergangenheit. Sophie will das so nicht hinnehmen und erfährt von ihren eigenen und auch von Hannos Eltern durch konsequentes Nachfragen immer mehr über den Holocaust.

Ca. zwei Drittel des Buches beschreiben das Jahr 1952, in dem sich die beiden Kinder kennen lernen und nach kurzer Zeit schon wieder verlieren. Die beiden finden im Jugend- und Erwachsenenalter immer wieder zusammen, bevor es dann wieder auseinander geht. Dieses Hin und Her über mehrere Jahrzehnte hinweg, wird in meinen Augen etwas zu kurz im letzten Drittel des Buches abgehandelt. So kurz, dass der Rest vom Leben etwas zu kurz kommt - es dreht sich zumindest auf Sophies Seite alles nur um diese Beziehung.

Kein literarisches Meisterwerk, auch nicht die gelungenste Liebesgeschichte, aber eine interessante Charakterisierung einer Kindheit in den 1950er Jahren.

Veröffentlicht am 08.06.2017

Taiwan in den 1980'ern

Meine 80er Jahre
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Sean Chuang beschreibt in Comicform seine Kindheit und Jugend in den 1980'er Jahren in Taiwan. Der Chinabooks-Verlag hat den ersten Band dieser Comic-Reihe zweisprachig veröffentlicht: die erste Hälfte ...

Sean Chuang beschreibt in Comicform seine Kindheit und Jugend in den 1980'er Jahren in Taiwan. Der Chinabooks-Verlag hat den ersten Band dieser Comic-Reihe zweisprachig veröffentlicht: die erste Hälfte besteht aus der deutschen Übersetzung von Marc Hermann, die zweite (von mir mangels Sprachkenntnisse hier nicht bewertete) bildet die chinesische (in Kurzzeichen) Ausgabe ab. Somit ergibt sich ein recht dickes Buch, das nicht ganz leicht in der Hand liegt.
Es gibt in beiden Sprachen ein Vorwort und einen Zeitstrahl der - für den Autor erwähnenswerten - Ereignisse in den 1980'er Jahren. Die deutsche Ausgabe verfügt außerdem über Fußnoten, die manchmal interessante Infos bieten, manchmal aber auch sehr special interest sind - z.B. Alternativtitel zu Kinofilmen.

Episodenhaft und nicht unbedingt in chronologischer Reihenfolge beschreibt Sean Chuang seine Erlebnisse zu bestimmten Themen. Schule ist hier natürlich ein großes Thema, aber auch z.B. Baseball oder Dating werden behandelt.
Diese Erlebnisse werden wertungsfrei von Chuang erzählt. Er beschreibt zwar, wie er als Kind und Jugendlicher erlebt und gefühlt hat, bewertet sein Handeln und das anderer - mit einer Ausnahme - nicht rückblickend. Einerseits ist das eine interessante Erzählweise, die die Bewertung dem Leser überlässt, andererseits ist diese Bewertung und Einordnung bei einer fremden Kultur natürlich manchmal schwieriger als es bei einem mitteleuropäischen Text wäre.
Zusätzlich erschwerend ist, dass oftmals nicht zu erkennen ist, wie alt Sean in den einzelnen Episoden gerade ist. Diese Information wäre aber hilfreich, um das Beschriebene in Relation zum Alter des Protagonisten zu setzen und somit besser einordnen zu können.

Die Zeichnungen sind schwarz-weiß, teils sehr realistisch, teils stark überzeichnet. Ich fand sie eingänglich und aussagekräftig.

Auch für jemanden, der sich bisher so gut wie garnicht mit Taiwan beschäftigt hat, ist es insgesamt ein interessantes Comic, dem ich gut folgen konnte. Manchmal hätte ich mir allerdings doch ein paar (Hintergrund)-Informationen gewünscht. Manchmal blieb die Geschichte (auch deswegen) dann doch auf einem etwas oberflächlichen Niveau.
Die Zielgruppe, die durch die zweisprachige Ausgabe vorwiegend angesprochen wird, ist aber vermutlich recht gut über Taiwan informiert und wird diese von mir vermissten Informationen wahrscheinlich nicht benötigen.