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Veröffentlicht am 07.09.2022

Wieder ein Kirschbuch-Roman, der im Inneren nachhallt.

Leinwand ohne Gesicht
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„Erinnern ist nicht immer ein Segen.“

Stilistisch würde ich „Leinwand ohne Gesicht“ als gehobene, tiefgründige Literatur mit besonderem Ausdruck einstufen. Ich empfand während des Lesens trotz der allgegenwärtigen ...

„Erinnern ist nicht immer ein Segen.“

Stilistisch würde ich „Leinwand ohne Gesicht“ als gehobene, tiefgründige Literatur mit besonderem Ausdruck einstufen. Ich empfand während des Lesens trotz der allgegenwärtigen Schwere, dem melancholischen Beigeschmack eine Art Situationskomik, was an den originell formulierten Gedanken und authentischen Dialogen lag.
Doris Wiesenbach befördert in ihrem Roman Abgründe zutage, die sich zu Beginn nicht erahnen lassen, deckt Verluste auf, die Erinnerungen zurückbringen, Wahrheiten über sich und das Leben, das man so dringend vergessen wollte.

Obgleich Lea, ihre schwerwiegende Totalamnesie, die langsame Entwicklung und ihre stummen, gefährlichen Hintergründe, die sich erst nach einem schrecklichen Unfall offenbaren, im Vordergrund stehen, werden auch die Leben anderer Patienten und deren Form der Erinnerungslosigkeit interessant aus- und eingebaut. Die Autorin schenkt dem seltenen Thema mit individuellen Formen, Ursachen und ersichtlicher Recherche berechtigte Aufmerksamkeit, regt den Leser durch Feingefühl zum Nachdenken an und fing den Wandel, den ein Mensch unweigerlich vollzieht, wenn er weder weiß, wer er ist noch, wer er war, nachvollziehbar mit all der Hilflosigkeit und Verzweiflung ein.
So wird „Leinwand ohne Gesicht“ in drei große Abschnitte aufgeteilt und aus verschiedenen Perspektiven erzählt, doch von einer Sicht war ich besonders gerührt, ermöglicht uns die Autorin mit dieser einen ganz anderen Einblick auf das Geschehen.

Über der Geschichte liegt durchweg eine gleichermaßen einnehmende, friedliche Atmosphäre wie eine dunkle Vorahnung, Anspannung und Vorsicht. Die nüchterne, klare Ausdrucksweise in Kombination mit poetischen Formulierungen und Einschüben fand ich gekonnt und für das Setting passend gewählt. Auch emotional hat mich der Roman mitgerissen, innerlich bewegt und schockiert – doch frei von Wertung über das Geschehen. Spricht Doris Themen an, die selbst in unserer »offenen Gesellschaft, die von Selbstbestimmung und freier Liebe schwärmt« noch immer als Tabu gelten.

„Leinwand ohne Gesicht“ füllt sich mit einem modernen, ausdrucksstarken Bild, dessen Konturen sich erst am Ende zu einem tragisch-echten Gesamten entfalten.
Ein Buch, das Mut und Stärke erfordert – Danke an die Autorin und den Verlag.

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Veröffentlicht am 05.09.2022

Verschenkes Potenzial.

Vega – Der Wind in meinen Händen
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Ich hatte wirklich hohe Erwartungen an „Vega – Der Wind in meinen Händen“, denn was könnte aktueller sein, als die Klimathematik? Diese Situation auf besondere Art in einen Jugendroman zu verpacken, somit ...

Ich hatte wirklich hohe Erwartungen an „Vega – Der Wind in meinen Händen“, denn was könnte aktueller sein, als die Klimathematik? Diese Situation auf besondere Art in einen Jugendroman zu verpacken, somit an eine Generation gerichtet, die das Umdenken fördern könnte, finde ich wichtig.

Tja, der Klappentext erweckt jedenfalls den Gedanken — die Geschichte leider nicht. Obwohl ich den Schreibstil altersgerecht, gut zu lesen fand, binnen 24 Stunden Band eins der Klima-Saga beendete, gab mit dieser Auftakt nichts außer Fragen, Seiten endloser Flucht und einer rätselhaften, unnahbaren, wenn auch sympathischen, Protagonistin.

Marion Perko verliert sich in endlosen Beschreibungen von Orten und Eindrücken — ich mag es, wenn das Setting vorstellbar aufgegriffen wird, doch hier kam weder die Stadt noch die Weltsituation zur Geltung, dafür jede Häuserecke, die Vega und Leo bei ihren Flüchten streiften, jeder Unterschlupf, jedes Gebäude und auch jeder Schritt und Atemzug. Ihr könnt euch sicher vorstellen, bei einem Roman, der zu mindestens 75 % aus reinem Fliehen besteht, sind das etliche ausufernde Schilderungen.

2052, irgendwas hat eine Art Klimakatastrophe, Wasserknappheit, Dürre ausgelöst, aber was? Es wird von Wettermachern gesprochen, etlichen Umwelt(Schutz)Organisationen — manche sind für die chemische Beeinflussung des Wetters, andere nicht. Wie genau die Wettermacher das bewerkstelligen? Mit Drohnen, aha. Weiter? I don't know.
Auch Vegas besondere Verbindung zu Wind und Wolken wurde selten aufgegriffen, bleibt für den Leser eine Ahnung, somit war auch der Fantasy-Anteil gering.
Mit diesem Mangel an Informationen, der oberflächlichen Ausarbeitung und der faden Entwicklung empfand ich den Auftaktband nicht als spannende Einführung in eine Dystopie, sondern als ein Buch, dass nicht weiß, wohin die Handlung gehen soll. So gut die Idee klingt, so interessant und realistisch einige Szenen waren, hat es die Autorin meiner Meinung nach nicht geschafft, die überladene, teilweise wirre Story für den Leser zugänglich und greifbar zu machen.

Durch die verschiedenen Gebiete, in die die Stadt unterteilt ist, wurde jedoch die Klassenteilung und Armut der Bevölkerung deutlich betont. Während Vega und Leo versuchen, ihre Unschuld zu beweisen, sich die beiden näher und einer Intrige auf die Spur kommen, wird Vega weder ihr Misstrauen noch die Gedanken an Esper los.
Mit Kapiteln, die Spannung und einen Hauch Aufschluss bieten, Vega das Herz brechen, endet „Vega – Der Wind in meinen Händen“ abrupt.
Ob ich weiter lese?

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Veröffentlicht am 05.09.2022

Nett, aber wenig Spektakulär.

Die Türen dazwischen
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„Die Türen dazwischen“ ist ein Buch, das ich vor allem Jugendlichen ans Herz legen möchte, beschäftigt sich der Roman von Sarah Scherber doch mit Zukunftsängsten und dem Gedankenkarussell, was nach der ...

„Die Türen dazwischen“ ist ein Buch, das ich vor allem Jugendlichen ans Herz legen möchte, beschäftigt sich der Roman von Sarah Scherber doch mit Zukunftsängsten und dem Gedankenkarussell, was nach der Schulzeit kommt, welche Richtung für den Einzelnen passt, welches Ziel gesetzt wird.

„Wie wollte ich mein Leben denn gestalten? Wie sollte ich jemals eine endgültige Antwort auf so eine entscheidende Frage finden?“

Vorrangig erleben wir Emmas Zwiespalt, die scheinbar als einzige ihres Freundeskreises nicht weiß, wohin mit sich, wenn die Zeit des Lernens vorbei ist. In Gesprächen erfahren wir die Pläne und Träume ihrer kleinen Clique sowie weise, wahre Sprüche ihres Vaters und streifen weitere wichtige Punkte.

Neben Teenager-Problemen, manche alltäglich, manche nicht, wirft Eli — der Fremde im Baumhaus — Fragen auf, treibt die Geschichte in ungeahnte Sphären. Seine Offenbarungen und Hintergründe waren schlicht eingebracht, nicht greifbar, ebenso wie Emmas Akzeptanz. Zudem fehlt es der, deutlich zu glatten, Handlung an Tiefe, was bei einem Kurzroman zwar kein Kritikpunkt ist, aber der hier gegebene Umfang reicht weder für die Themen, an die sich die Autorin wagte, noch den zusätzlichen paranormalen Aspekt. Auch wird von Liebe gesprochen, die ich zu keiner Zeit fühlte, blieb der Raum für eine Entwicklung aus.
Der Schreibstil ist einfach, sodass die Seiten dahin fliegen, die Formulierung der Dialoge wirkte aufgesetzt, doch dies tut dem unvorhersehbaren Verlauf letztendlich keinen Abbruch.

Hervorheben möchte ich die schönen, stimmigen Zeichnungen zwischen den Kapiteln sowie die deutliche Botschaft, dass man sich manchmal einfach fallen lassen, auf seine innere Stimme hören und auf sich selbst vertrauen muss.

♡Du kannst die Richtung, die Du heute einschlägst, morgen ändern und übermorgen wieder. Du kannst Deine Ziele verschieben — egal, wie Du Dich entscheidest, wie oft Du Dich umentscheidest: Der Sinn Deines Lebens ist es, dieses zu leben, mutig und offen.♡

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Veröffentlicht am 04.09.2022

Unterhaltsam und interessant, doch nicht so spannend wie Band 1.

Wer mit den Toten spricht
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Wie bereits in Band eins von A. K. Turners Thriller-Reihe, die vor allem durch die ungewöhnliche Protagonistin Cassandra Raven, Assistentin der Rechtsmedizin, hervorsticht, ist auch in „Wer mit den Toten ...

Wie bereits in Band eins von A. K. Turners Thriller-Reihe, die vor allem durch die ungewöhnliche Protagonistin Cassandra Raven, Assistentin der Rechtsmedizin, hervorsticht, ist auch in „Wer mit den Toten spricht“ ein deutlich recherchierter Anteil, der u. a. die forensischen Ermittlungsarbeiten authentisch und nachvollziehbar werden lässt, sichtbar.

Leser, die „Tote schweigen nicht“ verpasst haben, bekommen alle wichtigen Informationen über die Protagonisten häppchenweise serviert. Fachwissen wird interessant integriert, der Schreibstil ist bildlich, einnehmend und atmosphärisch. Emotional ist Cassandra im neuen Fall mittendrin, denn im Fokus steht ein Cold Case, der ihre eigene Mutter betrifft. Sich mit derartigen Geschehnissen auseinanderzusetzen spricht für ihre Stärke, Cassys Verhalten unterstreicht zudem ihre gewohnt lockere, unbefangene Art.

Bis die Handlung wirklich mitreißend wird, vergehen einige Kapitel, immer wieder treffen wir auf Längen, und dennoch:

Dieser moderne Thriller ist strange und untypisch, fegt den Staub von „Forensik“, beherbergt Wendungen und facettenreiche Charakteren, die lebendig gezeichnet wurden.

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Veröffentlicht am 04.09.2022

Schmerzlich echt.

Girl in Pieces
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„Girl in Pieces“ erzählt die tragische Geschichte von Charlotte – und das auf authentische Weise: mit Schrecken, Schmerz und Rückschritten, Hass auf alles und sich selbst, mit all den Tiefschlägen, die ...

„Girl in Pieces“ erzählt die tragische Geschichte von Charlotte – und das auf authentische Weise: mit Schrecken, Schmerz und Rückschritten, Hass auf alles und sich selbst, mit all den Tiefschlägen, die Vertrauen und Hoffnung bringen, mit all dem Unverständnis der Gesellschaft und den Tritten des Lebens.


Kathleen Glasgow überraschte mich mit einem klaren, provokanten Stil, Dialogen, die hart und echt sind, Beschreibungen, die mir eine Gänsehaut bescherten. Aber auch mit dem Gefühl, verstanden zu werden.

Unterteilt ist der Jugendroman in drei Abschnitte, begonnen in einer psychiatrischen Einrichtung, in der die Erzählungen des Mädchens noch wie Fragmente wirken – passend zu ihrem Zustand. Doch umso mehr Charlie sich verändert, so zusammenhängender liest sich das Geschehen.
Auch wenn das volle Ausmaß ihrer Vergangenheit nicht offengelegt wird, treffen wir auf etliche Hinweise, Andeutungen und Bruchstücke, um zu erkennen, was die 17-Jährige erlebte – was sie überlebte.


»Ich habe an dem Tag so verfickt versucht, wirklich zu sterben. Aber ich bin immer noch da.«


Überwindung, Veränderung und Trigger begleiten Charlotte, selbst in ihrer neuen Heimat kreuzen problematische Charaktere ihren Weg, solche, die Halt und Liebe versprechen, um sich in Abhängigkeit zu verlieren.

Je weiter der Verlauf voranschreitet, umso plastischer, stärker wird die Protagonistin, doch selbst tausende Kilometer von ihrer persönlichen Hölle, ihrem einstigen Leben entfernt, lassen sich weder Erinnerungen noch verankerte Glaubenssätze, eigene Abgründe und Ängste abschütteln, denn vor dem, was im Innern liegt, kann niemand flüchten.

Die Autorin unterstrich die Schwere der Geschichte, die greifbare Verzweiflung, mit einem Setting, das von Armut, Gewalt und Dreck überzogen ist. Mit Worten zeichnete sie vorstellbare Bilder, etwas, das weh tut. Immer wieder gab es Aussagen, die mir das Herz brachen, die trotz Wahrheit so selten gesagt werden, Momente, in denen ich aufstehen musste, um mich nicht zu verlieren.
Versuchungen, Zwang und Drang sind laut, erst, als Charlie erneut tief fällt und zerbricht, ist sie wirklich und wahrhaftig bereit. Für das Leben, ihre Leidenschaft, die Liebe zu sich selbst.

Über einige Einwürfe, die nicht nachvollziehbar waren, weil sie fehl am Platz, nicht dienlich wirkten, bin ich gestolpert, lässt man diese außen vor, lässt man sich auf den Erzählstil, der sich ebenso entwickelt wie die Handlung, ein, ist „Girl in Pieces“ intim, schwer von Melancholie und Tristesse.

Ein Buch, das anderen vielleicht hilft, zu verstehen, und all jenen, die eine Ahnung von Charlotte, ihren Gefühlen und den angesprochenen Problemen haben, zeigt, dass sie nicht alleine sind.


»Die Leute sollen wissen, dass es uns gibt ( ...) Mädchen, die sich ihren Schmerz auf den Körper schreiben.«

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