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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.04.2019

Ein entzückender, witziger Familienroman

Weibersommer
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Heike Wanner hat es mal wieder geschafft, mich mit ihren Schreibkünsten völlig vom Hocker zu reißen – dies ist nach "O du fröhliche Weibernacht" bereits das zweite Werk, das ich von der Autorin lesen durfte ...

Heike Wanner hat es mal wieder geschafft, mich mit ihren Schreibkünsten völlig vom Hocker zu reißen – dies ist nach "O du fröhliche Weibernacht" bereits das zweite Werk, das ich von der Autorin lesen durfte und innerhalb eines Tages verschlungen habe! Unheimlich liebevolle Charaktere, authentische Dialoge, eine originelle Handlung, spannende Familiengeheimnisse, jede Menge Humor und natürlich ganz viel Gefühl… Herz, was willst du mehr?!

Als ihr geliebter Onkel Horst überraschend das Zeitliche segnet, beschließen die Schwestern Marie-Louise (= Lou) und Anne-Marie zusammen mit ihrer Cousine Lisa-Marie, sich vorübergehend um dessen Bauernhof zu kümmern – all seine Tiere müssen schließlich versorgt werden. Auf diese Weise können Horsts Schwestern, die Mütter der drei Maries, ihre geplante Kur antreten und in Ruhe trauern. Wer nun ein oberflächliches Werk à la 'verwöhnte Großstädterinnen regen sich über Kuhmist auf' erwartet, der sei beruhigt – dieser wundervoll tiefgründige Roman enthält zwar zahlreiche witzige Elemente (Stichwort: "Zahnseide"), aber noch viel mehr feine Zwischentöne. In luftig-leichter Manier beschreibt die Autorin, wie die drei gänzlich unterschiedlichen Cousinen (eine gestresste Vollzeitmutter mit Eheproblemen, eine erfolgreiche Innenarchitektin, die das scheinbar perfekte Leben führt und eine romantisch veranlagte Buchladen-Besitzerin, die in Online-Single-Börsen nach der großen Liebe sucht) mit ihren konträren Lebensansichten zunächst ständig aneinander anecken und letztlich erkennen, dass nichts stärker ist als der Zusammenhalt ihrer Familie. Zudem kommen sie einem Geheimnis auf die Spur, welches Onkel Horst plötzlich in einem völlig neuen Licht erscheinen lässt…

Die Familiendynamik wird sehr realitätsnah widergegeben und ich habe mich tatsächlich in jede der Cousinen problemlos hineinversetzen können. Die Autorin hat sich mit diesem Wohlfühlroman, der einem beim Lesen einfach in Lächeln ins Gesicht zaubert, selbst übertroffen. Dank der sensationell angenehmen Schreibweise, die mich gleich die Story eintauchen ließ, fühlte mich während der Lektüre wie auf einem Kurzurlaub in Pfronten (wo ich auch im echten Leben schon einmal einen Urlaub verbracht habe und daher nur bestätigen kann, wie gelungen H. Wanner die idyllische Atmosphäre und die wunderschöne Natur der Region eingefangen hat). Auch der sympathische Allgäuer Dialekt ist miteingeflochten worden und findet eine würdige Vertreterin in der neugierigen Nachbarin Traudl Hösle.

Das Gute-Laune-Werk spielt zwar im Sommer, kann aber das ganze Jahr über gelesen werden und machte mir direkt Lust auf ein paar Tage auf dem Bauernhof – um Hühnerställe werde ich allerdings einen Bogen machen…nicht, dass mir noch ein "Akihito"-Hahn vor die Füße flattert!

Fazit: Herrlich unbeschwerte Unterhaltung zum Schmunzeln und Träumen! Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 14.04.2019

So verworren, zäh und langatmig, dass es einen gruselt!

Der Leuchtturmwärter (Ein Falck-Hedström-Krimi 7)
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Dieser Kriminalroman war leider überhaupt nichts für mich. Aufgrund des Klappentextes hatte ich mir eine gänzlich andere Geschichte erwartet:

"Schriftstellerin Erica Falck hat mit ihren Zwillingen alle ...

Dieser Kriminalroman war leider überhaupt nichts für mich. Aufgrund des Klappentextes hatte ich mir eine gänzlich andere Geschichte erwartet:

"Schriftstellerin Erica Falck hat mit ihren Zwillingen alle Hände voll zu tun, seit ihr Mann Patrik wieder im Polizeidienst ist. Sie findet kaum Zeit für ihre Schulfreundin Annie, die gerade in das idyllische Fischerdorf Fjällbacka zurückgekehrt ist. Annie zieht in das kleine Haus auf der Leuchtturminsel vor der Küste. Dort soll es nachts spuken, und dunkle Legenden ranken sich um den Ort. Annie scheint es nicht zu stören, vor allem als Mats, ihre erste große Liebe, zu ihr zurückkehrt. Doch dann wird Mats brutal ermordet. Patrik und Erica beginnen zu ermitteln."

Bereits der Einstieg zieht sich wie Kaugummi und gestaltet sich unheimlich anstrengend zu lesen – zig Perspektiven etlicher Hauptcharaktere, Nebenfiguren und deren diverser Familienangehöriger wechseln sich innerhalb der einzelnen Kapitel ab; es herrscht ein heilloses Durcheinander, auch im Hinblick auf die verschiedenen Nebenplots. Die in der Inhaltsangabe erwähnte Freundschaft zwischen Erica und Annie hat im Grunde nie existiert, da Erica zu Schulzeiten eher eine stille Bewunderin der coolen Annie gewesen war, aber mehr auch nicht. Folglich kann von potentieller Wiedersehensfreude keine Rede sein – und wo wir gerade dabei sind, auch nicht von aktiver Mithilfe: Erica stolpert eher aus Neugier in die Ermittlungen ihres Gatten hinein.
Bereits nach wenigen Kapiteln war mir der Hintergrund zu Annies Situation sowie zu ihrem Sohn klar, da die Wortwahl diesbezüglich einfach zu bewusst gewählt worden war; von da an wartete ich im Grunde nur noch auf die Auflösung. Was Mats angeht, erfährt man ja bereits aus der Inhaltsangabe, dass er ermordet werden wird – ein Jammer, denn er und seine Eltern waren mir mit am sympathischsten. Von der ersten großen Liebe, die Mats und Annie einmal verbunden haben soll, spürt man allerdings herzlich wenig. Dafür werden die familiären Hintergründe sämtlicher Nebenfiguren im Detail ausgebreitet; kaum ein Thema, das nicht auch noch auf Krampf untergebracht wird: eine Fehlgeburt aufgrund eines Unfalls, häusliche Gewalt und Frauenhäuser, Drogen, allerlei Familienprobleme…und obendrein Geister, die auf der Insel herumspuken und dem Krimi jeglichen Realitätsbezug rauben. Gekrönt wird das Ganze von Rückblenden in das späte 19. Jahrhundert, als die Insel (Annies Rückzugsort) von einer jungen Frau namens Emelie, die in einer unglücklichen Ehe mit dem Leuchtturmwärter Karl gefangen ist, bewohnt wird. Selten war ich so erleichtert gewesen, ein Buch endlich beenden zu können.
Die zwei Sterne vergebe ich ausschließlich aufgrund des emotionalen Schreibstils und der guten Ausarbeitung der einzelnen Personen. Den überladenen Plot, den (fehlenden) Spannungsaufbau, die chaotische Aufeinanderfolge der Szenen sowie das bestenfalls langweilige, aber eher enttäuschende Ende nehme ich von der Bewertung aus.

Veröffentlicht am 14.04.2019

Anders als erwartet, aber okay

Eine eigene Zukunft
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Die spanische Bestsellerautorin María Dueñas hat mit diesem historischen Roman ein spannendes Werk über das Schicksal einer andalusischen Einwandererfamilie im New York der 1930er Jahre geschrieben.
Als ...

Die spanische Bestsellerautorin María Dueñas hat mit diesem historischen Roman ein spannendes Werk über das Schicksal einer andalusischen Einwandererfamilie im New York der 1930er Jahre geschrieben.
Als die drei Schwestern Victoria, Mona und Luz im Jahr 1936 von ihrer Mutter dazu gezwungen werden, ihre geliebte Heimat aufzugeben um nach Amerika überzusiedeln, wo der Vater der Familie - zu dem sie bisher aufgrund seines rastlosen Lebenswandels ein eher gleichgültiges Verhältnis hatten – sich mittlerweile niedergelassen und ein Restaurant eröffnet hat, sind sie fest entschlossen, Widerstand zu leisten. Sie weigern sich, die englische Sprache zu lernen, verschließen sich vehement vor jeglichem Kontakt zu anderen Migranten und haben nur ein Ziel vor Augen: die Rückkehr nach Andalusien. Doch dann kommt alles anders – der Vater verunglückt und hinterlässt ihnen einen Schuldenberg; nun gilt es in erster Linie darum, das nackte Überleben zu sichern. Und so sehen sich die stolzen jungen Damen, die bisher ihren Nachbarn mit Hochmut und Ignoranz begegnet waren, nicht nur gezwungen, Andere um Hilfe zu bitten, sondern aufgrund der Welle der Hilfsbereitschaft und Solidarität ihrer Mitmenschen beschämt zu erkennen, wie unhöflich ihr eigenes Verhalten zuvor gewesen war.
Die Zeiten sind hart, viele Amerikaner leiden selbst an den Folgen der Great Depression; die Wirtschaftskrise hat die Kluft zwischen Arm und Reich noch vertieft. Die Hindernisse, die den Frauen der Familie Arenas das Leben erschweren – der Kulturschock, Verständigungsschwierigkeiten aufgrund der Sprachbarriere, Männer, die ihre Notsituation finanziell wie zwischenmenschlich ausnutzen wollen – werden von der Autorin sehr authentisch widergegeben. Alle Schwestern sind sehr temperamentvolle und willensstarke Persönlichkeiten, dennoch könnten sie in ihren Lebensansichten unterschiedlicher kaum sein. Die eigenwillige Familiendynamik (inklusive lautstarker, hitziger Auseinandersetzungen, humorvoller Dialoge und Zuneigungsbekundungen) hat mich des Öfteren schmunzeln lassen, wäre mir im echten Leben allerdings zu anstrengend. Wir erhalten einen Einblick in die Gedanken zahlreicher Nebenfiguren, aber es sind vor allem die Schwestern, die als Hauptfiguren die Geschichte tragen, deren Charakterzüge und Ansichten sehr tiefgründig ausgearbeitet worden sind. Natürlich haben die Arenas-Schwestern, bildschön wie sie alle sind, allerlei Verehrer – meines Erachtens finden ein wenig zu viele Erwähnung, da ohnehin schon etliche Zusatzcharaktere eingearbeitet worden sind, was recht verwirrend ist und mich daran hinderte, mehr Nähe zu den Hauptfiguren aufzubauen. Meine stille Heldin war übrigens die unkonventionelle Nonne Schwester Lito.
Von der ersten Seite an hat mir der angenehm flüssige Schreibstil gefallen; es gibt keine große Einleitung, man wird direkt in die Geschehnisse hineinkatapultiert, dennoch geraten die feinen Zwischentöne hierbei nicht in Vergessenheit. Es überwiegt ein unterhaltsamer Erzählton. Sicherlich war der Aufbau einer neuen Existenz in der damaligen Zeit kein leichtes Unterfangen, allerdings hätten es ruhig etwas weniger Rückschläge für die – zugegebenermaßen oftmals naiven - Damen sein können; diese Entwicklung hat dem Roman zu viel Schwere verliehen.
Die Story um den spanischen Thronfolger machte für mich überhaupt keinen Sinn und hat die Handlung unnötig verworren, in die Länge gezogen und meinen Leseeindruck dahingehend geschwächt, dass ich mich durch diese Seiten eher notgedrungen durchgequält habe, als dass ich sie genießen konnte. Der Fokus hätte mehr auf der Arenas-Familie liegen sollen; auch die Abschweifungen ins Gangstermilieu erschienen mir völlig fehl am Platz und gefielen mir überhaupt nicht. Am schlimmsten fand ich jedoch die Erkenntnis, dass der im Klappentext angepriesene Nachtclub eine komplett untergeordnete Rolle spielt und quasi nie existiert. Ich hatte mir gerade diese Lokalität als zentrales Element des Werkes vorgestellt und fühlte mich daher von der Inhaltsangabe ein wenig getäuscht.
Während der Lektüre hatte ich irgendwie immer das Gefühl, auf etwas Großes hinzusteuern, aber obwohl es durchaus überraschende Wendungen gab, reihten sich die Ereignisse hinsichtlich des Spannungsniveaus eher gleichmäßig aneinander und plötzlich war man am Ende des Romans angelangt, das mir - in Anbetracht der vielschichtigen vorherigen Handlungsstränge - ein wenig zu schnell abgehandelt und daher recht unglaubwürdig und halbherzig erschien. Ein solch tiefgründiges Werk hätte einen fulminanten Abschluss verdient; hier plätscherte das Ende jedoch eher so dahin und hat mich nicht sonderlich berührt.
Fazit: Ein interessanter Schwesternroman über den Zusammenhalt einer Familie, amouröse Abenteuer, unternehmerische Neubeginne und das Leben als Einwanderer im Amerika der 1930er Jahre, den man gerne mal gelesen haben kann. Zwar hatte ich mir aufgrund des Klappentextes einen anderen Inhalt erwartet, dies wurde aber durch den wunderbaren Schreibstil ausgeglichen, daher gibt es von mir dennoch 4 Sterne.

Veröffentlicht am 12.04.2019

Einfach nur wunderschön!

Der Rosengarten am Meer
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Hin und wieder hat man das Glück, über ein Buch zu stolpern, das einen wunderbar selig zurücklässt. Kaum hatte ich den letzten Satz von Nele Jacobsens zauberhaften Roman beendet, hatte ich das Bedürfnis, ...

Hin und wieder hat man das Glück, über ein Buch zu stolpern, das einen wunderbar selig zurücklässt. Kaum hatte ich den letzten Satz von Nele Jacobsens zauberhaften Roman beendet, hatte ich das Bedürfnis, am liebsten das ganze Werk direkt noch ein weiteres Mal zu lesen – so sehr hatte ich die Lektüre genossen! Die Autorin hat nicht nur meine Liebe zu Rosen neu aufblühen lassen, sondern auch mein Interesse geweckt, mehr über die realen geschichtlichen Hintergründe der "Rosengräfin" Marie Henriette Chotek (1863 – 1946) zu erfahren, der sie mit diesem Buch ein wundervolles Denkmal gesetzt hat.
Wer nun glaubt, sich anhand der Kurzbeschreibung bereits vorab ein Bild von der Handlung machen zu können (à la: Liebeskummer - gefolgt von ein bisschen Romanze - untermalt von Ostsee-Flair – fertig), hat sich getäuscht, denn hier wartet so viel mehr auf den Leser! Bereits zu Beginn der Geschichte, als die sympathische, bodenständige – und frisch verlassene – Hauptfigur Isabel in Wien ihren Mut zusammennimmt, um einen beruflichen wie privaten Neustart fernab der Heimat zu wagen, wird deutlich, wie geübt die Autorin darin ist, den Esprit der jeweiligen Location einzufangen und so bildreich wiederzugeben, dass man sich tatsächlich 'mittendrin statt nur dabei' fühlt. Ob im Alltagstrubel der klassisch-elitären Donaumetropole, in der Tristesse und Anonymität einer Autobahnraststätte, auf einem malerischen Landgut in der Mecklenburgischen Schweiz oder gar Jahrzehnte in die Vergangenheit zurückversetzt in das Randgebiet der Karpaten…die atmosphärischen Beschreibungen ließen mich ganz und gar in die Story eintauchen.
Mindestens ebenso beindruckend ist die Intensität, mit der sich die Autorin jeder der zwei Zeitebenen widmet; erzählt wird abwechselnd aus Isabels und Marie Henriettes Perspektive – und während man bei anderen Frauenromanen oftmals eine klare Favoritin unter den Figuren hat, sind hier beide weiblichen Hauptcharaktere so charismatisch, liebenswert und optimistisch dargestellt, dass man sie nicht nur einfach mögen muss, sondern auch gleichermaßen mit ihnen mitfiebert. Die Stärke, mit der sich Marie Henriette den damaligen Konventionen entgegensetzt, um ihren persönlichen Traum vom Glück, ihre Liebe zu den Rosen, zu leben, hat mir unheimlich imponiert und ich fragte mich, ob ich an ihrer Stelle mutig genug gewesen wäre, diesen Weg zu gehen. Auch Isabels Tatendrang, den Widrigkeiten ihrer neuen Lebenssituation zu trotzen und nicht etwa in Selbstmitleid zu versinken, obwohl sie im Alter von neununddreißig Jahren quasi bei null beginnen muss, ist schlichtweg bewundernswert.
Dank der überaus authentischen Dialoge und Gedankengänge, der vielen humorvollen Elemente und der an die jeweilige Epoche angepassten Wortwahl konnte ich mich gar nicht losreißen von dem Buch und hätte am liebsten noch ewig weitergelesen! Man spürt ganz deutlich, dass die Autorin die Liebe der weiblichen Hauptfiguren zu den Rosen teilt; auch mich haben die detaillierten Beschreibungen der verschiedenen Rosenarten derart fasziniert, dass ich nun einen eigenen Rosenpavillon für unseren Garten plane. Den krönenden Abschluss bilden ein informatives Nachwort mit spannenden Backgroundinformationen sowie einige ausgewählte Rosenrezepte als Zusatzschmankerl für alle Rosenliebhaber.
Fazit: Ein wundervoller Wohlfühlroman, bei dem man obendrein noch etwas lernt – dieses Werk gehört ab sofort zu meinen Lieblingsbüchern! Gerne hätte ich 10 statt 'nur' 5 Sterne vergeben!

Veröffentlicht am 10.04.2019

Harter Tobak - jugendgerecht dosiert

Sadie
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Courtney Summers hat mit dem Erzählelement des True-Crime-Podcast den Nerv der Zeit getroffen – tatsächlich erfreuen sich Crime Podcasts und TV-Dokumentationen zu echten Verbrechen immer größerer Beliebtheit. ...

Courtney Summers hat mit dem Erzählelement des True-Crime-Podcast den Nerv der Zeit getroffen – tatsächlich erfreuen sich Crime Podcasts und TV-Dokumentationen zu echten Verbrechen immer größerer Beliebtheit. Auch ich bin ein Fan solcher Shows; mich fasziniert, wie die wissenschaftlichen Fortschritte, die über die vergangenen Jahrzehnte erzielt worden sind, heute dazu beitragen, Cold Cases – einst unlösbare Fälle – aufzuklären und den Angehörigen der Opfer endlich Gewissheit zu geben. Somit war es keine Frage, dass die Geschichte um Sadie – eine junge Frau, die eines Tages spurlos verschwindet, nachdem ihre kleine Schwester Mattie ermordet aufgefunden worden war – mich thematisch angesprochen hat…erst recht aufgrund des originellen Aufbaus der Handlung, durch den wir Leser die Ereignisse zeitversetzt abwechselnd aus Sadies Perspektive und der Sichtweise des Journalisten West McCray (in Form des Transkripts einer Radio-Show) miterleben.

Die Autorin zeigt in ihrem Jugendbuch nicht nur den verheerenden Effekt auf, den elterliche Vernachlässigung auf das Leben von Kindern hat, sondern prangert auch das 'andere' Amerika an – das Leben der verarmten Bevölkerung in den Trailer Parks, jenseits der schillernden Metropolen. Gekonnt wird durch die Perspektivenwechsel die Spannung gesteigert und eine ganz eigenwillige Dynamik erzeugt; die Sprache ist nüchtern und auf den Punkt, in manchen Dialogen recht rüde – ideal für ein Werk dieses Genres. Insbesondere Sadies Einstellung zum Leben wirkt anfangs erschreckend; das Mädchen hat bereits in jungen Jahren Dinge erlebt, die nie ein Mensch erleben sollte, ist vernachlässigt und verlassen worden und begegnet dem Leben mit einer Verbitterung, die realistisch aber auch entsetzlich traurig ist. Toll finde ich, dass das Werk auch ohne allzu blutrünstige Szenen auskommt.

Ein wenig Abzug gibt es von mir für die Tatsache, dass Sadies Geschichte zwar unheimlich schockierend ist und sie mein vollstes Mitleid hat, ich ansonsten mit ihrer Figur aber nicht vollständig warmwerden konnte. Zudem sind für mich – unabhängig vom ohnehin offenen Ende, das noch lange nachwirkt – einfach viele Fragen unbeantwortet geblieben; mir persönlich hat eben abschließend etwas gefehlt, was das Ganze zu einer runden Sache gemacht hätte.

Fazit: Wer Spannung mag, wird sich hier wohlfühlen!