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Veröffentlicht am 29.01.2024

Klare Leseempfehlung für ALLE Literaturliebhaber*innen

FRAUEN LITERATUR
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Zugegeben: Nicole Seifert hatte mich schon auf der ersten Seite dieses Buches für sich und ihr Anliegen eingenommen. Und mit der ersten Seite meine ich den Abschnitt zum Sprachgebrauch im vorliegenden ...

Zugegeben: Nicole Seifert hatte mich schon auf der ersten Seite dieses Buches für sich und ihr Anliegen eingenommen. Und mit der ersten Seite meine ich den Abschnitt zum Sprachgebrauch im vorliegenden Buch, welcher dem eigentlichen Text vorangestellt ist. Denn schon hier fängt das an, was im weiteren Verlauf des Buches Programm ist: Seifert macht klar, wann und warum sie "Autorinnen" oder "Schwarze..." oder "weiße..." [kursiv] als Formulierung nutzt. Denn hauptsächlich sexistische aber auch rassistische Strukturen unserer Literaturgeschichte sowie die weiterhin ausgeprägte Misogynie werden hier ausführlich besprochen.

Trotz widriger Umstände gab es schon immer Frauen, die anspruchsvolle Literatur geschaffen haben. Ihre Fähigkeit zum literarischen Schreiben wurde und wird ihnen nicht nur aberkannt, sondern durch festgefahrene männliche Strukturen im Literaturbetrieb aktiv verdrängt und aus dem kulturellen Gedächtnis gelöscht. So klar und hart muss man das sagen. Und nach der Lektüre dieses hervorragenden Sachbuchs ist es selbst den nicht mit einem literaturwissenschaftlichen Studium gesegneten Leser
innen deutlich wie nie zuvor. Etwas, was vor der Lektüre nur als vage Ahnung bestand, wird für uns leicht nachvollziehbar aufbereitet und verändert den Blick auf den Literaturbetrieb grundlegend.

Seifert leitet anhand konkreter historischer Beispiele die strukturelle Herabwürdigung literarischer Werke von Autorinnen eindringlich her. So vergleicht sie zum Beispiel Theodor Fontanes "Effi Briest" (1896), welches in den deutschen Literaturkanon aufgenommen wurde und bis heute in der Schule gelesen wird, mit den fast vergessenen Roman "Aus guter Familie" (1895) von Gabriele Reuter. Beide behandeln ähnliche Themen, sind fast zeitgleich erschienen, waren zur damaligen Zeit erfolgreich. Aber der Roman der Autorin wurde verdrängt (aktiv! nicht nur passiv "vergessen"). Dort, aber auch über die gesamte Literaturgeschichte hinweg zeigt sich, dass - beginnend bei der Annahme von Manuskripten durch Verlage, über die Vermarktung, hin zur Rezension von Kritikern und Präsentation im Buchhandel - eine frappierende Ungleichbehandlung zwischen dem Werk von Autorinnen und und dem von Autoren besteht. So gleicht die Lektüre von "FRAUEN LITERATUR" fast einem Erweckungserlebnis. Natürlich ist in den letzten Jahren etwas Bewegung in den Literaturbetrieb gekommen, keine Frage. Aber dies ist noch lange nicht genug. Denn wenn man den Satz "Männer haben immer noch Mühe, Frauen ausreden zu lassen, sie anzuhören und als die Expertinnen, die sie sind, ernst zu nehmen...", liest, unterstreicht er das vor kurzem Gesehene bei der beliebten Sendung "SWR Lesenswert Quartett" am 16.12.2021. Hier argumentierte - wie immer fundiert - Literaturkritikerin Insa Wilke in einer Runde von ansonsten ausschließlich Männern... und blieb verhältnismäßig ruhig, obwohl ihr überproportional häufig ins Wort gefallen oder schulmeisterhaft die Welt erklärt wurde.

Unser Augenmerk sollte zukünftig als Leser*innen nicht nur darauf liegen, WAS wir lesen, sondern auch VON WEM wir lesen. Wir sollten durch Kaufentscheidungen den Verlagen das Signal senden, dass wir uns eine Kultur und Gesellschaft ohne misogyne Strukturen wünschen. Denn wie die Autorin unterstreicht: "[…] durch Abwarten kam man Ungleichbehandlung in der Vergangenheit noch nie bei [...]".

Dieser aufrüttelnde Text über die strukturell nachweisbare, geschlechterbezogene Voreingenommenheit im Literaturbetrieb stellt meines Erachtens ein wichtiges Werk zum gesamten Themenkomplex dar und wird von mir uneingeschränkt zur Lektüre empfohlen. Männern wie auch Frauen und allen nicht-binären Personen, ob Schwarz oder weiß [kursiv]. Unbedingt lesen und eigenes (Lese-)Verhalten ändern! Zum Beispiel anhand der in diesem Buch zuhauf befindlichen Lektüreanregungen.

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Veröffentlicht am 29.01.2024

Eine Beschreibung männlicher Gewalt

Goat Mountain
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GAIAvor 2 Jahren

Der Inhalt dieses Buches ist schnell erzählt. Ein Ich-Erzähler erinnert sich aus seinem Erwachsenenleben heraus an vier Tage Jagdausflug im Alter von 11 Jahren mit seinem Vater, Großvater ...


GAIAvor 2 Jahren

Der Inhalt dieses Buches ist schnell erzählt. Ein Ich-Erzähler erinnert sich aus seinem Erwachsenenleben heraus an vier Tage Jagdausflug im Alter von 11 Jahren mit seinem Vater, Großvater und einem Freund der Familie. Die Mutter ist kurz nach der Geburt abgehauen, eine Großmutter scheint es auch nicht mehr zu geben. Hier existieren nur Männer unter sich. Und das mit vielen Aggressionen und Gewalt untereinander. Aus der Widmung zu Beginn des Romans und der Danksagung lässt sich schließen, dass der Autor hier zwar nicht autobiografisch berichtet, aber doch viele Eindrücke aus seiner Familie hat einfließen lassen. Der Autor hat Cherokee-Vorfahren, die jedes Jahr auf ihrem Land bei Goat Mountain in Kalifornien zur Jagd gingen.

Aus dem reinen Romantext geht dann jedoch kaum mehr eine Verbindung zu den Cherokee hervor. Es wird nur einmal benannt, dass schon alle Generationen vor dem Jungen auf diesem Land jagten und es im Alter von 11 Jahren nun seine Initiation werden soll, bei welcher er erstmalig selbst ein Tier töten darf. Doch schon zu Beginn zeigt sich eine scheinbar soziopathische Ader im Jungen, denn dieser erschießt kurzerhand auf Entfernung einen Mann, der auf dem Land der Familie wildert. Reue zeigt er nicht, vielmehr Freude an der Erfahrung des Tötens. Und diese Gewalttätigkeit scheint nicht von irgendwo herzukommen, sondern tief in der Familie zwischen den Männern verankert zu sein.

Über den sich in die Länge streckenden Text hinweg ziehen sich nun Bibelverweise, die die geerbte und unausweichliche Gewalttätigkeit des Menschen/Mannes belegen sollen. Daneben quatscht der Großvater wirres philosophisches Zeug zwischenrein. Es wird sich durch die Wildnis gekämpft und einfach weiter zur Jagd gegangen, obwohl man eine Leiche (den Wilderer) im eigenen Camp wie ein Stück Wild aufgehängt hat, es wird sich geprügelt, gewürgt, zurückgelassen, aufeinander geschossen. Gedankengänge der Natives finden sich nicht im Roman. Ein Widerspruch zu den Bibelpassagen, da zumindest der Großvater (der Roman spielt in den 1970ern) noch anders aufgewachsen sein sollte. Dieser fehlende oder ausgeblendete Aspekt stößt mir neben dem Gewaltexzess besonders komisch auf. Auch an die Schreibe muss man sich erst einmal gewöhnen. Sehr reduziert bestehen manche Sätze eigentlich nur aus Stichpunkten, ganz ohne Prädikat. Man kann sich durchaus daran gewöhnen, aber ohne daraus ein besonders interessantes Lektüreerlebnis zu machen.

So bleiben ohne sprachliche Raffinessen nur die Fragezeichen im Kopf zurück nachdem das Buch beendet ist. Warum habe ich diese vier Tage miterleben müssen? Was für ein Mensch aus dem Kind geworden ist, geht aus dessen Schilderungen nicht hervor. Psychologische Tiefe gibt es meines Erachtens nicht ausreichend. Man erfährt höchstens zu was (aber nicht warum) der Mensch fähig ist. Dadurch verliert das Buch für mich an inhaltlicher Relevanz. Schade, da hätte es mehr Potenzial gegeben.

So kann ich nur mit einem Zitat aus dem Roman enden, welches vielleicht schon heraufbeschwört, dass es in dieser Geschichte keine abschließende, klare Moral zu finden gibt: „Wir fuhren aus dem Sumpf heraus, in Goldkiefern hinein, wo Tom einmal einen Spießer verwundet hatte, eine Geschichte, an die wir uns beim Vorbeifahren alle erinnerten, eine Geschichte, wie üblich, mit einer Moral, allerdings einer unklaren.“

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Veröffentlicht am 29.01.2024

Schrecklich amüsant - aber in Zukunft ohne mich

Land in Sicht
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Wem der Titel meiner Rezension bekannt vorkommt und diesen als Titel von David Foster Wallace' wirklich schrecklich amüsantem Essay zum Thema Karibik-Kreuzfahrten wiedererkennt, hat diesen wahrscheinlich ...

Wem der Titel meiner Rezension bekannt vorkommt und diesen als Titel von David Foster Wallace' wirklich schrecklich amüsantem Essay zum Thema Karibik-Kreuzfahrten wiedererkennt, hat diesen wahrscheinlich auch gelesen und damit einen bei weitem anregenderen Text als den vorliegenden von Ilona Hartmann.

Eine junge Frau bucht sich auf einem Donau-Kreuzfahrtschiff für acht Tage ein. Sie möchte erstmalig ihrem leiblichen Vater begegnen, der Kapitän des besagten Schiffs ist. Zu Beginn des Romans erlebt sie (in abgeschwächter und nicht ganz so pointiert geschriebener Form) das, was David Foster Wallace auch bei seinem Kreuzfahrtabenteuer beobachtet und beschrieben hat. Ältere Pärchen lassen sich berieseln oder wahlweise animieren im Salon des Schiffs, machen Tagesausflüge, lieben sich, streiten sich. Die Ich-Erzählerin fällt aus der Rolle, da sie mehrere Jahrzehnte jünger als die meisten Reisenden ist. Das ist anfangs noch recht amüsant wird mit zunehmender Fokussierung auf das Aufeinandertreffen von Vater und Tochter jedoch auch zunehmend beliebig. So liest man sich zügig durch den kurzweilig konstruierten und flüssig geschriebenen Roman.

Nach kurzen 160 Seiten ist das Ganze aber auch schon wieder vorbei. Ein nachhaltiger Eindruck bleibt hier jedoch nicht zurück. Man liest das Buch nicht ungern, würde es aber auch nicht zwingend noch einmal kaufen und lesen, wenn man die Wahl hätte. 2,5 Sterne gibt es dafür insgesamt von mir, mit Aufrunden nach oben, da es mal ein nettes Buch für zwischendurch ist.

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Veröffentlicht am 29.01.2024

Danach braucht man frische Luft

Totalbeton
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Dieser Roman zeichnet in seiner Prämisse eine zutiefst dystopische Zukunft, in welcher außer einem unvorstellbar großem Hochhaus aus Beton (Wände, Möbel, alles) und dem undefinierbaren "Draußen" nichts ...

Dieser Roman zeichnet in seiner Prämisse eine zutiefst dystopische Zukunft, in welcher außer einem unvorstellbar großem Hochhaus aus Beton (Wände, Möbel, alles) und dem undefinierbaren "Draußen" nichts mehr existiert. Das in der Ich-Form erzählende Kind eines undefinierbaren Alters, aber im Verlauf bei aufmerksamen Lesen definierbaren Geschlechts, lebt mit den Eltern eingeschlossen in einer Wohnparzelle in der 5969. Etage. Wie viele Etagen mehr es in diesem Gebäude gibt, weiß niemand. "Vor den Toren" des Gebäudes ohne Tore stapeln sich die Ausgestoßenen. Ein Gewimmel wie einem Hieronymus Bosch Bild entsprungen.

Der Umgang der Familie untereinander ist genauso erschreckend und klaustrophobisch wie der Betonbau an sich. Der Vater betäubt sich mit dem "Abstumpfungsmittel", gleich nachdem sich die Familie das "Nährmittel" zugeführt hat. Die Wohnung wird nie verlassen. Man starrt auf einen Bildschirm, der die Ausgestoßenen vor dem Gebäude zeigt, als Abschreckung ja nicht aufzufallen, nicht aus der Reihe zu tanzen, nicht ausgestoßen zu werden. Wenn der Vater austickt, verprügelt er das Kind. Die Mutter ist depressiv und weinerlich. Der Platz in der Parzelle ist begrenzt, wird das Kind zu groß, passt es nicht mehr auf seinen Betonschlafplatz auf dem Boden, muss sich kleinmachen, sollte am besten verschwinden. Und das tut es dann auch. Es verschwindet nachdem es sich seiner selbst bewusst geworden ist und sich die Frage stellt, die man sich als Leser*in schon die ganze Zeit stellt: Weshalb? Weshalb das alles?

Und ab diesem Punkt des Romans verflüchtigt sich nicht nur das Kind sondern auch die greifbare Handlung. Das Buch wandelt sich zu einem einzigen philosophischen Gedankenexperiment, wird metaphysisch, transzendental , zuletzt nicht mehr greifbar. Es tut mir leid, da hat mich persönlich der Roman verloren. Diese unglaublich beunruhigende, verstörende Dystopie verpufft meines Erachtens im Finale. Nach ca. 40 Seiten wollte/musste ich an die frische Luft, da sich die Atmosphäre des Settings gespenstisch über mich stülpte und ich dachte ein neues Meisterwerk zu lesen. Nach weiteren - und den damit letzten - 100 Seiten wollte ich an die frische Luft, um wieder etwas Konkretes vor Augen zu haben.

"Konkret" - Beton (engl.) = "concrete". (Das ist jetzt ein Gedankenspiel meinerseits. Die Autorin ist frankophone Kanadierin). Der Roman scheint den Aggregatzustand zu wechseln, was mir persönlich nicht entgegen kommt. Was ich toll finde: Die Entscheidung des kleinen Verlags secession zum scheinbar passenden Papier. Dies ist meines Wissens der einzige Verlag, der in auf der Seite mit den Copyright-Angaben neben der verwendeten Schriftart etc. auch explizit die Papiersorte angibt. Warum ist das bei "Totalbeton" relevant? Das Kleine Büchlein scheint tonnenschwer in der Hand. Das Papier wirkt beim Darüberstreichen wie glatt polierter Beton, nur dass das Papier eine gefühlte Wärme abgibt, wohingegen Beton jegliche Wärme abziehen würde von einer aufgelegten menschlichen Hand. Sollte das alles so geplant sein, wäre ich fast geneigt, dem Buch doch 4 statt nur 3 Sterne zu geben.

Abschließend entscheide ich mich jedoch auf der inhaltlichen Ebene für die 3 Sterne. Da meines Erachtens das Buch großartig startet und sich dann zu sehr verliert, zu intellektualisiert in seinem philosophischen Geschwurbel. Wirklich schade.

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Veröffentlicht am 29.01.2024

Opium fürs Literaturvolk

Hundepark
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Der Opiumanbau wie auch die Einzellspende ist in Deutschland verboten. Das Erste sollte vielen bekannt sein, das Zweite eher weniger. Beides wird hingegen in der Ukraine, wenn man Sofi Oksanens neuen Roman ...

Der Opiumanbau wie auch die Einzellspende ist in Deutschland verboten. Das Erste sollte vielen bekannt sein, das Zweite eher weniger. Beides wird hingegen in der Ukraine, wenn man Sofi Oksanens neuen Roman und ihren Recherchen im Rahmen dessen Glauben schenken kann, vielfältig genutzt, um weit verbreiteten, finanziellen Sorgen zu begegnen, eine gewisse Unabhängigkeit zu erlangen und vielleicht den sozialen Aufstieg zu schaffen.

Geschickt verwebt Oksanen in ihrem Roman die Geschichte der Ich-Erzählerin Olenka, welche als im Westen gescheitertes Model in ihre Heimat Ukraine zurückkehrt, um dort zunächst selbst als Eizellspenderin und später aufgestiegen in der Hackordnung als Koordinatorin ebendieser zu agieren, mit den postsowjetischen Zuständen und politischen Ereignissen ab 2009 in der Ukraine. Das geschäftstüchtige Unternehmen "Eizellspende" wird kaltblütig mit bedürftigen Mädchen gefüttert, die nicht nur eine Hormontherapie über sich ergehen lassen müssen, sondern auch ihre Gesundheit durch dieses Verfahren riskieren. "So gern die Elite ins Ausland fuhr, um dort etwas für ihre Gesundheit zu tun, war unsere Gesetzgebung doch einzigartig, wenn es um die Unterstützung bei der assistierten Anschaffung von Kindern ging: Nur die künftigen Eltern genossen juristischen Schutz, während Spenderinnen und Leihmütter keinerlei Rechte besaßen." Die ukrainische Landbevölkerung hingegen hält sich mit illegalen Gruben und dem Schlafmohn- und damit Rohopiumanbau im Garten über Wasser. Beides zwielichtig, beides kreuzgefährlich.

Olenka schildert zunehmend um Verständnis bittend mit Rückschauen auf vergangene Jahre und Erlebnisse einem ominösen "Du" ihr Leben, was sie als einfache Putzfrau bis nach Helsinki geführt hat. Nur portionsweise, so wie es Olenka dem angesprochenen "Du" preisgeben möchte, erfahren wir mehr über die weitreichenden Zusammenhänge ihrer Handlungen und Taten. Wir müssen darauf hoffen, dass sie uns die Wahrheit - oder zumindest ihre Wahrheit - darlegt, denn Olenka ist eine Meisterin des Manipulierens gewesen. Doch in diesem Roman ist keine der Figuren einfach nur "böse" oder "gut", nur "Täter" oder "Opfer". Besonders Olenka bekommt so viele Facetten zugeschrieben, dass ihre Erzählung, ihr Geständnis umso lebhafter und authentischer wirkt. Zugegeben, der verknoteten Handlung muss man sehr aufmerksam folgen, um sie annähernd verstehen zu können. Verwirrend wird mitunter erzählt. Aber all dies ist grandios von Sofi Oksanen konzipiert. Der Roman fesselt bis zum Schluss und liest sich durch seine mitunter harte, dem Charakter und Denken der Protagonistin angepassten Sprache wie ein düsteres Spiegelbild einer zunehmend moralisch zerrütteten Gesellschaft.

So lässt sich dieses vom brillant durchdachten Cover bis zum letzten Satz durchweg stimmig konstruierte Buch uneingeschränkt für eine nicht nur spannende, sondern auch unglaublich wissenswerte - wie auch, aufgrund der Hintergrundinformationen zur modernen Ukraine, hochaktuelle - Lektüre dringend empfehlen.

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