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Veröffentlicht am 25.08.2024

Flucht aufs Land

Über Menschen
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Schon in >Unterleuten> hat Juli Zeh einen Großstädter aufs Land geschickt und damit in ein völlig anderes Leben geworfen. Daran hat mich dieses Buch erinnert, das allerdings viel komprimierter war und ...

Schon in >Unterleuten> hat Juli Zeh einen Großstädter aufs Land geschickt und damit in ein völlig anderes Leben geworfen. Daran hat mich dieses Buch erinnert, das allerdings viel komprimierter war und sich deshalb auch besser lesen ließ.

Diesmal ist es Dora, die das Weite sucht. Als Werbefachfrau wurde sie während der Corona-Krise ins Homeoffice verbannt, was zu Kompetenzschwierigkeiten mit ihrem Partner und schließlich zur Trennung führte. So sucht sie sich ein neues Domizil in der Provinz, wo sie ein altes Haus mit großem Grundstück auf Vordermann zu bringen versucht.

„Während die besser verdienenden Großstädter in ihren Wohnungen verrückt werden, gräbt man in der belächelten Provinz die Gärten um und wartet auf Regen. Eine Weile steht Dora da und schaut dem Menschen beim Normal-Sein zu. Das tut gut. Die Banalität des Alltags. Sie hat nicht gewusst, wie wichtig das ist.“

Ihr glatzköpfiger Nachbar Gote stellt sich als „Dorf-Nazi“ vor, doch er zeigt sich auch als äußerst hilfsbereit. Ebenso sind auch andere Menschen des Dorfes zwar übergriffig, doch mit durchaus positiven Eigenschaften behaftet.

Alles in allem hat Juli Zeh einen herrlichen Unterhaltungsroman geschrieben, in dem sie Träume vom Landleben imaginiert. Zwischen den Zeilen stehen stehen viele Informationen. Der lakonische Schreibstil macht das Lesen zum Spaß und bringt alles auf den Punkt. In einer klaren Sprache setzt sie sich mit ihren Charakteren und deren inneren Konflikten auseinander und regt damit an, über die grundlegenden Fragen des Lebens nachzudenken.

Bei diesem Buch komme ich nicht umhin, meine Lieblingszitate anzuhängen:

„Das Wetter hat wohl beschlossen, erst mit dem blauen Himmel aufzuhören, wenn die Vegetation vernichtet ist.“

„Die Vertreibung aus dem Paradies erfolgte nicht durch den Verzehr eines Apfels, sondern druch die Erfindung der Uhr.“

Fazit: Sehr lesenswert!

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Veröffentlicht am 21.08.2024

Ein langer Weg zurück ins Leben

Mein drittes Leben
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„Linda bedeutet die Milde, die Freundliche, die Sanfte. Dieser Name hat nichts mehr mit mir zu tun.“
Nach dem Unfalltod ihrer 17-jährigen Tochter zieht sich Linda aus dem Leben zurück. Sie verlässt Leipzig ...

„Linda bedeutet die Milde, die Freundliche, die Sanfte. Dieser Name hat nichts mehr mit mir zu tun.“
Nach dem Unfalltod ihrer 17-jährigen Tochter zieht sich Linda aus dem Leben zurück. Sie verlässt Leipzig und ihren Mann Richard und hält sich nur noch mit Routinen und Ritualen über Wasser. Bis sie ihren Rückzugsort verlassen muss und ein neues Leben beginnt.

Daniela Krien hat mich von Anfang an in diese Geschichte hineingezogen und nicht mehr losgelassen. Ich habe mit Linda gelitten und mich über ihre treuen Begleiter (den Hund Kaja und die neue Freundin Natascha) gefreut. In besonders schwierigen Situationen ist sie sich selbst so entrückt, dass sie von sich in der dritten Person spricht. Manchmal denkt sie sogar über Suizid nach, doch dafür scheint sie noch zu sehr am Leben zu hängen. Doch das merkt sie erst, als sie gezwungenermaßen ihr Leben verändern muss. Da entdeckt sie Kleinigkeiten, die ihr Halt geben und fühlt sich nach und nach wieder gebraucht. Bald kommen Momente, in denen sie wieder so etwas wie Glück spürt.

Dieses Buch hat mich tief berührt. Daniela Krien ist ein weiteres Mal über sich hinausgewachsen. Für mich war es ihr fünftes Buch und keines davon hat mich enttäuscht. Sie schafft es wunderbar, sich in ihre Figuren hineinzufühlen. Jedes Wort sitzt nachvollziehbar. Und trotz all der vorhandenen Trauer hat mich das vorliegende Buch nicht in den Abgrund gezogen, sondern die Hoffnung auf eine veränderte Zukunft aufrecht erhalten. Man merkt, dass die Autorin aus einem vielschichtigen Leben heraus schreibt. Chapeau!

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Veröffentlicht am 19.08.2024

Traumreise am Ende des Lebens

Reise nach Laredo
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Dieses Buch entführt uns ins Jahr 1558. König Karl ist 58 Jahre alt, körperlich und seelisch erschöpft. Gichtkrank und fiebrig verbringt er seine letzten Tage im Kloster von Yuste in Spanien. Sein Tagesablauf ...

Dieses Buch entführt uns ins Jahr 1558. König Karl ist 58 Jahre alt, körperlich und seelisch erschöpft. Gichtkrank und fiebrig verbringt er seine letzten Tage im Kloster von Yuste in Spanien. Sein Tagesablauf ist langweilig, bis er auf Geronimo trifft, einen unehelichen Sohn, der nicht weiß, dass sie verwandt sind. Mit ihm zusammen geht er auf eine abenteuerliche Traumreise.

Da der Klappentext nicht viel über die Geschichte verrät, habe ich erst im Laufe der Geschichte recherchiert, dass Arno Geiger hier das Ende des realen Karl V. imaginiert hat. Mit vielen nachgewiesenen Tatsachen gewürzt ist eine Geschichte entstanden, die mich etwas konfus zurückgelassen hat. Gepflegte Langeweile wechselte sich mit lebhafteren Episoden ab. Dabei gerät Karl „über die Ränder der ihm bekannten Welt hinaus“ (Seite 71). Manch gelungene Redewendung versöhnte mich immer wieder mit der Enttäuschung, die mir dieses Buch bereitete.

Die Idee des Autors, sich dem Lebensende anzunähern, fand ich eigentlich ganz interessant. Doch trotz zum Teil an die damalige Zeit angepasste Sprache konnte ich mit dem Inhalt des Buches wenig anfangen. Vielleicht lag es an der niederdrückenden Stimmung, die sich hier verbreitete. Dabei haben mir Arno Geigers Bücher bisher ganz gut gefallen.

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Veröffentlicht am 16.08.2024

Das Gedächtnis des Wassers

Am Himmel die Flüsse
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Das Wasser hat in seinem unermüdlichen Kreislauf viel erlebt. Dem geht die Autorin in ihrem Roman nach, der zwischen 630 v.Chr. bis in die Jetztzeit spielt. Vier Personen lässt sie abwechselnd in den Vordergrund ...

Das Wasser hat in seinem unermüdlichen Kreislauf viel erlebt. Dem geht die Autorin in ihrem Roman nach, der zwischen 630 v.Chr. bis in die Jetztzeit spielt. Vier Personen lässt sie abwechselnd in den Vordergrund treten:

Zuerst tritt König Assurbanipal aus Ninive (in der Nähe des Tigris) in Erscheinung. Er hatte bereits lange vor unserer Zeitrechnung eine legendäre Bibliothek mit 32000 Tontafeln aufgebaut, liebte die Kunst und war ein machtvoller, aber auch grausamer Herrscher.

Scherben dieser Tontafeln faszinierten Arthur, der 1830 als Sohn einer Schatzsammlerin im Themseschlamm geboren wurde und den Namen >König der Abwasserkanäle und Elendsquartiere< erhielt. Er hat in diesem Roman ein unglaubliches Gedächtnis, war sehr wissensdurstig und sein Lebensweg führte ihn schließlich bis nach Mesopotamien.

Das Land zwischen Euphrat und Tigris war 2014 auch das Ziel von Narin und ihrer Großmutter. Beide gehören zu den Yesiden, die wegen eines geplanten Stausees aus der Heimat vertrieben und unsäglichen Grausamkeiten durch den IS ausgesetzt sind.

Die in London lebende Hydrologin Zaleekhah stammt aus dem Irak und stellt immer wieder die Verbindung zum Wasser her.


Das Buch beginnt ziemlich brutal, doch dann wird es unglaublich interessant. Wir bekommen Informationen über das Altertum und hören von Geschichten aus der Bibel, die schon lange vor der Niederschrift von Generation zu Generation weitererzählt wurden. Die Zeit, in der das British Museum in London Fragmente aus der Ferne bekommt und diese ausgewertet werden, regt ebenso zum Weiterrecherchieren an, wie die Jetztzeit, in der der IS die Macht übernimmt und sich zum Herrscher aufspielt.


Die britisch-türkische Schrftstellerin Elif Shafak wurde im Oktober 1971 in Straßburg geboren und gehört in der Türkei zu den meistgelesenen Schriftstellern. Für mich war >Am Himmel die Flüsse< nach >Der Architekt des Sultans< und >Das Flüstern der Feigenbäume< ihr drittes Buch. In allen thematisiert sie die Vergangenheit. Sie erzählt mitreißend vom Orient und macht auf viele Probleme aufmerksam, die das Leben in der Fremde mit sich bringt.


Mich hat dieses von Pegah Ferydoni eingelesene Hörbuch knappe 15 Stunden regelrecht in sich hineingezogen. Mehrmals habe ich mir gegönnt, nichts nebenbei zu tun, sondern mich ganz entspannt hinzusetzen und nur der Stimme und der außerordentlich gelungenen Geschichte zu lauschen. Das war eine tief beeindruckende Erfahrung und hat mir eine Menge Wissen vermittelt.


Fazit: Ein Highlight des Bücherjahres 2024.

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Veröffentlicht am 13.08.2024

Freundschaften

Ich komme nicht zurück
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„Ganze Bücher könnte man füllen mit den ungesagten Worten.“

Rasha Kayat lässt Hanna über ihre Freundschaft mit Cem und Zeyna erzählen. Viel haben die drei zusammen in ihrer Kindheit und Jugend zusammen ...

„Ganze Bücher könnte man füllen mit den ungesagten Worten.“

Rasha Kayat lässt Hanna über ihre Freundschaft mit Cem und Zeyna erzählen. Viel haben die drei zusammen in ihrer Kindheit und Jugend zusammen erlebt. Cem, in Deutschland mit türkischen Wurzeln geboren, weiß ebenso wie beiden anderen was Armut bedeutet. Zeyna kam als Kind nach dem Tod ihrer Mutter mit dem Vater nach Deutschland. Hanna wächst bei ihren Großeltern auf, der Vater ist unbekannt, die Mutter nicht mehr da. Ihr Großvater freundet sich mit Zeynas Vater an und die beiden Mädchen wachsen fast wie Schwestern auf.

Doch irgendetwas ist geschehen, denn als Hanna nach dem Tod ihrer Großeltern wieder in der alten Heimat lebt, will Zeyna keinen Kontakt mehr zu ihr haben. Nach und nach erfahren wir, was die beiden alles miteinander erlebt haben, doch wie der Bruch zustande kam, bleibt lange im Verborgenen. Nur Cem ist weiterhin ein treuer Begleiter für Hanna.


Rasha Khayat geboren 1978 in Dortmund, wuchs in Jeddah, Saudi-Arabien, auf. Als sie elf war, siedelte ihre Familie nach Deutschland zurück. Sie studierte Vergleichende Literaturwissenschaften, Germanistik und Philosophie in Bonn. Seit 2005 arbeitet sie als freie Autorin, Übersetzerin und Dozentin. ›Ich komme nicht zurück‹ ist ihr zweiter Roman. Nachdem mir ihr 2016 erschienenes Debüt ›Weil wir längst woanders sind‹ schon sehr gut gefallen hatte, empfand ich es als Muss, auch diesen Roman zu lesen. Er hat mich vor allem in der zweiten Hälfte tief berührt.


Sie bearbeitet darin viele Themen. Zwischen den Zeilen ist Hannas Eifersucht auf Zeyna herauszulesen, weil sich die Großmutter genauso rührend um das mutterlose Mädchen kümmert, wie um die Enkelin. Sie thematisiert die Familienbande ebenso, wie Erinnerungen an den 11.September 2001, als der Terroranschlag auf die New Yorker Zwillingstürme auch das Verhältnis zu arabischstämmigen Menschen in Deutschland beeinflusste.

Bei mir entstanden während des Lesens deutlich Bilder, die Gefühle erwachen ließen. Ich empfand Rasha Khayats Worte als wahre Kunst, weil sie mich so unmittelbar ansprachen und mich teilweise in die Haut der Erzählerin schlüpfen ließen.


Fazit: Unbedingte Leseempfehlung!

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