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Veröffentlicht am 08.02.2017

Ein München-Krimi, wie ich ihn mag

Zapfig
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Rechtsmedizinerin Dr. Sophie Rosenhuth und ihr Exmann Kriminalkommissar Joe Lederer haben immer mal wieder Zoff. Einerseits wollen sie wieder zusammen ziehen, was im sündhaft teuren München nicht so einfach ...

Rechtsmedizinerin Dr. Sophie Rosenhuth und ihr Exmann Kriminalkommissar Joe Lederer haben immer mal wieder Zoff. Einerseits wollen sie wieder zusammen ziehen, was im sündhaft teuren München nicht so einfach ist, wenn man nur ein begrenztes Budget zur Verfügung hat und auch noch unbedingt in Giesing bleiben will; andererseits nervt Joe immer wieder mit seiner Eifersucht.

Als die Verlobte des Juniorchefs der Giesinger Privatbrauerei Rößlbier Nathalie Grimm tot in ihrer Wohnung aufgefunden wird, stellt sich die Wohnungssuche erst mal in den Hintergrund und die Beiden ermitteln wie schon so oft gemeinsam. Als dann auch noch die Chefin der Brauerei tot in einem Gärfass treibend liegt, bekommt Joe massiven Druck von seinem Chef, denn das Bier ist des Münchners (fast) heiligstes Gut.

Dies ist nun schon der vierte Fall, bei dem ich mit Sophie und Joe ermitteln darf. Auch diesmal ist es Felicitas Gruber (Pseudonym der Autorinnen Brigitte Riebe und Gesine Hirsch) mir ein paar wunderbar leichte Lesestunden zu bescheren. Es ist immer wie nachhause kommen, wenn ich die schon bekannten Protagonisten wiederlese. Ich mag sie einfach, die im Beruf sehr akribische, im Haushalt total chaotische Sophie, die gerne isst und sich zwischen zwei Männern entschieden zu haben scheint; ihre Tante Vroni mit Freund und Hund Murmel; Charly, der sich immer noch um Sophie bemüht und Joe, den die Eifersucht auf Charly rasend macht; Frau Dr. Elke Falk (Dr. Iglu), die mir fehlen würde, würde sie nach Bozen gehen und Spike mit seiner Musikleidenschaft, der nun endlich seine Shirin heiraten wird.

Die Kriminalfälle, die diesmal zu bearbeiten sind, spielen im Bierbrauermilieu und ich habe einiges über die Braukunst erfahren. Auch wenn mir die Auflösung etwas vorhersehbar erschien, hat das der Spannung und dem Lesevergnügen keinen Abbruch getan.

Sozialkritisch und gut eingebaut finde ich auch die Geschichte um Faris, einen jungen Syrer, der sich integrieren möchte, der bei einer Schlägerei 4 : 1 schwer verletzt wird und dem Charlys Onkel Mecki, den ich richtig ins Herz geschlossen habe, hilft.

Für mich ist in dieser Geschichte vor allem auch das Münchner Flair, dass gerade Sophie und Vroni mit ihrem münchnerischen Dialekt herrlich rüberbringen wichtig. Zusammen mit immer wieder humorigen Szenen, die die Kriminalfälle etwas auflockern, ist die gesamte Geschichte eine absolut gelungene Unterhaltung.

Wer gut charakterisierte Protagonisten, einen spannenden Kriminalfall, in dem es nicht von Blut trieft, und den Münchner Lokalkolorit sucht, der hat dies alles mit diesem Buch gefunden.

Veröffentlicht am 08.02.2017

Einfühlsam, spannend - einfach richtig gut

Mein schlimmster schönster Sommer
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Unternehmensberaterin Isabel Drievers lebt zufrieden mit ihrem Lebensgefährten Georg Krailsheim in einer schicken Wohnung in München. Ihre immer öfter auftretenden Schmerzen verdrängt sie bis es nicht ...

Unternehmensberaterin Isabel Drievers lebt zufrieden mit ihrem Lebensgefährten Georg Krailsheim in einer schicken Wohnung in München. Ihre immer öfter auftretenden Schmerzen verdrängt sie bis es nicht mehr geht. Die schockierende Diagnose: Krebs – ein männerfaustgroßer Tumor im Bauchraum – trifft sie völllig unvorbereitet und mit großer Wucht. Bis zum OP-Termin in 14 Tage soll sie Urlaub machen. Diesen Rat des Arztes nimmt sie an, als sie auf dem Heimweg einen gelben VW-Bulli Jahrgang 1985 mit einem „zu verkaufen“-Schild am Straßenrand stehen sieht. Zusammen mit dem jungen Besitzer Rasso Liebermann beginnt ihre Fahrt quer durch Deutschland. Dabei wollte sie eigentlich in die Provence.

Stefanie Gregg gelingt es, mich mit dieser berührenden, manchmal traurigen oder nachdenklichen, insgesamt sehr gefühlvollen Geschichte völlig in die Welt von Isabel eintauchen zu lassen. Ich leide mit ihr, ich lache mit ihr, wenn sie weint, kommen mir die Tränen. Ich begleite sie auf ihrer Reise in eine ihr vollkommen fremde Welt: von der taffen Unternehmensberaterin zum Mondenkind, die sich gerade treiben lässt – und es genießt. In ihren Träumen erzählt sie mir von unerfüllten Wünschen und ich merke, wie weit sie sich davon entfernt hat.

Ihr Lebensgefährte Georg, der nicht weiß, wo Isabel hin ist, kein Lebenszeichen von ihr bekommt, nur eine kurze Mitteilung, dass sie für 14 Tage weg ist, tut mir manchmal leid. Er merkt erst jetzt richtig, wie sehr er Isabel vermisst, wie wenig er sich um ihre Gefühle geschert und ihr geneinsames Leben als selbstverständlich hingenommen hat.

Auch die anderen Protagonisten, die Isabel auf ihrer Reise kennenlernt, kommen sehr authentisch, lebendig und menschlich rüber. Es sind sehr verschiedene Charaktäre, die sich da in Isabels Leben schleichen. Dem ein oder anderen bin ich vielleicht schon mal begegnet. Den kleinen Streuner hätte ich auch sofort adoptiert.

Die witzigen Dialoge, die Gedanken von Georg, die vielen kleinen Geschehnisse und der temporeiche Erzählstil lassen mich nur so durch die Seiten fliegen. Langeweile oder Langatmigkeit hat überhaupt keine Chance.

Diesen unterhaltsamen, sehr berührenden Roman, der mich bis zum Schluss gefesselt und auch überrascht hat, kann ich nur jedem, der Lebensgescichten mag, empfehlen. In mir wird er noch eine Zeit lang nachwirken.

Veröffentlicht am 05.02.2017

Eine wunderbare Familiengeschichte

Das Versprechen der australischen Schwestern
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"Das Versprechen der australischen Schwestern" ist der dritte und leider letzte Band der Australientrilogie von Ulrike Renk. Die ersten beiden Bände kenne ich noch nicht, was sich aber bald ändern wird. ...

"Das Versprechen der australischen Schwestern" ist der dritte und leider letzte Band der Australientrilogie von Ulrike Renk. Die ersten beiden Bände kenne ich noch nicht, was sich aber bald ändern wird. Und dann lese ich diesen Band zum Abschluss noch einmal.
Man muss aber die ersten beiden Bände nicht unbedingt kennen, um bei diesem letzten einen absoluten Lesegenuss zu haben.

Gleich am Anfang des Buches lerne ich mit einem Stammbaum die Familie Emilia und Carl Gotthold Lessing mit ihren Kindern, deren Partnern, Kindern und Enkeln kennen. Die gesamte Familie ist mir beim Lesen so ans Herz gewachsen und ich fühlte mich bald mittendrin. Besonders Mina, Elsa und Carola, die drei Schwestern, haben bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Aber auch Mama Emilia mit ihrer Kraft, ihrem Verständnis und ihrer allumfassenden Fürsorge mag ich sehr.

Ulrike Renk hat einen so wunderbar leichten, aber trotzdem spannenden Erzählstil, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen wollte. Die vielen Dialoge und Briefe machen das Buch so richtig lebendig.

Ich erlebe den ganz normalen Alltag in Sydney, bin traurig, als Opa Carl stirbt, leide mit Elsa als ihr Otto im 1. Weltkrieg ums Leben kommt und freue mich, dass Carola in Hamburg und Mina ihre ersten Babys bekommen. Durch Allunga, die Aboriginesfrau, die seit Jahren bei Emilia im Haushalt hilft und schon zur Familie gehört, lerne ich einiges um das schwierige Leben der Aborigines nachdem die Weißen Australien als ihr Land angenommen haben. Und auch Homosexualität ist bei den Lessings ein Thema.

Wer eine sehr gute geschriebene, abwechslungsreiche, spannende Familiengeschichte mit liebevoll gezeichneten Protagonisten mag und in Gedanken gene mal nach Australien reist, dem kann ich dieses wundervolle Buch nur empfehlen.

Veröffentlicht am 29.01.2017

Das reale Leben

Niemand ist bei den Kälbern
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Als ich die grünen Gummistiefel auf einem Leserundenbuch gesehen habe, war klar, dass ich dieses Buch unbedingt lesen wollte. Und ich habe es, obwohl es mich stark aufgewühlt und berührt hat, sehr gerne ...

Als ich die grünen Gummistiefel auf einem Leserundenbuch gesehen habe, war klar, dass ich dieses Buch unbedingt lesen wollte. Und ich habe es, obwohl es mich stark aufgewühlt und berührt hat, sehr gerne gelesen.
Die Hauptperson in Alina Herbigs Debütroman heißt Christin, ist Mitte Zwanzig, und lebt bei ihrem Freund Jan und dessen Vater mit seiner neuen Lebensgefährtin im kleinen Ort Schattin auf einem Bauernhof für Vieh- und Milchwirtschaft im Norden von Mecklenburg-Vorpommern. Ihre Mutter hat sich, als Christin noch sehr jung war, für ein Leben ohne den alkoholkranken Mann und Vater entschieden und die beiden allein gelassen. Christin blieb bei ihm bis auch sie nicht mehr konnte.
Mit Zeitschriften wie Landlust, LandIdee, mein schönes Land oder Landgenuss, die mir mit ihren tollen Fotos und Berichten ein idyllisches Landleben vorgaukeln – das es bestimmt genau so geben wird – hat die Geschichte, die mir Christin erzählt absolut nichts zutun. Ihre Welt besteht aus Frust, vielzuviel Alkohol, Schlägen, Erniedrigungen und Lügen. Sie lässt sich kontrollieren und erniedrigen. Aber sie hat ja auch nichts anderes gelernt.
Sie hat so überhaupt kein Händchen für die Landwirtschaft – weder für die Tiere noch für die Arbeit im Haus; wird von Jan´s Vater, der mit der Wahl seines Sohnes überhaupt nicht einverstanden ist, immer nur zu den Depperldiensten eingeteilt und will eigentlich nur weg aus diesem Kaff. Sie träumt von einem Bürojob in der Stadt, von schicken Kleidern, Longdrinks. Aber ohne Ausbildung, ohne Geld, ohne Anlaufstelle in der Stadt, wo sie gerne hin möchte, nur mit einem Koffer und ihrem Auto – sie weiß selbst, dass das schwer werden wird.
Anfangs war mir Christin mit ihrer faulen, nur auf sich gerichteten Art nicht sonderlich sympathisch – eher im Gegenteil. Aber nach und nach, als ich mehr über ihre Kindheit und Jugend erfahren habe, hat sich das Bild etwas gewandelt. Ich bekam Mitleid mit der jungen Frau, die für sich so gar keine Perspektive sieht und daher manchmal sehr impulsiv und brutal reagiert.
Niemand ist bei den Kälbern ist eine Geschichte, wie sie in bestimmt manchem ländlichen, nur von Landwirrtschaft geprägtem Gebiet vorkommen kann. Und Christins gibt es bestimmt auch mehr als eine.
Mit hat aber auch der sprachliche Ausdruck hier sehr gut gefallen. Ich bin sofort mittendrin und kann die glühende Sommerhitze spüren, die Mücken surren hören und den Gestank im Stall bei der Hitze riechen. Auch die Hoffnungslosigkeit und im letzten Satz die Hoffnung, die zwar nicht direkt angesprochen werden, spüre ich beim Lesen sehr gut.

Es gibt aber nicht nur Arbeit, Dreck und Perspektivlosigkeit. Immer wieder mal kommt ein kleiner humoristischer Einschlag, wo sich meine Mundwinkel nach oben ziehen.

Vor allem aber hat mich dieses Buch gut unterhalten und wird noch lange nachwirken.

Veröffentlicht am 22.01.2017

Toller Start einer neuen Ermittlerin

Todesstrand
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Josephine Rupert gibt es nicht mehr. Warum und was sie hat erleiden müssen, erfahre ich in immer wieder vorkommenden kleinen Andeutungen. Unter ihrer neuen Identität Emma Klar betreibt die ehemalige LKA-Beamtin ...

Josephine Rupert gibt es nicht mehr. Warum und was sie hat erleiden müssen, erfahre ich in immer wieder vorkommenden kleinen Andeutungen. Unter ihrer neuen Identität Emma Klar betreibt die ehemalige LKA-Beamtin heute eine kleine Privatdetektei um von hier aus ihre ehemaligen Peiniger zu ermitteln. Bei ihrem ersten Fall kann sich ein Vater nicht damit abfinden, dass seine 16-jährige Tochter Selbstmord begangen haben soll. Bei ihren Recherchen stößt Emma auf weitere verschwundene Mädchen im gleichen Alter und auch auf einen Namen, der ihr die Haare zuberge stehen lässt: Bruno Teith, der sich heute Jakob Thal nennt und alles tun wird, um sie zu finden.

Mit ihrem leichten und flüssig zu lesenden Schreibstil hat mich die Autorin sofort in die Geschichte hineingezogen. Nach den ersten Seiten ist es mir nicht leicht gefallen, das Buch mal zur Seite zu legen. Die Autorin versteht es hervorragend mein Kopfkino und meine Gefühle durch ihre Beschreibungen anzufachen. Es bleibt aber mir überlassen, wie brutal und blutig ich mir die Geschehnisse vorstelle. Wut, Hass, Angst, Gefühlskälte, Hoffnung, langsam entstehendes Vertrauen und Verliebtheit kann ich mir sehr gut vorstellen. Der Spannungsbogen steigt stetig an und zieht sich durch bis zum guten Ende, das für mich allerdings noch etwas ausführlicher hätte sein dürfen. Es stört absolut nicht, dass ich die "Bösen" von vorn herein kenne. Hier ist eher das Gegenteil der Fall. Ich fiebere mit den Ermittlern mit, bis sie endlich am Ziel sind

Es geht um Mädchenhandel und vor allem um die Männer, die hier ihre sexuellen Praktiken ausleben wollen. Hierbei wird der Tod der Mädchen in Kauf genommen und gekonnt verschleiert.

Besonders gut gefällt mir hier die eigenwillige Ermittlertruppe: Emma Klar mit ihrer Provatdetektei in Wismar; Johanna Krass, Sonderermittlerin des BKA Berlin arbeitet zusammen mit den beiden Privatdetektiven Kirch und Bormer von einer Detektei in Rostok aus. Verbunden mit dem BKA können sie ihre Ermittlungen frei gestalten, haben aber die gesamten BKA-Resourcen im Rücken und können jederzeit darauf zugreifen.

Emma Klar ist mir mit ihrer anpassungsfähigen, pragmatischen und liebenswerten Art sofort ans Herz gewachsen. Aber auch von den anderen Protagonisten, charakteristisch und farbig mit Ecken und Kanten gezeichnet, hatte ich bald ein lebendiges Bild vor Augen. Anders, als bei vielen anderen Krimis, bekomme ich von ihnen nur sehr wenig Privates zu lesen. Als Emma ihr geschundenes Herz verliert, habe ich mich sehr mit ihr gefreut und hoffe, dass ich davon und von einem neuen Fall bald mehr lesen darf.

Ich würde mich sehr freuen, wenn dies nicht Emmas letzter Fall gewesen wäre. Sie hat viel Potential mich sehr gut zu unterhalten und mir spannende Lesestunden zu bieten.