Profilbild von Garten_Fee_1958

Garten_Fee_1958

Lesejury Star
offline

Garten_Fee_1958 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Garten_Fee_1958 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.10.2017

Wahrnehmung - die andere Sicht der Dinge

Das geheime Netzwerk der Natur
0

Peter Wohlleben hat es mit seinem neuesten Buch „Das geheime Netzwerk der Natur“ einmal mehr geschafft, den Leser mitzunehmen auf eine ganze besondere Reise in die uns umgebende Natur mit den Tieren, ...

Peter Wohlleben hat es mit seinem neuesten Buch „Das geheime Netzwerk der Natur“ einmal mehr geschafft, den Leser mitzunehmen auf eine ganze besondere Reise in die uns umgebende Natur mit den Tieren, die darin heimisch sind. Er schreibt sachlich, manchmal ein wenig humorvoll, mit viel Emotionen und fachlich fundiert. Peter Wohlleben bringt mit seinen Büchern uns Menschen die Natur, die uns umgibt, auf seine sehr eigene Weise nahe, spannend, fesselnd und nachvollziehbar und verständlich geschrieben.
In seinem neuen Buch „Das geheime Netzwerk der Natur“ erklärt er uns Lesern anhand von nachvollziehbaren Beispielen wie Laubbäume die Erdrotation beeinflussen, wie Kraniche es schaffen, durch Veränderung ihrer Flugrouten die spanische Schweinefleischproduktion zu beeinflussen, wie Regenwürmer den Bestand von Wildschweinen in unseren Wäldern beeinflussen können und was mit und in der Natur passiert, wenn das aufeinander eingespielte System durcheinandergerät.
Der Schreibstil von Peter Wohlleben ist einfach, verständlich und so einfühlsam geschrieben, der Leser spürt in vielen Sätzen und Passagen seine Liebe zur Natur und seine Berufung als Förster, erklärt auf anschauliche Art und Weise die Symbiose zwischen Bäumen und Pilzen, erläutert die Arbeit der „Waldpolizei“ wie er die Waldameisen bezeichnet und erfährt, warum schon Wölfe ihren Nachwuchs darauf trainieren, dass Raben „Freunde“ sind.
Er schafft es, durch seine Geschichten zu berühren, aber auch, dass man die Augen öffnet und intensiver wahrnimmt, schärft beim Leser durch seine locker geschriebenen Geschichten den Sinn für das große Ganze, wie einzelne Geschehnisse zusammenhängen und was passieren kann, wenn in diese fein verwobenen Stränge des natürlichen Zusammenspiels von Natur und Tier eingegriffen wird. Peter Wohllebens Bücher sind in meinen Augen eine wahre Bereicherung, um komplizierte Zusammenhänge sachlich und leicht verständlich zu schildern, wie er selbst sagt, Faktenlage emotional begreifbar zu machen.
Das ist ihm mit diesem Buch wiederum hervorragend gelungen, er schafft es ohne Klimmzüge und Anstrengungen den Leser zu begeistern und ihn teilhaben zu lassen an einer ungewöhnlich emotionalen Sicht der Dinge.

Veröffentlicht am 22.10.2017

offen und ehrlich

Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen
0

Auf die Autorin Maria Braig wurde ich im Rahmen einer Wanderbuchrunde aufmerksam, das Thema hat mich sofort angesprochen, „Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen – Die Asylentscheiderin“ ...

Auf die Autorin Maria Braig wurde ich im Rahmen einer Wanderbuchrunde aufmerksam, das Thema hat mich sofort angesprochen, „Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen – Die Asylentscheiderin“ ein immer noch sehr aktuelles Thema.
Die Protagonistin des Romans Jule, die nach einemfast 30jährigen Berufsleben bei der Post und einer gescheiterten Beziehung einen Neuanfang für sich sucht, liest einen Aufruf des BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge), das tatkräftige, mutige und entscheidungsfreudige Menschen sucht, um für 6-12 Monate als Entscheiderin Asylverfahren verantwortungsbewusst zu bearbeiten. Sie bewirbt sich und wird nach erfolgreich bestandenem Crashkurs in Sachen „Entscheidungen“ als Entscheiderin für das BAMF tätig. Eher zufällig trifft sie ihre alte Klassenkameradein Cochise wieder, die ihrerseits aktiv in der Flüchtlingshilfe tätig ist und so ganz anders ist als Jule; zwischen beiden entwickelt sich langsam als stetig eine Freundschaft, trotz ihrer so völlig unterschiedlichen Auffassungen zur Flüchtlingspolitik. Als Cochise in Griechenland als angebliche Schlepperin verhaftet wird, gegen Kaution auf freien Fuß kommt, begleitet Jule, die immer mehr schwere Selbstzweifel an der Arbeit beim BAMF hat, Cochise zum Prozess nach Griechenland.
Maria Braig hat mich mit dem Roman in ihren Bann gezogen, sie schreibt packend, fesselnd und voller Emotionen einerseits die widerstreitenden Gefühle und Ängste von Jule, andererseits aber auch die Geschichten der Flüchtlinge, die zu Jule als Asylentscheiderin kommen, Geschichten, die unter die Haut gehen, die betroffen machen. Geschichten, die das Leben schreibt und die verdeutlichen und sehr anschaulich schildern, welcher enorme psychische Druck auf den Beamten lastet, die als Asylentscheider tätig sind, denn die einzelnen Schicksale haben nicht zu interessieren, es wird nach Gesetzen entschieden.
Die Autorin hat klar das deutsche Asylrecht beschrieben und lässt viel Hintergrundwissen über das Asylrecht einfließen, erläutert Begriffe wie subsidiären Schutz, sichere Herkunftsländer, die Dublin-Verordnung und Fluchtgründe.
Ein Roman, der aufrüttelt, der veranschaulicht, dass dringend Handlungsbedarf besteht, Asylentscheider müssen zureichend geschult werden und im Rahmen von Mentoring Programmen begleitet werden und es ist unverantwortlich, wenn in Deutschland Menschen, die keine Qualifikationen nachweisen können, im Schnellverfahren zu Entscheidern ausgebildet werden, die über Sein oder Nichtsein von Menschen entscheiden können, in „Der Zeit“ war im Juni diesen Jahres ein Bericht, demzufolge viele der sogenannten Entscheider unzureichend ausgebildet sind, von den mehreren Tausend eingestellten Mitarbeitern haben bislang nur 21,6 % die notwendigen Qualifizierungsmaßnahmen durchlaufen.

Veröffentlicht am 16.10.2017

Familienchaos in Venedig

Venezianische Liebe
0

Ein gelungenes Cover, im Hintergrund leicht verschwommen ein Teil der Skyline von Venedig, im Vordergrund dümpeln ein paar Gondeln im dunklen Wasser.
Marias Tochter will in Venedig heiraten und ihre Tochter ...

Ein gelungenes Cover, im Hintergrund leicht verschwommen ein Teil der Skyline von Venedig, im Vordergrund dümpeln ein paar Gondeln im dunklen Wasser.
Marias Tochter will in Venedig heiraten und ihre Tochter Amelie überlässt ihr die Vorbereitungen der Hochzeit, wovon Maria total begeistert ist. Sie ahnt aber nicht, dass sie sich neben den Vorbereitungen auch mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen muss, was so überhaupt nicht geplant war. Da ist einmal Leander, angeblich umgekommen beim Tsunami in Thailand, der plötzlich auf dem Markusplatz steht und sich als Straßenmusiker verdingt und die Verwandtschaft, die auch so das ein oder andre Geheimnis hütet. Vergessene und verdrängte Gefühle erwachen zu neuem Leben, außerdem hat so mancher mit dem totgeglaubten Leander noch verschiedene Dinge zu klären…
„Venezianische Liebe“ ist nicht der erste Roman, den ich von Gisa Pauly gelesen habe, ich liebe die Sylt Krimis mit „Mama Carlotta“, die ich alle! verschlungen habe. Leider kommt dieser Roman nicht an diese Reihe heran, die Charaktere bis auf Cyrill bleiben insgesamt recht blass, oberflächlich und farblos. Die Handlung ist rasant, schnell und das geht zu Ungunsten der handelnden Personen, leider.
Die Idee dieses Verwirrspiels vor italienischer Kulisse ist ein toller Aufhänger für einen Roman, die zu Beginn skurrilen Beschreibungen der handelnden Personen, die dann aber leider nicht weitergesponnen und ausgearbeitet werden, das hat mich enttäuscht. Ein bisschen weniger „Action“ und mehr Farbe bei den Charakteren hätten der Handlung sicher gut getan.
Ein wenig versöhnt hat mich das Ende des Romans, das völlig überraschend war und mit dem ich so nicht gerechnet hatte, wenn auch das eine oder andere vorhersehbar war.

Veröffentlicht am 15.10.2017

spannend und eindrucksvoll

Das verlorene Medaillon
0

Klappentext: Angesichts des Elends, das in der Bergarbeiterstadt Coal River herrscht, ist Emma Malloy fassungslos. Selbst Waise, geht ihr besonders das Schicksal der Kinder zu Herzen, die halb verhungert ...

Klappentext: Angesichts des Elends, das in der Bergarbeiterstadt Coal River herrscht, ist Emma Malloy fassungslos. Selbst Waise, geht ihr besonders das Schicksal der Kinder zu Herzen, die halb verhungert und unter Lebensgefahr in den Kohlenminen schuften müssen. Gegen den Willen ihrer wohlhabenden Verwandten, bei denen Emma seit dem Tod ihrer Eltern lebt, verteilt sie heimlich Nahrungsmittel an die Ärmsten und bringt den Kindern Lesen und Schreiben bei. Eines Tages trifft sie dabei auf den Arbeiter Clayton Nash, der sie vor der Kohlekompanie warnt, denn die duldet keine Einmischung ...

Ein schön gestaltetes Cover hat mich neugierig gemacht.
Die Grundidee der Autorin, mit Emma, die selbst als Waise zurück nach Coal River kommt und sich nicht fügt, sondern sich aktiv dafür einsetzt, den Kinderarbeitern in der Kohlenmine zu helfen, finde ich klasse, gut beschrieben. Emma ist eine junge Frau, deren Charakter mir recht gut gefallen hat, am Anfang nach außen eher angepasst um sich dann im weiteren Verlauf zu entwickeln, in eine Frau, die sich weder um Konventionen schert, noch den in sie gesetzten Erwartungen in eine billige Arbeitskraft. Der Schreibstil ist flüssig und leicht lesbar, doch ich empfand so einige Passagen als ein wenig zu ausführlich, zu langatmig, getreu dem Motto: „In der Kürze liegt die Würze“.
Insgesamt jedoch hat die Autorin das Schicksal der damals so ausgebeuteten Familien offen und auch schonungslos beschrieben und dem Leser damit einen sehr guten Einblick in das damalige Leben der ausgebeuteten Arbeitsfamilien gegeben, die der Willkür der Minenbesitzer nach Profit hilflos ausgeliefert waren. Die teilweise sehr emotionalen Schilderungen haben mich mitfiebern und auch mitleiden lassen, haben mich in ihren Bann gezogen.
Mich hat der Roman trotz der kleinen Schwäche gefesselt und die Geschichte hat mir gut gefallen.

Veröffentlicht am 08.10.2017

Aufklärung

Stille Machtergreifung
0

Hans-Henning Scharsach ist seit den 1960iger Jahren journalistisch tätig und bekannt als Experte für Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und Neonazismus, war schon 1993 Mitveranstalter des Lichtermeeres ...

Hans-Henning Scharsach ist seit den 1960iger Jahren journalistisch tätig und bekannt als Experte für Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und Neonazismus, war schon 1993 Mitveranstalter des Lichtermeeres der 250.000 für Solidarität, gegen Rassismus und Ausgrenzung
Schonungslos deckt er in diesem Buch die Verbindungen zwischen FPÖ und Burschenschaften, den Antisemitismus in den Burschenschaften, sowie die burschenschaftliche Verwurzelung in NS-Traditionen auf.
Hans-Henning Scharsach hat hervorragend recherchiert, denn seine getroffenen Aussagen sind anhand von Quellenangaben nachvollziehbar und überprüfbar. Der Leser erhält einen sehr fundierten Einblick, beleuchtet ebenso die rechtsextremen Inhalte in jugendlichen Verpackungen wie die Zukunftsaussichten unter einer FRÖ-Regierung in Österreich.
Sehr interessant und viel Hintergrundwissen haben auch die Kapitel über den Antisemitismus innerhalb der Burschenschaften und die Geschichte der Burschenschaften und dem Nationalsozialismus.
Der Autor schildert leicht lesbar, aber eindrücklich eine Fülle von Fakten, die den Leser aufrütteln, die ihn zu Zivilcourage auffordern, seine eigene Meinung zu vertreten und sich nicht einlullen zu lassen. ´
In seinem persönlichen Nachwort ruft er für eine Zukunft des Miteinanders auf, für die Beseitigung von entstandenen politischen und gesellschaftlichen Gräben, für eine Gesellschaft ohne Angst vor dem vermeintlich drohenden Bürgerkrieg.
Absolut lesenswert.