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Veröffentlicht am 15.09.2024

Eine informative Zeitreise - Der Roman „Die Leuchttürme der Stevensons“ von Sabine Weiss

Die Leuchttürme der Stevensons
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„Die Leuchttürme der Stevensons“ von Sabine Weiss ist ein Historischer Roman. Er handelt von der Dynastie Ingenieure und Leuchtturmbauer, die zwischen 1794 und 1872 in ganz Schottland Leuchttürme erbaut ...


„Die Leuchttürme der Stevensons“ von Sabine Weiss ist ein Historischer Roman. Er handelt von der Dynastie Ingenieure und Leuchtturmbauer, die zwischen 1794 und 1872 in ganz Schottland Leuchttürme erbaut hat. Leuchttürme haben die Eigenschaft, bei Nacht Orientierung für Seefahrer zu bieten, die sich auf dem Meer befinden. Sie sollen auch bei Sturm und Unwettern vor Schiffbruch bewahren und der Sicherheit der Seefahrer dienen, ihr Leben zu retten. Diesem Ethos verpflichtet fühlt sich auch Tom Stevenson. Er und seine Frau Maggie sind gläubige Menschen. Sie haben einen Sohn Louis, den sie zärtlich „Smout“ nennen. Das Einzelkind war schon als Kind etwas Besonderes. „ Ihm ( Tom ) schießt durch den Kopf, wie Lou, als er kaum einen Stift führen konnte, einmal einen Mann malte und fragte: „Soll ich auch seine Seele malen?“ “ ( S.16 ). Obwohl er oft Probleme mit seiner Gesundheit hat und unter Alpträumen leidet, wünscht er sich, eines Tages Schriftsteller zu werden. Aber sein strenger Vater hat andere Pläne. Er soll genau wie er Ingenieur werden und ein Leuchtturmbauer. In diesem Buch wird hauptsächlich von der Zeit erzählt, als Louis in Edinburgh - dem „Athen des Nordens“ - seinem Ingenieurstudium nachgeht. Professor Jenkin ist auch ein von seinem Vater Tom sehr geachteter Mentor für den Studenten. Lediglich im Prolog und im Epilog wird einmal aus der frühen Kindheit und dann am Ende von Louis Sterben auf der Insel Samoa berichtet.
Der Student Louis wird während seines Studiums oft davon geplagt, keine innere Beziehung zu seinem Fach und zur Konstruktion von Leuchttürmen zu haben. Das Studium ist für ihn langweilig. Manchmal, wenn er Geld hat, geht er allein oder mit Freunden in ein Lokal, wo er „Samtjacke“ genannt wird. Außerdem schreibt er Gedichte. Sein Umgang mit Mädchen ist noch verhalten. Eine Affäre um Jannie lassen seinen Vater durchgreifen. Er nimmt ihn mit zu seiner Reise, auf der er die Leuchttürme der Firma auf ihre Funktion hin kontrollieren und inspizieren will. Die Kapitel der Inspektionsreise tragen Überschriften wie ein Logbuch. Die Lektüre fällt dem Leser leicht, weil die Autorin interessant schreibt und sich intensiv mit der Landschaft Schottlands und dem Leben des jungen Louis Stevenson beschäftigt hat. Die Inspektionsreise ist für Louis oft ein abenteuerliches Unternehmen. Der Student der Ingenieurswissenschaft wird geschildert als gebildeter und belesener Mann. Seine Gedanken schweifen ab zu Dichtern wie Walter Scott oder Daniel Defoe, zu dem Maler William Turner. Er sieht die Umgebung mit ihren Augen. Louis lebt in der Spannung, mit der er sein Studium betreibt und seinem Wunsch Schriftsteller zu werden. Die Veranstaltungen bei seinem Professor muss er weiter wahrnehmen, ob er will oder nicht. Die Literaturbegeisterung von Professor Jenkin und seiner Frau sowie ihre privaten Theaterabende zu denen er eingeladen wird, sind ein Lichtblick für den „dichtenden Ingenieur“. Schließlich wird die Vorbereitung des jungen Stevenson auf seinen Abschluss beschrieben. Seine Eltern sind sehr stolz auf ihn. Als er sich aus gesundheitlichen Gründen für ein weiteres Studium entscheidet, willigen sie ein. Stolz und Ehrgeiz lassen sie zusammenhalten und Louis darf in seinem zweiten Studium Anwalt werden.
Mich hat dieses Buch sehr angesprochen, weil darin ein Teil des Lebens von Robert Louis Stevenson beschrieben wird, das sonst weniger bekannt ist. Der Autor der „Schatzinsel“ und von „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ wird lebendig vorgestellt. Ein paar mehr Originalzitate des Schriftsteller habe ich mir manchmal bei der Lektüre gewünscht. So werde ich mich an den Vorschlag der Autorin aus dem Nachwort halten: „Lesen Sie Robert Louis Stevenson.“
Das Buch ist sehr lesenswert, informativ und unterhaltsam.

Mit lieben Grüßen an die Leserunde,
Hildegard Jonas





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Veröffentlicht am 12.05.2024

„Zu leben ist eine Entscheidung.“ - Erin Littekens Roman: „ Wären wir Vögel am Himmel“

Wären wir Vögel am Himmel
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„Wären wir Vögel am Himmel von Erin Litteken“ ist ein Roman, der in der Ukraine spielt, zur Zeit des zweiten Weltkrieges. Nach der sowjetischen Besatzung unter Stalin wird die deutsche Besatzung teilweise ...

„Wären wir Vögel am Himmel von Erin Litteken“ ist ein Roman, der in der Ukraine spielt, zur Zeit des zweiten Weltkrieges. Nach der sowjetischen Besatzung unter Stalin wird die deutsche Besatzung teilweise noch als Besserung angesehen. In Wolhynien und in Kiew gibt es junge Menschen, die mit ihren Eltern um ihre Zukunft bangen. Sie haben Träume. Lilijla in Wolhynien träumt davon, vielleicht Biologie und Kunst zu studieren. Sie beobachtet Vögel und malt gerne. Halya in Kiew, wächst behütet von ihren Eltern auf und liest Gedichte von Lesja Ukrainka, der Ukrainischen Nationaldichterin. Die Poesie tröstet sie, die nach ihrer Identität sucht und von ihrem Vater versichert bekommt, dass sie ihrer leiblichen Mutter sehr ähnlich sehe. Halya und Lilija lernen sich kennen, als sie von ihren Familien gewaltsam getrennt, von den Deutschen abgeholt werden und als Ostarbeiter in den Westen versendet werden. Sie sitzen im Zug nach Leipzig. Lilija ist in Begleitung von ihrem Vetter Slavko. In Wolhynien wurde unterdessen Maxim, Lilijas Onkel, zum Dorfvorsteher gewählt. Aber seiner Familie, seiner Frau Vika sowie den Kindern Sofia, Nadja und Bohdan, bleibt bald darauf keine andere Wahl, als die Heimat auch zu verlassen und in den Westen zu fliehen. Die Deutschen rücken immer näher und machen die Dörfer dem Erdboden gleich. Eine Postkarte von Slavko hatte die Familie vorher noch über seine und Lilijas Ankunft in Leipzig informiert. „Perfekt“, “sagte er (Maxim), nachdem er die Karte gelesen hatte. „Jetzt haben wir eine Adresse. Wir werden ihnen schreiben; dass wir kommen.“ (S.203)
Es beginnt eine Odyssee, die bis zum Ende des Krieges dauert. In einem Camp für "Displaced Persons" in Süddeutschland begegnen sie sich schließlich wieder. Die Auflösungserscheinungen am Ende des zweiten Weltkrieges werden beschrieben. Teilweise ist es ein Chaos und auch Anarchie, die herrschen und bei der Lektüre zu spüren sind. Grausam ist die Schilderung, wie die Jugendlichen die Zerstörung Dresdens 1945 miterleben müssen. Die Autorin Erin Litteken hat selber Vorfahren aus der Ukraine. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in Illionois, U.S.A.. Sie kennt seit ihrer Kindheit die Geschichten über die erschütternden Erfahrungen ihrer Familie vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Eine Historische Vorbemerkung zu Beginn des Romans sowie die Anmerkungen der Autorin am Schluss des Buches, erleichtern dem Leser den Zugang zu der Materie des Romans. Die Schicksale der Hauptfiguren enden zum Glück gut. Sie können überleben und es gibt Fügungen für ein gutes Ende. Aber das, was sie vereint und alles überdauert ist dies: Es braucht die Entscheidung dafür, leben zu wollen. „Zu leben ist eine Entscheidung.“ (S. 253) Die Perspektive, in die U.S.A. auszuwandern, stimmt doch sehr hoffnungsfroh. Ein schönes Buch, trotz der grausamen Tatsache des Krieges.

Das Buch zu lesen war sehr interessant für mich. Vielen Dank, dass ich in der Leserunde mit dabei sein konnte!

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Veröffentlicht am 27.10.2023

Die Leute von Paardendijk und die NS-Besatzung

Die Leuchtturmwärterin
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Der Roman „Die Leuchtturmwärterin“ von Guido Dieckmann handelt von Eleonore Vogel, genannt Nelly, einer anerkannten Pressefotografin, die in Berlin im Herbst 1943 von der Gestapo erwischt wird. Sie hatte ...

Der Roman „Die Leuchtturmwärterin“ von Guido Dieckmann handelt von Eleonore Vogel, genannt Nelly, einer anerkannten Pressefotografin, die in Berlin im Herbst 1943 von der Gestapo erwischt wird. Sie hatte unerlaubte Aufnahmen gemacht. Durch Vermittlung ihres Schwagers und Generals Ansgar von Schlosser kann sie freikommen. Sie muss jedoch das Land verlassen und wird nach Holland geschickt. So kommt sie in den Küstenort Paardendijk, dem Geburtsort ihrer Mutter Bente. Sie verbringt dort als Leuchtfeuerwärterin in verantwortungsvoller Position und in Absprache mit der NS-Besatzung um Götz Haubinger eine aufregende Zeit. Der Gehilfe Henk und dessen Mutter Mintje unterstützen sie bei der Arbeit. Nelly interessiert es, ob es Verwandte von ihr in Paardendijk gibt. Dies ist die Kaufmannsfamilie Leander. Sie legt Wert auf sich und ist stolz auf die Abstammung. Ihre Mutter Bente hat Nelly vor der Abreise auf einem Zettel eine Notiz mitgegeben: „Vraag ze naar Febe“. Ihre Suche nach Febe zieht sich durch den ganzen Roman. Weitere Rätsel geben auf: das Verschwinden des alten Leuchtturmwärters Pit sowie des Leutnant Bellmann sowie ein Gemälde, über das Pastor Bakker etwas weiß. Schließlich belastet das Auftauchen des verletzten britischen Piloten Sam Cole den Ort, denn Nelly musste ihn im Leuchtturm verstecken. Den Widerstand der Niederländer gegen die Besatzer bekommt Nelly ebenso zu spüren wie den Druck der eigenen Vorgesetzten. Das Ende ist versöhnlich, weil Nelly noch immer die Leuchtfeuerwärterin von Paardendijk geblieben ist und sie sich mit den Verwandten gut verständigt. Der 1969 in Heidelberg geborene Bestsellerautor Guido Dieckmann schreibt Historische Romane. Bekannt wurde er mit „Luther“, dem Roman zu dem erfolgreichen Kinofilm.

Mir hat der Roman von Guido Dieckmann „Die Leuchtturmwärterin“ deshalb so gut gefallen, weil er gut gemacht ist. Die Atmosphäre ist sehr dicht und düster. Sie erinnert an eine Stormsche Novelle oder einen Krimi. Wahre Begebenheiten halten sich die Waage mit Erfindungen. Das Motiv des Leuchtturms spricht für sich als Wache für die Seefahrer und Hoffnung für Gestrandete, getreu dem voran gestellten Motto und niederländischen Sprichwort: „Ein Wrack an der Küste ist ein Leuchtfeuer im Meer.“ Stan Nadolnys „Die Entdeckung der Langsamkeit“ fällt mir ein, wenn die Abgeschiedenheit von Paardendijk mit „Abrahams Schoß“ (Seite 61) verglichen wird. Hier gibt es den Widerstand gegen die Besatzer, auch weil reflektiert und nachgedacht wird. Die Figur Corrie ten Boom wird genannt. Die Passion für das Recht und gegen die Vernichtung der Juden ist eine Komponente im diesem Widerstand. Der Fremde aus dem Meer, Nausikaa und Odysseus oder „Der englische Patient“ von Michael Ondaatje klingen in dem Fremden “Cole“ an, dem auch unter Einsatz des eigenen Lebens geholfen werden soll. Die Figuren überzeugen alle, auch deshalb weil die Namensfindung so „echt“ ist: von Schlosser, Bleicher, Pastor Bakker u.a. . Der im Buchformat gebrauchte, etwas größere Druck macht das Lesen leicht. Ich glaube der Autor hat viel Freude am Fabulieren seines Romans gehabt. Nicht alles ist Historie. Die Suche Nellys nach ihrer Schwester Febe gehört dazu. Der Menschenschlag an der Küste kann sehr engherzig sein, wenn es um die eigene Verwandtschaft geht. Nicht immer darf jemand die Angehörigen preisgeben und wer nicht dazu gehört, muss draußen bleiben. Dem Autor des Romans kann ich viel Erfolg mit diesem Buch wünschen und Leser, die es vielleicht auch bei einem Urlaub an der Küste in einer Buchhandlung finden. Die NS-Besatzung in den Niederlanden, Zwangsarbeiter oder das KZ Westerborg sind Denkanstöße, die die Lektüre von „Die Leuchtturmwärterin“ von Guido Dieckmann gibt.

Es hat mir Spaß gemacht dieses Buch zu lesen und es im Rahmen der „Lesejury“ rezensieren zu dürfen!


Hildegard Jonas




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Veröffentlicht am 18.06.2023

" Nachts haben wir alle dieselbe Farbe ..."

Die Reisenden der Nacht
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Der Roman „Die Reisenden der Nacht“ von Amando Lucas Correa handelt von zwei Frauen, die jeweils unter dem Druck verschiedener Diktaturen das Wohl ihrer Kinder retten wollen und sie in die Obhut fremder ...

Der Roman „Die Reisenden der Nacht“ von Amando Lucas Correa handelt von zwei Frauen, die jeweils unter dem Druck verschiedener Diktaturen das Wohl ihrer Kinder retten wollen und sie in die Obhut fremder Leute geben. Sie handeln instinktiv und blind und glauben für sich dabei auch etwas Gutes zu tun. Dieser historische Familienroman ist sehr bewegend, dicht erzählt und auch traurig.

Die Erzählung ist in drei Teile eingeteilt. Im 1. Teil geht es um die Dichterin Ally Keller und deren unehelichen Tochter Lilith, die während der NS-Zeit als Mischling „Rheinlandbastard“ genannt wird und den Rassengesetzen zum Opfer fällt. Das Kind ist von einem schwarzen Musiker, der während der französischen Besatzungszeit ins Rheinland kam. Franz Bouhler, ein Freund der Mutter, findet ein jüdisches Ehepaar, das Lilith 1939 auf der Fahrt des Transatlantik-Passagierschiffs „St. Louis“ von Hamburg nach Kuba mitnimmt. Ally stirbt im Januar 1940 im KZ Sachsenhausen, wie schon zuvor der befreundete Nachbar und Professor Bruno Bormann.

Im 2. Teil wird erzählt, wie Lilith in der fremden Kultur auf Kuba heranwächst. Ihre „Eltern“ sorgen mit der Hausangestellten Helena für sie. Der Autor nimmt seine Leser mit durch die Straßen Havannas, so dass ein Fremder neugierig werden könnte. In seinen „Anmerkungen des Autors“ bekennt Correa, dass sein Großvater ein leidenschaftlicher Batista-Anhänger gewesen war. Unter den wenigen Freunden, die Lilith in ihrer Jugendzeit findet, gibt es welche, die Kontakte zum Staatspräsidenten haben. Martin Bernal wird sein Pilot und Lilith und er heiraten. Als Fidel Castros Rebellen Staatspräsident Batista 1959 aus dem Land vertreiben, wird Martin verhaftet. Ihm wird der Prozess gemacht und er wird zum Tode verurteilt. Die gemeinsame Tochter Nadine wird Lilith vor den Rebellen retten können. Sie selber bleibt zurück in Havanna. Nadine flieht als kleines Kind mit Hilfe einer Ordensschwester und der Operation Peter Pan in die USA. Dort wächst sie bei Adoptiveltern auf. Doch das Schicksal hat eine böse Überraschung bereit.

Der 3. Teil des Romans berichtet davon, dass ihre Mutter angeklagt wird, weil sie in Deutschland in der NS-Zeit ein Kriegsverbrechen begangen hat. Das Gericht in Düsseldorf verurteilt sie und sie muss in ein Gefängnis. Ihr Vater ist ein Amerikanischer Kriegsveteran und Elektriker. Für den Prozess zieht er mit ihr nach Deutschland. Nadine absolviert in Düsseldorf die Schule und beginnt, als die Mutter verurteilt wird, mit ihrem Studium. Nadine nimmt von nun an ihr Leben selber in die Hand. Sie studiert in Berlin Biologie, Spanisch und Englisch. Dort freundet sie sich auch mit ihrem späteren Mann Anton Paulus an und mit Mares, einer kubanischen Assistentin im Spanischunterricht. Ihre Tochter Luna wird zehn Jahre vor der Jahrtausendwende geboren. Sie hat das Talent ihrer Großmutter Ally geerbt und wird eine Dichterin. Sie spürt die Verbindungen ihrer Verwandten auf und so kommt es zum Wiedersehen mit Franz Bouhler, Liliths Stiefschwester Elizabeth und endlich auch mit Nadines Mutter Lilith. Sie stirbt 2015 in Havanna in einem Pflegeheim.

Der Kubanische Autor Armando Lucas Correa ist ein mehrfach ausgezeichneter Journalist. Er weiß sehr viel und schreibt sehr spannend. In seinem Dank äußert er sich über eine Vielzahl an Personen, die ihm Auskunft gaben. Im Anhang befindet sich auch eine Bibliografie. Wer interessiert ist an Kuba, dem Batista-Regime oder auch an den Kriegsverbrechen der Nazis, erhält vor dieser historischen Kulisse einen gelungenen Frauenroman.

" Miranda hatte damals steif und fest behauptet, dass jeder Deutsche, der kein Jude war, ein Nazi sei und dass nur Nazis den Krieg überlebt haben könnten." (S. 262)
Der Satz klingt für mich sehr nach Amerikanischer Perspektive.

"Wenn du mich eines Tages hier besuchst, machen wir einen Ausflug zum Isla-Negra-Haus von Pablo Neruda, schrieb sie." (S.323)
Dieser Hinweis ist sinnvoll aus Sicht eines guten Erzählers, der auch vom Faschismus in anderen Ländern etwas weiß und von dem großen Dichter aus Chile.

Aber ich fragte mich beim Lesen oft: Wer war Ally Keller? Gab es in der NS-Zeit eine Dichterin, die so hieß? Es gab Dichter, die es schwer hatten anerkannt zu werde. Nicht nur Frauen waren das. Ihnen blieb außer dem Exil die „Innere Emigration“. Wer könnte sich hinter dem Namen Ally Keller verbergen? Wäre es vielleicht möglich, dass die taubblinde Amerikanische Dichterin Helen Keller für den Namen Patin gewesen ist? Von ihr stammen folgende Zitate:

"Was wir einst genossen und zutiefst geliebt haben, können wir niemals verlieren. Denn alles, was wir zutiefst lieben, wird ein Teil von uns."

"Alles Sehen kommt von der Seele her."

Die Frauen hier in diesem Roman, die ihre Kinder retten möchten, handeln in einem blinden Glauben, der von ihrer Seele kommt.
Die Figuren werden kontrastreich und weniger psychologisierend, wie zum Beispiel in dem Roman „Ein Kind namens Samuel“ von Ruth Druart, beschrieben. Dort geht es um das Schicksal eines jüdischen Kindes. Die Figuren sind authentisch. In „Die Reisenden der Nacht“ könnten die Figuren so oder so ähnlich vielleicht gelebt haben. Sie sind manchmal ein bisschen vage und versponnen skizziert – wie Lilith es selber am Ende ist. Die Zusammenhänge der Handlung sind aber klar und der Plot gut. So bietet dieser anspielungsreiche Roman „Die Reisenden der Nacht“ von Armando Lucas Correa auch viele Themen, die interessant sein könnten für einen Literaturgesprächskreis. Ich wünsche ihm viel Leser.

Diese Rezension verfasste ich im Rahmen einer Lesejury-Leserunde und ich war froh, dass ich dabei sein durfte. Es hat mir Spaß gemacht.

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Veröffentlicht am 12.06.2022

" On this day, we`ll see each other again "

Jeder Tag ein neues Wunder
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In dem Roman "Jeder Tag ein neues Wunder" von Jona Sommer wird die Geschichte des Witwers Simon Barsch erzählt. Der Pensionär trauert um seine Frau. Anja hatte sich immer sehr für die Forschungen der Meeresbiologie ...

In dem Roman "Jeder Tag ein neues Wunder" von Jona Sommer wird die Geschichte des Witwers Simon Barsch erzählt. Der Pensionär trauert um seine Frau. Anja hatte sich immer sehr für die Forschungen der Meeresbiologie über die Kegelrobbe interessiert. " " Die Kegelrobbe, Halichoerus gryphus, ist besonders durch die Form des Kopfes mit seiner sehr langen Schnauze ausgezeichnet. Die Tiere erinnern dadurch etwas an einen langschnauzigen Jagdhund. "
( Brehms Tierleben ) Auf eine Karriere in derWissenschaft verzichtete Anja, als sie Simon heiratete. Bei einem seiner Besuche im Düsseldorfer Aquazoo, fasst Simon den Entschluss, mit den sterblichen Überresten seiner Frau eine Reise an das Meer zu unternehmen. Er folgt damit ihrem eigenen Wunsch, sich auf See bestatten zu lassen. Seine Tochter erfährt nichts davon. Nur der Bestatter hat etwas von der Sache gewusst. Auch die lebensnahe Milena erfährt davon. Die resolute, polnische Haushälterin erlaubt Herrn Barsch nicht, ohne ihre Begleitung zu fahren.
Nun beginnt eine turbulente Reise. Sie führt die beiden zunächst nach Helgoland und dann weiter nach England und Schottland bis zu den Orkney-Inseln. Unterwegs lernt Milena David kennen, einen irischen Kellner und Musiker. Er und seine Freunde helfen Simon spontan, als er im Bus nach Leeds überfallen und ausgeraubt wird.
Ihre Freundschaft und Hilfsbereitschaft lassen Simon nicht im Stich. Auf seiner Weiterreise mit Milena ziehen sagenumwobene Landschaften an ihnen vorüber. "Immer wieder tauchte hinter felsigen Abhänge das Meer auf. Dann rückte es ab, verschwand hinter Wiesen und Wäldern, hinter Industriegebieten und Ortschaften." "Und als würde sich das Wetter einen Spaß mit ihnen erlauben, riss im gleichen Moment der Himmel auf, die Sonne warf ein strahlendes Licht über die regennasse Stadt, die daraufhin aufleuchtete, als hätte sich ein Portal zum Feenland geöffnet."
Schließlich kommen sie an ihrem Ziel, dem Hotel an, einem Herrenhaus," das aussah wie einem Jane-Austen- Roman entsprungen." Mit dem Mietwagen geht es zu den Buchten, wo es die Kegelrobben gibt und sie einen gemeinsamen Bekannten von Anja und Simon treffen. Anthony erzählt ihnen von den "Selkies", den Fabelwesen "die, wenn sie an Land gehen, ihr Fell ablegen und zu wunderschönen Frauen werden."
Gelegentlich liest Simon auf der Reise in Anjas Tagebuch vom Sommer 1971/1972 nach, wie sie sich kennen und liebengelernt haben.
Der Autor Jona Sommer ist selber durch die rauhe Insellandschaft zwischen der Nordsee und dem Nordatlantik gefahren. Es ist ein elegischer Ton in seinen Schilderungen und der Leser könnte meinen, es handelt sich doch um eine leise Klage, eine Trauer um die Tote. Als Simon nachts allein mit dem Boot hinausfährt, um die Asche der Toten ins Meer zu streuen, endet dies sehr dramatisch.
"Da waren Männer, die haben die Robben gehört. Am Strand. Eine ganze Herde, die wild geheult hat. Antony war auch mit dabei. Sie sind an den Strand und haben sie gefunden." Seine Haushälterin berichtet Simon im Kankenhaus , wie er aus dem Wasser gerettet wurde. Milena kümmert sich auf der ganzen Reise sorgend um ihren Arbeitgeber. Aber die Familie in Polen läßt sie nicht in Ruhe. Sie findet in David einen neuen Freund. Nach der Rückkehr nach Deutschland werden sie gemeinsam nach Polen gehen. Und Herr Barsch? Er ist zufrieden "Jeder Tag ein neues Wunder" ist für ihn möglich. Er bekommt eine neue Haushaltshilfe und einen Tierpatenschaft für einen Kammbarsch im Aquazoo.
Das Buch stimmt versöhnlich mit dem Alter und den damit verbundenen Abschieden umzugehen. Es regt an über Bestattungsformen nachzudenken. Es bezieht Mythen, Sagen und Träume vom Wiedersehn mit den Vorangegangenen ein. Eine rundherum gelungene Geschichte ist dies, wie ich finde, die Mut macht. Und es macht Freude, sie zu lesen. Die Sprache ist klar und einfach, auch was die Beschreibungen der Landschaft betrifft. Es wird durchgehend spannend erzählt. Dem Roman wünsche ich viele Leser!

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