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Veröffentlicht am 08.05.2023

Spannungsgeladen und gefühlsstark

Theodora und der Tod des Richters
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„Theodora und der Tod des Richters“ von Ruth Edelmann-Amrhein ist bereits der zweite Band mit dem Schwäbischen Ermittlerduo Theodora Klein und Georg Eisele.

Klappentext:
Die Geheimnisse eines toten Richters, ...

„Theodora und der Tod des Richters“ von Ruth Edelmann-Amrhein ist bereits der zweite Band mit dem Schwäbischen Ermittlerduo Theodora Klein und Georg Eisele.

Klappentext:
Die Geheimnisse eines toten Richters, ein altes Tagebuch und ein unaufgeklärter Mord vor mehr als vierzig Jahren beschäftigen Theodora Klein und ihren Assistenten Georg Eisele in ihrem zweiten gemeinsamen Mordfall. Dieser führt sie über die Grenzen der Landeshauptstadt Stuttgart hinaus auf die Schwäbische Alb ins geheimnisvoll schöne Lautertal. Während ein tragisches Ereignis Theodora Klein aus den Ermittlungen reißt, verschwindet Georg Eisele spurlos. Zurück bleibt sein verbranntes Auto und eine verkohlte Leiche. Doch wo ist Georg Eisele und wer ist dieser Tote?

Das Buch erschien 2023. Die Handlung spielt, bis auf die Anfangsszene aus 1948, 65 Jahre danach, also 2013. Die Kapitel sind nummeriert und mit Wochentagen übertitelt, wodurch chronologisch gut nachvollziehbar ist, dass sich die Ermittlungen über zehn Tage erstrecken, mit einem Nachwort zwei Wochen nach Abschluss des Falles.

Der Schreibstil ist flüssig, sehr bildhaft, es entsteht wunderbares Kopfkino, sowohl was die handelnden Personen anbelangt als auch das Genre Regionalkrimi. Geschickt wird Lokalkolorit eingewoben. Ich mag vor allem den urig anmutenden, irgendwie amüsant klingenden schwäbischen Dialekt, der gut dosiert eingesetzt wird und auch von mir als Österreicherin locker verständlich ist.

Grundsätzlich sind die Geschichten der beiden Bände in sich abgeschlossen. Dennoch würde ich raten, sie in richtiger Reihenfolge zu lesen, da die charakterliche Entwicklung der Protagonisten mit den Reiz dieser Reihe ausmacht.

Bereits nach wenigen Seiten ist das Interesse an der Geschichte geweckt. Welche Bedeutung hat die Geburt eines Kindes im Jahr 1948 für den Fall? Und wer ist der Mörder, dessen Gedanken man 65 Jahre danach mitverfolgt? Und schließlich stirbt ein alter Mann in einem Seniorenheim. Theodora und Eisele erliegen zunächst einer falschen Spur, abgelenkt durch ihre privaten Probleme. Die stetigen Szenen- und Perspektivenwechsel zwischen dem Mörder einerseits und den getrennt agierenden Ermittlern, die so nach und nach dem Mörder gefährlich nahe kommen, andererseits, gestalten die Handlung nicht nur tempo- und abwechslungsreich, sondern steigern die Spannung bis zum dramatischen Showdown. Es fehlt weder an bedrohlichen Situationen noch an Action, manche Szenen sind richtig gruselig.

Ich wurde schon in Band 1 zum Fan dieses originellen Ermittlerpaares, das die Autorin sehr lebendig und vielschichtig charakterisiert. Denn die beiden haben so ihre Schrullen und einige nicht so liebenswürdige Wesenszüge, sodass es selten Liebe auf den ersten Blick ist, die man für diese Protagonisten empfindet. Es sind schwierige Charaktere, mit einer Menge Eigenarten, durch Elternhaus und Kindheit geprägt, die mit sich selber und mit der Umwelt so ihre Probleme haben. Aber je mehr man von ihnen erfährt, das Warum erkennt, weswegen sie so wurden wie sie sind, desto mehr schließt man sie in sein Herz. In diesem Band liegt der Fokus auf der Entwicklung der beiden noch mehr als im ersten. Das Gefühlsspektrum ist facettenreich, von Glücksgefühlen bis zu wütender Verzweiflung. Man erfährt viel von beider Seelenleben, ihren Wünschen und Hemmnissen und wie es ihnen letztlich gelingt, sich zu öffnen und zu verändern. Aber auch die Nebenfiguren, wie Eiseles nervige Mutter, die fürsorgliche Aylin oder der geckenhafte Leiter der Kriminalabteilung wirken authentisch.

Mit „Theodora und der Tod des Richters“ ist der Autorin wiederum nicht nur ein äußerst spannender Krimi gelungen, sondern das Buch besticht auch durch die emotional geprägten Persönlichkeiten des Ermittler-Duos. Es war pures Lesevergnügen und ich freue mich schon auf eine Fortsetzung!

Eine unbedingte Leseempfehlung meinerseits!

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Veröffentlicht am 08.05.2023

Die Verwandlung des netten Herrn Heinlein

Der nette Herr Heinlein und die Leichen im Keller
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Mit seinem Roman „Der nette Herr Heinlein und die Leichen im Keller“ gelang Stephan Ludwig ein ganz besonderer Krimi, eine absonderliche Mördergeschichte, spannend und unterhaltsam zugleich.

Klappentext:
Norbert ...

Mit seinem Roman „Der nette Herr Heinlein und die Leichen im Keller“ gelang Stephan Ludwig ein ganz besonderer Krimi, eine absonderliche Mördergeschichte, spannend und unterhaltsam zugleich.

Klappentext:
Norbert Heinlein, Delikatessenhändler in dritter Generation, legt größten Wert auf Qualität und Tradition. Seine Kundschaft geht ihm über alles, er bedient sie mit ausgesuchter Höflichkeit. So auch seinen neuen Stammkunden Adam Morlok, einen charismatischen Geschäftsmann. Bis Morlok eines Tages durch ein Versehen Heinleins tot zusammenbricht. In seiner Panik lagert Heinlein Morloks Leiche kurzerhand im alten Kühlhaus im Keller zwischen. Doch statt einen Weg aus der Sache zu finden, gerät Heinlein immer tiefer hinein. Und es wird nicht bei einer Leiche im Keller bleiben – Morlok bekommt bald Gesellschaft im Kühlhaus …

Bereits das Cover assoziiert ein wenig die weiße Weste des Täters, die mit Blut bekleckert wird; ebenso wie der immer mehr ins Blutrot verschwimmende Titel. Das Buch erschien 2023. Die Handlung spielt während eines Zeitraums von ca. einem Dreivierteljahr, beginnend im Frühjahr, in einem nicht näher festgelegten Jahr der Gegenwart.

Das Buch ist in vier Abschnitte geteilt, wie ein Menü in mehrere Gänge, im vierten Abschnitt wird die Rechnung präsentiert. Innerhalb der Abschnitte wird in 70 relativ kurze Kapitel unterteilt. Von Abschnitt zu Abschnitt steigert sich die Spannung, es häufen sich die Ereignisse, man kann fast sagen, sie überschlagen sich letzten Endes. Die Handlung ist voll von Überraschungen und unerwarteten Wendungen.

Der Schreibstil ist flüssig. Mit Liebe zum Detail wird man in das aus der Zeit gefallene Ambiente des Pastetenbäckers Heinlein eingeführt, beobachtet seinen von Disziplin und Eintönigkeit geprägten Alltag und erlebt so nach und nach, von Leiche zu Leiche, wie die Stimmung sich wandelt. Diese Mischung aus heiler Welt, makabren Todesfällen, grausigen Details stürzt einen als Leser auch in ein gewisses Gefühlschaos. Denn einerseits mag man diesen höflichen, hilfsbereiten Mann, der aufopferungsvoll seinen dementen Vater versorgt und sich um einen autistischen jungen Menschen kümmert, man empfindet Mitleid mit ihm, als er quasi unschuldig in eine Mordsache schlittert. Aber andererseits erlebt man seine bedenkliche charakterliche Wandlung, vom harmlosen Menschen zum skrupellosen Mörder. Erstaunlich, welch kriminelle Energie er mit der Zeit entwickelt! Wie soll das nur gut für ihn ausgehen? Das ist die spannende Frage, die man sich bis zum Ende stellt – bis zur überraschenden Lösung.

Die Charaktere wirken lebendig, auch Nebenfiguren sind gut vorstellbar gezeichnet. Nicht nur Heinlein, sondern vor allem auch Marvin entwickelt sich im Laufe der Ereignisse, in ihm steckt ein wahres Spektrum an verborgenen Eigenschaften und Fähigkeiten.

Ich fand das Buch spannend, sogar etwas gruselig, aber auch sehr unterhaltsam, wobei man die Geschichte nicht zu realistisch betrachten darf. Die Story ist fantasievoll, facettenreich an mehr oder weniger arrangierten Unfällen, reich an skurrilen Situationen und unvorhersehbaren Entwicklungen. Aber es schwingen auch leise ernste Töne mit.

Gerne empfehle ich das Buch all jenen weiter, die einmal einen etwas anderen Krimi lesen wollen, etwas Originelles, voller Fantasie.

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Veröffentlicht am 02.05.2023

Einbruch- und Mordserie in Koppelried

Salzburger Männerherzen
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„Salzburger Männerherzen“ von Natascha Keferböck ist ein typischer Regionalkrimi, wo sich Lokalkolorit mit Spannung und Humor verbindet. Es ist bereits der 3. Band dieser Reihe.

Worum geht es?
Kauzige ...

„Salzburger Männerherzen“ von Natascha Keferböck ist ein typischer Regionalkrimi, wo sich Lokalkolorit mit Spannung und Humor verbindet. Es ist bereits der 3. Band dieser Reihe.

Worum geht es?
Kauzige Charaktere treffen auf schrägen Humor und Salzburger Charme. Als am Eröffnungsabend des jährlichen Volksfests ein umstrittener Lokalpolitiker tot aufgefunden wird, drängt sich die Frage auf: War es ein Mord aus Eifersucht, oder war der Mann in ein krummes Ding verstrickt? Kommissar Aigner stürzt sich kopfüber und mit zweifelhaften Methoden in die Ermittlungen und bekommt es mit unwirklich schönen Schönheitschirurgen, Kleinkriminellen und zwielichtigen Oldtimerliebhabern zu tun.

Da es schon eine Weile her war, dass ich den ersten Band „Bierbrauerblues“ gelesen hatte, waren mir Details ziemlich entfallen, sodass ich mich wie ein Quereinsteiger erst wieder mit dem Personenkreis vertraut machen musste. Wegen des roten familiären Fadens rund um den Protagonisten Raphi Aigner kann ich nur empfehlen, alle Bände in der richtigen Reihenfolge zu lesen. Ich kam aber dennoch rasch in die Handlung hinein und fühlte mich nach wenigen Seiten wieder heimisch in Koppelried. Nichtsdestotrotz wäre ein Personenverzeichnis recht angenehm gewesen.

Der Schreibstil ist flüssig, bildhaft, detailliert. Das Salzburger Lokalkolorit wird durch Volkstümliches, auch typisch Kulinarisches, unterstrichen sowie durch typisch österreichisches Vokabular, für das es am Ende des Buches ein Glossar gibt. Sprachlich wird gut differenziert, denn abgesehen vom Dialekt fand ich auch den Jargon der Jugendlichen sehr authentisch. Die Kapitel haben eine angenehme Länge; sie sind mit dem jeweiligen Wochentag übertitelt, wodurch die Ermittlungszeitspanne von eineinhalb Wochen gut nachvollziehbar ist. Die Handlung spielt in der nicht näher festgelegten Gegenwart. Das Buch erschien 2023.

Die Ereignisse werden aus Sicht von Chefinspektor Aigner, dem Leiter der Polizeistelle Koppelried, in Ich-Form erzählt. Von Beginn an ist man voll in sein Privatleben und in der Folge in die Ermittlungen integriert. Der Fall erweist sich von Anfang an als rätselhaft. Hat auch die Einbruchserie mit dem Mord zu tun? So nach und nach tröpfeln Erkenntnisse, finden sich Spuren und Verdächtige kristallisieren sich heraus, es ergeben sich unerwartete Wendungen. Das bietet viel Raum für eigene Theorien und zum Miträtseln, was ich sehr schätze. Es passiert auch sonst noch so einiges in dem scheinbar so friedlichen Ort, was nicht nur für Abwechslung sorgt, sondern auch die Spannung anfeuert – bis zum dramatischen Showdown, der einen unerwarteten Täter offenbart.

Abgesehen von der in einem Krimi erwarteten Spannung, haben mich vor allem auch die immer wieder eingestreuten humorvollen Szenen bestens unterhalten, mich nicht nur zum Schmunzeln, sondern sogar zu herzhaftem Lachen gebracht.

Die handelnden Personen sind gut vorstellbar beschrieben, die meisten sind sympathisch gezeichnet, doch wie im wahren Leben gibt es auch ungute Charaktere. Alle wirken lebendig und authentisch. Die Mischung Ermittlungsarbeit und Privatleben ist gut ausgewogen. Man spürt den familiären Zusammenhalt und gut funktionierendes Teamwork in der Polizeistation. Am meisten begeisterte mich Chefinspektorin Gescheitmeier – ich sage nur dazu: nomen est omen.

Für mich war es ein köstliches Lesevergnügen, das ich gerne all jenen weiterempfehlen, die amüsante Regionalkrimis mögen!

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Veröffentlicht am 28.04.2023

Der Teufel trägt Soutane

Teufelskreuz
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„Teufelskreuz“ von Joesi Prokopetz ist kein Krimi im langläufigen Sinn, wo die Mörderjagd bzw. die Ermittlungsarbeit im Vordergrund stehen, sondern eine mit Leichen gepflasterte Milieustudie, abgründig, ...

„Teufelskreuz“ von Joesi Prokopetz ist kein Krimi im langläufigen Sinn, wo die Mörderjagd bzw. die Ermittlungsarbeit im Vordergrund stehen, sondern eine mit Leichen gepflasterte Milieustudie, abgründig, schräg und auf eine makabere Art und Weise sowohl spannend als auch unterhaltsam.

Klappentext:
Der Teufel ruft und wen er einmal gerufen hat, den holt er sich auch, der Teufel. Das weiß Pater Mano Urian genau – schließlich kennt er sich aus mit den Kräften zwischen Himmel und Hölle. Daher wenden sich seine Schäfchen der Katastralgemeinde Ursprung auch vertrauensvoll in allen Belangen an den „Gottesmann“. Dass dieser ein seltsam anderes Verständnis von Seelenheil an den Tag legt, stört dabei niemanden. Mit ungeahnten Konsequenzen für das verschlafene Dorf im Dunkelsteinerwald …

Rein optisch ist das Buch sehr ansprechend gestaltet. Das Cover wirkt hell und freundlich. Ein kleines Kirchlein, von Bäumen umgeben, der Pfarrer steht rauchend davor. Doch es lodert auch ein rotes Feuer, aus dem ein Teufel hervor lugt, und ein schwarzer heulender Wolf mit glühendroten Augen stört die Idylle, nicht zu übersehen das Pentagramm, auch Drudenstern genannt, das Symbol des Teufels, das der Lektüre quasi den Stempel aufdrückt. Wie auch der Titel deutlich darauf hinweist. Das auf den Kopf gestellte Kreuz, das Antikreuz bzw. Teufelskreuz, gilt als Zeichen der Satanisten. Schlägt man die beiden Klappen des Umschlags gleichzeitig auf, reitet der Pater hinein ins Buch, ins Dorf, am Ende wieder hinaus.

Der Roman ist – möglicherweise ebenfalls ans Pentagramm angelehnt - in fünf Teile unterteilt, die Titelblätter jeweils mit einer der schon vom Cover bekannten Zeichnungen versehen. Zwischen den einzelnen Szenen und bei Fußnoten wird stets ein verkehrtes Kreuz verwendet.
Das Buch erschien 2023 und spielt in der nicht näher bezeichneten Gegenwart in dem fiktiven niederösterreichischen Dörfchen Ursprung.

Joesi Prokopetz‘ Schreibstil ist sprachlich facettenreich, ironisch, witzig, bildhaft. Er beschreibt sehr anschaulich Menschen wie Szenerie, teils authentisch, teils skurril; natürlich ist da auch manches wie aus dem Leben gegriffen politisch inkorrekt, gruselig oder ekelig, derb und ordinär. Das Amüsement liegt oft im Detail, z.B. welche Musikstücke bei den jeweiligen Begräbnissen gespielt werden. Was ich besonders mag, sind die zahlreichen typisch österreichischen Ausdrücke. Für Nicht-Österreicher wäre wohl ein Glossar recht hilfreich. Recht herausfordernd fand ich diverse kryptische Fremdworte bzw. Fachausdrücke, die in die Kabbala, die jüdische Geheimlehre und Mystik hineinspielen.

In die Geschichte kommt man grundsätzlich leicht hinein. Nach und nach werden die handelnden Personen vorgestellt, wobei der Vielzahl wegen wohl ein Personenverzeichnis angebracht wäre. Die diversen Szenen- und Perspektivenwechsel gestalten die Handlung zwar abwechslungsreich, doch verliert man manchmal die Übersicht über den Personenkreis, die genaue Zusammengehörigkeit. Die Atmosphäre im Ort ist generell trist, freud- und lieblos, die Menschen sind in unglücklichen Beziehungen gefangen. Es scheint, als wüsste jeder alles über jeden, dennoch haben alle so ihre Geheimnisse, die sie dem Pater beichten. Statt sie zu mahnen, animiert der Pater sie, ihre sündigen Gedanken in die Tat umzusetzen, wodurch die Katastrophe ihren Lauf nimmt.

Da es keine übliche Krimihandlung gibt, kreiert sich auch die Spannung auf andere Art und Weise. Man ahnt das kommende Unheil, weiß aber nicht, wie und wann es wen ereilen wird. Und der Variantenreichtum, wie man in diesem Buch zu Tode kommen kann, ist faszinierend. Es häufen sich natürliche Tode, Unfälle, Selbstmorde und Morde. Von dem Moment an, wo jener teuflisch anmutende Pater im Ort eintrifft, sind die Totengräber beinahe im Dauereinsatz. Von Abschnitt zu Abschnitt steigert sich die Dramatik, werden immer mehr Dorfbewohner Opfer ihrer Verfehlungen bzw. der Manipulationen des Paters. Er ist wie ein Trojaner im PC, seit er ins Dorfleben eingeschleust wurde, herrscht das Chaos – Yalbaoth, wie Hildegard ihn nennt, die einzige, die ihn durchschaut, aber nichts gegen ihn ausrichten kann. Es ist letztlich, als hätte ein Hurrikan eine Schneise durch den Ort gezogen, dem eben einige zum Opfer fielen, vor allem die Haute•volee von Ursprung. Sobald der Pater verschwunden ist, nimmt das Leben, der eintönige Alltag wieder seinen Lauf, allerdings trostloser als zuvor, Infrastruktur und Personal ist verloren gegangen. Ein Ende, das mich persönlich ein wenig verloren zurückgelassen hat. Cui bono?
Die Charaktere sind wunderbar detailliert gezeichnet, nicht nur äußerlich markant, sondern es wird jeweils eine Vorgeschichte präsentiert, ein Werdegang, wie diese Menschen so wurden wie sie nun sind, wie sie in die teils ziemlich verfahrene Situation kamen. Die Figuren wirken dadurch lebendig und exzellent vorstellbar. Im Fokus stehen allerdings primär die negativen Angewohnheiten und Eigenschaften. Daher fand ich eigentlich keinen Sympathieträger, niemanden, mit dem ich mich irgendwie verbunden fühlte. Am unheimlichsten ist die Gestalt des Mano Urian, der rein äußerlich modern und weltaufgeschlossen erscheint, in Jeans und mit teurer Markenuhr, sich auf Du und Du mit der Bevölkerung fraternisiert, sie mit scheinbarer Freundlichkeit einlullt und manipuliert; die Männer vertrauen sich ihm an, suchen Rat, und die Frauen verfallen ihm sowieso, weil sie ihn als Mann attraktiv finden; beides nutzt er in bösartiger Weise aus.

Ich mag grundsätzlich den Stil bzw. Humor von Joesi Prokopetz, ob in seinen Liedern, Kabarettabenden oder in seinen Büchern. Daher hatte auch „Teufelskreuz“ so seinen Reiz für mich, sprachlich sowieso, inhaltlich auch weitgehend. Ich habe das Buch letztlich nicht als Krimi betrachtet, sondern als eine mit spitzer Feder verfasste Satire auf die Kirche, ihre Bedeutung gerade in kleinen Dorfgemeinschaften, aber auch als ein Spiegel-Vorhalten, was die Moral der Menschen anbelangt. Und der Teufel steckt, wie man so sagt, im Detail. Er erscheint nicht so offensichtlich als falscher Pfarrer. Und die Menschen verfallen ihm in vieler Hinsicht. Der Stoff kann somit auch nachdenklich machen. Wenn man sich auf dieses Buch einlassen kann, wird man es genießen wie ich.

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Veröffentlicht am 22.04.2023

Lilous erster Fall als Commissaire

Lavendel-Zorn
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„Lavendel-Zorn“ von Carine Bernard ist ein wunderbar stimmiger Cosy-Regionalkrimi.

Worum geht es?
Eine junge Frau ertrinkt am selben Tag in einem See, an dem ihr Chef, ein Notar, Selbstmord begeht. Eigentlich ...

„Lavendel-Zorn“ von Carine Bernard ist ein wunderbar stimmiger Cosy-Regionalkrimi.

Worum geht es?
Eine junge Frau ertrinkt am selben Tag in einem See, an dem ihr Chef, ein Notar, Selbstmord begeht. Eigentlich völlig klare Fälle, doch Lilou Braque kommen bei ihren ersten Fall als Commissaire gewisse Zweifel an den Todesursachen, sie vermutet außerdem, dass die beiden Fälle zusammenhängen.

Bereits das Cover stimmt sehr eindrucksvoll auf das Umfeld ein, in dem der Krimi spielt. Das Buch erschien 2023 und ist bereits der 5. Band dieser Reihe mit Lilou Braque als zentrale Protagonistin. Nichtsdestotrotz kam ich als Quereinsteigerin problemlos in die Geschichte hinein und überblickte auch den relevanten Personenkreis mühelos. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft. Das Flair der Provence kommt sehr eindrucksvoll zum Ausdruck durch stimmungsvolle Szenerien, anschauliche Beschreibungen der Landschaft, des dörflichen Treibens und insbesondere von verlockenden kulinarischen Genüssen. Die Kapitel haben eine angenehme Länge, verfügen jedoch über keine Zeitangaben. Die Handlung spielt in der nicht näher festgelegten Gegenwart.

Von Beginn an ist man voll in die Ermittlungen integriert und mit den rätselhaften Komponenten konfrontiert. Wie Lilou tappt man voll im Dunkeln, ahnt, dass da etwas nicht stimmt und kann es sich doch nicht erklären. Viel Raum für eigene Theorien und zum Miträtseln, was ich sehr schätze. Im Prinzip ergeben die zwei scheinbar unabhängigen Fälle, die noch dazu von verschiedenen Polizeibehörden bearbeitet werden, zwei Handlungsstränge, die nach und nach zueinander finden. Der Spannungsbogen hält sich bis zuletzt auf gutem Niveau. Letztendlich klärt sich alles schlüssig und die Falle schnappt für den Mörder zu.

Das polizeiliche Ermittlerteam ist generell sehr sympathisch gezeichnet, durch freundschaftlichen Umgangston, Teamarbeit, aber auch Empathie und Interesse an privaten Problemen. Lilou, seit kurzem erst Commissaire, muss sich erst Respekt verschaffen innerhalb der männlichen und teils älteren Kollegen, aber sie ist selbstbewusst, zielgerichtet und durchsetzungsstark. Ihr Privatleben ist nur peripher erwähnt, der rote Faden fehlte mir ein wenig, weil ich die Vorgängerbände (noch) nicht kenne.

„Lavendel-Zorn“ war ein Krimi genau nach meinem Geschmack: Wohlfühlambiente kombiniert mit Spannung und ein bisschen Reisesehnsucht. Ich freue mich schon jetzt auf weitere Fälle mit Lilou und möchte die anderen Bände nachlesen.
Eine unbedingte Leseempfehlung!

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