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Veröffentlicht am 30.04.2023

Unerfüllte Liebe

Der Gärtner von Wimbledon
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„Der Gärtner von Wimbledon“ ist die bittersüße Geschichte einer unerfüllten Liebe über Klassenschranken hinweg. Emotional und berührend, voller Gefühl, aber nie kitschig, sondern zurückhaltend formuliert. ...

„Der Gärtner von Wimbledon“ ist die bittersüße Geschichte einer unerfüllten Liebe über Klassenschranken hinweg. Emotional und berührend, voller Gefühl, aber nie kitschig, sondern zurückhaltend formuliert. Und mit der gleichen Zurückhaltung werden auch die Klassengegensätze beschrieben, wobei die Andeutungen mehr als ausreichend sind, um sich eine eigene Vorstellung zu dem „Upstairs / Downstairs“ Leben in und um Blake Hall zu bilden. Eine kleine, feine Lektüre für zwischedurch.

Allerdings hege ich leise Zweifel daran, dass diese Geschichte einer unerfüllten Liebe tatsächlich von einer Engländerin geschrieben wurde, denn es gibt weder eine veröffentlichte bzw. geplante englische Originalausgabe noch englischsprachige Informationen zur Autorin, was mir doch einigermaßen seltsam erscheint. Sei’s drum…

Rose und Henry lernen sich 1938 auf dem Landsitz Blake Hall kennen, wo Henrys Vater nach dem Tod seiner Frau eine Stelle als Gärtner angenommen hat. Sie freunden sich an, auch wenn das von Rose‘ Familie nicht gerne gesehen wird, denn in der englischen Klassengesellschaft hat jeder seinen vorgegebene Platz in der Hierarchie. Doch die Standesunterschiede können nicht verhindern, dass zwischen den beiden eine zarte Freundschaft aufblüht. Das verbindende Element ist Rose‘ Leidenschaft für Tennis, ihr großer Traum, in Wimbledon ein Turnier zu gewinnen. Dafür trainiert sie täglich und wird von Henry unterstützt, der nicht nur den Trainingsplatz von Blake Hall tiptop in Ordnung hält, sondern auch als Balljunge fungiert und sogar als Trainingspartner in die Bresche springt, wenn sonst niemand verfügbar ist. Sie verlieben sich, träumen von einer gemeinsamen Zukunft, aber Henry ist sich der Konsequenzen durchaus bewusst, die es nach sich ziehen könnte, sollte Rose‘ Familie je von seinen Gefühlen erfahren. Sein Vater könnte seine Stelle verlieren und sie müssten Blake Hall verlassen.

Doch es ist der Zweite Weltkrieg, der das Leben auf dem Landsitz tiefgreifend verändert. Der Tennisplatz wird zum Kartoffelacker und Rose muss ihre Träume begraben, distanziert sich von Henry und verkehrt nunmehr nur noch mit ihresgleichen. Henry hingegen kümmert sich bis zu seiner Einberufung um die Pferde, doch an seinen Gefühlen für Rose ändert sich nichts. Als der Krieg vorbei ist, hat er keinen Ort mehr, zu dem er zurückkehren könnte und nimmt die Stelle als Gärtner in Wimbledon an. Ob es wohl zu einem Wiedersehen mit Rose kommen wird?

Veröffentlicht am 28.04.2023

Es ist an der Zeit...

Das Erbe der Toten
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Zwei Fälle: „Big Ger“ Cafferty, Widersacher und Rebus‘ Nemesis, bittet diesen um einen Gefallen. Er soll einen seiner ehemaligen Geschäftspartner finden, der ihn gelinkt hat und danach abgetaucht ist. ...

Zwei Fälle: „Big Ger“ Cafferty, Widersacher und Rebus‘ Nemesis, bittet diesen um einen Gefallen. Er soll einen seiner ehemaligen Geschäftspartner finden, der ihn gelinkt hat und danach abgetaucht ist. Aber es gibt Gerüchte, dass er sich mittlerweile wieder in Edinburgh aufhält. In Clarkes Fall geht es um einen Ex-Polizisten, dem häusliche Gewalt vorgeworfen wird. Eigentlich ein klarer Fall, wenn er seine Gewalttätigkeit nicht durch die Prägung entschuldigen würde, die er in seinem alten Revier Tynecastle erfahren häbe. Um das zu untermauern, ist er bereit, seine ehemaligen Kollegen hinzuhängen. Und es wäre durchaus möglich, dass dabei auch der Name von John Rebus fällt, obwohl dieser dort nicht stationiert war.

Rankin schildert diese Ermittlungen souverän, auch wenn die eine oder andere Verbindung eher undurchsichtig und gewollt wirkt, was sich auch aus dem riesigen Personentableau ergibt, in dem gefühlt jede/r, dem wir in den vorhergegangenen Bände der Reihe begegnet sind, einen Auftritt hat. Aber wie immer sind zum Ende hin alle offenen Fragen hinreichend geklärt. Bis auf diejenige, mit der „Das Erbe der Toten“ eröffnet. Wird es Rebus gelingen, die Schlinge abzustreifen, die sich immer enger um seinen Hals legt?

Als ich „Das Erbe der Toten“ zuklappte, wurde ich das Gefühl nicht los, dass sich Ian Rankin mit seiner Rebus-Reihe auf der Zielgeraden befindet. Unterstützt wurde dieses Gefühl durch eine Meldung im „Scotsman“ von 2022, an die ich mich erinnerte. In ihr stand, dass der Autor einen Vertrag mit seinem Verlag über lediglich zwei weitere Bücher der Reihe unterzeichnet hätte.

Wenn man nun bedenkt, dass Knots and Crosses, der erste Band der Reihe, 1987 erschienen ist (Verborgene Muster, 2000 in der Übersetzung) und wir seit damals in Echtzeit die Laufbahn des Protagonisten verfolgen konnten, scheint mir das eine schlüssige und nachvollziehbare Entscheidung zu sein, denn mittlerweile ist Rebus seit einigen Jahren im Ruhestand, hat zahlreiche gesundheitliche Probleme, was ihn aber nicht daran hindert, sich immer wieder in Ermittlungen seiner ehemaligen Kollegin DI Siobhan Clarke einzumischen. Gefühlt wäre es jetzt an der Zeit, Abschied zu nehmen, denn mittlerweile wirkt Rebus mit seiner nicht immer rühmlichen Vergangenheit und seinen Kontakten zur Unterwelt stellenweise wie ein Überbleibsel einer längst vergangenen Epoche, und so sollte es durchaus möglich sein, dass John Rebus den Staffelstab an Siobhan Clarke weiterreicht.

Veröffentlicht am 26.04.2023

Ausgeliefert

Institut für gute Mütter
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Die alleinerziehende Frida hat einen Fehler gemacht. Einen Fehler, der dafür verantwortlich ist, dass ihr gesamtes Leben aus den Fugen gerät. Eigentlich wollte sie doch nur einen Kaffee kaufen, hat dann ...

Die alleinerziehende Frida hat einen Fehler gemacht. Einen Fehler, der dafür verantwortlich ist, dass ihr gesamtes Leben aus den Fugen gerät. Eigentlich wollte sie doch nur einen Kaffee kaufen, hat dann aber auch noch in ihrem Büro Unterlagen abgeholt, die sie für ihre Arbeit benötigt, und aus der geplanten kurzen Abwesenheit werden schlussendlich zweieinhalb Stunden, in denen sie ihre 18 Monate alte Tochter allein in der Wohnung zurückgelassen hat. Die Nachbarn hören deren Weinen, alarmieren die Behörden. Frida wird das Kind weggenommen, darf es nur noch unter Aufsicht sehen und muss nun beweisen, dass sie die enggesteckten Kriterien erfüllt, die die staatlichen Stellen für Mutterschaft zugrunde gelegt haben, erfüllt. Es gelingt ihr nicht, und so wird sie in ein Umerziehungsinstitut geschickt, in dem sie rund um die Uhr überwacht und diszipliniert wird und mit Hilfe einer KI-Puppe als Kindersatz verinnerlichen soll, was eine gute Mutter ausmacht.

Als ich Jessamine Chans „Institut für gute Mütter“ gelesen habe, musste ich unweigerlich an die Werke der französischen Philosophin Elisabeth Badinter denken, die sich zeitlebens kritisch mit dem Thema Mutterschaft und der gesellschaftlichen Verherrlichung der Mutterliebe auseinandergesetzt hat. Aber in dem Roman der amerikanischen Autorin mit chinesischen Wurzel geht es neben den Erwartungshaltungen, die das persönliche Umfeld an die Protagonistin hat, auch um Überwachung, Behördenwillkür und den Verlust der Selbstbestimmung. Das mag auf den ersten Blick dystopisch wirken – und natürlich drängt sich hier der Vergleich mit Atwoods „Der Report der Magd“ – ist aber in manchen Ländern, zumindest in Grundzügen, bereits Realität. Den Kontrollverlust, die Ohnmacht, einem totalitären Regime ausgeliefert zu sein, ohne die Möglichkeit, nach eigenem Ermessen zu agieren, ist einen gruselige Vorstellung, deren Auswirkungen Chan sehr eindrücklich beschreibt. Eine Situation, in der man der Willkür staatlicher Stellen und einem abstrusen Wertesystem ausgeliefert ist und in die niemand jemals geraten möchte.

Veröffentlicht am 25.04.2023

Unbehaglicher Gegenwartsroman

Going Zero
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Tagtäglich hinterlassen wir digitale Spuren. Sei es durch das Bezahlen mit der Kreditkarte, der Inanspruchnahme von Bonusprogrammen, GPS und Handynutzung oder unserer Präsenz im Internet und den sozialen ...

Tagtäglich hinterlassen wir digitale Spuren. Sei es durch das Bezahlen mit der Kreditkarte, der Inanspruchnahme von Bonusprogrammen, GPS und Handynutzung oder unserer Präsenz im Internet und den sozialen Medien. Natürlich ist uns das bewusst, aber wissen wir auch, was mit diesen gesammelten Daten geschieht? Welche Möglichkeiten die Datenkraken haben, um unsere digitalen Fußabdrücke lückenlos zu verfolgen? Und was geschieht, wenn diese Informationen in die falschen Hände geraten? Dieser Fragestellung geht Anthony McCarten in „Going Zero“ nach und schafft ein Szenario, das spannender nicht sein könnte.

Obwohl der neuseeländische Autor bereits zahlreiche Romane geschrieben hat, kennt man ihn doch am ehesten als erfolgreichen Drehbuchautor. Davon zeugen nicht nur die Auszeichnungen bei den BAFTA Awards sondern auch die mehrfachen Nominierungen bei den Oscar und Golden Globe Preisverleihungen. Und wieder einmal beweist er mit seinem aktuellen Roman, dass er sein Geschäft versteht, denn dieser bietet mehr spannende Momente als so manch blutrünstiger Thriller, denn die lückenlose Überwachung hat längst in unseren Alltag Einzug gehalten.

Zum Inhalt: Es mag ja sein, dass der Tech-Milliardär Cy Baxter edle Absichten hat, denn er wird von dem Wunsch angetrieben, die Welt zu einem sicheren Ort zu machen. (Wir erinnern uns an 9/11. Genau das war die Argumentation der Amerikaner, die zahllose Eingriffe in unseren Alltag und viele Einschränkungen, Reglementierungen und Überwachungsmaßnahmen für jede/n von uns nach sich zogen, aber im Sinn der „guten Sache“ allmählich akzeptiert, in unseren Alltag eingeflossen und mittlerweile schon nicht mehr hinterfragt werden). Zu diesem Zweck geht er eine Kooperation mit den amerikanischen Geheimdiensten ein, um diesen zu beweisen, dass durch die Informationen, die in seiner riesigen Datenbank Fusion hinterlegt sind, die Handlungen jedes Einzelnen nicht nur nachverfolgt und somit kontrollierbar, sondern durch Verknüpfungen auch 100 %ig vorhersehbar sind. Untermauert soll dies durch einen Beta-Test mit zehn ausgewählten Kandidaten werden, deren Aufgabe es ist, dieser lückenlosen Überwachung ein Schnippchen zu schlagen. Dem Gewinner würde ein Preisgeld von 3 Millionen Dollar winken, aber es ist davon auszugehen, dass keiner der Teilnehmer den Test erfolgreich beendet. Ein Trugschluss, wie sich herausstellen wird.

Die Story wird in Form eines Countdowns präsentiert und erhält zusätzlich Tempo durch die kurzen Kapitel, in denen sowohl Baxter als auch die Teilnehmer zu Wort kommen. Die Möglichkeiten, die sich durch die Verknüpfung der gesammelten Daten ergeben, werden anschaulich erläutert, die technischen Möglichkeiten verständlich erklärt und hinterlassen ein unbehagliches Gefühl, denn mit Sicherheit ist gerade in diesem Bereich aktuell schon wesentlich mehr möglich als wir uns vorstellen können. Und ja, die Auswirkungen betreffen nicht nur die Menschen mit bösen Absichten, es ist ein Thema, das uns alle angeht.

Ein Gegenwartsroman, der aufzeigt, was möglich ist und uns mit einem unbehaglichen Gefühl zurücklässt, aber gerade deshalb auch gelesen werden sollte.

Veröffentlicht am 15.04.2023

So geht Urlaubskrimi

Dunkle Verbindungen
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Herbst in Fuseta, und für Leander Lost, den heimlichen Star dieser Krimireihe, soll in den nächsten Wochen ein neuer Lebensabschnitt beginnen. Das neue Haus ist bezogen und die Hochzeit mit Soraia, Schwester ...

Herbst in Fuseta, und für Leander Lost, den heimlichen Star dieser Krimireihe, soll in den nächsten Wochen ein neuer Lebensabschnitt beginnen. Das neue Haus ist bezogen und die Hochzeit mit Soraia, Schwester seiner Chefin Graciana, steht ins Haus. Doch erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Zuerst wirft ein Leichenfund im Golfresort Fragen auf und kurz danach findet ein Überfall auf einen Geldtransporter statt, bei dem Losts Kollege Miguel Duarte schwer verletzt wird. Natürlich stellt sich für das Team um Graciana Rosado die Frage nach den Tätern, was allerdings für uns Leser/innen keine besondere Relevanz hat, denn der Autor lässt diese in alternierenden Kapiteln selbst zu Wort kommen. Wesentlich interessanter ist ein anderer Aspekt, der allerdings erst im Lauf der Ermittlungen zutage tritt, denn zwischen den beiden Fällen gibt es einen Zusammenhang. Und dann ist da noch die persönliche Dimension, die mit Gracianas tragischer Familiengeschichte eng verknüpft ist. „Dunkle Verbindungen“ wohin man schaut.

Es gibt wenig Autoren, die das Metier des Urlaubskrimis so gekonnt wie Gil Ribeiro aka Holger Karsten Schmidt beherrschen. Zum einen liegt das natürlich an dem liebenswerten Team sowie dessen internen Dynamik, zum anderen aber auch an den facettenreichen Fällen, die es aufzuklären gilt. Dazu die stimmigen und atmosphärischen Beschreibungen der Gegend rund um Fuseta, die aber nie wie Werbeschriften für das Fremdenverkehrsamt daherkommen und die eigentliche Krimihandlung überlagern. Es sind immer die Menschen mit ihren Eigenheiten, insbesondere Leander Lost, und die facettenreichen Fälle, die bei dem Autor im Mittelpunkt stehen. Man darf gespannt sein, was da in Zukunft noch kommen wird.

So geht Urlaubskrimi. Lesen!