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Veröffentlicht am 17.02.2023

Idyll in Scherben

Kuckuckskinder (Ein Falck-Hedström-Krimi 11)
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Fjällbacka ist im Feiermodus. Das Ehepaar Bauer, er ein bekannter Schriftsteller – man munkelt sogar, er wäre der nächste Nobelpreisträger – hat Freunde und Bekannte zu einer Festivität anlässlich ihrer ...

Fjällbacka ist im Feiermodus. Das Ehepaar Bauer, er ein bekannter Schriftsteller – man munkelt sogar, er wäre der nächste Nobelpreisträger – hat Freunde und Bekannte zu einer Festivität anlässlich ihrer Goldenen Hochzeit geladen. Die gesamte Schickeria des schwedischen Dörfchens ist anwesend, mit Ausnahme des Fotokünstlers Rolf Stenklo. Man feiert ausgelassen, der Alkohol fließt in Strömen. Auch Erika Falck und Patrik Hedström, sie Schriftstellerin, er Polizeibeamter, sind unter den Gästen. Am nächsten Morgen wir der verkaterte Patrik zu einem Tatort gerufen. Rolf Stenklo ist tot, liegt ermordet in der Galerie, in der er noch am Abend zuvor seine Ausstellung vorbereitet hat.

Wie wir es von Camilla Läckberg gewohnt sind, gibt es aber noch einen zweiten Handlungsstrang, der von Erika bedient wird. Für ihr neues Buch recherchiert sie eine lange zurückliegende Brandkatastrophe, bei der zwei Personen ums Leben gekommen sind. Ein Unglücksfall oder Mord? Im Laufe der Handlung gräbt sie eine Vielzahl von Hinweisen aus, die allesamt darauf hindeuten, dass zwischen den beiden Fällen eine Verbindung besteht.

Die Verschränkung von Gegenwart und Vergangenheit ist ein vertrautes Muster der schwedischen Autorin, das sie in ihren Falck-Hedström-Krimis immer wieder benutzt, um die Handlung aufzubauen. So auch in „Kuckuckskinder“ (Band 11). Keine Frage, sie versteht ihr Handwerk, man weiß schon bereits im Vorfeld, was man bekommt. Aber hier wurde dies über die Maßen ausgereizt. Gleicher Aufbau, gefällig Sprache, jede Menge Privatleben und viel zu viel Drumherumgerede, das den Fall überlagert und in den Hintergrund drängt. Zu allem Überfluss scheint die Autorin auch noch der Meinung zu sein, sie müsste aktuelle, gesellschaftlich relevante Themen in ihre Story einarbeiten, was bereits in dem Vorgänger („Die Eishexe“, 2018) in die Hose ging. Nein, sie ist nicht in der Lage, die gewählte Thematik glaubwürdig und mit dem nötigen Fingerspitzengefühl zu transportieren. Dazu kommt der wenig glücklich gewählte Titel (im Original „Gökungen“ = Der Kuckuckskönig), der die Richtung für die Interpretation der Geschehnisse bereits vorgibt.

„Kuckuckskinder“ ist ein langatmiger, weitgehend anspruchsloser und vorhersehbarer Kriminalroman, der zwar die Erwartungen erfüllt, aber keinerlei Überraschungen bietet. Kann man lesen, muss man aber nicht.

Veröffentlicht am 14.02.2023

Tresor der Erinnerungen

Sibir
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Sabrina Janesch erzählt in „Sibir“ nicht nur eine Geschichte von Freundschaft, sondern beschreibt auch ein ererbtes Trauma und dessen Auswirkungen, die bis in die Gegenwart einer Familie reichen, die auf ...

Sabrina Janesch erzählt in „Sibir“ nicht nur eine Geschichte von Freundschaft, sondern beschreibt auch ein ererbtes Trauma und dessen Auswirkungen, die bis in die Gegenwart einer Familie reichen, die auf ihrer Suche nach Heimat und Beständigkeit zum Spielball der Politik wird und so im Laufe der Zeit immer wieder die vertraute Umgebung hinter sich lassen muss.

Im Zuge einer Vergeltungsmaßnahme für die Gräueltaten der Nazis räumen 1945 Rotarmisten das galizische Dorf (Südukraine), in dem der zehnjährige Josef mit seiner Familie lebt und deportieren alle Deutschstämmigen nach Sary Arka, eine Steppenlandschaft im Norden Kasachstans, in der Menschen aus aller Herren Länder Zwangsarbeit leisten müssen. Auf die Erwachsenen warten in dieser Einöde Entbehrungen und harte Fron, Josef hingegen findet dort in dem einheimischen Tachawi einen Freund, mit dem er die Gegend erkundet und unbeschwerte Tage verlebt. Eine Freundschaft, die bis Mitte der fünfziger Jahre Bestand hat, als Josef samt Familie nach Deutschland ausreist und in einer Kleinstadt in Norddeutschland landet.

Die Siedlung am Ortsrand wird zum Wohnort, aber Heimat ist sie nicht. Die kasachische Steppe, die Erinnerungen an Menschen, an Leben und Erleben, all das wird im Tresor der Erinnerungen verschlossen und kommt er wieder an die Oberfläche, als Anfang der neunziger Jahre der Eiserne Vorhang fällt und viele Deutschstämmige die Gelegenheit beim Schopf packen, Russland verlassen und nach ihrer Ankunft mit ähnlichen Problemen wie er zu kämpfen haben. Sie gehören nicht dazu, sind Fremde im eigenen Land. Eine Erfahrung, die auch seine Tochter Leila machen musste, der er sich nach und nach öffnet, als die Erinnerungen an die Zeit in Kasachstan sein Denken fluten. Und wie bei Josef ist es auch bei Leila der Freund, dessen Gegenwart und Unterstützung das Erwachsenwerden erträglich macht.

Janesch formuliert feinfühlig und emotional, glücklicherweise aber ohne Kitsch und Pathos. Sie überzeugt durch bildhafte Beschreibungen vor allem in den Passagen, in denen sie uns mit in das kasachische Dorf mit seinem Vielvölkergemisch nimmt. Und ja, ich fand den Ausflug in die Vergangenheit der russlanddeutschen Gemeinschaft, die Abschnitte, die Josefs Jugendjahre beschreiben, wesentlich interessanter als die Beschreibungen von Leilas Erlebnissen in der deutschen Gegenwart.

Die Autorin lässt uns abwechselnd an diesen beiden Leben teilhaben, verschränkt sie, zeigt Gemeinsamkeiten auf. Sie erzählt von Scham und Schuld, und nicht zuletzt von der tiefen Sprachlosigkeit, dem Schweigen und dem Trauma, das sich von Generation zu Generation weitervererbt. Lesen!

Veröffentlicht am 11.02.2023

Die Sünden der Väter

Wer ohne Sünde ist
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Es ist so weit. Mit „Wer ohne Sünde ist“ müssen wir Abschied nehmen von Rebecka Martinsson, Åsa Larssons sechsbändiger Reihe, in deren Zentrum die Staatsanwältin aus Kiruna steht. Allerdings finde ich ...

Es ist so weit. Mit „Wer ohne Sünde ist“ müssen wir Abschied nehmen von Rebecka Martinsson, Åsa Larssons sechsbändiger Reihe, in deren Zentrum die Staatsanwältin aus Kiruna steht. Allerdings finde ich die Genre-Zuordnung problematisch, denn die schwedische Autorin hat in ihren Romanen so viel mehr als lediglich einen spannenden Thriller zu bieten. Es sind die großen Fragen, die sie immer wieder thematisiert. Was bist du bereit aus Liebe zu tun? Wie hoch liegt die Messlatte für deine persönliche Moral? Welche Auswirkungen haben Ereignisse aus der Vergangenheit auf deine Gegenwart? Daraus entstehen komplexe und gut komponierte, oft berührende Dramen mit Zwischentönen, die die strikte Trennung zwischen Gut und Böse hinterfragen. Ergänzt wird dies mit außergewöhnlich gelungenen Naturbeschreibungen, ohne dabei die Besonderheiten des Handlungsortes Kiruna, Bergbaustadt im Norden Schwedens, zu vernachlässigen, deren problematische Umsiedlung hier ebenfalls Thema ist.

Zum Inhalt: Ein toter Alkoholiker, ein weiterer Toter in dessen Gefriertruhe, der sich als ein lange vermisster Boxer entpuppt und ein Gerichtsmediziner, der Rebecka Martinsson um Hilfe bittet. Ein simpler Cold Case? Bei weitem nicht. Das organisierte Verbrechen hat Einzug im Norden Schwedens gehalten und nutzt die unübersichtliche Situation, die sich aus dem beschlossenen Abriss und geplanten Wiederaufbau Kirunas ergibt, zum eigenen Vorteil und füllt sich die Taschen. Korruption, Drogenhandel, Zwangsprostitution, Gewaltverbrechen, all das gehört mittlerweile zum Alltag. Vergangenheit und Gegenwart überlappen sich. Auch bei Rebecka, die sich endlich mit ihrer komplizierten Familiengeschichte auseinandersetzen muss.

Viel Stoff? In der Tat, aber nicht zu viel, als dass Åsa Larsson damit überfordert wäre. Routiniert wie immer verbindet sie die verschiedenen Handlungsstränge, so dass zum Ende hin alle Unklarheiten beseitigt und alle Fragen höchst zufriedenstellend geklärt sind. Es bleibt das Bedauern darüber, dass diese großartige Reihe nun ihren Abschluss gefunden hat. Nachdrückliche Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 07.02.2023

Skandinavisch-düstere Fortsetzung

Rotwild
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Drei Jahre sind vergangen und noch immer knabbert Sanna Berling an diesem einen Fall, den sie nicht abschließen konnte. Sie hadert mit ihrer eigenen Unfähigkeit und hat deshalb nach einer längeren Auszeit ...

Drei Jahre sind vergangen und noch immer knabbert Sanna Berling an diesem einen Fall, den sie nicht abschließen konnte. Sie hadert mit ihrer eigenen Unfähigkeit und hat deshalb nach einer längeren Auszeit die Brandruine verkauft, ihr Team verlassen und die Koffer gepackt. Gemeinsam mit ihrem Wolfshundmischling zieht sie aufs Land, möchte auf dem dortigen kleinen Revier einen Neuanfang wagen, nie mehr Mörder jagen, sondern sich nur noch mit banalen Gesetzesübertretungen beschäftigen.

Aber es kommt anders als gedacht. Zuerst ist da diese seltsame Puppe, die ein Jogger bei seiner täglichen Runde gefunden hat und bei Sanna und ihrem Kollegen abliefert. Und dann ist da noch der Notruf, dem sie nachgehen muss. In einer verfallenen Hütte im Wald findet sie einen jungen Mann, der im Sterben liegt. Sein Körper ist mit unzähligen Wunden übersät. Aber es ist bereits zu spät, er kann ihr nicht mehr sagen, wer ihm das angetan hat. Ein schockierendes Bild, das sich einbrennt und Sanna der Bitte ihres Vorgesetzten zustimmen lässt, gemeinsam mit ihrer Ex-Kollegin Eir Pedersen die Ermittlungen aufzunehmen und den Mörder seiner gerechten Strafe zuzuführen.

„Rotwild“ hat alle Zutaten, die man von einem skandinavischen Thriller der neuen Generation erwartet: die typische nordisch-düstere Atmosphäre, problembeladene Ermittlerinnen, die mit traumatisierenden Erlebnissen aus der Vergangenheit kämpfen und nicht zuletzt einen Mordfall, der mit barbarischen Details aufwartet.

Allerdings gibt es gegenüber dem Vorgänger einen nicht zu vernachlässigenden Fortschritt. Hat sich die Autorin dort fast ausschließlich auf die Handlung konzentriert, widmet sie sich hier verstärkt der Charakterisierung der beiden Protagonistinnen, wobei aber der komplexe Fall dadurch nicht in den Hintergrund gedrängt wird. Hier merkt man einfach die frühere Drehbuchautorin, die genau weiß, wann sie wie welche Knöpfe zu drücken hat, damit die Spannung sich steigert. Und das tut sie…

Im Handlungsverlauf gibt es allerdings immer wieder Situation, in denen durch Rückblenden auf „Fuchsmädchen“, den Vorgänger und ersten Band dieser Reihe, Bezug genommen wird, weshalb es für ein besseres Verständnis von Vorteil ist, wenn man diesen gelesen hat.

Veröffentlicht am 05.02.2023

Das Dorf im Schatten

Wintersterben
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Valeria Ravelli hat noch nicht wieder zu alter Stärke zurückgefunden, denn noch immer stecken ihr die Ereignisse ihres Einsatzes in Eigerstal in den Knochen, plagen sie Flashbacks. Aber ihr Vorgesetzter ...

Valeria Ravelli hat noch nicht wieder zu alter Stärke zurückgefunden, denn noch immer stecken ihr die Ereignisse ihres Einsatzes in Eigerstal in den Knochen, plagen sie Flashbacks. Aber ihr Vorgesetzter bei Interpol kann auf ihre posttraumatischen Belastungsstörungen keine Rücksicht nehmen. Sie ist seine beste Ermittlerin, und ihre Fähigkeiten werden im Fall eines Leichenfundes in den Walliser Alpen dringend benötigt.

In einer Höhle nahe des Bergdorfs Steinberg ist der barbarisch zugerichtete Leichnam eines Mannes gefunden worden. Seine Identität ist geklärt, es handelt sich um Gress, einen deutschen Staatsbürger mit schillernder Vergangenheit, der nicht nur für das BKA gearbeitet hat, sondern auch für die französische Fremdenlegion im Einsatz war. Was wollte er in diesem Schweizer Bergdorf? Und wer hatte einen Grund, ihn zuerst zu foltern und danach zu ermorden? Fragen, die nur vor Ort geklärt werden können. Und so macht sich Ravelli auf den Weg nach Steinberg, während ihr neuer Partner Colin Bain vor Ort bleibt und versucht, Hintergrundinformationen zu Gress auszugraben.

Bergdörfer sind schon wegen ihrer Lage und der überschaubaren Bewohnerzahl meist ein Kosmos für sich. Die Verbindungen zur Außenwelt sind rar gesät und Neuankömmlinge werden meist misstrauisch beäugt. Das Dunkel, das sich über den abgeschiedenen, von undurchdringlichen Wäldern umgebenen Ort legt, das seltsame Benehmen der Einwohner, kreiert eine Ausgangssituation, die bereits von Haus aus beim Lesen unbehagliche Gefühle weckt. Und genau hier liegt die Stärke von Martin Krügers „Wintersterben“, einem Thriller, den ich in einem Rutsch gelesen habe. Dem Autor gelingt es mit wenigen Pinselstrichen und vagen Andeutungen eine frostige und bedrohliche Atmosphäre zu schaffen, in der man auch als Unbeteiligter ständig auf der Hut ist und um die Unversehrtheit der Protagonistin bangt. Die Spannungskurve ist von Beginn an hoch, entwickelt einen Sog, denn man möchte unbedingt wissen, wie sich die Geschichte entwickelt und ob sich die eigenen Vermutungen bestätigen. So sieht man auch über die eine oder andere Ungereimtheit im Handlungsverlauf gerne hinweg.

Wer einen Thriller lesen möchte, der mit atmosphärischen Beschreibungen punktet, ist hier an der richtigen Adresse. Und ja, auch wenn „Wintersterben“ bereits nach „Waldeskälte“ der zweite Band der Reihe mit Valeria Ravelli ist, kann man diesen ohne Kenntnis des Vorgängers lesen.