Cui bono?...wie Ahmid sagt
Pirlo - Falsche Zeugen„Glücksspiel. Drogen. Prostitution. Das alles gibt es sowieso immer. Es kann von Vorteil sein, wenn man zumindest weiß, dass sich ordentlich darum gekümmert wird. Von ernst zu nehmenden Leuten, die wissen, ...
„Glücksspiel. Drogen. Prostitution. Das alles gibt es sowieso immer. Es kann von Vorteil sein, wenn man zumindest weiß, dass sich ordentlich darum gekümmert wird. Von ernst zu nehmenden Leuten, die wissen, was Respekt ist und wie man ihn zeigt.“ (S. 346)
Ingo Bott nimmt uns in „Falsche Zeugen“, dem zweiten Band der Pirlo-Reihe, mit ins Düsseldorfer Milieu, in dem der albanische Maliki-Clan und die Nazi-Rocker sich die genannten „Geschäftsfelder“ brüderlich teilen. Man respektiert sich und spuckt dem Gegenüber nicht in die Suppe, ist ja genug für alle da. Natürlich muss Mann immer wieder mal mit den Muskeln spielen, zeigen, wer der Herr im Ring ist, aber das ist Geplänkel. Ernsthafte Auseinandersetzungen oder Revierkämpfe sind eher selten.
Alles easy bis zu dem Abend, an dem Rainer Waßmer, Boss der Rocker, auf dem Parkplatz eines Bordells erstochen wird und Faruk Malikis Fingerabdrücke auf der Tatwaffe gefunden werden. Von da an bekommt die Aussage „Leben und leben lassen“ eine komplett andere Bedeutung. Die Mühlen der Justiz beginnen zu mahlen, was auch Faruk, dem Kronprinzen der Malikis, klar ist. Hier kommen Pirlo und seine Kollegin Sophie ins Spiel, bei denen er Hilfe sucht. Sie glauben seinen Unschuldsbeteuerungen und übernehmen den Fall trotz der dürftigen Beweislage.
Die Ermittlungen gestalten sich äußerst zäh, denn es gibt kaum Anhaltspunkte, wer ein Interesse daran haben könnte, Waßmer zu ermorden und Maliki an den Karren zu fahren. Nicht gut, denn Pirlo und Mahler arbeiten auf Erfolgsbasis, d.h. wenn Faruk schuldig gesprochen wird, sehen sie keinen müden Cent.
So plätschern die ersten 200 Seiten vor sich hin, kurz unterbrochen von Rückblicken auf den erfolgreichen Abschluss des Falls aus Band 1, Pirlos unbewältigte Familiengeschichte in Form seines Bruders Ahmid, der Sophie anbaggert, und dem Auftauchen von Alena, einer attraktiven Femme fatale (Verbeugung vor dem Malteser Falken ???), die Pirlo den Kopf dermaßen verdreht, dass er Sophie mit der gesamten Arbeit an dem Fall hängen lässt. Wer diese Durststrecke überwindet, wird mit einem zweiten Teil belohnt, der es in sich hat und Faruks Geschichte samt einigen interessanten Entwicklungen im Privaten der beiden Anwälte zufriedenstellend zum Ende bringt.
Wenn ich Sympathiepunkte verteilen müsste, würde das Pendel ohne Frage zu Sophies Seite hin ausschlagen, was vor allem den endlosen Wiederholungen geschuldet ist, mit denen ihr Chef beschrieben wird. Ja, wir haben zur Kenntnis genommen, dass er seinen Kaffee extrastark trinkt, alkoholischen Getränken nicht abgeneigt und von seinen Haaren fast schon besessen ist. Und dass er ein Problem mit seiner Herkunft hat. Wesentlich schwerer ins Gewicht fällt jedoch, wie er Sophie hängen lässt, obwohl er weiß, dass es brennt. Kein Charakterzug, der mich für ihn einnimmt. Aber bei einem Blick auf das Cover des dritten Bandes scheint es zumindest so, dass Pirlo endlich Sophies Qualitäten würdigt und sie zur Partnerin macht. Wir dürfen gespannt sein.
Kurze Kapitel und knappe Sätze forcieren das Tempo, und auch die nebenbei eingeflochtenen politischen Statements haben immer wieder für ein zustimmendes Kopfnicken meinerseits gesorgt. Beispiel gefällig?: „Irgendjemand dankt Sophie und Pirlo für den Beitrag zur Zusammenarbeit zwischen den Völkern. Vielleicht bekommen sie sogar eine Auszeichnung. Man hat Obama den Friedensnobelpreis gegeben. Im Afghanistan-Krieg. Während das Lager von Guantanamo in Betrieb war.“ (S. 222)
Nach anfänglichen Zweifeln überwiegt dann doch der positive Gesamteindruck (mit kleinen Abstrichen) und lässt mich gespannt auf die Fortsetzung der Reihe warten.