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Veröffentlicht am 26.01.2022

Charmanter Krimi mit einer liebenswerten Hauptfigur

The Maid
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Lust auf einen Cozy-Krimi, der zwar Ähnlichkeiten mit den englischen Klassikern aufweist, aber durch eine liebenswerte und sympathische Protagonistin seinen individuellen Touch erhält?

Molly „The Maid“ ...

Lust auf einen Cozy-Krimi, der zwar Ähnlichkeiten mit den englischen Klassikern aufweist, aber durch eine liebenswerte und sympathische Protagonistin seinen individuellen Touch erhält?

Molly „The Maid“ arbeitet als Zimmermädchen in einem Nobelhotel. Sie ist überkorrekt, liebt ihre Arbeit und erledigt alle ihr aufgetragenen Aufgaben mit wahrer Hingabe. Und sie ist ein guter Mensch, arglos wie Forrest Gump, hat immer den moralischen Kompass im Kopf, den ihr die kürzlich verstorbene Großmutter vermittelt hat. Richtig und falsch kann sie zwar unterscheiden, aber Mimik, Körpersprache und auch das Verhalten ihrer Mitmenschen zu interpretieren ist nicht wirklich ihre Kernkompetenz.

Das bringt sie in große Schwierigkeiten, als sie die Leiche eines Hotelgasts bei ihrer täglichen Putzroutine entdeckt. Die Untersuchungen der Polizei ergeben, dass dieser offenbar einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist und alle Indizien deuten auf Molly als Täterin hin.

Dafür, dass dieser Krimi ein Debüt ist, ist er ausgesprochen routiniert geschrieben und schlüssig aufgebaut. Kein Wunder, ist Nita Porse doch Cheflektorin bei Simon & Schuster. Die Atmosphäre wirkt „very british“, aber die Autorin lebt und arbeitet in Toronto, der kanadischen Metropole mit britischer Vergangenheit, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht. Die Lösung des Mordfalls samt der Zusammenhänge ist allerdings ziemlich offensichtlich, beeinträchtigt aber das Lesevergnügen zu keinem Zeitpunkt, was ohne Zweifel der Hauptfigur geschuldet ist.

„The Maid“ ist eine unterhaltsame Lektüre voller Charme, die man am besten mit einer Tasse Tee und Shortbread genießt. Enjoy!

Veröffentlicht am 24.01.2022

Viktorianischer Kriminalroman vom Feinsten

Das Geheimnis von Windsor Castle
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1889 in Edinburgh. Weihnachten steht vor der Tür, als Ian Frey und „Nine Nails“ McGray mitten in der Nacht von Premier Salisbury zu einem geheimen Treffen einbestellt werden. Die Vertreter der geheimen ...

1889 in Edinburgh. Weihnachten steht vor der Tür, als Ian Frey und „Nine Nails“ McGray mitten in der Nacht von Premier Salisbury zu einem geheimen Treffen einbestellt werden. Die Vertreter der geheimen „Kommission zur Aufklärung ungelöster Fälle mit mutmaßlichem Bezug zu Sonderbarem und Geisterhaften“ stecken in der Klemme, ist es doch niemand geringeres als die Regentin, Queen Victoria, die ihnen ein Ultimatum stellen lässt. In der Nacht vor Heiligabend möchte sie einmal mehr mit ihrem verstorbenen Gatten, Prinz Albert, Kontakt aufnehmen, und dazu benötigt sie ein Medium. Jetzt ist es nur so, dass die die „Lieblingshexe“ der Queen bereits in „Der Fluch von Pendle Hill“ (Bd. 2 der Reihe) unter Einwirkung der beiden Detektive das Zeitliche gesegnet hat und Victoria deshalb in höchstem Maße darüber erbost ist, ihnen tödliche Konsequenzen androht, sollten sie ihrem Wunsch nicht nachkommen. Falls Frey und McGray keinen Ersatz finden, werden sie hingerichtet. Keine Diskussion. Und die Zeit drängt, denn es sind nur noch wenige Tage bis zum Fest. Also heißt es Koffer packen und los geht’s…

„Das Geheimnis von Windsor Castle“ ist mittlerweile der sechste Band in dieser Reihe, die ich noch immer so gelungen wie zu Beginn finde. Zum einen liegt das - Holmes und Watson lassen grüßen - natürlich an dem unorthodoxen Ermittlerduo. Hier der raubeinige schottische Vorgesetzte, der sämtlichen Klischees gerecht wird, dort der strafversetzte, kultivierte Engländer, der sich immer wieder mit Situationen konfrontiert sieht, die er nur mit Kopfschütteln quittieren kann. Zum anderen sind da die wunderbaren, oft respektlosen Beschreibungen, wie die von Queen Victoria im aktuellen Fall. Man kann jetzt nicht gerade behaupten, dass der Autor besonders rücksichtsvoll mit der Königin umgeht - von zweifelhafter Abstammung, launisch, neurotisch, depressiv, stark übergewichtig, rachsüchtig - obwohl die Eigenschaften, die er ihr zuschreibt, durchaus reale Hintergründe habe und in historischen Dokumenten zu finden sind. Nicht zu vergessen die stimmungsvollen Beschreibungen der Schauplätze, ob das nun Victorias Palast oder die Reise quer durch Schottland bis auf die hoch im Norden gelegenen Orkney Islands.

Ein historischer Kriminalroman vom Feinsten, kurzweilig und unterhaltsam, mit einer Prise Okkultismus, dramatischen Wendungen und jeder Menge viktorianischer Atmosphäre. Allerdings sollte man die Bücher nach Möglichkeit in Reihe lesen bzw. gelesen haben, da ansonsten die eine oder andere wichtige Information aus Bd. 2 fehlt.

Veröffentlicht am 23.01.2022

Missglückter Rückblick

Unser kostbares Leben
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Um es gleich vorweg zu nehmen, für mich war dieses Buch ein einziges Ärgernis. Zehnjährige, die sich für das Konstruktive Misstrauensvotum gegen Willy Brandt interessieren, Kröten Anfang der Siebziger ...

Um es gleich vorweg zu nehmen, für mich war dieses Buch ein einziges Ärgernis. Zehnjährige, die sich für das Konstruktive Misstrauensvotum gegen Willy Brandt interessieren, Kröten Anfang der Siebziger über die Straße tragen…da war wohl der Wunsch der Autorin Mutter des Gedanken. Oder, und das scheint wesentlich wahrscheinlicher, mussten bestimmte Verhaltensweisen den Kindern zugeschrieben bzw. so hingebogen werden, dass es erkenntnisleitend dem Narrativ entsprach, das die Autorin dem Roman zugrunde gelegt und auf dem sie ihn aufgebaut hat.

Katharina Fuchs stützt sich in „Unser kostbares Leben“ auf ihre persönlichen Erlebnisse und möchte davon ausgehend die allmähliche Sensibilisierung Jugendlicher für umweltpolitische Themen beschreiben.

Der Handlungszeitraum erstreckt sich über die siebziger und achtziger Jahre, Handlungsort ist eine hessische Kleinstadt, in der im wahrsten Sinn des Wortes viele schmutzige Geheimnisse unter der Oberfläche lauern. Stellvertretend für die junge Generation lässt sie uns am Leben von Caro, Alter Ego der Autorin, Tochter aus dem gutem Haus eines Schokoladenfabrikanten, Minka, ihre Freundin und Bürgermeisterstöchterlein, sowie Claire, ein vietnamesisches Waisenmädchen, teilnehmen. In den über 600 Seiten kommen jede Menge Themen auf den Tisch: Vergiftete Flüsse, skrupellose Medikamententests an Schutzbefohlenen, das Leid von Versuchstieren, die Klüngeleien der Honoratioren, die in Gutsherrenmanier die Fäden im Städtchen ziehen.

Viel Stoff, aus dem man einen lesenswerten Roman über diese Zeit hätte stricken können. Die Betonung liegt auf hätte, denn leider ist es der Autorin weder gelungen, die Atmosphäre dieser bleiernen Jahre einzufangen (die Nennung einiger Markennamen und allseits bekannter Ereignisse genügt leider nicht), noch konnte sie, bedingt durch ihren distanzierten Umgang mit dem übergroßen Personentableau, ein Interesse an der Entwicklung der Protagonistinnen schaffen. Dazu kommen die vielen unnützen und überflüssigen Informationen (wollt ihr wissen, wie der Prozess des Conchierens abläuft?), die zwar den Umfang aufgebläht, dafür aber immer wieder das Tempo gedrosselt haben und absolut Null zum Fortgang der Geschichte beigetragen haben. Des Weiteren habe ich so meine Probleme mit der Sichtweise der Autorin, die es offenbar nur der gebildeten oberen Mittelschicht zutraut, gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen, denn die Perspektiven der „normalen“ Menschen fehlen fast vollständig. Den Vogel schießt allerdings die Betroffenheitsprosa im letzten Abschnitt des Buches ab, in dem der Bogen zur Gegenwart geschlagen wird. Ein weiteres überflüssiges Detail dieses Romans, der meine Erwartungen in keinster Weise erfüllen konnte.

Veröffentlicht am 20.01.2022

Brillant!

Sarah Jane
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Sarah Jane erzählt ihre Geschichte: Aufgewachsen im amerikanischen Süden, die Eltern sind arm, ihre Beziehung problematisch. Die Kindheit schwierig, sie kommt mit dem Gesetz in Konflikt, hat die Wahl zwischen ...

Sarah Jane erzählt ihre Geschichte: Aufgewachsen im amerikanischen Süden, die Eltern sind arm, ihre Beziehung problematisch. Die Kindheit schwierig, sie kommt mit dem Gesetz in Konflikt, hat die Wahl zwischen Gefängnis oder Armee. Also ab in den Irak. Zurück in den Staaten heiratet sie den falschen Mann, ist wieder für sich, schlägt sich so durch, arbeitet mal hier, mal da, bis sie schließlich irgendwo im Nirgendwo in einer Kleinstadt landet und sich Cal, der dortige Sheriff, ihrer annimmt. Er bringt ihr bei, was sie in diesem Job wissen und können muss, bildet sie aus. Doch dann verschwindet er, lautlos und ohne Ankündigung. Sarah, inzwischen widerwillig auf dem Posten als seine Stellvertreterin, muss herausfinden, was mit ihm passiert ist. Sie lüftet seine Geheimnisse, aber ihre eigenen hält sie unter dem Deckel. Gibt es das einschneidende Ereignis aus ihrer Vergangenheit, mit dem sie unerwartet konfrontiert wird?

Es sind immer die Menschen, die bei James Sallis im Mittelpunkt seiner Romane stehen. Er verzichtet auf ausufernde Beschreibungen mit einer Vielzahl von Adjektiven, aber dennoch reicht ihm ein kurzer Satz, damit man eine Situation zur Gänze erfasst und ein Gefühl für den Menschen, die Situation oder die Umgebung bekommt. Bei ihm sitzt jedes Wort genau da, wo es hingehört. Kurz, knapp, präzise, kein Drumherumgerede, oft nur Andeutungen. Es ist wie es ist. Punkt. Und genau das verleiht dem Roman seine Intensität. Sallis reduziert, komprimiert, baut Momentaufnahmen, geht in der Zeit vor und zurück, Menschen tauchen auf, bleiben kurz, verschwinden wieder, kommen zurück. Bruchstücke, die aber den Lesefluss nicht hemmen, sondern sich nach und nach zu einem stimmigen Ganzen zusammenfügen. Brillant!

Veröffentlicht am 18.01.2022

There's a crack in everything...

Milch Blut Hitze
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„Milch Blut Hitze“ ist eine Sammlung von elf Kurzgeschichten der amerikanischen Autorin Dantiel W. Moniz, die sich auf das Innenleben und die zwischenmenschlichen Beziehungen von schwarzen Mädchen und ...

„Milch Blut Hitze“ ist eine Sammlung von elf Kurzgeschichten der amerikanischen Autorin Dantiel W. Moniz, die sich auf das Innenleben und die zwischenmenschlichen Beziehungen von schwarzen Mädchen und jungen Frau konzentrieren. Und obwohl alle Geschichten im Sunshine State Florida verortet sind, haftet ihnen etwas Düsteres an. Sei es das Mädchen, das wissen möchte, wie sich Fliegen anfühlt und sich vom Dach in den Tod stürzt, oder die Frau, die, noch immer von der Fehlgeburt traumatisiert, die Gliedmaßen ihres verlorenen Kindes in Alltagsgegenständen sieht, aber auch die Kellnerin, die den Teilnehmern des Supper-Clubs eine exklusive Spezialität serviert. Es sind die verschiedensten Charaktere, die sich alle mit herausfordernden Situationen konfrontiert sehen, die sowohl Licht als auch Schatten in sich tragen und deren Gemeinsamkeit in der Frage nach dem individuellen Platz in der Welt besteht. Vermutungen können wir anstellen, aber einfache Antworten darauf gibt es nicht.

Die Geschichten gehen dem/der Leser*in nahe, sind durch die auf das Wesentliche reduzierte Form sehr intensiv und setzen sich mit den verschiedensten Aspekten auseinander: Mutter/Tochter-Beziehung, Freundschaft, Hautfarbe, Frauenfeindlichkeit, Geschwisterbeziehung, Kinderwunsch, Missbrauch, Eheprobleme, Ängste, Emotionen, Tod. Ein lesenswertes Debüt vielschichtiger Geschichten rund um das Thema Weiblichkeit, die zwar komplexe Fragen stellt, aber vorhersehbare Schlussfolgerungen vermeidet. Nachdrücklich empfohlen!