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Veröffentlicht am 06.12.2021

So muss es enden

Der Mongole - Tod eines Nomaden
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Yeruldelgger hat die Nase voll. Ganz gleich, wie sehr er sich abstrampelt, um denen das Handwerk zu legen, die sämtliche Gesetze aushebeln und sein Volk in den Würgegriff nehmen, es ist nie genug. Erschöpft ...

Yeruldelgger hat die Nase voll. Ganz gleich, wie sehr er sich abstrampelt, um denen das Handwerk zu legen, die sämtliche Gesetze aushebeln und sein Volk in den Würgegriff nehmen, es ist nie genug. Erschöpft von den immerwährenden Kämpfen nach Gerechtigkeit, die zu keinen Ergebnissen führen, quittiert er den Polizeidienst, verlässt die Stadt und zieht sich in die Wüste zurück. Mit der Unterstützung seines spirituellen Lehrmeisters besinnt er sich auf die uralten Traditionen, hofft so, zur Ruhe zu kommen, seinen inneren Frieden und wieder zu sich selbst zu finden.

Doch daraus wird nichts, denn sein Ruf eilt ihm voraus und niemand bleibt in der Wüste unbemerkt. Und so sieht er sich mit der Bitte einer unverhofft vor seiner Jurte auftauchenden Reiterin konfrontiert, sie bei der Suche nach ihrer verschwundenen Tochter zu unterstützen. Sie wird nicht die Einzige bleiben, die seine Hilfe benötigt. Verschwundene Frauen, Todesfälle, ausgeführt nach uralten Riten und ein Massengrab, all dies führt dazu, dass der ehemalige Polizist noch einmal in den Sattel steigt, um die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen.

Ian Manook nimmt uns mit in ein Land, das im Westen kaum einmal in den Nachrichten auftaucht. Ein Land, das für die meisten von uns ein weißer Fleck ist. Ein Land, das schon längst wegen seiner seltenen Bodenschätze zum Spielball der gierigen internationalen Großkonzerne geworden ist. Ein ökologisch ausgebeutetes Land, dessen stolze Bewohner auf der Jagd nach dem schnellen Geld ihre Identität verlieren.

So muss sie also enden, die Trilogie. Mit einem einsamen Tod inmitten der gnadenlosen Wüste, deren Vormarsch nicht zu stoppen ist. Mit dem langsamen, aber unaufhörlichen Verschwinden der nomadischen Kultur. Mit Profitstreben, das kühl kalkulierend die Traditionen eines Volkes auslöscht. Und auch wir tragen Schuld.

Veröffentlicht am 03.12.2021

Ein kulinarischer Ausflug nach Vietnam

Vietnameasy
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„Vietnameasy“ ist das zweite Kochbuch der Food- Autorin und -Stylistin Uyen Luu, in den achtziger Jahren mit ihrer Familie aus Vietnam nach England gekommen und im Londoner Nordosten aufgewachsen. Bekannt ...

„Vietnameasy“ ist das zweite Kochbuch der Food- Autorin und -Stylistin Uyen Luu, in den achtziger Jahren mit ihrer Familie aus Vietnam nach England gekommen und im Londoner Nordosten aufgewachsen. Bekannt wurde sie durch ihre Supper-Clubs im heimischen Wohnzimmer, bei denen Luu die Teilnehmer mit den Aromen der vietnamesischen Küche vertraut machte. Die von ihr veranstalteten Kochkurse stießen ebenfalls auf großes Interesse, so nahmen unter anderem auch Jamie Oliver und Gennaro Contaldo an ihnen teil.

Unter den Kochtraditionen Asiens nimmt die vietnamesische Küche eine Sonderstellung ein, ist sie doch geprägt von den unterschiedlichsten Einflüssen benachbarter Nationen, aber nicht zuletzt auch von Gebräuchen und Traditionen der französischen Kolonialmacht. So ist das überall erhältliche Banh Mi nichts weiter als ein mit frischen Zutaten belegtes Baguette.

Wie man bereits dem Titel entnehmen kann, ist es Uyen Luus Anliegen aufzuzeigen, wie schnell und einfach man die schmackhaften Gerichte Vietnams zubereiten kann. Und das schafft sie mit 80 Rezepten, in denen sich Tradition und Moderne vereinen. Eine Herangehensweise, die perfekt in unsere globalisierte Welt passt und es uns auch einfacher macht, Zutaten, die eventuell gerade nicht vorhanden sind, durch entsprechende Alternativen, die die Autorin in jeder Rezept-Einleitung nennt, zu ersetzen.

Luu stellt auf den ersten Seiten die vietnamesische Speisekammer mit ihren Grundzutaten vor und gibt hilfreiche Küchentipps. Bei der Einteilung der nachfolgenden Rezepte verabschiedet sie sich von der klassischen Menüfolge, und das ist auch gut so, denn wer stellt sich denn heutzutage noch stundenlang in die Küche, um ein mehrgängiges Menü zuzubereiten. Aber sie denkt auch an diejenigen, die auf diese Vorschläge nicht verzichten möchten, und so gibt es am Ende des Kochbuchs zwei Seiten mit entsprechenden Kombinationsmöglichkeiten.

Köstliches zu Reis, Bunte Gemüsebeilagen, Knackige Salate, Mit Freunden schlemmen, Himmlische Nudelsuppen, Schnelle Gerichte für jeden Tag, Süßes und Desserts und Grundlagen – so die Einteilung, bei der an alles gedacht ist.

Uyen Luu hält ihr Versprechen, die Zubereitung der vorgestellten Speisen ist in der Tat „easy“, weil die jeweilige Beschreibung sehr detailliert beschrieben und anschaulich bebildert ist. Und auch die Zutaten sind mittlerweile in jedem gut sortierten Supermarkt erhältlich, allerdings sollte man darauf achten, gute und frische Ware zu bekommen. Dann steht einem kulinarischen Vergnügen nichts im Wege.

Veröffentlicht am 29.11.2021

Auch Autoren brauchen hin und wieder Abwechslung

Das Talent
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Wie so viele Amerikaner hat John Grisham eine besondere Beziehung zum Sport. Football, Baseball und Basketball sind die drei Sportarten, denen in den Vereinigten Staaten das Interesse der Öffentlichkeit ...

Wie so viele Amerikaner hat John Grisham eine besondere Beziehung zum Sport. Football, Baseball und Basketball sind die drei Sportarten, denen in den Vereinigten Staaten das Interesse der Öffentlichkeit gilt, und er versucht sich als Heranwachsender in allen dreien, allerdings mit mäßigem Erfolg. Bis zum College spielt er aktiv Baseball, trainiert später seinen Sohn und lässt auf seinem Grundstück sechs Spielfelder errichten, die 26 Teams der Little League als Trainingsgelände dienen.

Für eine Profi-Karriere hat es Grisham glücklicherweise nicht gereicht, denn sonst würde er uns sicher nicht mit seinen regelmäßig erscheinenden Justizthrillern unterhalten. Aber auch ein Autor braucht in der Themenwahl manchmal Abwechslung, und so unternimmt er ab und an einen Ausflug in die Welt des Sports. Bisher gibt es aus seiner Feder den Baseball-Roman „Home Run“ sowie die beiden Football-Romane „Touchdown“ und „Der Coach“, alle drei sehr realitätsnah und empfehlenswert für Leser*innen, die sich für diese Sportarten interessieren.

Nun also „Das Talent“, ein Roman aus dem Basketball-Milieu, der den Werdegang des fiktiven südsudanesischen Basketball-Spielers Samuel „Sooley“ Sooleyman beschreibt, der seinen Traum von der Profi-Laufbahn in die Realität umzusetzen möchte. Und dafür gibt er alles, verlässt seine Familie und seine Heimat. Unterstützt wird er dabei von einem Talentscout, der ihn motiviert, unterstützt, an ihn glaubt, und ihn trotz mäßiger Leistung zu einem Show-Turnier mit in die USA nimmt, bei dem die Talentsucher der Colleges auf der Tribüne sitzen. Während seine Karriere Fahrt aufnimmt, erreichen ihn schlimme Nachrichten aus dem Sudan. Sein Heimatdorf wurde überfallen und niedergebrannt, seine Familie ist auf der Flucht Richtung Uganda. Jetzt kann nur noch ein Wunder helfen, und Sooley hat es in der Hand. Er muss einen ordentlichen Batzen Geld verdienen, damit er sie in die USA holen kann.

Um Freunde an diesem Roman zu haben, sollte man schon ein gewisses Maß an Kenntnis und Interesse für Basketball mitbringen, denn Grisham verwendet zum einen immer wieder Fachbegriffe, zum anderen kommentiert er die Spiele im knappen Stil eines Sportreporters. Ansonsten liefert er genau das, was wir auch von seinen Thrillern gewohnt sind: kurze Kapitel, gute Charakterisierungen, eine ordentliche Portion Drama und ein Ende, das zu Herzen geht. Dazu jede Menge Hintergrundinformationen zur politischen Lage im Sudan.

Ein Roman, der von der Liebe des Autors zu diesem Sport zeugt und das ideale Geschenk für alle ist, die eine Affinität für Basketball haben.

Veröffentlicht am 29.11.2021

Ein weiterer Flop einer gnadenlos überschätzten Autorin

606
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Ein Hochsicherheitsgefängnis in der Wüste von Nevada, ein gekaperter Besucherbus in Sichtweite, in dem sich die Angehörigen der Wärter befinden, die das alljährliche Softballspiel zwischen Gefangenen und ...

Ein Hochsicherheitsgefängnis in der Wüste von Nevada, ein gekaperter Besucherbus in Sichtweite, in dem sich die Angehörigen der Wärter befinden, die das alljährliche Softballspiel zwischen Gefangenen und Wärtern anschauen wollen. Die Forderung der Geiselnehmer: Freilassung aller Gefangenen. Vier Minuten Zeit für die Entscheidungsträger. Die Zellentüren öffnen sich, und 606 Schwerverbrecher, inklusive der Insassen des Todestrakts, strömen ins Freie…und die Jagd beginnt.

Könnte spannend werden, tut es aber nicht. Bereits nach relativ kurzer Zeit sind mehr als die Hälfte der Flüchtigen bereits wieder festgesetzt, und was dann folgt, ist ein lustlos runtergeschriebenes Zuständigkeitsgeplänkel zwischen Trinity Parker, US-Marshall vor Ort und Celine Osbourne, der Verantwortlichen für die Hinrichtungskandidaten, wobei letztere einen Narren an dem Häftling John Kradle gefressen hat, dessen Unschuldsbeteuerungen sie zu keinem Zeitpunkt geglaubt hat.

606 Flüchtige: Mörder, Serienkiller, Terroristen, Neonazis, alles vorhanden, was man erwartet. Allianzen, die geschlossen werden. 606 Schicksale, die es wert wären, einen Blick darauf zu werfen, aber es sind noch nicht einmal eine Handvoll, auf die sich die Autorin konzentriert, und das dann auch noch höchst oberflächlich. Das ist weder spannend noch interessant und zieht sich bei knapp 470 Seiten wie Kaugummi, zumal alle Beteiligten dermaßen flach charakterisiert sind, dass man als Leser mit niemandem mitfiebert, niemandem wünscht, seine Flucht möge gelingen.

Die Story ist langatmig, plätschert vor sich hin, voller Seitenfüller, die nichts zur Handlung beitragen, die Dialoge auf Kindergarten-Niveau - vielleicht hätte sich die Autorin vor dem Schreiben „Flucht in Ketten“ mit Sidney Poitier und Tony Curtis anschauen sollen, denn hier hätte sie in Sachen Dramaturgie mit Sicherheit etwas lernen können.

Für mich ein weiterer Flop einer gnadenlos überschätzten Autorin.

Veröffentlicht am 27.11.2021

Hereinspaziert, Sohn der Raserei und der Finsternis...

Stadt der Mörder
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„Stadt der Mörder“ ist ein außergewöhnlicher historischer Kriminalroman, der sich deutlich von dem unterscheidet, was man üblicherweise in diesem Genre geboten bekommt. Handlungsort ist Paris in den zwanziger ...

„Stadt der Mörder“ ist ein außergewöhnlicher historischer Kriminalroman, der sich deutlich von dem unterscheidet, was man üblicherweise in diesem Genre geboten bekommt. Handlungsort ist Paris in den zwanziger Jahren. Der Krieg ist längst zu Ende, die Menschen richten sich wieder in ihrer Normalität ein. Aber nicht alle können das Erlebte vergessen, zu tief sind die Wunden, die der Krieg geschlagen hat. Bilder von zerfetzten Kameraden auf den Schlachtfeldern, das Wissen, gerade noch einmal davongekommen zu sein, all das hat sich tief in die Seelen der Überlebenden eingebrannt. Aber das Leben geht weiter…

Lysanne, eine junge Frau vom Land, sucht nach ihrer Schwester, die vor vier Jahren spurlos verschwunden ist. Naiv und ohne einen Franc in der Tasche, überwältigt von all den Eindrücken, die die glamouröse Metropole an der Seine ihr vermittelt, scheint sie für die Opferrolle geradezu prädestiniert zu sein.

Julien Vioric, Lieutenant der Kriminalpolizei, hat die Schrecken des Krieges zwar überlebt, aber die Verluste in seinem persönlichen Umfeld machen ihm noch immer zu schaffen. Und auch sein aktueller Fall bringt ihn bis an die Grenze des Erträglichen. Am Place du Panthéon wird die brutal verstümmelte Leiche eines jungen Mannes gefunden, das erste Opfer in einer Reihe grausamer Morde, verübt von einem entfesselten und äußerst brutalen Täter.

Im Laufe seiner Ermittlungen verdichten sich für Vioric die Hinweise, dass der Täter aus den Reihen der Surrealisten kommen könnte, einer buntgemischten, anarchistischen Gruppe, in deren Reihen Schriftsteller, Maler und bildende Künstler zu finden sind. Sie lehnen die Werte der Bourgeoisie ab und propagieren eine neue Sicht auf die Welt, damit sich ein Ereignis wie der Erste Weltkrieg nicht wiederholt.

Und ab hier wird es richtig interessant. Zum einen kreuzen sich hier die Wege des Ermittlers und Lysanne, die sich mittlerweile in deren Umfeld bewegt, zum anderen beschreibt die Autorin diesen elitären Zirkel sehr detailliert und macht uns mit den real existierenden Vertretern (Breton, Aragon etc.) und deren Gedankengut bekannt. Und dann taucht auch noch in einem Antiquariat ein Werk auf, das der Handlung eine neue Wendung gibt und alle Konventionen sprengt: „Die Gesänge des Maldoror“.

Eine melancholische Grundstimmung, düstere Bilder, stimmige Atmosphäre, destaillierte Hintergrundinformationen, interessantes Personentableau, all das zu einer vielschichtigen Krimihandlung verwoben. Lebendig und gleichzeitig poetisch erzählt. „A diamond in the rough“ im Meer der historischen Krimis. Lesen!