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Veröffentlicht am 24.07.2019

Glaube und Verlust

WEST
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Es gibt nicht viele Autoren, die mit wenigen Worten einen komplexe Geschichte erzählen können. James Sallis hat diese Fähigkeit. Aber auch Carys Davies, die mit „WEST“ beweist, dass auch sie über diese ...

Es gibt nicht viele Autoren, die mit wenigen Worten einen komplexe Geschichte erzählen können. James Sallis hat diese Fähigkeit. Aber auch Carys Davies, die mit „WEST“ beweist, dass auch sie über diese Begabung verfügt. Gerade einmal 208 Seiten hat dieser schmale Roman, von der „Sunday Times“ und dem „Guardian“ mit dem „Best Book of the Year-Award“ ausgezeichnet.

1815. Nachdem er in der Zeitung von einer spektakulären Entdeckung in Kentucky gelesen hat, möchte der Maultierzüchter und Witwer John Cyrus Bellman diese riesigen Tiere mit eigenen Augen sehen. Die beschriebenen Knochen befeuern seine Fantasie und lassen ihn den Aufbruch ins Ungewisse wagen. Raus aus den Tretmühlen des Alltags, von Pennsylvania nach Kentucky. Er hat keine genaue Vorstellung von dem „Wie“, „Wohin“ oder „Wie lange“, weiß nur, dass er auf die Reise gehen muss, immer Richtung Westen. Auch wenn seine Tochter nicht mitkommen kann, sondern von seiner Schwester bis zu seiner Rückkehr in maximal zwei Jahren beaufsichtigt werden soll.

Allen Widrigkeiten zum Trotz bricht er auf, gelangt er voran, stellt aber bald fest, dass ihm die Fertigkeiten fehlen, auf lange Sicht in der Wildnis zu überleben. Der eingepackte Tand zum Eintauschen von Nahrung und Gefälligkeiten wird knapp, doch ein Pelzhändler überlässt ihm einen seiner Helfer, einen jungen Shawnee namens „Alte Frau aus der Ferne“. Dessen Stamm wurde im Zuge der Landnahme von den Siedlern vertrieben. Abgespeist mit Versprechungen und doch betrogen. Bellman und Alte Frau aus der Ferne, zwei wie Don Quijote und Sancho Panza, ziehen gemeinsam weiter, immer Richtung Westen, immer auf der Suche nach dem Unbekannten. Der eine mit einer Vision, der andere ihm zur Seite gestellt, ihm folgend.

Verlust und Glaube, das sind die beiden Themen, um die dieser Roman kreist. Der Glaube daran, dass der Vater zurückkehrt. Der Glaube daran, dass der Westen ein außergewöhnliches Erleben bereithalten wird. Davies verzichtet auf ausufernde Beschreibungen, fügt aber immer wieder solche Elemente ein, die wir mit klassischen Western verbinden.

Sie ändert gekonnt die Tonlage, wenn sie zwischen den Kapiteln des Reisenden und denen der daheimgebliebenen Tochter hin und her wechselt. Hält so das Interesse des Lesers am Schicksal sowohl des einen als auch der anderen wach, verliert aber auch nie die darunter liegende Geschichte des Verlusts aus dem Blick, nämlich die Vertreibung der Ureinwohner, hier vertreten durch Alte Frau aus der Ferne. Und er wird es auch sein, der den Kreis schließt.

Veröffentlicht am 23.07.2019

Schwedenhappen mit verhaltener Spannung

Opfer
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„Opfer“ ist das Debüt des Schweden Bo Svernström, promovierter Literaturwissenschaftler und als Journalist lange Zeit für das schwedische Boulevardblatt Aftonbladet tätig. Und offenbar hat er die Erfahrungen ...

„Opfer“ ist das Debüt des Schweden Bo Svernström, promovierter Literaturwissenschaftler und als Journalist lange Zeit für das schwedische Boulevardblatt Aftonbladet tätig. Und offenbar hat er die Erfahrungen seines journalistischen Berufsalltags in Gestalt von Alexandra Bengtsson in diesen Thriller einfließen lassen, die die Ermittlungen der Polizei in einer Mordserie aufmerksam beobachtet und begleitet – aus persönlichem Interesse, wie sich herausstellen wird.

Aber auf Anfang: ein Mann wird grausam gefoltert und an eine Scheunenwand genagelt. Er ist zwar noch nicht tot, als die Reichsmordkommission am Tatort eintrifft, kann aber keine Aussage machen, da ihm der Täter die Zunge herausgeschnitten hat. Kurze Zeit danach stirbt er. Hauptkommissar Carl Edson und sein Team nehmen die Ermittlungen auf. Es stellt sich heraus, dass Holst, das Opfer, ein bekannter Krimineller war, der einiges auf dem Kerbholz hatte. Als ein Richter, ein Anwalt und ein Justizbeamter Päckchen mit verstörendem Inhalt erhalten, stellt sich die Frage, ob die Empfänger willkürlich ausgewählt wurden oder ob es Verbindungen gibt. Die Zeit drängt, denn Holst wird nicht das einzige Opfer bleiben…

Svernström hat mit seinem Debüt den Schwedenthriller nicht neu erfunden, macht seine Sache aber auch nicht schlechter als viele seiner Autorenkollegen, und zwar nicht nur in Skandinavien. Reine Unterhaltung, geschickt konstruiert, der Autor lässt sich Zeit, bevor er die Karten auf den Tisch legt. Mit verhaltener Spannung, manchmal etwas blutig und deshalb vielleicht nicht für jeden Leser geeignet. Es sind die üblichen Zutaten: grausame Morde, der Kommissar als einsamer Wolf, die Journalistin traumatisiert, der Mörder psychopathisch. Irrungen und Wirrungen, Wahrheit und Lügen. Plot-Twists, die für Überraschung sorgen. Zwei Perspektiven im Wechsel, Ermittlungen, die durch Rückblenden in die Vergangenheit vorangetrieben werden.

Ein Thriller für zwischendurch. Kann man lesen, muss man aber nicht.

Veröffentlicht am 22.07.2019

Erwartungen leider nur teilweise erfüllt

Der Gesang der Flusskrebse
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Ich bin mit großen Erwartungen an das Buch herangegangen, und Delia Owens hatte mich bereits nach den ersten Seiten: Kya die in einem entlegenen Zipfel des Sumpflandes in North Carolina aufwächst, der ...

Ich bin mit großen Erwartungen an das Buch herangegangen, und Delia Owens hatte mich bereits nach den ersten Seiten: Kya die in einem entlegenen Zipfel des Sumpflandes in North Carolina aufwächst, der Vater ein Säufer und Schläger, die Mutter ohne ein Wort des Abschieds verschwunden, ebenso die vier Geschwister. Niemand da, der sich für die sechsjährige Kya verantwortlich fühlt. Denn der Vater gibt nur Stippvisiten, wenn er von mehrtägigen Sauftouren zurückkommt, um seinen Rausch auszuschlafen. Für die Menschen im nahen Fischerdorf ist sie „das Marschmädchen“, von dem man sich besser fernhält. Ungepflegt, dreckig, faul und dumm. Aber auch Kya meidet die Menschen, sie muss allein zurechtkommen, um zu überleben. Dort, wo die Flusskrebse singen, „…weit draußen, wo die Tiere noch wild sind und sich benehmen wie Tiere“.

Das verspricht Südstaaten Noir (Woodrells „Winters Knochen“ ist mir in den Sinn gekommen), aber leider löst Owens dieses Versprechen nicht ein.

Der Roman startet mit einem Prolog im Jahr 1969. Eine männliche Leiche wird im Sumpf gefunden. Wer ist für den Tod verantwortlich? Danach immer wieder Zeitsprünge zwischen gestern und heute, 1952 beginnend, in denen wir Kyas Entwicklung verfolgen können. Gut ausbalanciert, passt. Das Marschland bestimmt ihr Sein, es nährt sie und sichert ihr Überleben. Sie sammelt Muscheln, die sie Jumpin‘ verkauft, einem Ladenbesitzer im Dorf, und wegen seiner Hautfarbe ein ebensolcher Außenseiter wie sie. Sie sieht aber auch die Schönheit der Natur in allen Formen, sammelt Federn und Muscheln und hütet sie wie Schätze. Wobei sie von dem Wissen profitiert, das ihr ihr großer Bruder vermittelte, bevor er sie verließ. So vergehen, die Tage, die Jahre. Gleichförmig. Aber alles verändert sich, als ein Junge in ihre Sumpfwelt eindringt. Kya verändert sich, ihr Denken, ihr Fühlen. Sie möchte keine Außenseiterin mehr sein, möchte dazugehören.

Und genau hier setzt der Bruch in Owens‘ Roman ein. Kyas Coming-of-age Story wird durch den Mordfall mit Krimi-Elementen aufgepeppt, was eher schadet als nützt. Hat die Autorin bis hierher mit außergewöhnlich detaillierten Beschreibungen von Innen- und Außenwelt brilliert (sie ist von Haus aus Zoologin mit zahlreichen Veröffentlichungen zur bedrohten Tierwelt Afrikas), kippt die Story jetzt ins Vorhersehbare, Verkitschte und macht den guten Eindruck, den ich bisher hatte, zunichte. Wird zum Aschenputtel-Märchen und lässt mich zudem mit einigen Ungereimtheiten zurück.

Nichtsdestotrotz, in den Vereinigten Staaten hat das Buch die Bestsellerlisten gestürmt. Nicht zuletzt deshalb, weil es zum Buch des Monats in Reese Witherspoons Buch Club gewählt wurde. Und eine Verfilmung wird es auch geben, die Rechte hat sich ebenfalls Reese Witherspoon für ihre Produktionsfirma Hello Sunshine gesichert.

Veröffentlicht am 19.07.2019

Stoppt die Lebensmittelverschwendung!

Zero Waste Küche
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Nachhaltigkeit, der bewusste Umgang mit Ressourcen, der ökologische Fußabdruck, Vermeidung von Plastik, Verschwendung von Lebensmitteln, vegane Ernährung – Themen, die aktuell in aller Munde sind und mit ...

Nachhaltigkeit, der bewusste Umgang mit Ressourcen, der ökologische Fußabdruck, Vermeidung von Plastik, Verschwendung von Lebensmitteln, vegane Ernährung – Themen, die aktuell in aller Munde sind und mit denen wir uns auseinandersetzen sollten. Sophia Hoffmann hat sich diese Themen auf die Fahne geschrieben und gibt in „Zero Waste Küche“ nicht nur viele Denkanstöße sondern vermittelt auch umfassendes Grundlagenwissen speziell im Bereich Lebensmittel.

Gegliedert ist das Buch in drei Teile:
Grundlagen der Zero Waste Küche / Hinführung zu Thema (20 Seiten)
Ihr Werdegang und was sie umtreibt, ein umfassender Saisonkalender, Einkaufstipps, Hinweise zum Umgang mit Lebensmitteln, Aufbewahrungsmöglichkeiten, Müllvermeidung sowie Grundlagenvermittlung von Methoden zum Haltbarmachen.

Lebensmittel (110 Seiten)
Alphabetische Auflistung von Äpfel bis Zwiebeln, Tipps zu Einkauf, Lagerung und Verwertung mit Verweisen auf Rezepte in Teil 3 sowie Hinweisen auf problematische Aspekte dieser Lebensmittel, die eventueller Verschwendung Vorschub leisten könnten.

Zero Waste Rezepte (90 Seiten)
Die Zutaten konzentrieren sich auf heimische Produkte (Exoten sucht man vergebens, sehr positiv!) und sind allesamt vegan. Pro Rezept gibt es eine Doppelseite mit Auflistung der Zutaten, Zeitfaktor und ausführlicher Beschreibung der Zubereitung. Ein Foto, das auf überkandideltes Food-Styling verzichtet, rundet das Rezept ab. Die Gerichte sind ohne besondere Fertigkeiten seitens der „Köche“ herzustellen, manche gehen schnell, bei anderen braucht man etwas Zeit. Vorspeisen, Hauptgerichte und Süßes, aber auch Mitnehmmahlzeiten, für alles ist gesorgt. Das ist abwechslungsreiche Alltagsküche im besten Sinn, die auch den gelegentlichen Fleischesser zufriedenstellt.

„Zero Waste Küche“ ist in erster Linie für all diejenigen gedacht, die sich noch nicht eingehender mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Hier erfüllt es seinen Zweck. All denen, die schon lange kochen, immer bewusst mit Nahrungsmitteln umgegangen sind, Reste verarbeitet und/oder Vorräte angelegt haben, bietet es leider kaum Neues.

Veröffentlicht am 18.07.2019

Gnadenlos eindringlich

Wonder Valley
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Vor vielen Jahren habe ich Robert Altmans mehrfach preisgekrönten Film „Short Cuts“ gesehen, und bin seither ein Fan von Episodenerzählungen, sowohl filmisch als auch literarisch. Aber nur sehr selten ...

Vor vielen Jahren habe ich Robert Altmans mehrfach preisgekrönten Film „Short Cuts“ gesehen, und bin seither ein Fan von Episodenerzählungen, sowohl filmisch als auch literarisch. Aber nur sehr selten findet man einen Episodenroman, der so gut durchkomponiert ist wie „Wonder Valley“, in dem nach und nach jedes Steinchen an seinen Platz fällt und dem Leser schlussendlich ein Mosaik von unglaublicher Tiefe bietet.

Stadt der Engel, 2010. Ein Mann joggt in der morgendlichen Rushhour die Freeways entlang. Nackt, im Schlepptau Polizeiautos und einen Hubschrauber. Ein Anwalt auf dem Weg zur Arbeit steigt aus seinem Auto und läuft ihm hinterher. Ein anderer ist auf dem Weg Richtung Pazifik, seine Mutter auf der Rückbank, und schwitzt in dem geklauten Fahrzeug Blut und Wasser.

Alle unterwegs, alle auf der Flucht, alle auf der Suche. Pochoda switcht zwischen 2010 und 2006 hin und her, arbeitet mit dem Blick zurück, um die Handlungen ihrer Protagonisten in der Gegenwart zu erklären. Sie richtet ihren Fokus auf die Einzelschicksale, zeichnet so aber auch ein schonungsloses Bild der amerikanischen Gesellschaft. Es ist der Blick fürs Detail, der diesen Roman auszeichnet, ganz gleich, ob es um die Personen, ihre Geschichte oder ihre Lebensumstände geht. In der Vergangenheit und der Gegenwart. Das ist behutsam, aber dennoch eindringlich, oft gnadenlos, aber immer präzise. Der verlassene Trailerpark und die Aussteigerfarm in der Mojave Wüste, das Elendsviertel Skid Row und der Glamour in den Vororten von Los Angeles. Ren, Tony, Britt, Blake, und Sam, James. Fünf verschiedene Schicksale, die sich berühren, auseinanderdriften, wieder zusammenkommen, untrennbar miteinander verbunden sind. Alle auf der Flucht. Alle voller Sehnsucht. Alle auf der Suche nach dem einen Ort, an dem sie sein sollten, weil sie dort nicht hingehören, wo sie gerade sind.

„Wonder Valley“ ist außergewöhnlich, ein „diamond in the rough“ der zahllosen Neuerscheinungen, die den Buchmarkt überschwemmen. Unbedingt lesen!