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Veröffentlicht am 17.11.2019

Fast Food aus der Schreibwerkstatt

Missing Boy
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Ein Kind verschwindet aus einem verschlossenen Raum. Spurlos. Ein Albtraum. Treibt ein Pädophiler im nordaustralischen Crimson Lake sein Unwesen? Schnell ist eine Suchmannschaft organisiert, die die örtliche ...

Ein Kind verschwindet aus einem verschlossenen Raum. Spurlos. Ein Albtraum. Treibt ein Pädophiler im nordaustralischen Crimson Lake sein Unwesen? Schnell ist eine Suchmannschaft organisiert, die die örtliche Polizei unterstützt. Parallel dazu beauftragt die Mutter das Ermittlerduo Ted Conkaffey und Amanda Pharrell, sehr zum Verdruss des leitenden Ermittlers. Zum einen kämpft Ted noch immer um seinen Ruf, zum anderen unterstellt man Amanda für den Tod einer Polizistin verantwortlich zu sein. Doch gegen alle Widerstände nehmen die beiden die Suche auf, um Licht ins Dunkel des mysteriösen Falls zu bringen. Und schnell müssen sie feststellen, dass nicht jeder das ist, was er scheint.

Bereits Redemption Point, zweiter Band der Crimson Lake-Reihe, konnte mich nicht überzeugen. Zwar wird die Autorin landauf landab als „neue Stimme“ der australischen Krimiszene gehandelt, aber mir erschließt sich leider nicht, worauf dieser Ruf gründet. Nur weil ein Duo mit problematischer Vergangenheit beschließt, als Privatdetektive mit unkonventionellen Methoden zu arbeiten, ist das jetzt nicht besagter frischer Wind. Das literarische Vorbild für Amanda ist gar zu offensichtlich, Tattos, Motorrad etc., wer denkt da nicht sofort an Lisbeth Salander, wobei letztere Figur wesentlich komplexer angelegt ist. Und Ex-Cops, die mit einem ihnen unterstellten Verbrechen in Schimpf und Schande leben müssen, denen man die Rehabilitation verweigert, gibt es in der Kriminalliteratur zuhauf.

Die Story mittelmäßig mit unspektakulärer Auflösung, die Protagonisten siehe oben, die Landschaftsbeschreibungen ganz nett, die Schreibe simpel – nichts, was man nicht schon oft gelesen hätte. Fast Food aus der Schreibwerkstatt von James Patterson. Schnell gelesen und nichts, was beeindruckt und im Gedächtnis bliebe. Für mich war’s das jetzt endgültig mit Candice Fox.

Veröffentlicht am 16.11.2019

Scharfsinnig wie eh und je

Ein Haus voller Lügen
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Es hat sich viel verändert, seit John Rebus‘ ersten Tagen bei Police Scotland in den Achtzigern. Deals mit Informanten aus der Unterwelt passé, Mauscheleien mit der Presse oder anderen Dienststellen werden ...

Es hat sich viel verändert, seit John Rebus‘ ersten Tagen bei Police Scotland in den Achtzigern. Deals mit Informanten aus der Unterwelt passé, Mauscheleien mit der Presse oder anderen Dienststellen werden von der Antikorruptionseinheit verfolgt.

Jetzt ist er seit einigen Jahren im Ruhestand, hat gesundheitliche Probleme, kämpft mit einem Lungenemphysem. Zu viel Whisky und zu viele Zigaretten im Lauf der Jahre. Keine Kippen mehr, Schluss mit dem Famous Grouse in der Oxford-Bar, dafür lange Spaziergänge mit seinem Hund in den Meadows.

Seine Fähigkeiten sind nicht mehr gefragt. Nachwuchspolizisten verwehren ihm den Zutritt zur Polizeistation und er wird nur noch in Ausnahmefällen von seinem ehemaligen Zögling Siobhan Clarke um Mithilfe gebeten, meist unter der Hand und ohne Kenntnis ihrer Vorgesetzten. Aber der alte Mann hat’s noch immer drauf, was spätestens dann klar ist, als eine Leiche in einem Autowrack auftaucht, die Knöchel mit Polizeihandschellen gefesselt. Ein verschwundener Privatdetektiv, verbandelt mit dem Sohn eines Polizisten. Zehn Jahre sind seither vergangen gibt es keine Ergebnisse. Der Fall, in dem damals auch Rebus ermittelte, wird neu aufgerollt. Sehr zum Missfallen der damals Beteiligten. Und es stellt sich die Frage, ob nicht auch Rebus etwas zu verbergen hat.

Es ist ein Wiedersehen mit alten Bekannten, die über die Jahre zu festen Bestandteilen dieser Reihe geworden sind. Ganz klar Siobhan Clarke, Malcom Fox, der Interne, der immer ein bisschen außen vor bleibt, und natürlich Big Ger Cafferty, der Drahtzieher in der Unterwelt, Rebus‘ Nemesis und dunkler Zwilling. Und natürlich Edinburgh, die schottische Schöne mit ihren dunklen Ecken.

„Ein Haus voller Lügen“ ist ein lupenreiner Polizeikrimi ohne Längen und von Beginn an fesselnd. Die Story ist vielschichtig, die Charaktere komplex, die Dynamik der Beziehungen facettenreich, die Dialoge brillant. Bleibt zu hoffen, dass uns Rebus noch möglichst lange erhalten bleibt.

Veröffentlicht am 13.11.2019

Besser geht es nicht!

Herbst
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Ein Quartett der Jahreszeiten soll es werden. Und mit „Herbst“ macht Ali Smith den Anfang („Winter“ und „Spring“ liegen bereits im Original vor). Der Roman ist eine aktuelle Zustandsbeschreibung nach dem ...

Ein Quartett der Jahreszeiten soll es werden. Und mit „Herbst“ macht Ali Smith den Anfang („Winter“ und „Spring“ liegen bereits im Original vor). Der Roman ist eine aktuelle Zustandsbeschreibung nach dem Brexit-Votum. Aber nicht nur. Es ist auch eine Geschichte über die Vergänglichkeit.

Im Pflegeheim begleitet Elisabeth ihren ehemaligen Nachbarn Daniel, mittlerweile 101 Jahre alt, in seinen letzten Tagen. Vertrauter, Vaterersatz und Mentor, ein wichtiger Mensch für die junge Aushilfsdozentin, der ihr die Magie der Bücher offenbarte und sie zu eigenständigem Denken anleitete. Doch nun ist seine Lebenszeit abgelaufen, er liegt im Sterben. Die Sonne schickt ihre letzten Strahlen, Vergangenes mäandert durch seine Gedanken.

Rückblenden in die Kriegszeit (Daniel ist Jude), aber auch die Faszination Elisabeths für die feministischen Pop-Art Künstlerin Pauline Boty (und ihren Bezug zu Christine Keeler) schaffen eine Einheit, verbinden Daniels und Elisabeths driftende Gedanken.

Elisabeths Erinnerungen an ihre Kindheit werden unterbrochen von Reflexionen über die Veränderungen in ihrem Heimatland nach dem Referendum. Die Spaltung der Gesellschaft, das Oben und Unten, Arm und Reich, der Hass, der offen zur Schau gestellte Rassismus. Und das ist es auch, was uns Ali Smith zu sagen hat, hier liegt ihr Schwerpunkt.

Sie schreibt direkt, aber auch anrührend und poetisch, spielt mit Worten, schildert aber auch Situationen wie z.B. die Pass-Beantragung im Postamt mittels Check & Send, die in ihrer Absurdität an einen Sketch von Monty Python erinnern.

Ali Smith ist eine der großen britischen Gegenwartsautorinnen und schafft es in „Herbst“ auf brillante Weise, die gesellschaftspolitischen Veränderungen nach dem Referendum literarisch zu verarbeiten. Und wenn Sie bei der Fülle von Neuerscheinungen, die Großbritannien nach den Post Brexit beschreiben, nur einen Roman zu diesem Thema lesen wollen, greifen Sie zu „Herbst“. Besser geht es nicht!

Veröffentlicht am 12.11.2019

Zähes Durcheinander

Opfer 2117
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Joan, ein mäßig erfolgreicher Journalist in Barcelona. Alexander, ein junger Gamer aus Dänemark auf der Jagd nach dem Highscore. Ghaalib, ein irakischer Scherge Saddams. Assad, der Mann mit Vergangenheit, ...

Joan, ein mäßig erfolgreicher Journalist in Barcelona. Alexander, ein junger Gamer aus Dänemark auf der Jagd nach dem Highscore. Ghaalib, ein irakischer Scherge Saddams. Assad, der Mann mit Vergangenheit, und natürlich seine Kollegen vom Sonderdezernat Q. Sie alle verbindet das „Opfer 2117“ auf der „Tafel der Schande“ in Barcelona. Angespült an einem zypriotischen Strand. Nicht auf der Flucht übers Meer ertrunken. Aber nicht, wie so viele, bei der Flucht übers Meer ertrunken, sondern ermordet. Wer hatte ein Interesse am Tod einer alten Frau? Und warum musste sie sterben?

Hört sich spannend an? Hätte es werden können, ist es aber leider nur in Grundzügen, da sich die Geschichte in zahlreichen Nebenhandlungen an unzähligen Handlungsorten mit dem unterschiedlichsten Personal verheddert, womit ich üblicherweise kein Problem habe. Vom Nahen Osten über Spanien, Zypern, Deutschland bis nach Dänemark. Ein chaotisches Wirrwarr, dessen Plot der rote Faden fehlt. Zig Erzählstränge aus unterschiedlichen Perspektiven, die am Ende zwecks Auflösung eher zusammengeschustert als elegant verknüpft werden.

Wenn „Opfer 2117“ ein Thriller sein sollte, verstehe ich nicht, welche Kriterien Jussi Adler-Olsen an dieses Genre anlegt, denn von Spannung ist hier weit und breit nichts zu sehen/lesen. So aktuell das Thema ist, so hölzern und uninspiriert wird es in diesem achten Fall des Sonderdezernats Q abgehandelt. Ein einziges zähes Durcheinander, das die Geduld des Lesers auf eine harte Probe stellt.

Und dennoch gibt es auch etwas Positives in diesem Thriller, das mir einen zusätzlichen Stern in der Beurteilung wert ist. Mein Dank gilt dem Autor, weil er die „Tafel der Schande“ erwähnt, von der wahrscheinlich die wenigsten wissen, dass sie seit 2016 tatsächlich am Strand von Barcelona existiert. Angesichts der Tatsache, dass in dem Zeitraum von 2014 – 09/2019 im Mittelmeer 18.912 Flüchtlinge ertrunken sind (Quelle: Statista Research Department), ist es immens wichtig, sich diese Zahl immer wieder vor Augen zu halten.

Veröffentlicht am 11.11.2019

Wunderbar unspektakulär

Von Oma mit Liebe
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„Kuchentratsch“ ist ein nachahmenswertes Senioren-Projekt, ins Leben gerufen von Katharina Mayer. Hier können Omas und Opas ihre im Lauf des Lebens gesammelten Backkenntnisse einbringen, Gleichgesinnte ...

„Kuchentratsch“ ist ein nachahmenswertes Senioren-Projekt, ins Leben gerufen von Katharina Mayer. Hier können Omas und Opas ihre im Lauf des Lebens gesammelten Backkenntnisse einbringen, Gleichgesinnte treffen und sich mit ihnen austauschen. Nach einem Leben voller Arbeit nicht zur Untätigkeit verdammt und isoliert, sondern eine Aufgabe haben, produktiv sein, etwas schaffen und Anerkennung erhalten. Und aus diesem Projekt ist „Von Oma mit Liebe“ entstanden, ein Backbuch, das weniger Wert auf schnelllebige Kuchenkreationen legt, sondern sich dem Erhalt und der Weitergabe traditioneller, langjährig erprobter Rezepte verschreibt, die die Jahre überdauert haben und auch zukünftig noch gerne gegessen werden.

In vier Rubriken – Kleine Leckerbissen, Lieblingskuchen für jeden Tag, Torten für jeden Anlass, Trendig und aus aller Welt - bietet es einen Querschnitt durch Altbekanntes, wie natürlich den Marmorkuchen oder die Linzer Torte, aber auch raffinierte Kleinigkeiten wie schokolierte Baumkuchenspitzen oder Cantuccini. Ergänzt werden die ausführlich beschriebenen Rezepte durch Tipps und Tricks der erfahrenen Kuchenbäcker/innen sowie ansprechende und appetitanregende Fotos der „Endprodukte“.

Alles in allem ein wunderbar unspektakuläres Backbuch ohne Chi-Chi, das nicht jedem Trend hinterher läuft, sondern sich auf bewährte Rezepte konzentriert und genau deshalb für jede/n Hobbybäcker/in geeignet ist, die/der nicht nur seine Enkel mit Selbstgebackenem verwöhnen möchte.