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Veröffentlicht am 29.01.2024

Nix mit Sweet Home Alabama

Seven Days
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Steve Cavanaghs „Seven Days“ schließt nahtlos an „Fifty-Fifty“ (Band 5 der Reihe) an, und Eddie hat Verstärkung bekommen. Neben seinem alten Freund Harry unterstützen ihn nun Kate auf der Anwaltsseite ...

Steve Cavanaghs „Seven Days“ schließt nahtlos an „Fifty-Fifty“ (Band 5 der Reihe) an, und Eddie hat Verstärkung bekommen. Neben seinem alten Freund Harry unterstützen ihn nun Kate auf der Anwaltsseite und die für heiklen Ermittlungen zuständige Bloch (alle aus den Vorgängern bekannt). Diesmal benötigt Andy Dubois in Buckstown, Alabama, seine Hilfe. Ihn hat der dort ansässige Bezirksstaatsanwalt Randal Korn ins Visier genommen und setzt alles daran, einen Schuldspruch für den jungen Afroamerikaner zu erreichen und sich daran zu ergötzen, wie er auf dem elektrischen Stuhl sein Leben aushaucht. Korn ist kein leichter Gegner, bekannt und berüchtigt dafür, in seinen Prozessen die mit Abstand höchste Quote an Verurteilungen samt nachfolgender Todesstrafe zu erreichen, auch wenn die Beweise eher dünn gesät sind.

Genau der richtige Gegner für Eddie Flynn, auch wenn Alabama aus vielerlei Gründen weit außerhalb seiner Komfortzone und der Einsatz in diesem Fall das Leben eines Unschuldigen ist. Sieben Tage, um zu verhindern, dass das Leben des jungen Afroamerikaners in einem noch immer von Rassengegensätzen geprägten Staat auf Yellow Mama endet.

Es ist zwar klagen auf hohem Niveau, aber ich hatte den Eindruck, dass Cavanagh in diesem sechsten Band der Reihe erstmals schwächelt und das Format leicht abgenutzt daherkommt. Aus den Vorgängern wissen wir, dass Eddie, ganz gleich, wie aussichtslos der Fall erscheint und wie hinterhältig der Gegner auch sein mag, als Sieger aus diesem Duell hervorgehen wird. Stellt sich nur die Frage, welche Mittel und Tricks er auf dem Weg dahin nutzt. Der Prozess ist auf sieben Tage angesetzt, und da sind wir wieder bei dem Handeln unter Zeitdruck, das ein wesentliches Merkmal aller bisherigen Bücher der Reihe ist. Es wäre jetzt wirklich einmal langsam an der Zeit, etwas Neues auszuprobieren. Verschiedene Erzählperspektiven sind gut für’s Tempo, aber hier scheinen mir das eindeutig zu viele. Praktisch jede/r bekommt eine eigene Stimme mit entsprechenden Kapiteln und Bezugspunkten. Die Zuordnung macht kein Problem, aber das Gesamtbild zerfleddert und wirkt nicht mehr wie aus einem Guss. Und last but not least, sind die Bösen immer hinterhältig, unsympathisch und/oder gestört. Auch hier gibt es möglicherweise durchaus Änderungspotenzial. Surprise me Mr Cavanagh!

Aber trotz dieser kleinen Mängel ist der Thriller wie erwartet spannend und sehr unterhaltsam. Keine Frage, natürlich werde ich die Reihe weiterlesen. Und da ich nicht auf die Übersetzung warten möchte, habe ich mir vorsichtshalber Band 7 im Original besorgt.

Veröffentlicht am 27.01.2024

Das unverbrauchte Setting generiert Spannung

Stille Falle
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Anders de la Motte, Ex-Polizist und mittlerweile erfolgreicher Krimiautor, startet mit „Stille Falle“ eine neue Krimireihe, in deren Zentrum Leonore Asker, kurz Leo genannt, steht. Leo, einst Kriminalinspektorin ...

Anders de la Motte, Ex-Polizist und mittlerweile erfolgreicher Krimiautor, startet mit „Stille Falle“ eine neue Krimireihe, in deren Zentrum Leonore Asker, kurz Leo genannt, steht. Leo, einst Kriminalinspektorin der Malmöer Abteilung für Schwerverbrechen, eine Überfliegerin, mittlerweile allerdings nach der Intrige eines Kollegen aussortiert. Ihr neuer Arbeitsplatz ist im Keller, auf der Ebene minus Eins, intern als die „Abteilung für hoffnungslose Fälle“ bekannt (Jussi Adler-Olsens Sonderdezernat Q lässt grüßen). Dorthin werden sowohl die Eigenwilligen und nicht ins Schema passenden als auch diejenigen, die unentschuldbare Fehler gemacht haben, strafversetzt.

Und gleich der erster Fall hat es in sich: Auslöser ist ein Foto, das Leo bereits an ihrem früheren Arbeitsplatz begegnet ist. Ein Foto, auf dem in einer Modelleisenbahn-Anlage zwei Figürchen stehen, die Abbilder von zwei vermissten Jugendlichen sind, beide Urban Explorer und auf ihrer Suche nach Lost Places. Und jetzt sind sie ohne Spuren zu hinterlassen von der Bildfläche verschwunden. Von wem stammt das Foto, und was ist mit den beiden geschehen? Genau das richtige Rätsel, das es für Leo und ihr Team zu lösen gilt.

Verlassene Orte sind ein unverbrauchtes Setting und generieren einen interessanten Hintergrund für eine Krimihandlung, versprechen Spannung. Und Anders de la Motte löst dieses Versprechen im Großen und Ganzen ein, auch wenn er meiner Meinung nach etwas zu sehr auf Leo und deren Jugendfreund Martin fokussiert ist und ihre Kollegen und Kolleginnen eher im Hintergrund mitlaufen lässt. Rückblenden und Perspektivwechsel sorgen für Tempo und bringen entsprechende Verdachtsmomente ins Spiel, so dass die zwischendurch vorhandenen Längen, wenn de la Motte en detail Routineaufgaben in der Ermittlung beschreibt, vernachlässigbar sind. Man darf auf Leo Askers kommende Fälle gespannt sein. Ich bin’s.

Veröffentlicht am 25.01.2024

Wenig Historie, dafür zähe Ermittlungsarbeit

Alte Schuld
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Dem äußeren Anschein nach hat sich in dem Hamburg von 1948 seit dem Ende des Krieges nicht viel verändert. Seit dem Hungerwinter sind zwar schon zwei Jahre vergangen, aber noch immer ist die Versorgung ...

Dem äußeren Anschein nach hat sich in dem Hamburg von 1948 seit dem Ende des Krieges nicht viel verändert. Seit dem Hungerwinter sind zwar schon zwei Jahre vergangen, aber noch immer ist die Versorgung mit Nahrung und Wohnraum für die Zivilbevölkerung nicht gesichert. Die Menschen hungern, die Stadt liegt in Trümmern, und wer das Glück hat, nicht obdachlos zu sein, kann dem Schicksal danken. Der Schwarzmarkt blüht noch immer, aber das könnte sich schnell ändern, denn die Währungsreform steht vor der Tür. Das bereitet zwar den Kriminellen Kopfzerbrechen, aber sie haben bereits Pläne geschmiedet, um sich ihren Teil vom Kuchen zu sichern.

Auch auf der Davidwache ist die Polizei in Bereitschaft, um dem Transport des Bargelds sicheres Geleit zu garantieren. Nur Ida und Heide, die beiden Polizistinnen der Davidwache, bleiben außen vor, denn noch immer sind die Vorurteile der männlichen Kollegen nicht ausgeräumt, was dazu führt, dass sie sich in erster Linie um Fälle zu kümmern haben, in die Frauen und Kinder involviert sind. Zumindest für Ida könnte sich nach dem Eingreifen ihrer Vorgesetzten etwas ändern, hat sie diese doch zu einem Fortbildungslehrgang geschickt. Ein schlechter Zeitpunkt, denn der aktuelle Fall der misshandelten Frau entwickelt sich in eine völlig unvorhergesehene Richtung, als deren Verlobter ermordet aufgefunden wird und ihre Tochter spurlos verschwindet. Entgegen jeder Vernunft bezüglich ihres beruflichen Fortkommens widersetzt sich Ida, vertraut auf ihre Intuition und führt auf eigene Faust ihre Ermittlungen fort.

Stellt man „Alte Schuld“ dem Vorgänger „Altes Leid“ gegenüber, so schneidet die Fortsetzung im Vergleich deutlich schlechter ab. Es ist verständlich, dass sich die Autorin nicht wiederholen und bereits Bekanntes wieder aufwärmen möchte, haben sich doch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in der Hansestadt im Laufe des vergangenen Jahres nur unwesentlich verändert. Aber ein historischer Kriminalroman lebt nunmal von atmosphärischen Beschreibungen, doch diese verkommen hier leider zur Nebensache. Stattdessen konzentriert sich die Story auf die kleinteilige Ermittlungsarbeit im aktuellen Fall der Protagonistin und nimmt, speziell über den Mittelteil hinaus, breiten Raum ein, was sich negativ sowohl auf das Tempo als auch auf die Spannung auswirkt. Unerwartete Wendungen sucht man hier leider vergeblich. Und auch der Schlussteil konnte nicht überraschen, da die Anzahl der Verdächtigen von Beginn an recht übersichtlich und die Hinweise auf den Täter überdeutlich waren.

Veröffentlicht am 23.01.2024

Was geschah auf der neunzehnten Insel?

FEUER - Mord auf den Färöern
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Im Vorgänger „Nacht. Die Toten von Jütland“ waren zwar interessante Ansätze vorhanden, letztlich überzeugen konnte diese aber nicht. Nun die Fortsetzung „Feuer. Mord auf den Färöern“, Mittelband der Trilogie, ...

Im Vorgänger „Nacht. Die Toten von Jütland“ waren zwar interessante Ansätze vorhanden, letztlich überzeugen konnte diese aber nicht. Nun die Fortsetzung „Feuer. Mord auf den Färöern“, Mittelband der Trilogie, und der hat es in sich.

Das Treffen von fünf Priestern in einer Kirche auf den Färöern endet in einem Blutbad, vier Tote, der Fünfte spurlos verschwunden. Mord oder kollektiver Selbstmord? Um die örtliche Polizei bei ihren Ermittlungen zu unterstützen, schickt die Task Force 14 Lucas Stage auf die Insel. In diesem Fall die Hauptfigur, aber noch immer kein Sympathieträger. Ihm zur Seite gestellt ist die Gerichtsmedizinerin Sidsel Jensen, dort geboren und aufgewachsen und mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut. Sie nimmt den Auftrag nur widerwillig an, hat sie doch als Dreizehnjährige mit ihrer Mutter die Färöern verlassen, alle familiären Kontakte abgebrochen und nie mehr zurückgeblickt.

Das Zusammenspiel der dänischen Ermittler funktioniert gut, wobei allerdings die privaten Interaktionen auf ein Minimum beschränkt bleiben. Ein wesentlicher Teil der Spannung speist sich allerdings aus den Backstories der beiden. Sie haben Geheimnisse, etwas zu verbergen, wobei der Autor immer wieder kleine Andeutungen einstreut, die Vermutungen bestätigen und nach und nach ein halbwegs rundes Bild ergeben.

Die Färöer sind ein unverbrauchtes Setting, was es dem Autor leicht macht, mit atmosphärischen Beschreibungen der Insel zu punkten. Die grandiose Landschaft, die Traditionen der Bewohner, das Abschlachten der Grindwale, die Enge der Täler, die sich bis tief in die Köpfe der Menschen fortsetzt. Und überall die Präsenz eines religiösen Fanatismus, der die Ermittlungen für Stage und Jensen nicht unbedingt erleichtert.

„Feuer“ (Originaltitel: Die neunzehnte Insel) ist eine mehr als gelungene Fortsetzung, die mit einem überraschenden, unvorhersehbaren Paukenschlag endet, weshalb ich den Abschlussband mit Spannung erwarte.

Veröffentlicht am 21.01.2024

Der große Coup der Mrs King

Mayfair House
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In der Verlagsvorschau wird Alex Hays „Mayfair House“ mit Hinweis auf „Ocean’s 8“ und „Downton Abbey“ beworben, wobei ich bei ersterem durchaus mitgehen kann. Bei den historischen Kostümserien wird das ...

In der Verlagsvorschau wird Alex Hays „Mayfair House“ mit Hinweis auf „Ocean’s 8“ und „Downton Abbey“ beworben, wobei ich bei ersterem durchaus mitgehen kann. Bei den historischen Kostümserien wird das aber schon schwieriger, denn dort wird das Verhältnis zwischen Oben und Unten geprägt von gegenseitiger Loyalität, was im Haushalt der wohlhabenden Familie de Vries nach dem Tod des Patriarchen offenbar nur in eine Richtung gegeben und gefordert ist. Die Erbin des Hauses in der Park Lane, Miss de Vries, ist nämlich eine lupenreine Vertreterin der Londoner Upper Class, die eiskalt und ohne mit der Wimper zu zucken kein Problem damit hat, langjährige Bedienstete vor die Tür zu setzen.

So wird auch Mrs King, die langjährige Haushälterin, unter einem fadenscheinigen Vorwand entlassen. Eine Entscheidung, die der Dame des Hauses noch gehörig auf die Füße fallen wird, denn Mrs King ist nicht gewillt, ihre Entlassung einfach so hinzunehmen, denn es gibt ganz besondere Gründe, warum sie es so lange in ihrem Dienstverhältnis ausgehalten hat. Und offenbar ist nun die Zeit gekommen, ihren verwegenen Plan mit der Hilfe einer Gruppe starker Frauen in die Realität umzusetzen…mehr möchte ich hier aber nicht verraten.

„Mayfair House“ ist die Geschichte einer Rache und deren Motive, die in einem ausgeklügelten Raubüberfall enden wird. Zwar nimmt den Großteil der Handlung die detaillierte Schilderung dieser Vorbereitungen ein, was zur Folge hat, dass die Beschreibung und Charakterisierung der Personen etwas in den Hintergrund tritt. Aber eigentlich stört das nicht weiter, da man mit wachsender Spannung im letzten Drittel verfolgt, ob sich der verwegene Plan der Frauen in die Realität umsetzen lässt.

Zum Schluss noch kurz zur historischen Einordnung: London, 1905. Queen Victoria ist tot, Edward VII. zum König gekrönt. Die Menschen sind den Mief der viktorianischen Ära leid, eine neue Leichtigkeit hält Einzug, das Streben nach Fortschritt und Reformen erwacht. Auch die Frauen erheben ihre Stimmen, haben Forderungen. Allen voran Emmeline Pankhurst mit der 1903 gegründeten WSPU, der Women’s Social and Political Union. Auch wenn es noch mehr als ein Jahrzehnt dauern wird, bis ihre Forderungen (Wahlrecht) erfüllt werden, zeigt sich doch, dass es schon damals Frauen wie Mrs King gab, die gewillt waren, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.