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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.07.2024

Pizza, Pasta, Pomodori

Mythos Nationalgericht. Die erfundenen Traditionen der italienischen Küche
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Liebt ihr italienisches Essen und dessen Zutaten? Und interessiert ihr euch für kulturwissenschaftliche Zusammenhänge? Dann seid ihr bei Alberto Grandi richtig, der seinen Blick auf die Geschichte der ...

Liebt ihr italienisches Essen und dessen Zutaten? Und interessiert ihr euch für kulturwissenschaftliche Zusammenhänge? Dann seid ihr bei Alberto Grandi richtig, der seinen Blick auf die Geschichte der italienischen Küchenklassiker richtet und damit im Land einen Shitstorm ausgelöst hat. Die Behauptungen, die er in den Raum stellt, sind sowohl gewagt als auch entlarvend, denn er räumt mit dem Mythos auf, das alles, was wir heute an Gerichten und Zutaten mit dem Schlagwort „Italienische Küche“ beschreiben, sich im Lauf der Jahrhunderte aus Traditionen entwickelt hat.

Grandi ist Historiker mit Lehrstuhl an der Universität Parma und forscht seit Jahren an der Wirtschaftsgeschichte Italiens mit Schwerpunkt auf Herkunft der traditionellen Speisen und ihrer Zutaten. Dabei ist er auf zahlreiche Behauptungen gestoßen, die sich nicht beweisen lassen und einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhalten. Schon der Untertitel zeigt, was der Autor von den „Traditionen der italienischen Küche“ hält. Alles erfunden, weil Ergebnis einer cleveren Marketing-Kampagne aus den Siebzigern/Achtzigern, die durch die Wiederbelebung von angeblichen Traditionen die Verunsicherung im Land kompensieren sollte, die dem Ende des italienischen Wirtschaftswunders geschuldet war.

Um diese Aussagen zu untermauern schaut sich Grandi die Produkte an, die mit „typisch italienisch“ assoziiert werden, und ohne die die Zubereitung der Gerichte seines Heimatlandes nicht möglich wäre. Mit Blick auf den historischen Kontext und die regionale Verortung kommt er zu dem Schluss, dass gerade bei dem, was wir als Klassiker wahrnehmen, z.B. Parmesan, Tomaten, Pasta, Olivenöl, Balsamico, die Herkunft (und manchmal leider auch Qualität) überwiegend fragwürdig ist.

Ein höchst unterhaltsamer Blick auf die Geschichte der italienischen Küche. Und wer sich nun weiter mit dem Thema beschäftigen möchte, findet im Anhang zwei Bibliografien mit Werken, denen Grandi seine Erkenntnisse verdankt: „Literatur, für diejenigen, die mir vertrauen“ und, wesentlich umfangreicher, mit „Literatur, für diejenigen, die mir misstrauen“.

Veröffentlicht am 10.07.2024

Langeweile auf dem Teller war gestern

Das Gemüsekisten-Kochbuch
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Als langjährige Bezieherin einer Bio-Gemüsekiste habe ich mich sehr über dieses Kochbuch gefreut. Ich koche täglich und schätze die Abwechslung auf dem Teller, weshalb ich immer auf der Suche nach neuen ...

Als langjährige Bezieherin einer Bio-Gemüsekiste habe ich mich sehr über dieses Kochbuch gefreut. Ich koche täglich und schätze die Abwechslung auf dem Teller, weshalb ich immer auf der Suche nach neuen Rezepten bin, die die saisonalen Angebote von Gemüse, Salat und Obst berücksichtigen. Zusätzlich gibt es im Umland zahlreiche Hofläden, die sich mit ihrem Angebot ergänzen und in denen man ergänzend direkt beim Erzeuger einkaufen kann. Selbst die allseits beliebten Tomaten kann ich direkt beim Erzeuger einkaufen, werden sie doch in unmittelbarer Nähe unseres Wohnorts in hoher Qualität, umweltverträglich und ganzjährig angebaut. Beste Voraussetzungen also, wenn man auch Wert auf die kurzen Wege der Zutaten legt.

Anbau vor Ort und somit kurze Wege, saisonales Kochen und Abwechslung auf dem Teller. Wem diese Punkte wichtig sind, der sollte unbedingt zu Stefanie Hiekmanns Gemüsekisten-Kochbuch greifen.

100 Rezepte mit über 300 Variationen verspricht der Untertitel, und die Autorin löst dieses Versprechen ein. Gegliedert nach den zwölf Monaten stellt sie auf Doppelseiten jeweils fünf Gemüse mit schnickschnackfreien Fotos und den entsprechenden Rezepten vor. Als besonderen Clou gibt es zusätzlich, und das ist insbesondere für die weniger erfahrenen Hobbyköchinnen und –köche interessant, Ersatztipps für die Hauptzutat, falls diese nicht verfügbar sein sollte oder man sie nicht mag. Ergänzend dazu versorgt uns die Autorin auf separaten Seiten mit vertiefenden Zusatzinformation zu den Gemüsesorten und zusätzlichen Rezepten zu Basics, sowie Tipps zur Konservierung, was insbesondere für Gartenbesitzer sehr interessant ist.

Die Rezepte sind über wiegend, wie von einem Gemüse-Kochbuch erwartet, vegetarisch, teilweise aber auch vegan bzw. mit geringem Aufwand dahingehend abzuwandeln, aber auch Fleisch- oder Fischliebhaber kommen auf ihre Kosten. Sämtliche Rezepte sind unkompliziert und mit überschaubarem Zeitaufwand zu realisieren, die Zutaten halten sich in Grenzen und sind in jedem Bioladen bzw. Supermarkt erhältlich.

Mit diesem Kochbuch, das während des gesamten Jahres im Einsatz sein kann, ist Abwechslung angesagt. Langeweile auf dem Teller war gestern, also nichts wie ran an den Herd!

Veröffentlicht am 08.07.2024

Eine Geschichte von Familie, Loyalität, Menschlichkeit und Moral

Feuerjagd
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„Feuerjagd“ schreibt die in „Der Sucher“ begonnene Geschichte von Cal und Trey fort: Ardnakelty in Irlands Westen. Cal Hooper, Ex-Cop aus Chicago, fühlt sich wohl in der ländlichen Umgebung und hat seinen ...

„Feuerjagd“ schreibt die in „Der Sucher“ begonnene Geschichte von Cal und Trey fort: Ardnakelty in Irlands Westen. Cal Hooper, Ex-Cop aus Chicago, fühlt sich wohl in der ländlichen Umgebung und hat seinen inneren Frieden gefunden. Die anfänglichen Vorurteile der Einheimischen scheinen weitgehend ausgeräumt, auch wenn er noch immer wahlweise als „Amerikaner“ oder der „Zugezogene“ bezeichnet wird. Und auch sein Privatleben läuft in ruhigen Bahnen. Die Beziehung mit Lena ist stabil und auch der Kontakt mit Trey, die so etwas wie eine Ersatztochter für ihn ist, hat sich intensiviert. Er hat sie unter seine Fittiche genommen, lehrt sie das Schreinerhandwerk und gibt ihr damit eine Perspektive, damit sie nach ihrem Schulabschluss auf eigenen Beinen stehen kann.

Dass die Idylle trügerisch ist, wird spätestens dann klar, als unverhofft deren Vater Johnny, der typisch smarte Glücksritter und Taugenichts, nach Jahren der Abwesenheit in Begleitung eines Engländers auftaucht und sich wieder in ihr Leben einmischt. Die beiden haben hochfliegende Pläne, hat doch die irische Großmutter des Engländers von einem Goldschatz erzählt, der angeblich im Flussbett darauf wartet, gehoben zu werden und alle reich zu machen. Doch dafür brauchen sie die Hilfe der Einheimischen. Die könnten das Gold gut gebrauchen, denn der außergewöhnlich heiße und trockene Sommer schadet der Landwirtschaft und der Viehzucht, gefährden die Existenz. Aber dennoch, die Reaktion der Dorfgemeinschaft ist nicht eindeutig. Von Zustimmung und Euphorie einerseits und Ablehnung und Misstrauen andererseit ist alles dabei. Nicht zu vergessen, die Wut, die sich Bahn bricht. Und die Rachepläne, die Trey schmiedet…

Wie wir es von anderen Romanen Tana Frenchs kennen, nimmt sich die Autorin Zeit, ihre Geschichte zu entwickeln. Ihre Personen sind komplex, deren Charakter sorgfältig entwickelt. Zeit und Raum, in denen sie sich bewegen, sind gespickt mit scheinbar nebensächlichen Informationen, die allerdings im Lauf der Handlung relevant werden. Landschaft und Dorfleben werden genauestens beschrieben und kreieren damit diese ganz besondere Atmosphäre, die wir zwar mit Irland verbinden, sich aber außerhalb der üblichen Klischees bewegt.

French richtet unseren Blick auf die großen Themen wie Menschlichkeit und Moral, auf persönliche Integrität und zwischenmenschlichen Beziehungen, auf Familie und Freundschaft, aber auch die sich daraus entwickelnde Loyalität, die durchaus widersprüchlicher Natur sein und dafür sorgen kann, dass sich moralische Grenzen verschieben. Sie ist eine Meisterin der Zwischentöne, Schwarz oder Weiß, Gut oder Böse gibt es bei ihr nur selten. Und damit kommt sie dem Kern der menschlichen Natur ziemlich nah.

Lest dieses Buch. Unbedingt!

Veröffentlicht am 20.06.2024

Der Pirat und die Bienenzüchterin

In den Farben des Dunkels
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Bei Chris Whitaker bin ich Ersttäterin, kenne weder „Von hier bis zum Anfang“ noch „Was auf das Ende folgt“, aber die unzähligen sehr guten Bewertungen dieser beiden Bücher haben mich dann doch neugierig ...

Bei Chris Whitaker bin ich Ersttäterin, kenne weder „Von hier bis zum Anfang“ noch „Was auf das Ende folgt“, aber die unzähligen sehr guten Bewertungen dieser beiden Bücher haben mich dann doch neugierig gemacht.

Spoiler möchte ich vermeiden, weshalb ich mich zum Inhalt kurz fassen werde. Handlungsort ist ein fiktives Städtchen in den Ozarks, Missouri. Dort leben die beiden Dreizehnjährigen Joseph "Patch" Macauley und Saint Brown, beide Außenseiter. Patch, weil er nur ein Auge hat und Saint, das Mädchen mit dem seltsamen Hobby, das viel zu schlau für ihre Altersgenossen ist. Mit ihrer Außenseiterrolle haben sie sich abgefunden, sind sie sich doch sicher, dass sie aufeinander bauen können. Egal, wann, wie und weshalb. Eine Gewissheit, die auf eine schwere Probe gestellt werden wird, als etwas geschieht, das traumatische Konsequenzen haben wird.

Wir begleiten Patch und Saint über einen Zeitraum von annähernd dreißig Jahren, teilen ihr Leben, lernen die Menschen kenne, die ihre Wege kreuzen, sehen, wie nicht nur sie selbst wachsen, sondern auch ihre Freundschaft sich allmählich verändert. All das unter dem Einfluss eines Verbrechens.

Wer nun glaubt, wir hätten es hier „bloß“ mit einem Krimi zu tun, irrt sich, denn dieses Buch ist mehr. Eine Geschichte vom Erwachsenwerden, einer tiefen Freundschaft, einer großen Liebe, einer traumatischen Erfahrung, einer besessenen Suche und der Liebe zur Kunst, vernachlässigt aber trotz allem nicht den Blick auf gesellschaftlich relevante Themen. Und ja, natürlich ist auch die Suche nach dem Mörder ein Thema, steht aber nicht im Mittelpunkt.

Natürlich gibt es in 261 Kapiteln bei annähernd 600 Seiten auch die eine oder andere Länge, aber die Handlung ist spannend und stimmig geplottet, überrascht mit unvorhersehbaren Wendungen, schönen Landschaftsbeschreibungen sowie last but not least sympathischen und detailliert ausgearbeiteten Personen.

Veröffentlicht am 15.06.2024

Ein würdiger Abschluss

City in Ruins
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Der Kreis schließt sich. Nicht nur, dass mit „City of Ruins“ die Danny Ryan-Trilogie zu einem Abschluss kommt, sondern Don Winslow auch beschlossen hat, die Karriere als Schriftsteller zu beenden und seine ...

Der Kreis schließt sich. Nicht nur, dass mit „City of Ruins“ die Danny Ryan-Trilogie zu einem Abschluss kommt, sondern Don Winslow auch beschlossen hat, die Karriere als Schriftsteller zu beenden und seine kreativen Fähigkeiten künftig in die politische Agitation gegen die Wiederwahl von Trump einzusetzen. Für uns Leser ist das bedauerlich, aber es sei ihm unbenommen, kann er doch auf eine Karriere zurückblicken, die nicht nur ihresgleichen sucht, sondern auch durch die sich eng an der Realität orientierenden, oft brisanten Inhalte seiner Thriller(siehe die Kartell-Trilogie) unsere Blicke geschärft und insbesondere mein Leseverhalten nachhaltig verändert hat.

Aber zurück zum Buch. Waren es früher blutige Revierkämpfe zwischen irischer und italienischer Mafia, spielen sich dieser heutzutage eher auf dem politischen Parkett ab. Ihre Vertreter haben klug investiert, sich mit legalen Geschäften weiße Westen verschafft und treten mittlerweile als seriöse Unternehmer auf. Ihren kriminellen Aktivitäten gehen sie im Geheimen nach, sichern sich Macht und Einfluss, um sich so unliebsame Konkurrenten vom Hals zu schaffen. Insbesondere dann, wenn sie mit diesen noch alte Rechnungen offen haben.

Das muss auch Danny Ryan erfahren, der sich eigentlich in Las Vegas zur Ruhe setzen und seinem Sohn beim Aufwachsen zusehen wollte, aber offenbar mit seiner neuesten Investition einer alten Bekannten, die blind vor Rache ist, in die Quere kommt. Und ehe er sich versieht, steckt er wieder im Zentrum dessen fest, was er glaubte, vor langer Zeit hinter sich gelassen zu haben.

Ein rundherum würdiger Abschlussband der Trilogie, womit einmal mehr bewiesen wäre, dass Winslow einer der ganz Großen im Bereich der Spannungsliteratur ist. Er weiß, was er tut, und das macht er wie immer brillant. Unzählige kurze Kapitel, wechselnde Handlungsorte, jede Menge Action, dazu die Innenansichten des Protagonisten, der den Hauptfiguren aus den klassischen Heldensagen verwandt scheint. Und außerdem sprachlich wie immer top, wobei der Dank hier insbesondere der großartigen Übersetzung von Conny Lösch gebührt.

Ein würdiger Abschluss? Unbedingt! Das Ende? Nun ja, vielleicht ein bisschen kitschig, aber das sei dem Autor angesichts dessen, das dieses Buch einen Schlusspunkt setzt, verziehen. Lesen. Unbedingt!