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Veröffentlicht am 01.07.2021

Sommer der Veränderungen

Hard Land
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In diesem Sommer, kurz vor seinem 16. Geburtstag, plagen den Außenseiter und Einzelgänger Sam Turner große Ängste. Der einzige Freund den er hatte ist nach Kanada gezogen, seine Mutter ist krank und sein ...

In diesem Sommer, kurz vor seinem 16. Geburtstag, plagen den Außenseiter und Einzelgänger Sam Turner große Ängste. Der einzige Freund den er hatte ist nach Kanada gezogen, seine Mutter ist krank und sein Vater ist arbeitslos. Er selbst hängt gerne auf dem Friedhof herum und grübelt über alles nach, denn es ist nichts los in Grady, der verschlafenen Kleinstadt in Missouri. Die Rettung für ihn ist ein Ferienjob im örtlichen Kino, wo er endlich Anschluss findet und sich mit den Kollegen anfreundet. Es beginnt für Sam ein magischer Sommer voller Spaß und Lebensfreude, er lernt Freundschaft und Liebe kennen - bis plötzlich das Schicksal zuschlägt und ihn zwingt, früher erwachsen zu werden als ihm lieb ist …

Benedict Wells, der Autor dieses Buches, wurde 1984 als Sohn einer Schweizerin und des deutschen Schriftstellers Richard von Schirach in München geboren. Seine Schulzeit verbrachte er in verschiedenen Internaten. Nach dem Abitur 2003 zog er nach Berlin, wo er mit Schreiben begann und seinen Lebensunterhalt mit diversen Jobs bestritt. Um sich von der Vergangenheit seiner Familie zu distanzieren und seine Eigenständigkeit zu beweisen ließ er seinen bürgerlichen Namen amtlich in Wells ändern. Bis heute schrieb er bereits mehrere Romane, die alle in den Bestenlisten erschienen, teils verfilmt wurden und für die er mehrere Auszeichnungen und Preise erhielt. „Hard Land“ aus dem Jahr 2021 ist sein sechster Roman. Derzeit lebt Wells in Zürich und besitzt neben der deutschen auch die schweizerische Staatsbürgerschaft.

Brillant, wie gefühlvoll und mitreißend der Autor hier das Thema des Erwachsenwerdens behandelt. Bereits vom ersten Satz an war ich von der Geschichte gefesselt: „In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb.“ Wells lässt den Protagonisten selbst erzählen, lässt ihn berichten von seinen Sorgen und Nöten, von seinen Hoffnungen und Träumen. Trotz gravierender Themen ist der Schreibstil von einer fröhlichen Leichtigkeit, die den Leser oft wehmütig an die eigene Jugendzeit zurück erinnern lässt.

„Hard Land“ scheint auf den ersten Blick ein Jugendroman zu sein, doch bei genauerer Betrachtung entpuppt er sich für die ältere Leserschaft eher als eine Erinnerung an die eigene Sturm- und Drang-Zeit. Mit Bedacht hat Wells dabei die Zeit Mitte der 1980er gewählt, damals, eine Zeit ohne Handys und Computer, als die Heranwachsenden sich noch persönlich trafen und ihre Abenteuer real erlebten. Es gab andere Probleme, damals, und doch waren es die gleichen: Anschluss an eine Clique, die ersten Partys, die Zeit der ersten Liebe, erste Enttäuschungen und auch die erste Begegnung mit dem Tod - eine Zeit, in der man erwachsen wurde und die man nie mehr vergessen wird.

Fazit: Ein Buch das mich restlos begeistert hat und das ich gerne weiter empfehle.

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Veröffentlicht am 15.06.2021

Eine Anhäufung von Zufällen und glücklichen Fügungen …

Die Farbe von Glück
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Gerade mal sechs Jahre ist Antoine alt, als ihn seine Mutter verlies. Einfach so, ohne Grund. Sie forderte ihn noch auf, am Gartentor auf sie zu warten. So steht der Kleine bibbernd in der Kälte, bis Nachbarin ...

Gerade mal sechs Jahre ist Antoine alt, als ihn seine Mutter verlies. Einfach so, ohne Grund. Sie forderte ihn noch auf, am Gartentor auf sie zu warten. So steht der Kleine bibbernd in der Kälte, bis Nachbarin Charlotte Stunden später vorbeikommt und ihn mit zu sich nach Hause nimmt. Fortan lebt er bei ihr, sie wird seine neue Mutter. Zwei Jahre später arbeitet Charlotte im Krankenhaus auf der Babystation als sie von Jules gezwungen wird, sein schwächliches krankes Neugeborenes gegen ein gesundes Baby zu tauschen. Er ist Richter in der Stadt und droht ihr Antoine wegzunehmen, falls sie nicht mitmacht. So willigt sie schließlich ein – sie tauschen die Kinder …

Clara Maria Bagus, geb. 1975 in Marburg/Deutschland, ist Schriftstellerin mit deutscher und schweizer Staatsbürgerschaft. In den USA und in Deutschland studierte sie Psychologie und war auch einige Zeit in der Hirnforschung tätig. Bagus ist verheiratet, Mutter von Zwillingsjungen und lebt heute mit ihrer Familie in Bern/Schweiz.

Das Buch beginnt recht vielversprechend. Das Schicksal des kleinen Jungen bewegt und der Tausch der Babys wirft Fragen auf. Wird Antoines Mutter irgendwann wieder kommen und kann die erst 22jährige Charlotte überhaupt die Mutter ersetzen? Werden die Mütter merken, dass ihre Babys vertauscht wurden? Fliegt der Schwindel bald auf? Solche und ähnliche Gedanken gingen mir durch den Kopf und ich freute mich aufs Weiterlesen. Leider wurde ich enttäuscht, denn die Geschichte entwickelt sich vollkommen anders als gedacht. Zwanzig Jahre später, die Kinder sind längst erwachsen, bekommt Jules plötzlich Gewissensbisse wegen der vertauschten Mädchen. Es beginnt ein endloses Geschwafel, auf das ich hier nicht näher eingehen möchte, und die Handlung wird immer sonderbarer. Irgendwann geschieht etwas, irgendwo ziehen sie hin, irgendwie treffen sie sich plötzlich, nichts wird klar benannt, Zeit scheint nicht mehr zu existieren.

Die Geschichte entbehrt jeglicher Realität. Hinzu kommt ein überzogen schwülstiger Schreibstil, der den von Hedwig Courths-Mahler noch weit in den Schatten stellt. Einige wahllos herausgegriffene Beispiele gefällig: „Seine tiefen, dunklen Augen leuchteten von innen heraus wie bläulich glühende Kohlen, bis die Schläge des Schicksals sie erloschen.“ (S.20) oder „Louises spinnfadenfeines blondes Haar lud sich bei jeder Berührung mit dem Kopfkissen auf, die Spitzen züngelten in die Luft hinaus. Ihre Augen wie nasser Stein.“ (S.34) oder „An einem Morgen, an dem sich der Nebel in grauen Fäden vor die Sonne spann, die Luft voll vom Blätterfall war und Laub raschelnd über die Erde trieb, verließ Jules das Leben, das nichts mehr mit ihm zu tun hatte, und machte sich auf die Reise.“ (S.150).

Fazit: Ich bin kein Freund abgedroschener philosophischer Lebensweisheiten und esoterischen Geschwafels – für mich war es Zeitverschwendung!

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Veröffentlicht am 03.06.2021

Freier Wille vs. Hypnose …

Mario und der Zauberer
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Im August 1926 macht eine deutsche Familie im italienischen Badeort Torre di Venere Urlaub, wo sie im Grand Hotel abgestiegen sind. Sie fühlten sich jedoch nicht wohl dort, weil eine nationalistisch aufgeladene ...

Im August 1926 macht eine deutsche Familie im italienischen Badeort Torre di Venere Urlaub, wo sie im Grand Hotel abgestiegen sind. Sie fühlten sich jedoch nicht wohl dort, weil eine nationalistisch aufgeladene Stimmung herrschte und die überwiegend italienischen Gäste offensichtlich bevorzugt behandelt wurden. Nach einigen Beschwerden zogen sie in eine kleinere Pension um, deren Wirtin überaus nett und freundlich war. Als sich gegen Ende ihres Urlaubs der Zauberkünstler Cipolla ankündigte, drängten die Kinder darauf, die Vorstellung zu besuchen. Dieser Zauberkünstler entpuppte sich allerdings mehr als begabter Hypnotiseur dem es ohne Mühe gelang, einigen Personen im Publikum seinen Willen aufzuzwingen und sie der Lächerlichkeit preiszugeben. Als dann Kellner Mario auf die Bühne gerufen wird, bahnt sich ein Drama an …

Thomas Mann (1875-1955) war ein deutscher Schriftsteller und einer der bedeutendsten Erzähler des 20. Jahrhunderts. Nach der Machtübernahme Hitlers emigrierte der überzeugte Gegner des Nationalsozialismus mit seiner Familie 1933 zunächst in die Schweiz und dann 1938 in die USA. Er schrieb unzählige Romane, Erzählungen, Novellen und Essays, für die er zahlreiche Ehrungen und Preise erhielt und für die er 1929 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde. Viele seiner bekanntesten Werke wurden auch verfilmt. 1944 nahm Thomas Mann die amerikanische Staatsbürgerschaft an und kehrte 1952 zurück in die Schweiz, wo er bis zu seinem Tod in Zürich lebte.

In der 1930 erschienenen Novelle „Mario und der Zauberer“, der, nach seinen eigenen Aussagen, eine wahre Begebenheit zugrunde lag, schildert Thomas Mann in der Person eines Familienvaters als Ich-Erzähler seine Erlebnisse während eines Italienurlaubs in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Dabei zeigt sich sehr gut die Stimmung nach der Machtübernahme Mussolinis und die bereits aufkommende Fremdenfeindlichkeit. In der Person des Zauberers und Hypnotiseurs Cipolla wird sehr eindringlich die Gefahr verdeutlicht, die von einer machtbesessenen Person ausgehen kann der er es gelingt, einzelne Personen, eine Gruppe oder gar ein ganzes Volk zu manipulieren und seinen Willen aufzuzwingen.

Mit seiner bildgewaltigen Sprache schafft es der Autor, den Leser zu fesseln und ihn tief in das Geschehen hinein zu ziehen. Die schwüle Hitze der Augusttage, die emotional aufgeladene Stimmung der Einheimischen sowie die angespannte Atmosphäre während der abendlichen Zaubervorstellung sind hautnah zu spüren. Durch das schon gleich zu Anfang angekündigte „Ende mit Schrecken“ lässt sich eine Anspielung auf die faschistische Bewegung mit seinen späteren tödlichen Folgen erkennen. Das Thema „Willensfreiheit“ wird dabei ebenfalls stark thematisiert, und ist wohl, betrachtet man den Ausgang der Geschichte, die versteckte Aufforderung, sich gegen jegliche Manipulation zu wehren.

Fazit: Ein Klassiker der deutschen Literatur und eine zeitgeschichtliche Momentaufnahme.

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Veröffentlicht am 03.06.2021

Gute Unterhaltung garantiert

Der Dieb der süßen Dinge
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In der Questura im sizilianischen Vigáta herrscht Hochbetrieb, beinahe zeitgleich werden drei Verbrechen gemeldet. Im Aufzug eines Wohnhauses wird ein Geschäftsmann mit einem Messer im Rücken tot aufgefunden, ...

In der Questura im sizilianischen Vigáta herrscht Hochbetrieb, beinahe zeitgleich werden drei Verbrechen gemeldet. Im Aufzug eines Wohnhauses wird ein Geschäftsmann mit einem Messer im Rücken tot aufgefunden, auf hoher See wurde ein tunesischer Seemann auf einem italienischen Fischerbot von einem Patrouillenboot aus erschossen und im Pausenhof der örtlichen Schule treibt ein Dieb sein Unwesen. Commissario Montalbano konzentriert sich zunächst auf den Fall des ermordeten Geschäftsmannes, muss aber bald feststellen, dass die drei Fälle irgendwie zusammenhängen und tief in sein Privatleben eingreifen …

Der sizilianische Autor und Regisseur Andrea Camilleri hat mit Commissario Montalbano eine Figur geschaffen, die inzwischen Kultstatus erreicht hat. Man muss ihn einfach mögen, diesen eigenwilligen Macho mit dem weichen Herzen, der neben seiner Dauerverlobten Livia auch gerne mal ein Auge auf andere Frauen wirft. Stark wetterfühlig ist er, oft auch launisch, worunter besonders seine Kollegen zu leiden haben. Ungeliebte dienstliche Aufgaben delegiert er gerne weiter an seinen Mitarbeiter Mimi. Er liebt gutes Essen und seine sizilianische Heimat (am Ende des Buches befindet sich ein Anhang mit Übersetzung der erwähnten kulinarischen Köstlichkeiten sowie einiger regionaler Ausdrücke, die im Original beibehalten wurden).

Wer einen spannenden Krimi ohne blutrünstige Details, dafür aber mit trockenem Humor und Situationskomik, bevorzugt, der ist hier richtig. Ein klarer, präziser Schreibstil, gekonnt herausgearbeitete Figuren und ein in sich stimmiger Plot garantieren beste Unterhaltung. Geschickt werden die einzelnen Handlungsfäden miteinander verwoben. Die Lösung der Fälle ist dann eher Montalbanos Intuition als seinem kriminalistischem Können zuzuschreiben, was die Geschichte so schön ‚menschlich‘ macht.

Fazit: Ein rasant und fesselnd erzählter Krimi, leicht zu lesen, mit Humor und Spannung.

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Veröffentlicht am 30.05.2021

Gammelhai und ein verschwundener Hotelbesitzer

Kalmann
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Hoch oben im Norden Islands, beinahe am Polarkreis, liegt das kleine Dorf Raufarhöfn. Dort lebt der 33jährige Kalmann, der sich selbst Sheriff nennt und der den besten Gammelhai der ganzen Insel macht. ...

Hoch oben im Norden Islands, beinahe am Polarkreis, liegt das kleine Dorf Raufarhöfn. Dort lebt der 33jährige Kalmann, der sich selbst Sheriff nennt und der den besten Gammelhai der ganzen Insel macht. Das hat ihm sein Großvater beigebracht, in dessen kleinem Haus er nun alleine wohnt. Auch Jagen und Fischen hat er von ihm gelernt und überhaupt alles, was er wissen muss. Denn Kalmann ist nicht wie jeder andere. Ein bisschen zurückgeblieben, wirr im Kopf und schnell ärgerlich, jedoch harmlos - so kennen ihn die Dorfbewohner und so wird er auch von ihnen akzeptiert.

Die beschauliche Idylle im Ort ist jäh zu Ende, als Kalmann eines Tages bei der Jagd auf den Polarfuchs Blut im Schnee entdeckt, eine riesige Lache Blut. Zur selben Zeit wird auch der reichste Mann der Ortes, der Hotelbesitzer Róbert McKanzie, vermisst. Ist es McKanzies Blut? Wurde er ermordet oder gar von einem aus Grönland eingewanderten Eisbär getötet? Die Polizei aus Reykjavik, Polizistin Birna und die angereisten Journalisten bringen Kalmanns bisher in geordneten Bahnen verlaufendes Leben ganz schön durcheinander …

Der 1981 im Kanton Graubünden/Schweiz geborene Autor Joachim Beat Schmidt entschied sich 2007 Island zu seiner Wahlheimat zu machen und erwarb sogar die dortige Staatsbürgerschaft. Nachdem er 2010 mit einer Kurzgeschichte einen Schreibwettbewerb gewann, begann er Romane zu schreiben und ist mittlerweile, nach eigener Aussage, Mitglied im isländischen Schriftstellerverband. „Kalmann“ ist sein vierter Roman. Heute lebt Joachim B. Schmidt mit seiner Familie in Reykjavik, wo er als Journalist, Autor und Touristenführer tätig ist.

Dem Autor ist es hier großartig gelungen, spannendes Kriminalgeschehen mit der einfühlsamen Geschichte des „behinderten“ Kalmann zu verbinden. Er lässt den Protagonisten selbst berichten, so dass man als Leser die Ereignisse durch seine Gedankenwelt wahrnimmt und dabei stets zwischen Mitleid und Bewunderung schwankt. Sehr schön und informativ auch die Naturbeschreibungen, in denen man den kalten isländischen Winter förmlich spüren kann. Ganz nebenbei erfährt man auch einiges von der wirtschaftlichen Not dieser abgelegenen Region, von der Armut der Dorfbewohner und über den Fischfang, der strengen Fangquoten unterworfen ist, die hauptsächlich in der Hand einiger weniger Reichen liegen – und, nicht zu vergessen über Gammelhai, einer isländischen Spezialität und früher Nahrung der Armen. Einige neue Erkenntnisse und unerwartete Wendungen lassen die anfangs eher ruhige und beschauliche Geschichte aufregend und sehr spannend ausklingen.

Fazit: Ein Buch das zu lesen Spaß macht, gut unterhält, überrascht und auch nachdenklich stimmt – kurzum, lesenswert!

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