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Veröffentlicht am 28.09.2019

Ist das die heutige Jugend?

Wie ich fälschte, log und Gutes tat
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In den Augen seiner Eltern ist Benedikt ein Vorzeigeexemplar. Er ist 16 Jahre alt, geht in die 10. Klasse Gymnasium, schreibt immer gute bis sehr gute Noten, ist mit seinen Freunden Vince und Prechtl Landesmeister ...

In den Augen seiner Eltern ist Benedikt ein Vorzeigeexemplar. Er ist 16 Jahre alt, geht in die 10. Klasse Gymnasium, schreibt immer gute bis sehr gute Noten, ist mit seinen Freunden Vince und Prechtl Landesmeister der Schüler im Tennis und wirbt offiziell für eine Anti-Drogen-Kampagne. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Statt zu lernen verbringt er seine Zeit lieber auf Partys oder im „Butterhof“ von Crystal-Max, wo man billig an Drogen ran kommt und sie dort gleich konsumieren kann. Entsprechend schlecht sind seine schulischen Leistungen, so dass er sich gezwungen sieht, Noten, Unterschriften und ganze Arbeiten zu fälschen. Dass dies auf Dauer nicht gut gehen kann, versteht sich von selbst. So muss sich Benedikt immer neue Tricks und kriminelle Machenschaften einfallen lassen, um den Schein zu wahren …

„Wie ich fälschte, log und Gutes tat“ ist nach „Paradiso“ der zweite Roman des 1977 in Erlangen geborenen deutschen Schriftstellers Thomas Klupp. Sein Erstlingswerk erfuhr in der Literaturkritik hohe Beachtung und erhielt einige Auszeichnungen und Preise. Der Autor lebt heute in Berlin und Hildesheim, wo er auch als Dozent am Literaturinstitut der Universität lehrt.

Leicht ironische Kritik an der Gesellschaft, die Attribute wie Reichtum und Schönheit in den Vordergrund stellt, sowie der dadurch bedingte Leistungsdruck an den Schulen, sind die positiven Themen dieser Geschichte. Ansonsten frage ich mich, für welche Zielgruppe der Autor diesen Roman geschrieben hat. Die Gedanken eines 16jährigen pubertierenden Jugendlichen über das andere Geschlecht, über unbeliebte Lehrkräfte und wie man ihnen Schaden zufügen kann oder darüber, wann man den nächsten Joint rauchen oder ein Bier saufen kann, dürften den gestandenen Leser wohl kaum interessieren. Die flapsige Sprache und der extrem bemühte Jugendjargon (reden die Jugendlichen heute wirklich so seltsam?) sprechen eher für ein Jugendbuch, dem aber ein tieferer Sinn und eine moralisch positive Aussage fehlt.

Der Schreibstil ist flüssig und dem Genre gut angepasst. Im Stil eines Tagebuches berichtet der junge Protagonist über einen Zeitraum vom 13. September, dem ersten Schultag, bis zum Tag vor Heilig Abend, dem 23. Dezember. Anfangs ist es noch recht unterhaltsam zu lesen und entbehrt auch nicht einer gewissen Komik, doch nach und nach begann es mich zu langweilen. Es passiert nicht wirklich viel und am Ende musste ich mich fragen, was uns der Autor mit dieser Geschichte wohl sagen will?

Fazit: Für junge Leser möglicherweise amüsant zu lesen – für mich war es leider die falsche Lektüre.

Veröffentlicht am 22.09.2019

Laufen, um ins Leben zurück zu finden …

Laufen
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Ein Jahr ist seit dem schrecklichen Ereignis vergangen, ein Jahr voller Trauer und Schmerz, in dem sie nicht wirklich gelebt, sondern nur funktioniert hat. Nun beginnt sie wieder zu laufen, muss etwas ...

Ein Jahr ist seit dem schrecklichen Ereignis vergangen, ein Jahr voller Trauer und Schmerz, in dem sie nicht wirklich gelebt, sondern nur funktioniert hat. Nun beginnt sie wieder zu laufen, muss etwas tun um sich abzulenken. Früher war sie eine gute Läuferin, mit ihm an ihrer Seite, aber jetzt ist jeder Schritt eine Qual. Quälend sind auch ihre Gedanken, die ständig um seinen Tod kreisen und sich nicht vertreiben lassen. Warum nur, warum? Doch so, wie Woche für Woche das Laufen für sie leichter wird, klären sich auch allmählich ihre Gedanken, kehrt Schritt für Schritt ihr Lebensmut zurück …

Nachdem die in Hamburg lebende Autorin und Übersetzerin Isabel Bogdan mit ihrem ersten Roman „Der Pfau“ 2016 bereits auf der Shortlist zum „Lieblingsbuch des unabhängigen Buchhandels“ stand, erhielt sie auch für ihren neuen Roman „Laufen“, der von einer Frau handelt, die sich nach dem Verlust ihres Lebensgefährten nicht mehr im Leben zurecht findet, durchwegs gute bis sehr gute Kritiken.

Den Schreibstil empfand ich als etwas außergewöhnlich, jedoch sehr angenehm zu lesen. Die Autorin verzichtet vollständig auf Interaktionen und lässt nur die Empfindungen der Protagonistin, die wahllos und bruchstückhaft während des Laufens entstehen, auf den Leser wirken. Zufällige Gedanken, Erinnerungen, Schuldgefühle, Selbstvorwürfe, zerschlagene Hoffnungen und einzelne Lichtblicke wechseln sich ab, wiederholen sich, schlagen Purzelbäume und kreisen letztlich immer um die eine Frage: warum? Man erhält dadurch tiefen Einblick in das Seelenleben der Frau, erfährt von ihrem Verlust und welche Rolle Familie, Freunde und ihre Arbeit als Musikerin in ihrem Leben spielen. Man kämpft mit ihr auf dem Weg zurück ins Leben, quält sich mit ihr beim Lauf rund um die Alster, macht interessante Beobachtungen, knüpft neue Freundschaften und ist atemlos dabei, wie sie allmählich Trauer und Wut hinter sich lässt und sich zaghaft wieder dem Leben und der Zukunft zuwendet.

Fazit: Ein faszinierendes Buch über die Gedankenwelt einer Frau, die auf den 200 Seiten zur guten Freundin geworden ist und die man gerne weiter begleiten würde. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 11.09.2019

Vergangene Gräueltaten, die sich nie wiederholen dürfen …

Vergesst unsere Namen nicht
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In der jüdischen Tradition heißt es, dass ein Mensch zweimal stirbt: Das erste Mal, wenn das Herz aufhört zu schlagen und das zweite Mal, wenn sein Name zum letzten Mal gesagt, gelesen oder gedacht wird. ...

In der jüdischen Tradition heißt es, dass ein Mensch zweimal stirbt: Das erste Mal, wenn das Herz aufhört zu schlagen und das zweite Mal, wenn sein Name zum letzten Mal gesagt, gelesen oder gedacht wird. Dies war der Anlass für die Idee, Pflastersteine aus Messing herzustellen und darauf die Namen der jüdischen Bürger einzugravieren, die während des Zweiten Weltkriegs ermordet wurden. Diese „Stolpersteine“ wurden vor ihren damaligen Wohnhäusern zur Erinnerung und Mahnung in den Bürgersteig eingelassen. In der norwegischen Stadt Trondheim stand vor einigen Jahren der Autor Simon Stranger mit seiner Familie vor einem solchen „Stolperstein“. Es war der Stein für Hirsch Komissar, dem Urgroßvater seiner Ehefrau, der ihn veranlasste, dessen Leben nachzuspüren, über seine Gefangennahme und seinen Tod zu recherchieren und daraus diesen Roman zu schreiben.

Dass die norwegische Bevölkerung unter der deutschen Besatzung sehr zu leiden hatte weiß man, dass aber auch Norweger als Agenten und Spitzel für die Deutschen tätig waren ist weniger bekannt. Wohl der heimtückischste und brutalste unter ihnen war Henry Oliver Rinnan. Über ihn und seine Gräueltaten, die er mit seiner Bande verübte, berichtet dieses Buch im Wechsel mit besonders tragischen Einzelschicksalen aus der norwegischen Bevölkerung und Episoden aus dem Leben der Familie Komissar. Leider wird dabei, entgegen dem Titel „Vergesst unsere Namen nicht“ den Tätern, besonders Henry Rinnan, einen breiteren Raum eingeräumt als den Opfern. So hat Rinnan posthum immer noch die Aufmerksamkeit, die er zeitlebens angestrebt hatte.

Der Schreibstil ist sehr gut der Thematik angepasst, sachlich, klar und nüchtern. Es wird aus mehreren Perspektiven berichtet, so dass man sich in die einzelnen Protagonisten bestens einfühlen kann. Auch befasst sich der Roman mit verschiedenen Zeitebenen, die oft wechseln, und man sich rasch auf ein anderes Szenario umstellen muss. Geschichtlich ist der Roman sehr interessant, man sollte aber in der Lage sein, die oftmals brutal geschilderten Folterungen und Gräueltaten auszublenden, was jedoch nur bedingt gelingen kann. Dennoch klagt der Autor nicht an und verurteilt nicht, sondern er lässt dem Leser die Möglichkeit, seine eigene Meinung, sein eigenes Urteil zu bilden. Dabei geht er auch auf die Nachfahren von Hirsch Komissar ein, die teils noch heute unter den Ereignissen zu leiden scheinen. Trotz allem meint Rikke, die Frau des Autors und Ururenkelin von Hirsch Komissar, gegen Ende des Buches: „Lass diesen Roman eine Aufforderung sein, nach vorn zu sehen. Lass ihn eine Möglichkeit zur Versöhnung und für Vergebung sein.“

Fazit: Ein interessantes Werk über eine schreckliche Vergangenheit, die man nicht ändern, aus der man aber für die Zukunft lernen sollte.

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Veröffentlicht am 09.09.2019

Drei Frauen – drei Schicksale – ein Mann

Drei
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Eine Frau sucht ein wenig Trost, nachdem ihr Mann sie und ihren Sohn verlassen hat. Eine zweite Frau sucht nach einem Zuhause und nach einem Zeichen von Gott, dass sie auf dem richtigen Weg ist. Eine dritte ...

Eine Frau sucht ein wenig Trost, nachdem ihr Mann sie und ihren Sohn verlassen hat. Eine zweite Frau sucht nach einem Zuhause und nach einem Zeichen von Gott, dass sie auf dem richtigen Weg ist. Eine dritte Frau sucht etwas ganz anderes. Sie alle finden denselben Mann. Es gibt vieles, was sie nicht über ihn wissen, denn er sagt ihnen nicht die Wahrheit. Aber auch er weiß nicht alles über sie. (Text des Verlages)

Dror Mishani wurde 1975 in Cholon bei Tel Aviv geboren. Er ist Literaturwissenschaftler mit dem Spezialgebiet Geschichte der Kriminalliteratur. International bekannt wurde er mit seinen Kriminalromanen um Inspektor Avi Avraham, sein endgültiger Durchbruch gelang ihm mit „Drei“. In Israel wurde der Roman zum Mega-Bestseller und war monatelang auf Platz 1, er soll verfilmt werden und eine TV-Serie ist geplant. Der Autor lebt mit seiner Familie in Tel Aviv.

Der Titel „Drei“ ist wunderbar passend für das Buch: drei Frauen die ihrem Alltag entrinnen und ihrem Leben eine Wendung geben wollen, drei Schicksale die verknüpft sind mit einem Mann – erzählt in drei Abschnitten. Ein angenehmer Schreibstil, ein flüssiger Sprachrhythmus und interessante Details über das Leben in Israel sind beeindruckende Attribute, die lobend zu erwähnen sind. Der Roman entwickelt einen Sog, dem sich der Leser nicht entziehen kann. Es läuft anders, als man erwartet und man wird von Ereignissen überrascht, die man so nicht vermutet hätte. Sehr eindrucksvoll und lebensecht sind die Charaktere ausgearbeitet, ihre Gedanken und Gefühle berühren, bedrücken und gehen unter die Haut. Eine unterschwellige Spannung entwickelt sich sehr langsam, steigt aber stetig an bis zu einem raffinierten, so nicht erwartenden Schluss. (Wie Dror Mishani in einem Interview am Ende des Buches andeutet, ist Drei vielleicht erst der Anfang einer Geschichte …)
Fazit: Ein außergewöhnlich einfühlsamer Roman über Liebe, Versäumnisse und Betrug, der zu Recht in Israel monatelang auf Platz 1 der Bestseller-Liste war.

Veröffentlicht am 04.09.2019

Es wird Zeit, Klarheit zu schaffen …

Es wird Zeit
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Hals über Kopf hatte Judith vor 20 Jahren den Ort ihrer Kindheit und Jugendzeit verlassen, Joachim geheiratet, drei Kinder bekommen und ist nie wieder zurück gekehrt. Jetzt ist sie beinahe fünfzig, die ...

Hals über Kopf hatte Judith vor 20 Jahren den Ort ihrer Kindheit und Jugendzeit verlassen, Joachim geheiratet, drei Kinder bekommen und ist nie wieder zurück gekehrt. Jetzt ist sie beinahe fünfzig, die Kinder sind aus dem Haus und in ihrer Ehe, die seinerzeit aus Vernunftgründen geschlossen wurde, ist der Lack schon lange ab. Anlässlich der Beerdigung ihrer Mutter fährt Judith in die alte Heimat zurück, wo sie damals alle Träume und Hoffnungen, ein Geheimnis und ein leeres Grab zurückgelassen hatte. Sie trifft Anne wieder, ihre ehemals beste Freundin, die jetzt krebskrank ist und nun endlich wissen will, was vor 20 Jahren geschehen ist. Auch ihre erste Liebe Heiko, der sie wegen einer Anderen verlassen hatte, meldet sich bei ihr und möchte die alten Zeiten neu aufleben lassen. Judith ist verwirrt. Soll sie ihr bisheriges Leben aufgeben und in der alten Heimat neu durchstarten? Sie möchte Anne gerne helfen, ihr bei der Chemotherapie beistehen, doch dazu müsste sie eine alte Schuld eigestehen. Und kann sie Heiko vertrauen? Liebt er sie wirklich oder hat er es nur auf das Haus ihrer Mutter abgesehen?

Die 1968 in Aachen geborene deutsche Schriftstellerin Ildikó von Kürthy veröffentlichte seit 1999 acht Romane und etliche Kurzgeschichten, die in rund 30 Sprachen übersetzt, mehr als sechs Millionen Mal verkauft und auch teilweise verfilmt wurden. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Hamburg.

Steuert man auf die 50 zu, kommen unweigerlich die Gedanken über das Älterwerden. Was habe ich erreicht? War das schon alles? Hat das Leben noch einen Sinn? So ergeht es jedenfalls unserer Protagonistin und Ich-Erzählerin Judith. Die Wechseljahre machen sich bemerkbar, sie ist unzufrieden mit sich selbst, hadert mit ihrem Gewicht, isst und trinkt aber trotzdem sehr gerne, die Kinder sind bereits aus dem Haus, ihre Ehe ist am Ende und jetzt ist auch noch ihre Mutter gestorben. Aber alle ihre Probleme werden plötzlich klein und nichtig, als sie ihre Jugendfreundin Anne wieder trifft. Diese ist krebskrank und dem Tod näher als dem Leben. Jetzt endlich können sich die beiden Frauen aussprechen, kann Judith ihre Schuld von damals gestehen und die alte Freundschaft wieder aufleben lassen, denn sie brauchen nun einander.

In Rückerinnerungen und Tagebucheinträgen erfährt der Leser, was vor 20 Jahren geschehen ist. Etwas zugespitzt und mit viel Humor lässt die Autorin ihre Personen über ihre Schwächen und Fehler diskutieren, über echte und eingebildete Krankheiten klagen und über ihre Zukunft, sofern sie noch eine haben, grübeln. Kluge Sprüche und witzige Dialoge bereiten beim Lesen großes Vergnügen, schwere Schicksalsschläge stimmen nachdenklich und machen betroffen. Leider überwiegen in der ersten Hälfte des Buches die oberflächlichen Themen wie Judiths Befindlichkeiten, ihre Gewichtsprobleme und ihre immer und immer wiederkehrenden Klagen über die entschwundene Jugend und das beginnende Alter. Erst mit der wieder auflebenden Freundschaft mit Anne und den Umgang mit ihrer schweren Krankheit bekommt das Geschehen Tiefgang und Spannung.

Fazit: Eine Geschichte zwischen Humor und Tragik - über Liebe und Freundschaft, über Jugend und Alter, über Krankheit und Tod – zum Lachen und Weinen.