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Veröffentlicht am 29.05.2024

Wer kennt Jane besser als sie sich selbst?

Janes Roman
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Seit Jane Cook, Professorin für französische Literatur, vor ihrer Türe ein Manuskript ohne Absender vorfindet, in dem ihr eigenes Leben detailgetreu beschrieben ist, ist sie äußerst beunruhigt. Ist das ...

Seit Jane Cook, Professorin für französische Literatur, vor ihrer Türe ein Manuskript ohne Absender vorfindet, in dem ihr eigenes Leben detailgetreu beschrieben ist, ist sie äußerst beunruhigt. Ist das eine Drohung? Wer kennt sie so genau, kennt ihre intimsten Gedanken und alle ihre Beziehungen, dass er darüber einen Roman schreiben kann? Eine spannende Suche beginnt …

Catherine Cusset, geb. 1963 in Paris, ist eine französische Bestsellerautorin, deren Werke in 22 Sprachen übersetzt wurden. Ihr Roman „The Story of Jane“ erschien bereits 2001 und wurde jetzt 2024 vom Eisele-Verlag neu übersetzt und aufgelegt. Die Autorin lebt, mit einigen Unterbrechungen, seit 30 Jahren in den USA. Mit ihrem amerikanischen Ehemann und ihrer Tochter wohnt sie heute in Manhattan und verbringt die Sommer in Frankreich in der Bretagne.

Ein interessanter Plot, beinahe wie im Krimi, der eigentlich eine aufregende Geschichte verspricht - doch leider hält sich die Spannung in Grenzen. Wir lesen über die letzten ungefähr 10 Jahre in Janes Leben, über ihren beruflichen Ehrgeiz, ihren akademischen Erfolg und ihre Karriere, aber auch über ihre zahlreichen Liebhaber und über ihr Sexleben, über das sie alle ihre Freundinnen und Freunde gerne und ausführlich informiert. In der spärlich dazwischen eingefügten Rahmenhandlung, also die Suche nach dem geheimnisvollen Autor des Manuskripts, hätte ich gerne mehr über Janes Gefühle und Gedanken hierzu erfahren.

Meine Empfindungen für die Protagonistin schwanken zwischen Mitleid und Ärger, Sympathie für sie blieb bei mir auf der Strecke. In der Geschichte ist sie in den Dreißigern, ihre Gefühle und Handlungen entsprechen jedoch mehr dem eines Teenagers. Sie ist unfähig echte Bindungen einzugehen, wird von Verlustängsten geplagt, hat eine übersteigerte Selbsteinschätzung, verhält sich selbstzerstörerisch und ist dazu nicht in der Lage, eigene Entscheidungen zu treffen. Erst spät wächst allmählich die Spannung, wenn sich nach und nach der oder die eventuelle Verfasser/in des Manuskripts heraus kristallisiert. Das Ende ist geschickt konstruiert und so von mir nicht erwartet.

Fazit: Ein Roman mit gut durchdachter Handlung und einer wenig sympathischen Protagonistin, der seine Spannung erst zum Schluss entwickelt.

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Veröffentlicht am 21.05.2024

Ankunft und Abschied – Leben und Sterben

Morgen und Abend
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Nach vielen Jahren Ehe und einer Tochter haben Marta und Olai endlich einen Sohn bekommen. Sie nennen ihn Johannes. --- Seit damals sind viele Jahre vergangen. Johannes ist jetzt selbst alt und einsam ...

Nach vielen Jahren Ehe und einer Tochter haben Marta und Olai endlich einen Sohn bekommen. Sie nennen ihn Johannes. --- Seit damals sind viele Jahre vergangen. Johannes ist jetzt selbst alt und einsam und er sehnt sich nach seiner Frau, die vor einigen Jahren verstorben ist. Auch sein Leben neigt sich bereits dem Ende zu. Seit er heute Morgen aufgewacht ist, empfindet er alles ganz seltsam leicht und schmerzfrei. Er erlebt plötzlich Momente aus seinem Leben, das als Fischer arbeitsreich und voller Entbehrungen war, erinnert sich an die sieben Kinder die sie bekommen und großgezogen haben und trifft alte Freunde wieder, die längst verstorben sind. Ist das real oder träumt Johannes? …

Jon Olav Fosse, geb. 1959 in Haugesund/Norwegen, ist ein norwegischer Autor, Dramatiker, Lyriker, Essayist und Übersetzer. Mit seinen über fünfzig literarischen Veröffentlichungen gilt er als eine der wichtigsten Stimmen der zeitgenössischen norwegischen Literatur. Als siebenjähriger Junge hatte er einen Unfall, bei dem er ein Nahtod-Erlebnis hatte. Diese Erfahrung hat sein Schreiben als Erwachsener bis heute stark beeinflusst. Fosse, der heute in Oslo und in der niederösterreichischen Gemeinde Hainburg lebt, erhielt im Jahr 2023 den Nobelpreis für Literatur.

Der Schreibstil des Autors ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, lässt sich aber erstaunlich gut und flüssig lesen. Er ist ganz der Einfachheit und Schlichtheit des Lebens norwegischer Fischer angepasst und dadurch auch gut nachvollziehbar. Man macht nicht viele Worte, man versteht sich auch so. Die ganze Geschichte dreht sich um Johannes und seine sehr intensiven Gedanken und Gefühle, die anderen Personen treten dadurch naturgemäß etwas in den Hintergrund. Wir erleben seinen ersten und seinen letzten Tag, begleiten ihn bei seinen Erinnerungen und spüren dabei seinen quälenden körperlichen und seelischen Schmerz.

Wunderbar trostreich beschreibt Fosse den Übergang vom Leben zum Tod und nimmt so die Angst und den Schrecken vor dem Sterben. Ein beruhigender Gedanke, dass man dadurch seinen Lieben wieder begegnen kann.

Fazit: Ein kleines dünnen Büchlein, das zu lesen eine Bereicherung sein kann.

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Veröffentlicht am 20.05.2024

Liebeserklärung an einen Baum

Die Libanonzeder
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„Die Libanonzeder“, ein wunderschöner Baum der 1000 Jahre alt werden kann und bereits in der Bibel erwähnt wird, ist der rote Faden, der die vier Kurzgeschichten und die dazwischen eingefügten Abhandlungen ...

„Die Libanonzeder“, ein wunderschöner Baum der 1000 Jahre alt werden kann und bereits in der Bibel erwähnt wird, ist der rote Faden, der die vier Kurzgeschichten und die dazwischen eingefügten Abhandlungen über die einzelnen Wachstumsphasen des Baumes miteinander verbindet.

Die erste Geschichte spielt in grauer Vorzeit, als eine junge Frau ihrem Elternhaus entflieht, um ihrem Geliebten durch den ursprünglichen unwegsamen Zedernwald zu folgen. Die zweite Erzählung führt uns 1787 nach Pisa, wo der Präfekt des Botanischen Gartens, Giorgio Santi, höchstpersönlich eine Libanonzeder anpflanzt. Weiter werden wir 1856 ins Piemont versetzt, wo eine junge Gräfin nach dem Tod ihres Mannes versucht, den bei der Hochzeit gepflanzten Baum zu fällen. Die vierte Geschichte ereignet sich in ferner Zukunft, wo nach einer Umweltkatastrophe nach Resten ehemaliger Vegetation gesucht wird.

Dazwischen lesen wir über den beinahe magischen Prozess von der Keimung bis zum ausgewachsenen Baum. Gleich zu Beginn löst sich ein Samen aus dem holzigen Zapfen, trudelt auf seinem Flügel zur Erde um sich dort einzugraben und neues Leben entstehen zu lassen. Im weiteren Verlauf erfahren wir über die Vorgänge im Inneren der Zeder, über die Fotosynthese und Auswirkungen des Klimas, über Verwurzelung und Untergang. Der in Pisa gepflanzte Baum fiel 1935 einem Sturm zum Opfer, doch die Libanonzeder im Piemont steht bis heute noch dort.

„Die Libanonzeder“ ist eine wunderschöne, poetisch geschriebene Geschichte der 1971 geborenen italienischen Autorin Raffaella Romagnolo. Das kleine dünne Büchlein wurde 2024 vom Diogenes-Verlag im Rahmen der neuen Reihe „Diogenes Tapir“ herausgegeben. Leider wird es aufgrund des Preises von 24 Euro wohl nicht die verdiente Leserschaft finden.

Fazit: Eine Geschichte von Leben und Wachsen, von Zerstörung und Untergang, ein Bekenntnis zur Natur und Hoffnung für die Zukunft. Trotz des hohen Preises sollte es gelesen werden!
Ich vergebe 4 für die Umsetzung und 1 für die Ausstattung und den Preis!

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Veröffentlicht am 16.05.2024

Orkan im Kopf und Wutklumpen im Bauch

Windstärke 17
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Mit einem alten Koffer, ein paar Klamotten und ihrem MacBook flüchtet Ida aus ihrem ehemaligen Zuhause. Ihre Mutter ist vor zwei Monaten gestorben, sie musste sich deshalb entscheiden, wie ihr Leben weitergehen ...

Mit einem alten Koffer, ein paar Klamotten und ihrem MacBook flüchtet Ida aus ihrem ehemaligen Zuhause. Ihre Mutter ist vor zwei Monaten gestorben, sie musste sich deshalb entscheiden, wie ihr Leben weitergehen soll und wie sie mit ihrer Trauer und ihrer Wut auf sich selbst umgehen kann. Zwar hatte ihre Schwester Tilda sie nach Hamburg eingeladen und ihr eine Fahrkarte geschickt, doch dahin will sie auf keinen Fall. So nimmt sie am Bahnhof den nächstbesten Zug – und fährt ohne Plan nach Rügen, wo sie abends in der Dunkelheit ankommt und die Jugendherberge aufsucht, weil sie sich kein Zimmer leisten kann. Am nächsten Tag sucht sie einen Job und landet in der Kneipe „Zur Robbe“, die dem alten Opa Knut gehört. Er und seine Frau Marianne nehmen Ida bei sich wie eine eigene Tochter auf. Als sie dann noch Leif kennen lernt, scheint Idas Leben endlich in ruhigeren Bahnen zu verlaufen. Doch es bleibt nicht so, das Schicksal schlägt erneut zu …

„Windstärke 17“ ist der Fortsetzungsroman von „22 Bahnen“, dem Debüt der jungen, 1995 in Mainz geborenen Autorin Caroline Wahl, für den sie mit einigen Preisen ausgezeichnet wurde. Sie wuchs in der Nähe von Heidelberg auf, studierte Germanistik in Tübingen sowie Deutsche Literatur in Berlin und arbeitete danach in mehreren Verlagen. Heute lebt sie in Rostock.

In ihrer klaren, unverwechselbaren Jugendsprache berichtet die Autorin, wie Idas Leben nach dem Wegzug ihrer Schwester Tilda weiter verlaufen ist. Wir erfahren vom Tod der Mutter, von Idas Selbstvorwürfen und ihrem unbändigen Hass auf sich selbst. Wir dürfen teilhaben an ihrem allmählichen Wandel, wie sie mithilfe anderer Menschen lernt mit ihrer Trauer und ihrem Frust umzugehen und sich in schwierigen Situationen nicht wieder komplett zu verschließen. Auch Ida versucht, wie ihre Schwester Tilda, ihre Probleme im Wasser abzustreifen. Sie schwimmt keine Bahnen im Freibad, sondern schwimmt in der Ostsee bis zur Erschöpfung lebensgefährlich weit hinaus.

Die Figuren sind sehr lebensnah gezeichnet und wirken äußerst realistisch, die Autorin hat ein gutes Gespür für zwischenmenschliche Beziehungen. Die Psyche der einzelnen Personen ist sehr ausgefeilt, der Schreibstil dabei angenehm flüssig und gut lesbar. Es sind durchaus schwere und ernste Themen, die in diesem Roman behandelt werden, die durch die ausgewogene Mischung aus Humor und Ernsthaftigkeit eine breite Palette an Emotionen wecken. Mit einem optimistischen Ausklang schließt die Geschichte ab.

Fazit: Eine Geschichte die mitreißt, aufrüttelt und nachdenklich stimmt.

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Veröffentlicht am 13.05.2024

Der Sommer bringt Geheimnisse ans Licht

Treibgut
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Der 70. Geburtstag von Adam, dem seit vielen Jahren verwitweten Oberhaupt der Familie Gardner, die auf der Halbinsel Cape Cod lebt, steht bevor. Da der Meeresbiologe gleichzeitig in Ruhestand geht, soll ...

Der 70. Geburtstag von Adam, dem seit vielen Jahren verwitweten Oberhaupt der Familie Gardner, die auf der Halbinsel Cape Cod lebt, steht bevor. Da der Meeresbiologe gleichzeitig in Ruhestand geht, soll an diesem Tag ein großes Fest stattfinden, bei dem er gebührend geehrt werden soll. Adam Gardner hat zwei Kinder, die er nach dem Tod seiner Frau größtenteils alleine großzog. Sohn Ken, mittlerweile 41 Jahre alt, ist erfolgreicher Immobilienmakler und möchte in die große Politik einsteigen, seine 3 Jahre jüngere künstlerisch begabte Schwester Abby ist Malerin und bewohnt das Atelier in den Dünen, das Ken gehört. Früher waren die Geschwister unzertrennlich, doch heute herrscht Rivalität zwischen den beiden. Das zeigt sich besonders in den Vorbereitungen zum Fest, bei dem einer den anderen zu übertrumpfen gedenkt. Als dann noch Steph, eine Polizistin aus Boston und Mutter eines kleinen Jungen, zur Party eingeladen wird und dadurch einige gut gehütete Geheimnisse ans Tageslicht kommen, eskaliert die Situation …

Adrienne Brodeur ist eine amerikanische Schriftstellerin und Autorin einiger Romane, die in den USA zu Bestseller wurden. Sie arbeitet in Cambridge/Massachusetts und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Cape Cod.

„Treibgut“ ist der zweite Roman der Autorin, der ins Deutsche übersetzt wurde. Er entführt uns auf die malerische Halbinsel Cape Cod, einem Rückzugsort der Reichen und Schönen, wo auch die Familie Gardner zu Hause ist. Wir lernen die einzelnen Familienmitglieder kennen, deren Fehler und Schwächen nach und nach aufgedeckt und gnadenlos bloßgelegt werden. Auch sie haben Probleme und Konflikte, kämpfen um Anerkennung und Erfolg, erfahren Missgunst und Neid und versuchen, ihre Geheimnisse zu verbergen.

Es sind essentielle und tiefgreifende Themen, die uns die Autorin in ihrem erfrischend leichtem und durchaus intelligentem Erzählstil präsentiert - Alkoholabhängigkeit, Rivalität, Trauer und traumatische Erlebnisse, um nur einige zu nennen. Die Protagonisten, über die kapitelweise berichtet wird, sind interessant und wirken sehr authentisch. Wir tauchen ein in ihre Gefühlswelt, verstehen allmählich den Grund warum die Geschwister sich entzweit haben und erfahren mehr über die Auswirkung von Adams bipolarer Störung. Der Roman ist mitreißend, die Spannung baut sich ganz allmählich auf und erreicht auf der Geburtstagsfeier ihren Höhepunkt. Ganz nebenbei erfahren wir noch einige Details aus dem Wahlkampf zwischen Hillary Clinton und Donald Trump im Jahr 2016.

Fazit: Es macht Spaß dieses Buch zu lesen – im empfehle es sehr gerne weiter!

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