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Veröffentlicht am 17.12.2024

unterhaltsames Familienchaos

Zwischen Ende und Anfang
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Wer einen netten Schmöker sucht um den eigenen Problemen etwas zu entkommen indem es um die der Anderen geht liegt mit diesem Buch genau richtig. Lilas Leben sieht am Anfang ziemlich kaputt aus, aber auf ...

Wer einen netten Schmöker sucht um den eigenen Problemen etwas zu entkommen indem es um die der Anderen geht liegt mit diesem Buch genau richtig. Lilas Leben sieht am Anfang ziemlich kaputt aus, aber auf eine mittelschicht Art und Weise. Sprich, der Mann hat ne Neue, ihr Haus ist alt und sanierungsbedürftig, der nach dem Tod von Lilas Mutter eingezogene Großvater kocht zu gesund, ihre Agentin möchte Sex-Szenen im neuen Buch und dann taucht unerwartet Lilas leiblicher Vater auf. Entsprechend ist der Ton zu Beginn durchaus etwas schwermütiger, aber auch mit viel Situationskomik und Humor durchsetzt.
Die Charakte
re sind deutlich gezeichnet und es entstand bei mir schnell eine lebhafte Idee des Zusammenlebens dieser Familie. Die Rollen sind relativ schnell klar und die Charakterentwicklung lässt sich Zeit und schlägt ein gemütliches Tempo an. Viel Spannung oder gar eine Sogwirkung konnte das Buch mit seiner Erzählweise bei mir nicht aufbauen. Die Handlung fließt so vor sich hin und ich fand es angenehm mich dem beim Lesen einfach hinzugeben. Wenn ich das Buch dann zugeklappt habe, hatte ich aber auch kein großes Bedürfnis (sofort) weiterzulesen. Manche Entwicklungen bringen etwas Schwung ins Geschehen und manche lösen sich mit schönen feinfühligen, andere mit kraftvollen Statement-Szenen auf. Mit der Zeit wendet sich alles zum Guten, dann wieder nicht, dann wieder doch… Mir war das insgesamt ein bisschen zu langatmig. Insbesondere, weil zwischendurch auch der Humor und die Situationskomik weniger werden. Am Ende kann ich sagen, die Erzählung ist rund, in der Länge in der sie daherkommt, aber zwischendurch dachte ich schon mal, hier könnte das Buch auch zu Ende sein.

Schön war die Kritik an dem „spice“ Verlangen in Büchern und an der Vermarktung des eigenen Lebens und der eigenen Erfahrungen. Das fand ich über das ganze Buch hinweg sensibel und differenziert thematisiert, ohne dass ich es als Hauptfokus gesehen habe.
Besonders berührt haben mich die Kapitel aus der Sicht von Lilas Teenagertochter.

Auch wenn Lila die Hauptperson ist nimmt sich Jojo Moyes die Zeit für authentische Charakterentwicklung der anderen Figuren. Im Zusammenspiel mit Lilas Entwicklung ergibt sich daraus eine ganz gute erzählerische Harmonie. Es gefällt mir sehr gut, wie die Autorin die Persönlichkeit ihrer Charaktere respektiert in der Art wie ihre jeweiligen Entwicklungen sich darstellen.

Also, ein wirklich nettes Buch mit einigen Themen, interessanten Charakteren und einem leichten Tiefgang.

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Veröffentlicht am 04.12.2024

anfang zäh, ende cute

Lessons in Faking
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Die Frage, die sich mir nach den ersten Kapiteln gestellt hat war, deutsch oder englisch? Mit der deutschen Übersetzung war ich nicht so glücklich, weil sie sich durch den eher umgangssprachlichen, wörtliche ...

Die Frage, die sich mir nach den ersten Kapiteln gestellt hat war, deutsch oder englisch? Mit der deutschen Übersetzung war ich nicht so glücklich, weil sie sich durch den eher umgangssprachlichen, wörtliche Rede lastigen Schreibstil etwas holprig las. Aber als ich auf englisch weitergelesen habe, wurde ich zunächst trotzdem nicht wärmer mit den Charakteren. Ich mag meinen Hauptcharakter gern etwas reflektierter, umsichtiger, als Athalia das war. Aber gerade deswegen hat mich der sarkastisch-neckende Umgangston mit bald fake-boyfriend McCarthy gut abgeholt. Mal abgesehen davon, dass ich die fake dating trope einfach sehr mag und sie hier wirklich fantastisch umgesetzt wurde

Mit der Zeit wird auch deutlich, dass Schreibstil und Inhalt gut aufeinander abgestimmt sind, bis dahin war es für mich durchaus eine zähe erste Hälfte. Aber die Art und Weise, wie sich Athalias Beziehungen aufbauen und verändern ist schön. Die Art und Weise, wie sie Dinge verdrängt, zu verdrängen sucht, in Sarkasmus ertränkt und leise und wunderschön doch Boden unter ihren Gefühlen findet. Je weiter ich gelesen habe, umso mehr hat mich das berührt. Diese Art der Charakterentwicklung hat mir in der Rückschau sehr gut gefallen, sie ist vielleicht ehrlicher und realistischer als ich sie sonst oft lese. Zu den Themen, die dann doch noch unerwartet etwas Tiefgang bekommen zählt auch Athalias Trauer um ihre verstorbenen Eltern.

Das Geplänkel zwischen Athalia und McCarthy hat das Buch getragen. Und naja, ab dem ersten Kuss habe ich auch so richtig schön breit und platt vor mich hin gegrinst, weil dieses Verliebtheitsgefühl quasi aus den Seiten quillt. Dazu setzt die Autorin auf körperliche Anziehungskraft mit einigem an „spice“.

Ein nettes Buch, beileibe kein Highlight, aber auch weit entfernt von dem Flop für den ich es am Anfang gehalten habe. Ein bisschen weniger zäh und ich hätte es richtig gut gefunden.

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Veröffentlicht am 25.11.2024

Lesenswerter Kommentar zur Erschaffung und dem Umgang mit Bildmaterial in der Psychiatrie des 20. Jhr.

Visuelle Gewalt
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Dieses Buch hat mich mehrere Jahre begleitet, mit immer wieder großen Lesepausen. Sehr angenehm daher, dass sich die einzelnen Kapitel auch gut als alleinstehende Essays lesen lassen und im Zweifelsfall ...

Dieses Buch hat mich mehrere Jahre begleitet, mit immer wieder großen Lesepausen. Sehr angenehm daher, dass sich die einzelnen Kapitel auch gut als alleinstehende Essays lesen lassen und im Zweifelsfall Kernpunkte im Verweis wiederholen. Trotzdem schlägt das Buch einen beeindruckenden Bogen von Anfang bis Ende und zeichnet Entwicklungen und Veränderungen gut nach. Der angedeutete Kommentar auf die gegenwärtige visuelle Praxis regt zum Nachdenken an, die Möglichkeiten zur Analyse hat die Autorin am historischen Beispiel eindrucksvoll demonstriert. Trotz der ansehnlichen wissenschaftlichen Zitatkultur liest sich das Buch flüssig. Ein gewisser historischer Überblick im Vorwissen hilft natürlich dem Verständnis und Lesefluss. Im Kontext der visuellen Darstellung greift die Autorin verschiedene relevante Themen auf und spezifiziert sorgsam ihren Kommentar. Ich musste mich nie fragen, worum es gerade geht, wer an wem handelt. Diese Klarheit der Beschreibung hat mich überzeugt. Ebenso überzeugend empfand ich die ethischen Überlegungen, die die Autorin nicht nur auf ihren Untersuchungsgegenstand, sondern genauso transparent auf ihr eigenes Handeln anwendet. Gewalt- und Machtkritik wird konsequent vor dem jeweiligen gesellschaftlichen Zeitverständnis und aus heutiger Sicht mitgedacht.

Mein persönliches Highlight war Kapitel 2 zu Anstaltsräumen.

Veröffentlicht am 18.11.2024

hat mich leider nicht überzeugt

Strong Female Character
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Fern Brady schreibt autobiografisch über ihr bisheriges Leben, ihre Kindheit, Jugend und den Beginn der Erwachsenenzeit.

Für mich haben Autobiographien drei relevante Elemente, das Erzählen von Lebensereignissen, ...

Fern Brady schreibt autobiografisch über ihr bisheriges Leben, ihre Kindheit, Jugend und den Beginn der Erwachsenenzeit.

Für mich haben Autobiographien drei relevante Elemente, das Erzählen von Lebensereignissen, das Deuten dieser Lebensereignisse in der Verbindung zu einem persönlichen Lebensnarrativ und zuletzt die Einordnung in einen größeren gesellschaftlichen Kontext. Der Untertitel der deutschen Ausgabe weckt die Erwartung, dass dies in Fern Bradys Autobiografie mit dem Ziel einer Aussage zu Autismus und Sexismus geschieht.

Es ist nicht ganz eindeutig, in welchem Abstand zu ihrer Diagnose Fern Brady diese Autobiografie geschrieben hat, aber aufgrund der bekannten Daten würde ich auf vielleicht zwei Jahre schätzen. Das Phänomen der Rückschau, des die eigene Lebensgeschichte unter dem neuen Blickwinkel der Diagnose nochmal neu erzählen, ist recht weit verbreitet unter spät diagnostizierten Autist*innen. Aber weder hat Fern Bradys Erzählung diesen Hunger des "warum", noch das Aufatmen des "endlich macht alles Sinn", die eine solche Rückschau nach einer späten Diagnose oft kennzeichnen. Sie hat ihren ganz eigenen Stil und Umgang damit ihr Leben zu erzählen.

Ein Leben ist erstmal was und wie es ist. Dass Fern Bradys Leben einiges an Hardship beinhaltet hat wird sehr deutlich. Sie beschreibt dies zum Großteil auf eine umgangssprachlich derbe Art, die manchmal unbeteiligt oder emotionslos wirkt. Kontrastiert zu dem damit provozierten Abstand zum Leser bietet der eher Podcastmäßige Gesprächston und die zt sehr detaillierten Beschreibungen von generell als intim bewerteten Themen ein Gefühl von Nähe. Gerade diese Erzählweise kann natürlich mit dem Autismus zu tun haben.
Manchmal wirkt die deutsche Ausgabe etwas holprig oder sperrig, ich vermute, dass das an den Übersetzungsschwierigkeiten eines so umgangssprachlichen Buches liegt.

Auch habe ich mich zum Teil gefragt, wie der Ton zu den Inhalten passt, wenn sie zb auf das Schicksal nicht weniger autistischer Menschen dauerhaft im psychiatrischen System zu verschwinden thematisiert und gleichzeitig Adjektive wie "verrückt" und "dumm" in ihrer abwertenden konotation unhinterfragt nutzt. Auch ihre Kommentare zu körperlichen Normabweichungen anderer Menschen sind mir leider öfter unangenehm aufgefallen.

Ein Leben, in dem so viel passiert ist, zu erzählen, kann kaum einfach sein. Fern Brady schreibt mutig und offensichtlich darum bemüht den unterschiedlichen Lebenswelten und Kontexten jeweils gerecht zu werden. Es geht offensichtlich um so viel mehr als Autismus und Sexismus, Fern Brady bleibt in der Erzählung ihres Lebens erfrischend vielschichtig. Katholizismus, Sexarbeit, toxische Beziehungen, psychiatrische Tagesklinik, Auseinandersetzungen mit dem juristischen System, Büroarbeit, die Fernseh- und Comedyszene; die Vielfalt ist groß.
Ich komme auch nach der vollständigen Lektüre nicht zu einer übergeordneten Aussage, zu etwas, was die einzelnen geschilderten Lebensereignisse zu einem Narrativ verbindet und in den gesellschaftlichen Kontext einordnet. Im Einzelnen erklärt Fern Brady zwar ab und an Traits von Autismus an ihrer Erzählung oder bietet ein kurzes Statement zu gesellschaftlichen Strukturen, aber es entsteht für mich kein roter Faden durch die Kapitel hindurch. Der deutsche Untertitel, der versucht diese Autobiografie auf Autismus und Sexismus einzuengen tut dem Buch meiner Meinung nach keinen Gefallen.

Manche Kapitel oder Momente an ihrer Erzählung haben mich persönlich sehr interessiert und/oder beeindruckt. Dazu zählen unter anderem ihre Beobachtungen in der psychiatrischen Tagesklinik für Jugendliche, die Art wie sie ihre Erfahrung von Suizidalität und Erschöpfung beschreibt und ihre schiere Willenskraft ihren Weg zu finden. Etwas schade fand ich, dass wir zu ihrem Diagnoseweg wenig direkt und konkret erfahren.

Es war bereichernd Fern Brady über ihr Leben zuzuhören. Nicht nur an den, eher seltenen, Stellen an denen ich mit meiner Lebenserfahrung anknüpfen konnte, sondern gerade auch da, wo ich Einblicke in Lebensrealitäten bekam, die mir fremd sind. Vermutlich ist diese Autobiografie am interessantesten für Menschen, die Fern Brady zb aus dem Fernsehen kennen und ein recht breites Interesse an ihrer Lebensgeschichte haben.

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Veröffentlicht am 04.11.2024

Die Monster im Unter_Bewussten

Grace (Academy of Dream Analysis 2)
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Der zweite Band knüpft nahtlos an den ersten an. Ich brauchte dennoch länger als erwartet, um wieder in die Geschichte rein zu kommen. Vermutlich wäre das anders gewesen, wenn ich beide Bände direkt hintereinander ...

Der zweite Band knüpft nahtlos an den ersten an. Ich brauchte dennoch länger als erwartet, um wieder in die Geschichte rein zu kommen. Vermutlich wäre das anders gewesen, wenn ich beide Bände direkt hintereinander weg gelesen hätte. Nachdem ich mich wieder eingelesen hatte, hat mich Mercys und Nemesis Geschichte wie schon im ersten Band berührt und mitgerissen.

Die Themen des zweiten Bandes unterscheiden sich nicht sehr von denen des ersten, sowohl Mercy, als auch Nemesis haben mit ihrer Vergangenheit und ihren persönlichen Dämonen zu ringen, in dieser Fantasy-welt auch wortwörtlich. Auf sich selbst zurückgeworfen ist ihre Beziehung miteinander doch der Dreh- und Angelpunkt. Mir hat es gut gefallen, wie viel Zeit sich Ruby Braun für die Entwicklung der beiden nimmt. Dieses Pacing, auch das hin und her, vor und zurück, stocken und zaghaft oder entschlossen werden, des Heilungsprozesses kommt sehr authentisch rüber. Die Charaktere haben Ecken und Kanten, innere Abgründe und liebenswerte Eigenschaften. Ich mag diese, statt schwarz-weiß, sehr in die Grautöne greifende Darstellung. Der Endpunkt war okay, aber ich habe einfach nicht den Eindruck, schon am Ende von Mercys und Nemesis Geschichte zu stehen.

Das Akademie-setting, der Alltag als Studierende, tritt in diesem Band sehr in den Hintergrund, was ein bisschen schade ist. Insgesamt habe ich doch zu wenig von der Welt der Traumwandelnden kennen lernen dürfen, sodass auch die Themen, die prinzipiell größer und politischer in dieser Welt relevant werden müssten, sehr klein und persönlich bleiben. Diese persönlichen Ebenen finde ich gut ausgearbeitet und die Möglichkeiten dieser spezifischen Fantasy-welt gut für ihre Veranschaulichung genutzt. Aber ein wenig Weite hätte dem Buch meiner Meinung nach gut getan.

Die „Academy of Dream Analysis” Reihe hatte leider für mich ein wenig zu viel ungenutztes Potential, gerade, weil mich das, was da ist überzeugt hat!

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