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Veröffentlicht am 18.11.2024

hat mich leider nicht überzeugt

Strong Female Character
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Fern Brady schreibt autobiografisch über ihr bisheriges Leben, ihre Kindheit, Jugend und den Beginn der Erwachsenenzeit.

Für mich haben Autobiographien drei relevante Elemente, das Erzählen von Lebensereignissen, ...

Fern Brady schreibt autobiografisch über ihr bisheriges Leben, ihre Kindheit, Jugend und den Beginn der Erwachsenenzeit.

Für mich haben Autobiographien drei relevante Elemente, das Erzählen von Lebensereignissen, das Deuten dieser Lebensereignisse in der Verbindung zu einem persönlichen Lebensnarrativ und zuletzt die Einordnung in einen größeren gesellschaftlichen Kontext. Der Untertitel der deutschen Ausgabe weckt die Erwartung, dass dies in Fern Bradys Autobiografie mit dem Ziel einer Aussage zu Autismus und Sexismus geschieht.

Es ist nicht ganz eindeutig, in welchem Abstand zu ihrer Diagnose Fern Brady diese Autobiografie geschrieben hat, aber aufgrund der bekannten Daten würde ich auf vielleicht zwei Jahre schätzen. Das Phänomen der Rückschau, des die eigene Lebensgeschichte unter dem neuen Blickwinkel der Diagnose nochmal neu erzählen, ist recht weit verbreitet unter spät diagnostizierten Autist*innen. Aber weder hat Fern Bradys Erzählung diesen Hunger des "warum", noch das Aufatmen des "endlich macht alles Sinn", die eine solche Rückschau nach einer späten Diagnose oft kennzeichnen. Sie hat ihren ganz eigenen Stil und Umgang damit ihr Leben zu erzählen.

Ein Leben ist erstmal was und wie es ist. Dass Fern Bradys Leben einiges an Hardship beinhaltet hat wird sehr deutlich. Sie beschreibt dies zum Großteil auf eine umgangssprachlich derbe Art, die manchmal unbeteiligt oder emotionslos wirkt. Kontrastiert zu dem damit provozierten Abstand zum Leser bietet der eher Podcastmäßige Gesprächston und die zt sehr detaillierten Beschreibungen von generell als intim bewerteten Themen ein Gefühl von Nähe. Gerade diese Erzählweise kann natürlich mit dem Autismus zu tun haben.
Manchmal wirkt die deutsche Ausgabe etwas holprig oder sperrig, ich vermute, dass das an den Übersetzungsschwierigkeiten eines so umgangssprachlichen Buches liegt.

Auch habe ich mich zum Teil gefragt, wie der Ton zu den Inhalten passt, wenn sie zb auf das Schicksal nicht weniger autistischer Menschen dauerhaft im psychiatrischen System zu verschwinden thematisiert und gleichzeitig Adjektive wie "verrückt" und "dumm" in ihrer abwertenden konotation unhinterfragt nutzt. Auch ihre Kommentare zu körperlichen Normabweichungen anderer Menschen sind mir leider öfter unangenehm aufgefallen.

Ein Leben, in dem so viel passiert ist, zu erzählen, kann kaum einfach sein. Fern Brady schreibt mutig und offensichtlich darum bemüht den unterschiedlichen Lebenswelten und Kontexten jeweils gerecht zu werden. Es geht offensichtlich um so viel mehr als Autismus und Sexismus, Fern Brady bleibt in der Erzählung ihres Lebens erfrischend vielschichtig. Katholizismus, Sexarbeit, toxische Beziehungen, psychiatrische Tagesklinik, Auseinandersetzungen mit dem juristischen System, Büroarbeit, die Fernseh- und Comedyszene; die Vielfalt ist groß.
Ich komme auch nach der vollständigen Lektüre nicht zu einer übergeordneten Aussage, zu etwas, was die einzelnen geschilderten Lebensereignisse zu einem Narrativ verbindet und in den gesellschaftlichen Kontext einordnet. Im Einzelnen erklärt Fern Brady zwar ab und an Traits von Autismus an ihrer Erzählung oder bietet ein kurzes Statement zu gesellschaftlichen Strukturen, aber es entsteht für mich kein roter Faden durch die Kapitel hindurch. Der deutsche Untertitel, der versucht diese Autobiografie auf Autismus und Sexismus einzuengen tut dem Buch meiner Meinung nach keinen Gefallen.

Manche Kapitel oder Momente an ihrer Erzählung haben mich persönlich sehr interessiert und/oder beeindruckt. Dazu zählen unter anderem ihre Beobachtungen in der psychiatrischen Tagesklinik für Jugendliche, die Art wie sie ihre Erfahrung von Suizidalität und Erschöpfung beschreibt und ihre schiere Willenskraft ihren Weg zu finden. Etwas schade fand ich, dass wir zu ihrem Diagnoseweg wenig direkt und konkret erfahren.

Es war bereichernd Fern Brady über ihr Leben zuzuhören. Nicht nur an den, eher seltenen, Stellen an denen ich mit meiner Lebenserfahrung anknüpfen konnte, sondern gerade auch da, wo ich Einblicke in Lebensrealitäten bekam, die mir fremd sind. Vermutlich ist diese Autobiografie am interessantesten für Menschen, die Fern Brady zb aus dem Fernsehen kennen und ein recht breites Interesse an ihrer Lebensgeschichte haben.

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Veröffentlicht am 04.11.2024

Die Monster im Unter_Bewussten

Grace (Academy of Dream Analysis 2)
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Der zweite Band knüpft nahtlos an den ersten an. Ich brauchte dennoch länger als erwartet, um wieder in die Geschichte rein zu kommen. Vermutlich wäre das anders gewesen, wenn ich beide Bände direkt hintereinander ...

Der zweite Band knüpft nahtlos an den ersten an. Ich brauchte dennoch länger als erwartet, um wieder in die Geschichte rein zu kommen. Vermutlich wäre das anders gewesen, wenn ich beide Bände direkt hintereinander weg gelesen hätte. Nachdem ich mich wieder eingelesen hatte, hat mich Mercys und Nemesis Geschichte wie schon im ersten Band berührt und mitgerissen.

Die Themen des zweiten Bandes unterscheiden sich nicht sehr von denen des ersten, sowohl Mercy, als auch Nemesis haben mit ihrer Vergangenheit und ihren persönlichen Dämonen zu ringen, in dieser Fantasy-welt auch wortwörtlich. Auf sich selbst zurückgeworfen ist ihre Beziehung miteinander doch der Dreh- und Angelpunkt. Mir hat es gut gefallen, wie viel Zeit sich Ruby Braun für die Entwicklung der beiden nimmt. Dieses Pacing, auch das hin und her, vor und zurück, stocken und zaghaft oder entschlossen werden, des Heilungsprozesses kommt sehr authentisch rüber. Die Charaktere haben Ecken und Kanten, innere Abgründe und liebenswerte Eigenschaften. Ich mag diese, statt schwarz-weiß, sehr in die Grautöne greifende Darstellung. Der Endpunkt war okay, aber ich habe einfach nicht den Eindruck, schon am Ende von Mercys und Nemesis Geschichte zu stehen.

Das Akademie-setting, der Alltag als Studierende, tritt in diesem Band sehr in den Hintergrund, was ein bisschen schade ist. Insgesamt habe ich doch zu wenig von der Welt der Traumwandelnden kennen lernen dürfen, sodass auch die Themen, die prinzipiell größer und politischer in dieser Welt relevant werden müssten, sehr klein und persönlich bleiben. Diese persönlichen Ebenen finde ich gut ausgearbeitet und die Möglichkeiten dieser spezifischen Fantasy-welt gut für ihre Veranschaulichung genutzt. Aber ein wenig Weite hätte dem Buch meiner Meinung nach gut getan.

Die „Academy of Dream Analysis” Reihe hatte leider für mich ein wenig zu viel ungenutztes Potential, gerade, weil mich das, was da ist überzeugt hat!

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Veröffentlicht am 23.10.2024

süß, klebrig, Gem_einsamkeit?

Die Honeys (Erstauflage mit gestaltetem Farbschnitt): Ein queerer Mystery-Thriller für Fans von Pretty Little Liars
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„Die Honeys“ sprengt für mich alle Buch-relevanten Kategorien die ich kenne. Es ist ein Sommer(-camp) Roman, eine Horror Geschichte, ein Thriller, eine Liebeserklärung, ein zu-sich-selber-finden und ein ...

„Die Honeys“ sprengt für mich alle Buch-relevanten Kategorien die ich kenne. Es ist ein Sommer(-camp) Roman, eine Horror Geschichte, ein Thriller, eine Liebeserklärung, ein zu-sich-selber-finden und ein sich-verlieren. Es ist ein Buch über Trauer und über Queerness, eins über Gemeinschaft und Verschwörungen und Rebellion. Schlicht, ich könnte den Inhalt nicht zusammenfassen und wenn ich es wollte…

Die Sprache des Buches hat sehr dazu beigetragen mich in seinen Bann zu ziehen, ich habe selten ein Buch so intensiv erlebt, auch in den Phasen in denen ich nicht aktiv gelesen habe. Ryan La Sala setzt eine Sprache ein, die eine einzige Metapher erschafft, ein so dicht gewobenes Netz über Netz, dass alles darin hängen bleibt. Die Beschreibungen sind vielmals sehr sensorisch, haben meine Sinne quasi aus dem Buch heraus berührt. Klebrig, süß, träge, überwältigend – die Beschreibungen spiegeln von Anfang an den Inhalt, orientieren sich an den Honeys, den Bienen, dem Honig. Manche sprachlichen Anspielungen auf die queere Szene, zt auch Slang, waren zwar nicht so treffend übersetzt, aber das fiel für mich nur am Anfang kurz ins Gewicht.

Sprachlich wie auch inhaltlich konkurrieren die verschiedenen Ebenen von Gefahr mit denen der Sehnsucht und Gem_einsamkeit. Das Setting im high-society natur Sommercamp Aspen passt perfekt. Und Mars war als Hauptcharakter eine sehr positive Erfahrung. Mars ist neugierig, selbstsicher, mutig und Mars’s Genderfluidität, je nach Kontext, sowohl etwas störendes, als auch etwas schönes, befreiendes, etwas festes in flüssigem Zustand. Als Leser kann ich Mars bewundern, genauso wie Angst um xier haben. Mars hat mich berührt, ohne Umwege zu gehen. Auch die anderen Charaktere werden sehr lebendig in der Art wie sie beschrieben werden. Zwischen ihnen und insbesondere zwischen ihnen und Mars findet ein ständiges Austarieren von Nähe und Distanz statt, was auf Dauer anstrengend, aber über den Verlauf der Erzählung hinweg auch hübsch wie ein Tanz ist.

Zwischenzeitlich kam mir dieses Buch unendlich vor, hatte es mich so eingewoben, dass ich es nicht weiterlesen wollte, um den Moment nicht verlassen zu müssen und dann wieder um nicht zurück in diese Geschichte hinein gezogen zu werden. Ich habe mir Zeit genommen und das hat meinem Lesen gut getan.
„Die Honeys“ war für mich ein ganz besonderes Leseerlebnis, das mich bereichert hat.

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Veröffentlicht am 21.10.2024

es ist wie es ist

Shit Bag
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„Shit bag“ kommt unterhaltsam, humorvoll und mit einem flotten Erzähltempo daher. Freya ist mir zwar nicht auf Anhieb sympathisch gewesen, aber ich konnte mich gut in sie hineinversetzen und mitfühlen. ...

„Shit bag“ kommt unterhaltsam, humorvoll und mit einem flotten Erzähltempo daher. Freya ist mir zwar nicht auf Anhieb sympathisch gewesen, aber ich konnte mich gut in sie hineinversetzen und mitfühlen. Von Krankenhaus über Poo-Camp zurück zum Schulalltag, die Entwicklung die sie durchmacht ging mir ein bisschen zu schnell, trotzdem ist alles nachvollziehbar. Die überwiegend selbstironische und in bester Teenager-Manier ab und zu ziemlich emotional-dramatische Erzählweise schafft es gleichzeitig das Thema „Stoma Beutel“ mit angemessener Wichtig- aber ohne zur Schau gestellter, übertriebener Ernsthaftigkeit zu behandeln. Es ist, wie es ist, manchmal Scheiße und manchmal trotz/mit/wegen Scheiße ziemlich schön. Mir hat diese Erzählweise sehr gut gefallen.

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Veröffentlicht am 19.10.2024

sehnsuchtsvolles Bilderbuch vielleicht eher für Erwachsene

Die Geschichte vom zauberbunten Garten
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In einer grauen Stadt gibt es einen bunten Garten. Und vielleicht muss nicht alles so trist bleiben, wie es ist...
Die Geschichte vom zauberbunten Garten ist einfach gehalten, wir erfahren jeweils wenig ...

In einer grauen Stadt gibt es einen bunten Garten. Und vielleicht muss nicht alles so trist bleiben, wie es ist...
Die Geschichte vom zauberbunten Garten ist einfach gehalten, wir erfahren jeweils wenig über die Charaktere. Diese bleiben dadurch schemenhaft, bieten aber auch viel Raum zur Projektion. Der Text ist kurz und steht bündig unten auf der Seite. Der Text ergänzt die Bilder, statt sie zu beschreiben, er unterstreicht, was die Bildsprache viel eindrücklicher rüber bringt. Denn die Veränderung im Laufe der Geschichte zeichnet sich in der Gestaltung der Bilder ab. Von einer grauen Stadt, über ein Aufatmen im bunten Garten, einer Oase, hin zur sich immer weiter ausbreitenden Farbe überall. Die Blumen und die Farbe und eine alte Frau die beides in der Stadt verteilt. Der metaphorische Gehalt wird am Ende sehr passend mit der direkten Ansprache der Lesenden verknüpft.
Die Graphiken haben eine weiche Zeichnung, die sogar die ganz graue Stadt weich wirken lässt. In Farbe verstärkt sich dieser Effekt noch. Die Zeichnungen sind großflächig und mit wohlgesetzten Details, zusammen mit den strahlenden Farben und der Weichzeichnung ergibt sich ein verträumter Anblick. Sie bieten viel Raum, damit Stimmung und Gefühle sich entfalten können. Sie laden zum Verweilen ein. Die ausstrahlenden Farben in der grauen Stadt wecken Hoffnung und Sehnsucht bei mir, die voll kolorierten Szenen im Garten Mut.
Es ist ein feinfühlig gestaltetes Bilderbuch in dem die einzelnen Aspekte zu einem runden Gesamtwerk zusammen kommen. Ich würde dieses Buch allerdings vermutlich eher einer erwachsenen Person schenken, als einem (jungen) Kind.

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