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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.07.2024

differenziert ohne dabei unkritisch zu werden

Unter Verrückten sagt man du
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Lea de Gregorio legt mit „Unter verrückten sagt man du“ ein sehr tief recherchiertes, dichtes und trotzdem von persönlicher Erfahrung und Überzeugung getragenes Buch vor. Dir Fülle an Zitaten und Referenzen ...

Lea de Gregorio legt mit „Unter verrückten sagt man du“ ein sehr tief recherchiertes, dichtes und trotzdem von persönlicher Erfahrung und Überzeugung getragenes Buch vor. Dir Fülle an Zitaten und Referenzen von medizinischen, soziologischen, philosophischen Konzepten erfordert viel Mitdenken und Vorwissen und wird zum Teil ermüdend. Angesichts des Gegenwindes von Gegnern des Buches sind sie aber auch ein solides Fundament und Mauer gegen „die hat ja keine Ahnung“ Aussagen. Es ist traurig, dass es das braucht und De Gregorio geht auf genau diese epistemischen Angriffe und saneistischen Gesellschaftsmuster ein. Ihre eigenen Erfahrungen werden immer wieder reflektiert und rückgebunden, sie ist sehr sorgsam darin graphische Beschreibungen oder „Schockmomente“ und Zuspitzungen zu vermeiden ohne die Realität der eben auch gewaltsamen Geschichte und Gegenwart des Psy-systems und die Folgen dessen zu leugnen. Das Bemühen um Ausgewogenheit und Fairness, darum deutlich zu sein ohne vor den Kopf zu stoßen, wird an vielen Stellen deutlich. Mich haben die späteren Kapitel mehr angesprochen als die ersten, was sicherlich auch an meinen eigenen Interessensgebieten im Thema liegt. Ich habe unterstrichen, an mehreren Stellen „Wiederfindezettel“ verteilt und ein paar Sätze bzw Abschnitte so gut und mutig und treffend gefunden, dass ich sie abgeschrieben habe. „Unter verrückten sagt man du“ ist in vielerlei Hinsicht keine leichte Lektüre, dieses Buch fordert seine Leser*innen heraus, bietet ihnen aber auch viel. Ich möchte es gerne empfehlen!

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Veröffentlicht am 17.06.2024

Richtig gut!

Cosy Secrets – Der kupferne Schlüssel
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Klarer Fall von "drin was draufsteht". Es ist ein sehr unterhaltsamer, durchaus kurzweiliger Roman mit einer sanft beginnenden, aber richtig mitreißend spannend werdenden crime Geschichte. Mit Edderton ...

Klarer Fall von "drin was draufsteht". Es ist ein sehr unterhaltsamer, durchaus kurzweiliger Roman mit einer sanft beginnenden, aber richtig mitreißend spannend werdenden crime Geschichte. Mit Edderton gibt es ein malerisches wunderschönes Sehnsuchts-Setting. Da sind Charaktere mit Persönlichkeit die ich alle schnell ins Herz geschlossen habe. Mit Rae schenkt uns Franzi Kopka eine sympathische Hauptperson die ich bereits nach wenigen Kapiteln, fast schon unheimlich, relatable fand. Das "Gegenstück" Archer ist zum dahinschmelzen mit absolut integerem Charakter.
Sprachlich ließt sich "Cosy secrets" leicht und flockig, keine unnötigen Verkünstelungen an denen eins sich stoßen könnte. Es ist ein unverstelltes, natürliches Erzählen, fastals würde ich einer Freundin zuhören. "Cosy", also gemütlich, trifft es wirklich gut. Trotzdem gibt es immer wieder Sätze, für die ich mir Stift und Papier genommen habe um sie als Zitate rauszuschreiben, weil sie einfach so treffend, so gut waren.

Besonders gefallen hat mir die Art wie Menschlichkeit in die Schreibweise und Geschichte einfließt, immer wieder justiert Rae ihre Interpretationen, Bewertungen und Überzeugungen ohne dabei ihre (alten) Gefühle und Erinnerungen abzuwerten. Fast beiläufig wird die Komplexität menschlichen Miteinanders anerkannt und Hoffnung darauf geweckt, dass es trotz bzw weil wir alle nicht perfekt sind funktionieren kann.

Wer, wie ich, in seinen Büchern kein großes Interesse an sexueller Körperlichkeit hat, sollte dieses Buch in der Hinsicht ausgewogen finden. Es ist definitiv nicht übermäßig viel "spice", wohl aber eine Menge (an)schmachten. Was ich wiederum ziemlich süß fand. Der Fokus liegt deutlich auf den Gefühlen.

Nach "honesty" ist dies mein zweiter Roman von Franzi Kopka und auch ein sehr anderes Genre. Und, was soll ich sagen, mit diesen beiden Büchern hat sie sich in meine Liste der Lieblingsautor*innen befördert. Insbesondere "Cosy secrets" hat mir sehr gut gefallen und war genau die Mischung aus Spannung, Liebe und leichter Unterhaltung, die ich gerade gebraucht habe.

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Veröffentlicht am 03.06.2024

authentisch, lyrisch, gewaltig

Beat vor der Eins
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In „beat vor der eins“ lernen wir die Jugendliche Ina kennen, sie schreibt aus der Ich-Perspektive kurze Tagebucheinträge aus denen das Buch besteht.

Der sprachliche Stil ist so authentisch, dass es ...

In „beat vor der eins“ lernen wir die Jugendliche Ina kennen, sie schreibt aus der Ich-Perspektive kurze Tagebucheinträge aus denen das Buch besteht.

Der sprachliche Stil ist so authentisch, dass es mich umhaut. Genau so habe ich meine lyrische Prosa geschrieben als ich so 15 oder 16 war. Nicht alle Themen des Buches waren meine, hier werden wirklich sämtliche klassischen Jugendthemen abgedeckt, Liebe, Sex, Körper(unzufriedenheit), Schule, Eltern... Aber vielleicht fehlt grade angesichts dieser Fülle und Authentizität etwas, was es besser verdaulich macht und für uns Lesende ein wenig aufbereitet. Die volle Wucht dieses Buches ist sowohl seine besondere Stärke als auch seine Schwäche.

Es passiert gleichzeitig zu viel und zu wenig, etwas mehr Rahmen und Handlung wären vielleicht gut gewesen oder auch einfach ein paar mehr Seiten um tiefer einzusteigen. Das Ende kommt doch etwas abrupt und offen. Andererseits passt das genau zum Inhalt und Stil des Buches.

Die anderen Charaktere kommen alle nur Schemenhaft hervor, in ihren aktuellen Handlungen und ihrer Relevanz jeweils für Ina. Auch Ina selber bleibt irgendwie ungreifbar, wie ein Prototyp-weiblicher-Teenager in den sich alles und nichts reinprojizieren lässt. Deutlich wird hauptsächlich ihre Zerrissenheit, das Suchen, das sich-verlieren des Alters in dem sie ist.

Dieses Buch zu bewerten fällt mir entsprechend schwer, ich empfand es als dicht und das Lesen als emotional und anstrengend und dabei eben auch sehr bereichernd. Die Themen des Buches wirken aufgrund der gewählten Erzählweise darüber hinaus, wie ein überschwappendes Gefäß oder ein Kissen, was aus der Vakuumverpackung herausgenommen wird. Diesen Effekt zu erschaffen bedarf einigem an schreiberisch-erzählerischem Können.

Wer überlegt dieses Buch zu lesen sollte unbedingt die content note zu sexueller Übergriffigkeit beachten!

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Veröffentlicht am 08.05.2024

interessante Idee, nicht erfülltes Potenzial

Der Spiegelorden
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Dieses Buch hat mich weder so richtig begeistert noch groß enttäuscht. Es ist eine Fantasy Geschichte mit einer durchaus interessanten Idee und Ausgangslage, die Auseinandersetzung mit Legenden, Schicksal ...

Dieses Buch hat mich weder so richtig begeistert noch groß enttäuscht. Es ist eine Fantasy Geschichte mit einer durchaus interessanten Idee und Ausgangslage, die Auseinandersetzung mit Legenden, Schicksal und Eigenverantwortung am Beispiel eines kleinen Kindes, Nauri, auf dem alle Erwartungen ruhen hat mich neugierig gemacht. Auch die Hauptcharaktere Bjoron und Darien waren für mich eine der Stärken des Buches. Beide kamen mir lebendig und mit ihren Eigenheiten rüber, es hat mir Spaß gemacht zu lesen wie sie miteinander ihren Weg gefunden haben. Ihre Streitereien, Vorurteile über die Kultur des jeweils anderen und wie sie voneinander gelernt haben, sprich ihre ganze Dynamik miteinander hat mich überzeugt. Durch die Wechsel der Erzählperspektive wurde diese Dynamik unterstützt und das Buch in nicht zu langen Abschnitten gut lesbar. Auch die Nebencharaktere waren interessant und für die Geschichte gewinnbringend gestaltet, nur wenige kamen etwas flach rüber. Etwas flach blieb leider auch der titelgebende Spiegelorden, wir erfahren nicht wirklich viel über seine Hintergründe. Das, was wir erfahren gefällt mir allerdings gut. Die Art mit der wir Informationen darüber nach und nach im Handlungsverlauf erfahren passt gut zu der Entwicklung der Themen rund um Nauri. So wie auch sie ihre Magie erst kennenlernen muss, müssen wir als Lesende uns Fähigkeiten und Auswirkungen auch erst erschließen. Gleichzeitig beginnt die Erzählung „mittendrin“, es wird nicht langweilig und trotz schöner reflexiver Momente ist immer was los. Der Autor hat einige Wendungen eingebaut, aber meistens gab es genug foreshadowing für aufmerksam Lesende. Etwas negativ in Erinnerung bleiben mir die vielen blutigen Schlachten und Abschlachtereien, wer da sensibel ist sollte dieses Buch vielleicht lieber meiden. Gleichzeitig hat dieses Buch Witz und eine feine gefühlvolle Note die sehr im Widerspruch zu den Gemetzeln steht und von der ich mir gewünscht hätte, dass sie mehr Raum einnehmen darf. Auffällig waren in dieser Ausgabe auch einige Lektoratsfehler, was mich allerdings nicht wirklich gestört hat.

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Veröffentlicht am 05.05.2024

unterhaltsam, berührend und manchmal vielleicht ein bisschen Klischee

The Happiness Blueprint
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Dieses Buch ist eine gelungene Mischung aus Witz, Herzschmerz, Zuckerguss und schweren Themen. Gerade am Anfang war ich etwas erschlagen von der Schwere der Alex-Kapitel, da es sehr viel um den Tod seines ...

Dieses Buch ist eine gelungene Mischung aus Witz, Herzschmerz, Zuckerguss und schweren Themen. Gerade am Anfang war ich etwas erschlagen von der Schwere der Alex-Kapitel, da es sehr viel um den Tod seines Bruders und Alex Trauer geht. Das kam etwas unerwartet, passt aber zu dem Charakter und letztlich auch zur Geschichte. Die Missverständnisse zwischen Alex und Klara sorgen für jede Menge Herzschmerz, manchmal auch Frust und ein die beiden schütteln wollen „verdammt jetzt redet halt mal drüber!“. Witzig ist es allerdings und die Beziehung zwischen Alex und Klara wartet neben diesem Humor auch mit genug Zuckerguss auf um für den Herzschmerz zu entschädigen (oder ihn noch mehr in die Höhe zu treiben?). Slow burn im Sinne von sweet torture, ich habe gelitten und es geliebt. Ally Zetterberg hat hier zwei Charaktere wie für einander geschaffen und trotzdem legen beide noch eine ordentliche Charakterentwicklung hin. Nebencharaktere, die am Anfang etwas einseitig erscheinen, wie Klaras Schwester, werden im Laufe der Zeit immer runder, was direkt auf Klaras Entwicklung zurückzuführen ist und meiner Meinung nach einen sehr gelungenen Umgang mit dem perspektivischen Erzählen darstellt. Wie sehen die Welt wirklich durch Klaras und Alex Augen, was insbesondere dann spannend wird, wenn die beiden einander sehen.
Diese Geschichte ist unterhaltsam, berührend und manchmal vielleicht ein bisschen Klischee.

(Ich fand leider die gewählten Schriftarten fast durchgängig anstrengend zu lesen, zt waren die Kontraste nicht gut und das Druckbild unscharf.)

Achtung, (eventuell) Spoiler:
Klara war für mich sehr offensichtlich autistisch, dies kommt allerdings erst zum letzten Drittel hin explizit zur Sprache, da Klara dies selber zu Beginn nicht weiß. Auf diese Art dürfen Lesende Klara mit ihrer Art die Welt zu sehen und in ihr zu interagieren erstmal unvoreingenommen kennenlernen, lachen mit ihr aber nicht über sie. Ally Zetterberg schafft gerade bevor das Thema explizit wird eine sehr runde ausgewogene Darstellung, die durch ihre Selbstverständlichkeit überzeugt. Die Auseinandersetzung mit der Diagnose ist dann doch etwas oberflächlich beschrieben, der Prozess der Verarbeitung für die Geschichte beschleunigt dargestellt. Kernelemente sind trotzdem vorhanden und in gewisser Weise wird auch hier die Selbstverständlichkeit des so-seins aus dem Beginn der Erzählung beibehalten. Insgesamt aus meiner Sicht eine gelungene Darstellung einer autistischen Hauptperson, bei der weniger Wert auf sachliche Aufklärung gelegt, sondern einfach fundamental das autistische Erleben dieser einen Person dargestellt wird.

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