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Veröffentlicht am 13.08.2023

Mehr Raum für sich allein

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
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Schon der Titel des Buches suggeriert etwas Unmögliches: etwas vollständig zu erfassen, was ich eigentlich vergessen habe. Er fällt auf und war auch ursprünglich der Grund, mich für das Buch zu interessieren.

Das ...

Schon der Titel des Buches suggeriert etwas Unmögliches: etwas vollständig zu erfassen, was ich eigentlich vergessen habe. Er fällt auf und war auch ursprünglich der Grund, mich für das Buch zu interessieren.

Das Cover ist farblich harmonisch abgestimmt, ansonsten nicht so unbedingt das, was mir ins Auge gefallen wäre.

Eine Frau, zwischen 50 und 60, steht an einem Wendepunkt. Die Kinder werden erwachsen, wollen ihr eigenes Leben leben und dazu gehört auch eine eigene Wohnung oder zumindest eine Wohngemeinschaft mit Gleichaltrigen. Wir begleiten sie in ihren Gedanken und ihrer Entscheidungsfindung, wie ihr zukünftiges Leben aussehen soll. Ihre große Mietwohnung kann sie aus finanziellen Gründen nicht halten. Da ist zum Anfang viel Unzufriedenheit, auch Schuldzuweisung an die Eltern, den ehemaligen Partner, da ist außerdem einiges an Selbstmitleid, obwohl es ihr objektiv betrachtet so schlecht gar nicht geht. Immerhin nennt sie ein Landhaus und eine kleine Stadtwohnung ihr Eigen. Mithilfe vieler Gespräche macht sie sich ihre Situation zunehmend bewusst und gibt auch zu, dass sie in ihrer eigenen Legende gefangen war. Eigentlich hat das sich Erinnern für sie einen therapeutischen Effekt.

Doris Knecht baut den Roman so auf, dass sich kurze Kapitel aneinanderreihen. Kapitel, die ihrer Erinnerung entspringen und oft gar nichts miteinander zu tun haben. Da geht es um Freundinnen, die sie schon fast vergessen hat, um Mitbringsel aus verschiedenen Urlauben, um ihren Status in der Familie, um ihre Kinder und ihre Beziehungen, um das, was gut lief und das was sie vergessen will.

Wenn man sich erst einmal eingelesen hat und ihre Umgebung ein wenig kennt, liest sich das Buch gut und flüssig und das trotz der vielen Gedankensprünge.

Ich hatte mir merkenswerte Stellen mit farbigen Stickern markiert und das Buch strotzt davon. An manchen Stellen war ich bei ihr, an anderen Stellen konnte ich ihren Gedankengängen und Entscheidungen nicht so ganz folgen. So entscheide ich mich für 4 von 5 Punkten.

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Veröffentlicht am 10.08.2023

Ein kleiner Schritt...in den Tod

Canaria Criminal
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Der Autor Daniel Verano alias Daniel Wehnhardt lebt zwar in Nordhessen, ist aber nach einem längeren Aufenthalt auf den Kanaren dem Charme der Inseln verfallen und kehrt seither jährlich für einige Zeit ...

Der Autor Daniel Verano alias Daniel Wehnhardt lebt zwar in Nordhessen, ist aber nach einem längeren Aufenthalt auf den Kanaren dem Charme der Inseln verfallen und kehrt seither jährlich für einige Zeit dorthin zurück.

Es gibt einen ersten Krimi in dieser Serie – Canaria mortal – den ich bisher noch nicht kenne. Ich wäre nun aber durchaus daran interessiert, weil doch hin und wieder darauf Bezug genommen wird. Der zweite Kanaren-Krimi spielt auf Gran Canaria. Wie in ganz Europa so gibt es auch in Spanien Rechtspopulisten. Einer von ihnen ist Francisco Fraude, frisch gewählter Parteichef der rechtsextremen RAZÓN, der auf den Kanaren Wahlkampf macht und seine Chancen mit einem spektakulären Fallschirmsprung erhöhen möchte. Die Insel-Bevölkerung ist gespalten, während man ihm 30 % der Stimmen zutraut, sind viele auch vehement gegen ihn und fürchten den Rechtsruck der Insel.

Gegen ihn sind vor allem die linksgerichteten Zeitungen der Insel, unter ihnen LA VIDA, bei der Felix und Candela arbeiten. Der Chefredakteur hat sich sogar einer Gruppierung angeschlossen, die es sich zum Ziel gesetzt hat, ihn zu verhindern.

Francisco Fraude macht seine Ankündigung wahr und springt… in den Tod. Der Fallschirm öffnet sich nicht und er schlägt mit voller Wucht auf den Felsen auf. Hier kommt nun die Polizei ins Spiel, war es ein Unfall oder war es Mord? Technisches Versagen kann praktisch ausgeschlossen werden, also muss jemand nachgeholfen haben.

Ana Montero ermittelt zusammen mit ihrem Kollegen Ruiz. Ihr Weg führt sie kreuz und quer über die Insel. Dabei kommt allerdings bei einem Tempo von 160 km/h wenig entspannte Urlaubsstimmung auf.

Felix und Candela ermitteln auf eigene Faust im eigenen Milieu und stoßen auch da auf einige Ungereimtheiten. Erst ganz spät treffen sich Anas und Felix Wege wieder und tatsächlich kann dieses Treffen in dem Fall zur Lösung beitragen.

Ein dritter Handlungsstrang ist in der Ich-Form geschrieben und bleibt anonym. Hier spricht der Täter, den man allerdings erst sehr spät identifizieren kann.

Neben der Lösung des Falles liegt in diesem Krimi auch ein starker Fokus auf den gefühlsmäßigen Befindlichkeiten der einzelnen Protagonisten. Dadurch lernt man die Personen besser kennen, aber es lenkt natürlich auch von den Ermittlungen ab.

Das Buch liest sich flüssig, ist immer wieder mit spanischen Floskeln durchsetzt, die aber nicht stören, zumal man die Übersetzungen am Ende des Buches findet. Bei einem so umstrittenen Mordopfer gibt es auch genügend Verdächtige, so dass das Buch bis zum Schluss spannend bleibt. Als Cozy würde ich es nicht unbedingt bezeichnen, dafür kommt der Landschaft, den Menschen, der Küche, dem Wein nicht genügend Bedeutung zu, aber gewaltsam und blutrünstig ist es auf jeden Fall auch nicht.

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Veröffentlicht am 07.08.2023

Auf der Suche nach der Wahrheit

Die Passage nach Maskat
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Hier gab es für mich gleich zwei Gründe, mich für das Buch zu interessieren, zum einen habe ich fast alle Bücher von Cay Rademacher gelesen, gerne gelesen muss ich sagen, und zum anderen führte mich unser ...

Hier gab es für mich gleich zwei Gründe, mich für das Buch zu interessieren, zum einen habe ich fast alle Bücher von Cay Rademacher gelesen, gerne gelesen muss ich sagen, und zum anderen führte mich unser letzter Urlaub in den Oman und wenn dann Maskat schon im Buchtitel auftaucht, dann spricht es an und weckt Erinnerungen.
Für das Buch spricht auf jeden Fall auch das Cover, sehr ansprechend und mit dem dampfenden Schornstein und dem gut gekleideten jungen Paar an der Reling auf eine Schiffsreise auf einem Luxusdampfer hindeutend.
Im Oktober 1929 geht eine bunte, internationale Gesellschaft an Bord der Champollion und reist quer durch die Meere bis nach Maskat. Da sind Theodor Jung, ein Fotograf aus Berlin mit seiner jungen Frau Dora, Doras gesamte Familie, der Prokurist der Firma, eine englische Apothekerin mit ihrer armenischen Gesellschaftsdame, ein italienischer Rechtsanwalt, eine französische Stewardess und ein amerikanischer Ingenieur. Alles könnte so schön sein – wenn nicht Dora spurlos verschwinden würde. Eine Dame, von der anschließend die allermeisten Mitpassagiere und Seeleute behaupten, dass sie nie auf der Champollion gewesen sei. Theodor Jung ist verzweifelt und weiß von Tag zu Tag weniger, was er glauben soll. Sollte ihm sein täglich eingenommenes Schlafmittel Phantasien von der Anwesenheit seiner Frau vorgegaukelt haben, obwohl sie doch offensichtlich und nachweisbar Telegramme aus Berlin schickt und obwohl nichts in der Kajüte mehr auf ihre Anwesenheit schließen lässt.
Wären da nicht immer wieder ungeklärte Unfälle wie z. B. ein sich lösender Stein in der Wüste, der Jung fast erschlägt, so dass er sich schließlich selbst in Gefahr wähnt, dann hätte er möglicherweise tatsächlich an sich gezweifelt. Doch es gibt Hinweise auf krumme Geschäfte, auf Familienstreitigkeiten, darauf, dass nicht alles so ist wie es scheint. Und so nutzt Theodor Jung die Tage auf dem Schiff, um diesem Geheimnis um seine Frau auf die Spur zu kommen.
Die Zeit an Bord ist sehr anschaulich in atmosphärischer Dichte beschrieben, der Luxus eines Dampfers der 20er Jahre mit viel Platz für die Oberschicht und ganz beengten Verhältnissen für die Reisenden in den billigen Klassen, das opulente Essen, der in Strömen fließende Champagner, aber natürlich auch das heiße Klima im Suezkanal, die stehende Luft, die schweißtreibende Schwüle in den Kabine. Nicht zu vergessen, das ständige Aufeinandertreffen mit den immer gleichen Personen: Man kann sich kaum aus dem Weg gehen und das ist eine Herausforderung, wenn man sich bedroht fühlt.

Die Handlung im Buch entwickelt sich langsam, so wie die Fahrt mit dem Luxusdampfer. Zweifelt Jung anfangs noch an sich selbst, so fügen sich nach und nach Puzzleteile zusammen. Täglich kommen neue Erkenntnisse dazu, aber auch die Einsicht, dass er keinem der Passagiere trauen kann und so entwickelt sich zwischen ihm und der Stewardess, die ebenfalls seit 12 Jahren noch ihrem im 1. Weltkrieg verschollenen Verlobten sucht, ein stilles Einverständnis und eine Komplizenschaft.
Maskat und seine Corniche sind schön beschrieben, das blaue Licht bei Sonnenaufgang, die Burg im Hintergrund, die Dhaus im Hafen. Und hier klärt sich nun auch alles auf, ein nicht erwartetes Ende, klug eingefädelt, wenn auch nicht für alle Beteiligten mit glücklichem Abschluss.
Das Buch ist mit den Krimis um Roger Blanc nicht zu vergleichen, es spielt in einer anderen Zeit zwischen verschiedenen Kontinenten und manchmal hat man das Gefühl, dass an Bord eine gewisse Gesetzlosigkeit herrscht, die die Beteiligten jeweils zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzen. Jedenfalls empfand ich das Ende als relativ offen, was mir nicht ganz so gut gefiel.

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Veröffentlicht am 04.08.2023

Mentale Stärke

Gegenwind
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Schon allein für die Leistung, Island mit dem Fahrrad zu umrunden, sind 5 von 5 Punkten angemessen und wenn man das auch noch macht, obwohl man gar nicht gerne mit dem Fahrrad unterwegs ist, ist es noch ...

Schon allein für die Leistung, Island mit dem Fahrrad zu umrunden, sind 5 von 5 Punkten angemessen und wenn man das auch noch macht, obwohl man gar nicht gerne mit dem Fahrrad unterwegs ist, ist es noch höher einzuschätzen.

Mentale Stärke war für diese Reise absolut vonnöten. Jess meinte zwar, diese Stärke hätte sich erst im Laufe der Tour entwickelt, aber als Sportlerin hatte sie schon vorher in Wettkämpfen bewiesen, dass sie kämpfen konnte und nicht gleich aufgab. Auch die Überwindung der Krankheit war ein Kampf und auch den hatte sie gewonnen und es zurück ins Leben geschafft. Nun also diese Fahrradtour, die mit solchen Schwierigkeiten begann und dann doch zu einer Reise zu sich selbst wurde. Noch am Flughafen habe ich mit ihr gebangt und mich über die Schikanen der Zollbeamten geärgert, aber dann ging es los. Von meiner Tochter weiß ich, dass Island ein tolles Land ist, sie hat fast ein ganzes Jahr arbeitend dort verbracht, hat dabei allerdings mehr den Süden kennengelernt. Aber manches aus dem Buch habe ich wiedererkannt, das Flugzeugwrack z. B. scheint eine beliebte Attraktion zu sein.

Fahrradfahren ist die beste Möglichkeit, um den Kopf freizubekommen. Es kann regelrechte Glückshormone freisetzen. Während der Kopf die neue Freiheit genießt, leidet allerdings der Körper unter den Strapazen. Man kann nicht mehr sitzen und mit der Zeit brennen die Muskeln und die Hände verkrampfen sich.

Tobi hat für Jess die richtige Balance gefunden. Seine Rolle während der Reise scheint mir ausgesprochen wichtig zu sein, ohne ihn hätte sie diese Reise vielleicht nicht zu einem Ende gebracht. Er wusste, wie und wann er motivieren musste, reagierte gelassen auf ihre Wutattacken, gönnte sich und ihr eine Pause, wenn es notwendig war. Ich hätte mir vielleicht gewünscht, dass auch er zum Schluss noch einmal zu Wort gekommen wäre.

Ein kleiner Verbesserungsvorschlag zum Schluss: Am Anfang sind mir einige Rechtschreibfehler aufgefallen, später habe ich dann nicht mehr so darauf geachtet. Aber man könnte vielleicht nochmal querlesen.



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Veröffentlicht am 03.08.2023

Neuanfang in Ligurien

Abschied auf Italienisch
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Schon das Cover ist so auffallend und einladend, dass man sich am liebsten gleich auf die Reise machen würde. Obwohl es sich um ein gemaltes Bild handelt, sieht es wohl auch in Wirklichkeit genau so aus, ...

Schon das Cover ist so auffallend und einladend, dass man sich am liebsten gleich auf die Reise machen würde. Obwohl es sich um ein gemaltes Bild handelt, sieht es wohl auch in Wirklichkeit genau so aus, es zeigt die abenteuerlich in den Fels gebauten bunten Häuser von Riomaggiore.

Der erfahrene Commissario Vito Grassi verlässt nach dem Tod seines Vaters Rom und seine Familie und lässt sich nach La Spezia versetzen, um in der Nähe, in Levanto das Haus seines Vaters zu beziehen.
Kaum ist er angekommen, warten auch schon erste Fälle auf ihn. Ein vermeintlicher Unfall in einem Fahrradtunnel entpuppt sich als Mord und dann wird auch noch ganz in der Nähe seines geerbten Hauses eine weitere Leiche gefunden. Glücklicherweise hat er kluge Mitarbeiter und auch eine fähige Chefin, die Questora, die so ganz anders ist als der uns allen bekannte Vize-Questore in Venedig.

Da sind also einmal die beiden Fälle, die gelöst werden müssen, da ist aber auch das schlechte Gewissen, dass Vito kaum etwas von den letzten Jahren seines Vaters weiß. Der Kontakt war sehr lose geworden und von seinem Tod erfuhr er erst, als der Vater schon beigesetzt war.
In seinen letzten Jahren hatte der Vater eine jüngere Frau, Toni, ins Haus mit aufgenommen. Sie ist auch noch anwesend, als Vito nach Levanto kommt und obwohl er zunächst einmal ziemlich irritiert davon ist, akzeptiert er mit der Zeit doch ihre Präsenz. Sie ist seine Brücke zu seinem Vater.

Der Fall erweist sich als kompliziert und Vito tut sich zuerst schwer, die Kollegen von seiner Sicht der Dinge zu überzeugen. Diplomatie ist nicht seine Stärke und so stößt er seine Mitarbeiterin Ricci auch schon mal vor den Kopf. Glücklicherweise ist sie ähnlich direkt und nicht nachtragend und ihn trügt sein Bauchgefühl nicht.

Das Buch liest sich flüssig, es ist logisch aufgebaut und auch die Lösung wirkt nicht konstruiert. Schmunzeln kann man über die Gespräche zwischen Capitano Bruzzone und Vito Grassi. Hier werden die Animositäten zwischen den Carabinieri und der Polizia di Stato deutlich, wobei natürlich immer die Form gewahrt bleibt. Der Schilderung der wunderschönen Landschaft wird viel Raum eingeräumt, natürlich sollen diese Cosy Crimes auch immer Lust auf einen Besuch in der Region machen.

Wenige Unstimmigkeiten könnten vielleicht in einer 2. Auflage noch korrigiert werden:
Das Alter des weiblichen Opfers sollte vereinheitlicht werden, am Anfang war sie 42, später dann 50 Jahre alt. Außerdem sind mir einige Rechtschreib- und Trennungsfehler aufgefallen.

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