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Veröffentlicht am 12.09.2023

Die Welt verändert sich

Mattanza
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Schon das Cover hatte mich sehr angesprochen. Ich fühlte den Blick der jungen Frau auf mich gerichtet, als ob sie mich aufforderte, mich mit dem Buch zu beschäftigen. Und tatsächlich konnte ich zu der ...

Schon das Cover hatte mich sehr angesprochen. Ich fühlte den Blick der jungen Frau auf mich gerichtet, als ob sie mich aufforderte, mich mit dem Buch zu beschäftigen. Und tatsächlich konnte ich zu der Insel schnell eine Verbindung aufbauen, weil wir sie schon einmal als Touristen von Trapani aus besucht hatten.
Wir hatten die Insel Katria als Favigniana kennengelernt und hatten den Tag dort sehr genossen. Umso erfreuter war ich, nun durch das Buch etwas über die Tradition des Thunfischfangs zu erfahren.
Die Mattanza ist eine alte Methode des Thunfischfangs. Obwohl diese im Laufe der Zeit viele typische Eigenschaften verloren hat, besitzt sie immer noch den Charme einer alten Zeremonie.
Die gesamte Prozedur wird vom Rais angeleitet. Er entscheidet, wann die Mattanza anfängt und wann sie aufhört, wann die Netze geöffnet und wann geschlossen werden sollen. Er ordnet die Position der Boote an, so dass sie den Eingang der Thunfische in das Todesnetz erleichtern.
Auf Katria hat die Familie Lombardo seit vielen Jahrhunderten den Rais gestellt, immer ging das Amt an einen männlichen Nachfolger weiter, der von seinem Vorgänger ausgebildet und angeleitet wurde.
Aber 1960 kommt anstatt eines Jungen ein weiteres Mädchen zur Welt und so wird Nora die erste Rais in der Geschichte Katrias. Ihr Großvater nimmt sich ihrer an, nimmt sie in sein Haus auf und bringt ihr alles bei, was sie wissen muss. Sie wird eine würdige Nachfolgerin und es ist nicht ihr anzulasten, dass die Welt sich ändert.
Vor allem ändern sich die Methoden des Fischfangs. Die kleinen Fischerboote kommen gegen die Hochseetrawler nicht an, die Thunfischschwärme waren schon abgefischt, bevor sie Katria überhaupt erreichen konnten. Und dieser gute Thunfisch geht zu einem sehr hohen Prozentsatz nach Japan. Italien erhält nur noch eine zweitklassige Qualität.
Es gab da außerdem Ereignisse, die in den letzten Jahrzehnten den Wandel im Mittelmeer beschleunigt haben, den Menschen einerseits ihre Lebensgrundlage nehmen, ihnen aber andererseits auch eine neue Grundlage bieten. Hier ist vor allem der Tourismus zu nennen.
Ganz aktuell sind Katria und Lampedusa auch durch die Flüchtlingsboote übers Mittelmeer bekannt geworden. Die Flüchtlingsströme gefährden nun schon wieder den gerade gut aufgenommenen Tourismus. „Wer kommt schon gerne auf eine Insel, auf der hinter Stacheldraht Hunderte von Menschen eingesperrt sind“.
Es waren aber auch noch andere Themen, die im Buch zwar nicht explizit angesprochen, aber dennoch unterschwellig behandelt wurden:
• Die Bedeutung von Tradition und althergebrachten Riten
• Die Rolle der Frau
• Die Unterschiede zwischen Besitzenden und Besitzlosen nicht nur in der Entscheidungshoheit über ihren Besitz sondern auch in der Hingabe an die Tradition
Nora hat sich der Tradition verschrieben, es war zwar nicht ihre Entscheidung Rais zu werden, aber sie trägt diese Entscheidung mit. Sie heiratet, aber es stellt sich kein Nachwuchs ein. Als ob der fehlende Stammhalter mit den ausbleibenden Thunfischen zusammenhängen würde.
Es ist ein sehr nachdenkliches Buch, ein Buch über die sich verändernde Welt, die selbst im letzten Zipfel Europas noch deutliche Spuren hinterlässt. Germana Fabiano schreibt wortgewaltig, ihre Beschreibungen lassen die Welt der Fischer vor den Augen des Lesers aufscheinen. Mir hat das Buch sehr gut gefallen und ich bin froh, darauf aufmerksam geworden zu sein. Bei nächster Gelegenheit werde ich es an Freude in Trapani weitergeben, die uns damals auf Favignana aufmerksam gemacht hatten.

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Veröffentlicht am 04.09.2023

Nach Regen folgt Sonnenschein

Rheinkinder
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Was für eine schöne Überraschung! Der Klappentext des Buches hatte mich angesprochen, weil ich am Rhein lebe und mir schon weit vielen Jahren wünsche, einmal mit einem Transportschiff den Rhein von Basel ...

Was für eine schöne Überraschung! Der Klappentext des Buches hatte mich angesprochen, weil ich am Rhein lebe und mir schon weit vielen Jahren wünsche, einmal mit einem Transportschiff den Rhein von Basel bis nach Holland herunterzufahren. Ich würde sogar Kartoffeln schälen 😊.

Die Erwartungen, einiges über das Leben an Bord zu erfahren, wurden auf jeden Fall erfüllt, auch wenn es Einblicke in die Vergangenheit waren. Diese Szenen spielen sich 1965 an Bord ab und beleuchten das Leben einer 5- köpfigen Familie, die Waren auf dem Rhein transportiert.

Die Logbucheinträge spielen in drei verschiedenen Zeiten:

1965 Unbeschwerte Kindheit auf der Lucetta
1990 Heimkehr nach Emmerich
2010 Verschrottung des Schiffes, Einladung zur Feier

Die Handlung ist aus der Sicht von Hanne geschrieben, einem von 3 Kindern des Kapitäns August Bremel. Sie erinnert sich an das Schicksalsjahr 1965, das für die Familie eigentlich alles änderte, sie denkt an 1990 zurück, als es zu einem weiteren großen Verlust kam, aber auch zu einer glücklichen Fügung und sie schließt 2010 mit der Verabschiedung des Schiffes Lucetta auf dem Schiffsfriedhof ab.

Dieser Wechsel zwischen den Zeiten lässt das Buch wie ein Puzzle erscheinen, neue Teile liefern neue Informationen und ergeben erst bei Abschluss ein vollständiges Bild.

Das Buch ist erstaunlicherweise auch spannend, damit hatte ich gar nicht gerechnet. Streckenweise bei den Ereignissen des Jahres 1990 liest es sich wie ein Krimi, nur dass die Polizei oder Ermittler nur am Rande auftauchen.

Es ist ein Buch, das letztendlich auch versöhnt. So schlimm die Ereignisse der Jahre 1965 und 1990 sind, so bleibt die Familie doch ein Rückhalt und vor allem die Oma kann mit ihrer reichen Lebens- und „Sprichworterfahrung“ traurige Situationen entschärfen und einem manchmal sogar bei Beerdigungen ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Hätte sie sich erinnert, so hätte sie vielleicht kommentiert: „Nach Regen kommt Sonnenschein“ und tatsächlich ist es ein kleines Mädchen, das der Familie wieder eine Perspektive und eine Zukunft gibt. Dass sie dann auch noch dem Metier treu bleibt, gibt dem Ganzen einen besonderen Abschluss. Die alte Zeit endet mit der Verschrottung der Lucetta und eine neue beginnt auf einem riesigen Containerschiff auf hoher See.

Wie schon zu Beginn erwähnt, habe ich das Buch genossen und war sehr positiv überrascht, dass es so viele Seiten hatte. Seiten nicht in Bezug auf die Buchlänge, sondern es war Familiengeschichte, Drama, Krimi, Biografie, alles in einem.

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Veröffentlicht am 29.08.2023

Wider Stolz und Starrsinn

Sturmjahre
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Lia Scott hat mit Sturmjahre „Das Versprechen einer neuen Zeit“ einen Roman geschrieben, der in Schottland nach dem 1. Weltkrieg spielt. Der Krieg ist vorbei und die überlebenden Soldaten kehren langsam ...

Lia Scott hat mit Sturmjahre „Das Versprechen einer neuen Zeit“ einen Roman geschrieben, der in Schottland nach dem 1. Weltkrieg spielt. Der Krieg ist vorbei und die überlebenden Soldaten kehren langsam nach Hause zurück. Allerdings hat nicht jeder den Krieg unbeschadet überstanden und so lernen wir einige kennen, die Folgen für das ganze Leben davongetragen haben.

Archie ist einer davon, er ist einer der Söhne der Familie Dennon, um die es in dieser Reihe geht. Aus Pflichtgefühl und Sorge hatte er seine beiden Brüder in den Krieg auf dem Kontinent begleitet, einem Freund rettete er mit einer gewagten Aktion das Leben, verlor dabei aber einen Arm.

Archie ist seit ewigen Zeiten in Vika verliebt, will ihr das aber nicht eingestehen. Am Anfang des Krieges hatte er Angst, sie zu früh zur Witwe zu machen, nun fühlt er sich als Krüppel und leidet weiterhin unter Albträumen.
Vika kam vor Jahren aus Glasgow. Archie hatte sie und ihre große Schwester Shona aus den Slums von Glasgow gerettet. Shona ging damals schon einem gewissen Gewerbe nach, Vika machte sich in Archies Pub nützlich, kochte und putzte. Weil Vika sich von Archie abgewiesen fühlte, gab sie dem Drängen eines anderen Verehrers nach und wurde schwanger.

Während Archie in Flandern kämpft, bringt sie den kleinen Arch zur Welt. Auch wenn es gar nicht Archies Sohn ist, baut sie mit dem Namen schon eine Brücke zu ihm auf und im Dorf ist man allgemein der Ansicht, dass er auch der Vater sei.

Es fällt den beiden ausgesprochen schwer, sich und dem jeweils anderen einzugestehen, dass sie ineinander verliebt sind und als es dann doch endlich passiert, ist es eine sehr fragile Beziehung, die schon nach wenigen Tagen wieder zerbricht.

Beide gehen durch ihre jeweilige Hölle, um endlich zur Einsicht zu kommen, aber das Nachdenken und das Zuhören haben sich gelohnt. Gefühle sind kein Zeichen von Schwäche und seine Albträume kann man nur überkommen, wenn man sich der Erinnerung stellt.

Gerade auch die Randinformationen waren interessant. Gorbals gibt es noch heute in Glasgow, aus dem Armenviertel ist heute ein modernes Quartier geworden. Außerdem fand ich es wichtig, dass Archie, als er seine eigene Krise endlich überwunden hatte, seinen nächsten Freunden und den Dorfbewohnern auf die Beine hilft. Er bewährt sich als Patriarch im besten Sinne. Nur so kann sich wirklich das Versprechen einer neuen Zeit erfüllen.

Glücklicherweise gibt es ein Happy End. Für mich war es ein Buch, das sich wunderbar gelesen hat, das man irgendwann gar nicht mehr aus der Hand legen wollte. Und durch den Bezug zur Nachkriegszeit nach 1918 in Schottland kamen auch Tiefgang und historische Bezüge dazu, auch wenn es natürlich in erster Linie ein Liebesroman war.

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Veröffentlicht am 04.08.2023

Mentale Stärke

Gegenwind
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Schon allein für die Leistung, Island mit dem Fahrrad zu umrunden, sind 5 von 5 Punkten angemessen und wenn man das auch noch macht, obwohl man gar nicht gerne mit dem Fahrrad unterwegs ist, ist es noch ...

Schon allein für die Leistung, Island mit dem Fahrrad zu umrunden, sind 5 von 5 Punkten angemessen und wenn man das auch noch macht, obwohl man gar nicht gerne mit dem Fahrrad unterwegs ist, ist es noch höher einzuschätzen.

Mentale Stärke war für diese Reise absolut vonnöten. Jess meinte zwar, diese Stärke hätte sich erst im Laufe der Tour entwickelt, aber als Sportlerin hatte sie schon vorher in Wettkämpfen bewiesen, dass sie kämpfen konnte und nicht gleich aufgab. Auch die Überwindung der Krankheit war ein Kampf und auch den hatte sie gewonnen und es zurück ins Leben geschafft. Nun also diese Fahrradtour, die mit solchen Schwierigkeiten begann und dann doch zu einer Reise zu sich selbst wurde. Noch am Flughafen habe ich mit ihr gebangt und mich über die Schikanen der Zollbeamten geärgert, aber dann ging es los. Von meiner Tochter weiß ich, dass Island ein tolles Land ist, sie hat fast ein ganzes Jahr arbeitend dort verbracht, hat dabei allerdings mehr den Süden kennengelernt. Aber manches aus dem Buch habe ich wiedererkannt, das Flugzeugwrack z. B. scheint eine beliebte Attraktion zu sein.

Fahrradfahren ist die beste Möglichkeit, um den Kopf freizubekommen. Es kann regelrechte Glückshormone freisetzen. Während der Kopf die neue Freiheit genießt, leidet allerdings der Körper unter den Strapazen. Man kann nicht mehr sitzen und mit der Zeit brennen die Muskeln und die Hände verkrampfen sich.

Tobi hat für Jess die richtige Balance gefunden. Seine Rolle während der Reise scheint mir ausgesprochen wichtig zu sein, ohne ihn hätte sie diese Reise vielleicht nicht zu einem Ende gebracht. Er wusste, wie und wann er motivieren musste, reagierte gelassen auf ihre Wutattacken, gönnte sich und ihr eine Pause, wenn es notwendig war. Ich hätte mir vielleicht gewünscht, dass auch er zum Schluss noch einmal zu Wort gekommen wäre.

Ein kleiner Verbesserungsvorschlag zum Schluss: Am Anfang sind mir einige Rechtschreibfehler aufgefallen, später habe ich dann nicht mehr so darauf geachtet. Aber man könnte vielleicht nochmal querlesen.



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Veröffentlicht am 24.07.2023

Immer wieder am Leuchtturm

Vom Ende der Nacht
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Will und Rosie – sie gehören zusammen und doch auch wieder nicht.
Als Teenager lernen sie sich kennen und obwohl Rosie so ganz anders ist als Wills sonstige Eroberungen verliebt er sich in sie und sie ...

Will und Rosie – sie gehören zusammen und doch auch wieder nicht.
Als Teenager lernen sie sich kennen und obwohl Rosie so ganz anders ist als Wills sonstige Eroberungen verliebt er sich in sie und sie sich in ihn. Sie würden es nicht so bezeichnen, aber sie gehen einander nicht aus dem Kopf und suchen die Nähe des jeweils anderen.
Und doch ist da immer etwas oder jemand, der ihr Zusammenkommen stört oder verhindert. Mal ist es Josh, Rosies Zwillingsbruder, dann Marley, Rosies Freundin. Und so vertrauen sie einander zwar von Anfang an, was Gefühle angeht, halten sich beide aber zurück. Dann passiert ein Unglück am Tag von Wills Geburtstag. Dieses Unglück wirft lange seinen Schatten auf die beiden.
Rosie lebt ein von anderen vorgegebenes Leben, ihre Mutter gibt vor, wie lange sie Klavier spielt, wie sie sich auf Klausuren vorbereitet, wie viel sie isst, wie viel Sport sie treibt und mit wem sie sich treffen darf. Will ist das Gegenteil, er lässt sich von niemandem in sein Leben hineinreden und macht, was ihm Freude macht. Lediglich seine Gran hat etwas Einfluss auf ihn.
Rosies Vernunft lässt sie immer wieder auseinandergehen. Sie hat ein Ziel vor Augen, sie will unbedingt in Oxford studieren, er lässt sich treiben und hat eigentlich nur Augen für sein Motorrad und seine Werkstatt. Und doch sind es die Gegensätze, die sie so zueinander ziehen.

Für mich stand Rosie sich die meiste Zeit selbst im Weg. Natürlich waren es auch die Erwartungen und Vorgaben ihrer Umgebung, die sie so handeln ließen, aber sie hatte sich von den falschen Vorgaben formen lassen. Will dagegen ist zwar ein Individualist und nicht immer sehr diplomatisch, aber er weiß, was er will.

Der Leuchtturm auf dem Cover passt wunderbar zum Buch, schließlich ist er Treffpunkt und Sehnsuchtsort zugleich.

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