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Veröffentlicht am 04.06.2024

Keine Morde in Torreira?

Südlich von Porto wartet die Schuld
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Mariana da Silva hat auch ihren zweiten Krimi südlich von Porto angesiedelt und wenn man die Gegend kennt, fühlt man sich sofort dort angekommen. Mir gefiel die Küste zwischen Lissabon und Porto sowieso ...

Mariana da Silva hat auch ihren zweiten Krimi südlich von Porto angesiedelt und wenn man die Gegend kennt, fühlt man sich sofort dort angekommen. Mir gefiel die Küste zwischen Lissabon und Porto sowieso noch besser als die Städte.

Der Wiedererkennungswert ist aber auch durch das Cover gesichert, auch hier zieren gelbe Azulejos die Vorderseite.

Ria Almeida ist zurück nach Torreira gezogen, ihren Job bei der Stuttgarter Polizei hat sie nach persönlichen Problemen aufgegeben und hilft nun ihrem Schwager, dem Dorfpolizisten Joao Pinto aus, sie vertritt seine hochschwangere Frau Mariposa.

Eigentlich gibt es in Torreira gar keine Morde, doch seit sie dort ist, häufen sie sich. Eine Gruppe Umweltschützer entdeckt im Naturschutzgebiet an der Küste eine Leiche, es ist zufällig der Richter, auf den ihr Kollege Baptista, der Kommissar aus Aveiro, dringend wartet.

Und so ermitteln die beiden wieder gemeinsam, erst widerstrebend, später immer effektiver und abgestimmter.

Die Ermittlungen nehmen viel Raum ein und sind kompliziert aber auch das Familienleben der Almeidas und Pintos kommt nicht zu kurz. Mariposa ist hochschwanger und mischt trotzdem noch überall mit, ihre Ideen bringen die Polizisten weiter. Rias Eltern reisen aus Stuttgart an und Ria hat das Glück, dass sich die ganze Verwandtschaft ihrer neu angemieteten Wohnung annimmt und diese renoviert und einrichtet. Sie ist viel zu tief in die Ermittlungen eingestiegen, sie hätte keine Zeit dafür gehabt.

Zwischen Ria und Baptista knistert es vernehmlich, dennoch bleibt das kollegiale Verhältnis gewahrt. Aber Baptista hat immerhin schon zugeben müssen, dass Ria für die kleine Polizeistation in Torreira überqualifiziert ist, vielleicht wird sie im nächsten Band zur gleichberechtigten Kollegin in Aveiro. So wären weitere gemeinsame Ermittlungen möglich, denn in Torreira gibt es ja keine Morde.

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Veröffentlicht am 11.05.2024

Umzug mit Hindernissen

Mord am Lago Maggiore
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Wir lernen Ludwig und Tabea kennen, die Kapitel sind aus der Sicht jeweils eines der beiden geschrieben. Sie wohnten bisher in Zürich und folgen nun der Einladung von Herbert, Ludwigs Vater, in seine Villa ...

Wir lernen Ludwig und Tabea kennen, die Kapitel sind aus der Sicht jeweils eines der beiden geschrieben. Sie wohnten bisher in Zürich und folgen nun der Einladung von Herbert, Ludwigs Vater, in seine Villa am Lago Maggiore nahe Ascona zu ziehen. Wir begleiten die beiden in ihren ersten Wochen im Zusammenleben mit Herbert. Herbert ist kein sympathischer alter Mann, er ist ausgesprochen schwierig im Umgang. Er hat immer Recht, zumindest sieht er es so, er ist mitleidlos und übergriffig. Und eines Tages findet Tabea ihn tot in seiner Wohnung.

Der herbeigerufene Arzt vermutet zu Recht Unregelmäßigkeiten, die Obduktion ergibt, dass er vergiftet wurde.

Tabea hatte wirklich keinen guten Draht zu ihrem Schwiegervater, aber Mord ist etwas, das der Aufklärung bedarf. Und da ihr Mann ständig mit der Kommissarin zusammenhängt und sie nicht an seinem Wissen teilhaben lässt, recherchiert sie auf eigene Faust.

Jeder, der in diesem Roman eine Rolle spielt, ist verdächtig oder hätte allen Grund gehabt, Herbert etwas Böses zu wünschen. Nach und nach tauchen Tabea und Ludwig in alte Geschichten ein, erfahren Dinge, die weit in der Vergangenheit liegen und trotzdem noch Einfluss auf die Gegenwart nehmen. Nachdem Ludwig dann auch noch für einige Zeit ausfällt, vergräbt sich Tabea vollends in ihre Verdächtigungen und sieht zum Schluss den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Und so kommt die Lösung als Überraschung, damit hatte keiner gerechnet, auch die Kriminalpolizei nicht.

Die Handlung spielt hauptsächlich in Ascona am Lago Maggiore. Herberts Villa hat Seeblick und bietet einen ausladenden Garten, den Tabea für ihren Gemüseanbau nutzt. Jemand, der selbst gern erntet, muss hier ganz neidisch werden, wie fruchtbar dieses Land ist. Aber es wird auch klar, dass nach mehr als 20 kg Zucchini der Ertrag zu einer Belastung werden kann.

Dennoch ist der Schauplatz für den Krimi natürlich traumhaft und die Autorin spart auch nicht mit Beschreibungen, die Lust auf eine neue Reise machen.

Die Beziehung zwischen Tabea und Ludwig ist sehr fein herausgearbeitet. Sie ist nach den vielen Jahren Ehe etwas in die Jahre gekommen, keiner bemüht sich, alles wird für selbstverständlich genommen. Trotzdem, dieser Fall führt doch dazu, dass Tabea eine gewisse Eifersucht verspürt, wenn sie ihren Mann im trauten Gespräch mit der Kommissarin beobachtet und er ihr später nicht davon berichtet. Tabeas Erwartungshaltung wird schon mal enttäuscht, wenn er mit „Bella Donna“ auf sie zukommt, sie sich als schöne Frau angesprochen fühlt und dann einsehen muss, dass er lediglich das Gift meinte, mit dem sein Vater umgebracht wurde.
Ganz anders ist die Reaktion aber, als Ludwig nach einem Autounfall erst mal im Koma liegt. Da zeigt sich dann doch, dass die lange Zeit zusammengeschweißt hat und die Zuneigung noch nicht erkaltet ist.

Einer positiven Erwähnung bedarf auch der feinsinnige Humor, der besonders in Gesprächen hervortritt, wo beide Gesprächspartner gute Miene zum bösen Spiel machen. Zwei Frauen, die einen Kampf ausfechten und sich doch ums Versprühen von Gelassenheit bemühen, wie im Gespräch zwischen Tabea und Kassandra, als diese sich noch als zukünftige Eigentümerin der Villa sieht.

Und schließlich spielt auch noch ein eher phlegmatischer Hund eine besondere Rolle. Bruno, Herberts Hund, der nach seinem Tod von Tabea und Ludwig aufgenommen wird, zeigt ganz zum Schluss, was er kann und bedankt sich auf seine Weise dafür, dass er mit den beiden eine neue Familie gefunden hat. Wie gut, dass Kassandra ihn dann doch nicht haben wollte.



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Veröffentlicht am 09.05.2024

Das Wattenmeer als Selbstbedienungsladen

Marconi und der tote Krabbenfischer
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Massimo Marconi zieht nach dem Tod seines Bruders von München, der "nördlichsten Stadt Italiens" nach St. Peter Ording und „erbt“ dessen Kinder Stefano und Klara, die vor einigen Jahren auch schon die ...

Massimo Marconi zieht nach dem Tod seines Bruders von München, der "nördlichsten Stadt Italiens" nach St. Peter Ording und „erbt“ dessen Kinder Stefano und Klara, die vor einigen Jahren auch schon die Mutter verloren haben. Er versieht seinen Dienst ab sofort als Leiter einer viel kleineren Polizeidienststelle, als er das bisher gewohnt war.

Kurz nach seinem Amtsantritt wird ein Krabbenfischer mit einer Harpune erschossen. Zuständig sind die Kripo-Kollegen in Flensburg, die arrogant auf die „Dorfbullen“ vor Ort herabsehen. Für Massimo ist es zunächst fremd, nun nur noch Zubringer für die Kripo-Kollegen zu sein. Schließlich war er in München selbst Ermittler und konnte über eine größere Mannschaft verfügen.

Aber da ist nicht nur sein Beruf, da sind vor allem die beiden Kinder seines verstorbenen Bruders. Mit viel Einfühlungsvermögen schildert Daniele Palu die Situation, als Massimo die Vormundschaft über Neffe und Nichte übernimmt. Massimo tut sich schwer mit der plötzlichen Verantwortung. Er vermisst München, er vermisst seinen Freundeskreis, er vermisst vor allen Dingen das sonnige Wetter und seine Freiheit. Aber auch die Kinder sind misstrauisch. Sie machen ihm klar, dass er sich bislang kaum Mühe gegeben hat, sie überhaupt kennenzulernen. Vor allem die ältere Schwester, die schon am Rande der Pubertät steht, begegnet ihm mit Vorbehalt.

Marconi merkt schnell, dass er den Kindern bei manchen Themen auch entgegenkommen muss. Und tatsächlich kann er auch nachgeben und einfühlsam reagieren, eine abgestürzte Möwe wird nicht im Mülleimer entsorgt, sondern begraben, inklusive Trauerrede, die dann fatal an sein gestörtes Verhältnis zu seinem Bruder erinnert. Diese Trauerrede war für mich der Wendepunkt in der Beziehung zu den Kindern, ab dem Zeitpunkt wurde es einfacher. Er kocht sich in ihr Herz (wobei mir nicht nur das Rezept, sondern allein schon die Bezeichnung Spaghetti Crabbonara gut gefallen haben), beteiligt sie an vielen Aktionen und fährt sie, nachdem sein Auto in Brand gesetzt wurde, mit der Vespa zur Schule. Das finden beide Kinder chic. Es ist spürbar, dass sie Vertrauen zu ihm aufbauen. Dem Autor gelingt es wunderbar, gerade auch die Altersunterschiede bei den Kindern in ihrem Verhalten einzufangen, Stefano ist noch viel kindlicher und vertrauensseliger, Klara hingegen schon an der Grenze zum Erwachsenwerden und entsprechend zurückhaltender.

Gut herausgearbeitet ist übrigens auch die je nach Alter unterschiedliche Herangehensweise an Umweltprobleme, das Drängen der jungen Generation, hier endlich Lösungen zu finden, und ungeduldig zu werden, wenn sich nicht schnell etwa verändert.

Das Verhältnis zu den Mitarbeitern ist zu Anfang von Marconis Seite von Zurückhaltung geprägt. Da sagt man den Norddeutschen immer eine gewisse Distanz nach, hier scheint es umgekehrt zu sein. Massimo wird von jedem geduzt, er selbst hätte sich etwas mehr Abstand gewünscht. Er merkt aber schnell, dass er mit Jens und Eva wunderbare Mitarbeiter bekommen hat und passt sich dann auch an. Auch wenn Jens zu Anfang sehr betonte, dass eine Einmischung in Flensburger Angelegenheiten zu Schwierigkeiten führen könnte, so ist er später gerne bereit, hier auch ein Risiko einzugehen. Dafür ist der Fall einfach zu spannend.

Der Kriminalfall eskaliert insofern, als dem toten Krabbenfischer Zehntausende toter Heringe folgen und wenige Tage später der bis dahin flache Strand plötzlich steile Abbruchkanten aufweist. Die bisherigen Verdächtigen passen nicht in diese Abfolge, noch ist keine Spur zu entdecken.

Die Lösung des Falles kam für mich überraschend, diese Wendung hatte ich nicht vorhergesehen. Und zum Schluss wurde es dann noch einmal richtig spannend, inklusive eines gewissen Cliffhängers zum im nächsten Jahr erscheinenden zweiten Band, auf den ich mich jetzt schon freue.

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Veröffentlicht am 30.04.2024

Wohlfühlbuch und Schicksalsroman

Café Alba
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Das Cover des Buches stimmt auf die Handlung ein. Auf dem Bild finden wir Kakao, daneben Haselnüsse, die im Buch eine wichtige Rolle spielen, also Zutaten, mit denen sich die Crema Piemontese herstellen ...

Das Cover des Buches stimmt auf die Handlung ein. Auf dem Bild finden wir Kakao, daneben Haselnüsse, die im Buch eine wichtige Rolle spielen, also Zutaten, mit denen sich die Crema Piemontese herstellen lässt. Das Braun der Nüsse und der Schokolade und die türkise Keramik passen sehr harmonisch zusammen, beides sind warme Farben und dieser Eindruck hält sich auch beim Lesen. Man taucht in eine angenehme, warme Atmosphäre ein.

Die 16jährige Francesca wird von ihren Eltern als Hausmädchen zu der Familie Milani nach Alba geschickt. Die Familie betreibt ein gutgehendes Café, das Café Alba.
Neben ihren Aufgaben im Haushalt der Familie lernt sie dank dem Sohn der Familie auch die Backstube kennen und ist fasziniert davon. Mit Matteo verbindet sie bald mehr als nur Freundschaft und sie ist stolz, ihn mit ihren Ideen und ihrer Hände Arbeit unterstützen zu können. Aber als Hausmädchen kann sie sich kaum Hoffnungen auf den Sohn der Inhaberfamilie machen, das passt vom Status her gar nicht zusammen.

Nach dem plötzlichen Tod des Vaters findet die Familie heraus, dass horrende Schulden bestehen und dass die Bank ihnen die Kredite kündigen will. Eine einflussreiche Familie, die ihre Tochter eigentlich mit Matteo verheiraten wollte, steht bereits als Käufer bereit. Den Biancos schwebte schon lange vor, sich das gutgehende Café einzuverleiben und die Milanis auszuschalten.

Diese Gefahr von außen schweißt Matteo und Francesca noch enger zusammen, ihr neues Produkt, die Crema Piemontese, hergestellt aus Nüssen der Region und Schokolade, wird schnell ein Renner und ist uns auch heute noch unter anderem Namen bestens bekannt.

Das Buch liest sich sehr flüssig und gut, auch wenn Schicksalsschläge nicht ausbleiben. Es ist ein steiniger und langer Weg zum Erfolg. Wenn Matteo und Francesca glauben, es endlich geschafft zu haben, tun sich an anderer Stelle wieder Schwierigkeiten auf. Und dennoch - die Hoffnung stirbt nie!
Im letzten Abschnitt wird das Buch noch einmal richtig dramatisch. Und hier zeigt sich Francescas Stärke ganz besonders. Ich habe mir ihr gelitten und mich später mit ihr gefreut, dass sie es als Frau auch ganz allein, wenn auch mit guten Mitarbeitern, schaffte, den Betrieb zu halten und weiterhin erfolgreich zu führen.

Das Buch ist auf mindestens zwei Teile angelegt und im Sommer soll es mit Teil 2 weitergehen. Es endet insofern versöhnlich, als sich zum Schluss eine neue Liebesgeschichte für Francesca andeutet. Aber ich gehe davon aus, dass die Widersache aus dem ersten Band uns auch in Band 2 weiter begleiten werden.

Ich würde das Buch als Wohlfühlschmöker, aber auch als Schicksalsroman bezeichnen. Francesca wird schon in ganz jungen Jahren Witwe, sie hat ihre Ehe kaum genießen können, zumal Matteo und sie schon so viele Widerstände überwinden mussten. Diese Verbindung bestand in erster Linie aus Arbeit und Sorgen, allerdings war geteiltes Leid auch halbes Leid.



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Veröffentlicht am 23.04.2024

Man kann die Geschichte auch immer in eine andere Richtung drehen

Yellowface
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Das Buch verfügt über ein aufmerksamkeitsstarkes Cover in leuchtendem Gelb mit mandelförmigen Augen, dazu einen passenden Farbschnitt.

Interessant wird es aber, wenn man den Schutzumschlag entfernt. Es ...

Das Buch verfügt über ein aufmerksamkeitsstarkes Cover in leuchtendem Gelb mit mandelförmigen Augen, dazu einen passenden Farbschnitt.

Interessant wird es aber, wenn man den Schutzumschlag entfernt. Es ist mir nur durch Zufall aufgefallen, dass, passend zum Inhalt des Buches, dort eine andere Autorin und ein anderer Titel genannt sind. Und so taucht man, bevor man überhaupt mit dem Lesen beginnt, schon mal in die Thematik ein. Es geht um ein entwendetes Manuskript, das unter einem anderen Namen später veröffentlicht wird.

Doch zum Anfang:

June Hayward hat Literaturwissenschaft und Schreiben studiert und hätte gern schon mit ihrem ersten Roman einen Erfolg gelandet. Das hat nicht geklappt, er erlebte keine zweite Auflage. Seit Studienzeiten ist sie bekannt mit Athena, Tochter chinesischer Einwanderer. Athena hat den Erfolg, den June sich wünscht, ihr erstes Buch wird ein Bestseller und seither reißen sich die Verlage um ihre Neuerscheinungen. Als Athena bei einem Unfall stirbt, ist June Augenzeugin und handelt impulsiv. Sie stiehlt Athenas gerade vollendetes Manuskript und veröffentlicht es nach mehreren Bearbeitungsdurchläufen unter einem Pseudonym.

Thema des Buches sind chinesische Soldaten, die während des 1. Weltkrieges auf Seiten der Alliierten kämpfen und dabei sehr viel Ausgrenzung und Rassismus erfahren.

Zunächst einmal scheint es auf dem Buchmarkt wichtig zu sein, trendige Themen zu bedienen. Rassismus ist ein solches Thema und es wird noch interessanter, wenn lange vergangene und selten thematisierte Ereignisse damit verbunden sind.

June, die sich ab der Veröffentlichung von Athenas Buch Juniper nennt, argumentiert, dass sie dem Buch überhaupt erst eine Leserschaft ermöglicht. Es wäre sonst im Nachlass verschwunden, niemand hätte sich je danach erkundigt. Sie hat außerdem noch zusammen mit einer Lektorin monatelang daran gearbeitet, hat Passagen gekürzt, andere erklärend hinzugefügt und so ist es ein Gemeinschaftswerk geworden. Die Idee und das Grundgerüst kamen allerdings von Athena und June unterlässt es, diesen wichtigen Punkt zu erwähnen.

June hatte lange gemutmaßt, dass junge weiße Frauen auf dem Buchmarkt als Autorinnen wenig nachgefragt seien. Sie hatte es darauf zurückgeführt, dass sie keinen besonderen Werdegang, keine Verfolgung in ihrer Vita vorweisen konnte und somit für die Buchwelt uninteressant sei. Später beschwert sich eine ihrer Kontrahentinnen genau über das Gegenteil. Sie habe kein Gehör gefunden, weil man mit Athena ja bereits eine Amerikanerin mit asiatischen Wurzeln unter Vertrag habe.

Dieses Buch allerdings schlägt ein, also muss es doch am Thema oder Inhalt liegen. Ohne große Schwierigkeiten findet sie einen namhaften Verlag und alle Unterstützung, die sie sich schon für ihr eigenes Buch gewünscht hätte. Es gibt eine mit viel Marketingmaßnahmen unterstützte Einführungskampagne, öffentliche Lesungen, Nominierungen für Buchpreise, Juniper ist einfach in aller Munde.

Aber wo Licht ist, da ist meistens auch Schatten. Erste Kritiker merken an, dass sie keinen chinesischen Hintergrund habe und daher nicht über dieses Thema authentisch schreiben könne.

Andere werfen ihr doch tatsächlich vor, sich bei Athenas Ideen bedient zu haben.

Als plötzlich noch Athenas Exfreund als Athenas Geist im Internet auftaucht ist es mit ihrer Ruhe vollends vorbei.

Ich hätte recht lange ihrer eigenen Erklärung folgen können, dass sie diesem Buch zu einer Leserschaft verholfen hat. Natürlich wäre es ehrlicher gewesen, Athenas Namen als Verfasserin dann auch zu nennen, zumal ihr das eine Menge Ärger erspart hätte. June aber hangelt sich von einer Lüge zur nächsten und macht die ganze Sache damit immer nur noch schlimmer. Ihre Kontrahentinnen schweigen nicht, im Internet tobt der Shitstorm und June kann ihre Augen nicht von den Einträgen bei Instagram oder Twitter lassen. Sie ist regelrecht süchtig danach, zu erfahren, was andere über sie denken und schreiben.

Ich bin selbst weder bei Facebook, Instagram noch Twitter aktiv und nach der Lektüre des Buches bin ich auch froh darüber. Es scheint mir, als ob jede Stimme auch eine Gegenstimme provozieren würde und der Ton ist äußerst rauh und verletzend. Kein Wunder, dass June mit der Zeit an Verfolgungswahn leidet, zumal ihr ehemalige Kritikerinnen immer mehr zusetzen. Nicht, um Athena Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, ganz im Gegenteil: es geht lediglich um das eigene Ego und um das erhoffte große Einkommen.

Irgendwie schien mir die Verlagswelt ein Haifischbecken zu sein, ein Fressen oder gefressen werden. Und so endet das Buch dann auch: Bei so viel Publicity hilft nur, immer wieder Öl ins Feuer zu gießen, um die Flamme brennen zu lassen. Keine wirklich guten Aussichten, aber sie rentieren sich.

Es sind eine ganze Reihe gerade aktueller Themen oder Streitpunkte, die ihren Niederschlag im Buch finden:

.Cancel Culture (Ächtung von vermeintlichem Fehlverhalten)
.Gendern (geschlechterbewusster Sprachgebrauch um die Gleichbehandlung aller Geschlechter/Identitäten zum Ausdruck zu bringen) - wird im Buch konsequent verfolgt
.Kulturelle Aneignung
.Rassismus
.Umgekehrter Rassismus

Ich fand das Buch sehr lesenswert, es arbeitet noch mit mir, vielleicht lese ich es in einigen Monaten ein zweites Mal.

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