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Veröffentlicht am 09.05.2024

Das Wattenmeer als Selbstbedienungsladen

Marconi und der tote Krabbenfischer
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Massimo Marconi zieht nach dem Tod seines Bruders von München, der "nördlichsten Stadt Italiens" nach St. Peter Ording und „erbt“ dessen Kinder Stefano und Klara, die vor einigen Jahren auch schon die ...

Massimo Marconi zieht nach dem Tod seines Bruders von München, der "nördlichsten Stadt Italiens" nach St. Peter Ording und „erbt“ dessen Kinder Stefano und Klara, die vor einigen Jahren auch schon die Mutter verloren haben. Er versieht seinen Dienst ab sofort als Leiter einer viel kleineren Polizeidienststelle, als er das bisher gewohnt war.

Kurz nach seinem Amtsantritt wird ein Krabbenfischer mit einer Harpune erschossen. Zuständig sind die Kripo-Kollegen in Flensburg, die arrogant auf die „Dorfbullen“ vor Ort herabsehen. Für Massimo ist es zunächst fremd, nun nur noch Zubringer für die Kripo-Kollegen zu sein. Schließlich war er in München selbst Ermittler und konnte über eine größere Mannschaft verfügen.

Aber da ist nicht nur sein Beruf, da sind vor allem die beiden Kinder seines verstorbenen Bruders. Mit viel Einfühlungsvermögen schildert Daniele Palu die Situation, als Massimo die Vormundschaft über Neffe und Nichte übernimmt. Massimo tut sich schwer mit der plötzlichen Verantwortung. Er vermisst München, er vermisst seinen Freundeskreis, er vermisst vor allen Dingen das sonnige Wetter und seine Freiheit. Aber auch die Kinder sind misstrauisch. Sie machen ihm klar, dass er sich bislang kaum Mühe gegeben hat, sie überhaupt kennenzulernen. Vor allem die ältere Schwester, die schon am Rande der Pubertät steht, begegnet ihm mit Vorbehalt.

Marconi merkt schnell, dass er den Kindern bei manchen Themen auch entgegenkommen muss. Und tatsächlich kann er auch nachgeben und einfühlsam reagieren, eine abgestürzte Möwe wird nicht im Mülleimer entsorgt, sondern begraben, inklusive Trauerrede, die dann fatal an sein gestörtes Verhältnis zu seinem Bruder erinnert. Diese Trauerrede war für mich der Wendepunkt in der Beziehung zu den Kindern, ab dem Zeitpunkt wurde es einfacher. Er kocht sich in ihr Herz (wobei mir nicht nur das Rezept, sondern allein schon die Bezeichnung Spaghetti Crabbonara gut gefallen haben), beteiligt sie an vielen Aktionen und fährt sie, nachdem sein Auto in Brand gesetzt wurde, mit der Vespa zur Schule. Das finden beide Kinder chic. Es ist spürbar, dass sie Vertrauen zu ihm aufbauen. Dem Autor gelingt es wunderbar, gerade auch die Altersunterschiede bei den Kindern in ihrem Verhalten einzufangen, Stefano ist noch viel kindlicher und vertrauensseliger, Klara hingegen schon an der Grenze zum Erwachsenwerden und entsprechend zurückhaltender.

Gut herausgearbeitet ist übrigens auch die je nach Alter unterschiedliche Herangehensweise an Umweltprobleme, das Drängen der jungen Generation, hier endlich Lösungen zu finden, und ungeduldig zu werden, wenn sich nicht schnell etwa verändert.

Das Verhältnis zu den Mitarbeitern ist zu Anfang von Marconis Seite von Zurückhaltung geprägt. Da sagt man den Norddeutschen immer eine gewisse Distanz nach, hier scheint es umgekehrt zu sein. Massimo wird von jedem geduzt, er selbst hätte sich etwas mehr Abstand gewünscht. Er merkt aber schnell, dass er mit Jens und Eva wunderbare Mitarbeiter bekommen hat und passt sich dann auch an. Auch wenn Jens zu Anfang sehr betonte, dass eine Einmischung in Flensburger Angelegenheiten zu Schwierigkeiten führen könnte, so ist er später gerne bereit, hier auch ein Risiko einzugehen. Dafür ist der Fall einfach zu spannend.

Der Kriminalfall eskaliert insofern, als dem toten Krabbenfischer Zehntausende toter Heringe folgen und wenige Tage später der bis dahin flache Strand plötzlich steile Abbruchkanten aufweist. Die bisherigen Verdächtigen passen nicht in diese Abfolge, noch ist keine Spur zu entdecken.

Die Lösung des Falles kam für mich überraschend, diese Wendung hatte ich nicht vorhergesehen. Und zum Schluss wurde es dann noch einmal richtig spannend, inklusive eines gewissen Cliffhängers zum im nächsten Jahr erscheinenden zweiten Band, auf den ich mich jetzt schon freue.

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Veröffentlicht am 02.05.2024

Auf die Pfoten, fertig, los!

Mord am Saar-Hunsrück-Steig
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Günther ziert das Cover dieses Wander-Krimis von Marion Demme-Zech. Günther ist Polizei-Dackel.

Allerdings war das Leben auf der Polizeistation in den letzten Jahren etwas zu gut, Leckerlis und mehr Streicheleinheiten ...

Günther ziert das Cover dieses Wander-Krimis von Marion Demme-Zech. Günther ist Polizei-Dackel.

Allerdings war das Leben auf der Polizeistation in den letzten Jahren etwas zu gut, Leckerlis und mehr Streicheleinheiten (gegen die auch nichts einzuwenden ist) als lange Spaziergänge und so ist Günther mittlerweile 1,5 kg schwerer als bei seiner letzten Tierarztuntersuchung.

Toni Kuppertz ist verdiente Kommissarin und die Kommission hat sich lange Gedanken um ein Geburtstagsgeschenk für sie gemacht. Bis dann die Hundetrainerin mit dem passenden Vorschlag um die Ecke kam: ein Wanderurlaub auf dem Saar-Hunsrück-Steig, zusammen mit Günther. Die Begeisterung von Toni hält sich in engen Grenzen, aber alle Ausreden hatten die Kollegen vorher schon aus dem Weg geräumt. Und so geht es mit 7 weiteren Wanderern auf den Weg.

Die Idee eines Wanderkrimis fand ich schon mal gut. Einzelne Streckenabschnitte sind auch ausführlich beschrieben, auch wenn nicht jeder Wanderer so verwöhnt werden kann, wie unsere Gruppe im Krimi. Aber beispielsweise die Villa Borg bietet einiges an Events an, so wie es auch unsere Freunde im Krimi erlebt haben.

Das Buch ist so geschrieben, dass immer andere Teilnehmer der Wanderrunde zu Wort kommen, selbst Günther beteiligt sich rege mit seinen Gedanken, die sich naturgemäß um die gute Versorgung und die langen Strecken drehen. Toni ist da eher mitleidlos, glücklicherweise gelingt es Günther aber früh, sich bei den anderen einzuschleimen und so fällt immer mal wieder etwas für ihn ab. Die Passagen mit Günther sind lobend zu erwähnen, sie geben dem Buch eine besondere Leichtigkeit.

Die Dynamik innerhalb der Gruppe ist gut beschrieben, da gibt es die vorlauten Alphatiere und die zurückhaltenden, die erstmal wenig von sich preisgeben.

Als Fotograf ist der Organisator der Reise, Felix Brecht, mit auf dem Weg, ein arroganter Typ, der sich für den größten Marketing-Strategen aller Zeiten hält. Schon auf den ersten Etappen geschehen merkwürdige Dinge. Hier ergeben sich die ersten Fragezeichen. Wer will die Wandertour torpedieren? Hat da jemand Einwände gegen Brechts große Pläne, das Saarland und die Region um Morbach in ein Ferienparadies für Superreiche zu verwandeln. Oder steckt ganz was anderes dahinter?

Was den Verlauf der Handlung selbst angeht, so hatte ich zeitweise das Gefühl, dass es in einen Gemeinschaftsmord münden wird. So zufällig zusammengewürfelt war die Gruppe nämlich nicht, jeder hatte wenigstens ein Hühnchen mit dem smarten Organisator der Reise Felix Brecht zu rupfen. Lediglich Tony und Günther hatte es zufällig zu der Gruppe verschlagen.

Merkwürdig und einer Überprüfung würdig war aber auf jeden Fall das Verhalten von Kolas Frau Antje. Wer lässt es denn zu, dass der Göttergatte in Untersuchungshaft gerät und man selbst wandert seelenruhig weiter? Was mich außerdem ein wenig störte, war, dass die vielen Toten und Verletzten am Weg so als Kollateralschaden abgetan wurden. Da hätte ich auch erwartet, dass die Polizei sehr viel stärker eingreift.

Toni war nicht so ganz mein Fall, obgleich sie als Polizistin sicher einen ganz guten Job macht. Weder schien sie eine besondere Beziehung zu Günther zu haben, noch wusste sie, was sie im Privatleben wollte oder nicht wollte. Ihr on und off mit Jan-Alexander habe ich jedenfalls nicht so ganz verstanden. Da musste man schon ein dickes Fell haben, aber wie beschrieb es Günther in Bezug auf Joshi so schön: Seine Hartnäckigkeit hat gesiegt. Aber diese Liebesbeziehung wäre im Krimi auch verzichtbar gewesen.

Insgesamt vergebe ich mit den 4 Punkten gerne eine Leseempfehlung und bedanke mich für die Anregung, selbst einmal den Wanderweg in Angriff zu nehmen.

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Veröffentlicht am 30.04.2024

Wohlfühlbuch und Schicksalsroman

Café Alba
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Das Cover des Buches stimmt auf die Handlung ein. Auf dem Bild finden wir Kakao, daneben Haselnüsse, die im Buch eine wichtige Rolle spielen, also Zutaten, mit denen sich die Crema Piemontese herstellen ...

Das Cover des Buches stimmt auf die Handlung ein. Auf dem Bild finden wir Kakao, daneben Haselnüsse, die im Buch eine wichtige Rolle spielen, also Zutaten, mit denen sich die Crema Piemontese herstellen lässt. Das Braun der Nüsse und der Schokolade und die türkise Keramik passen sehr harmonisch zusammen, beides sind warme Farben und dieser Eindruck hält sich auch beim Lesen. Man taucht in eine angenehme, warme Atmosphäre ein.

Die 16jährige Francesca wird von ihren Eltern als Hausmädchen zu der Familie Milani nach Alba geschickt. Die Familie betreibt ein gutgehendes Café, das Café Alba.
Neben ihren Aufgaben im Haushalt der Familie lernt sie dank dem Sohn der Familie auch die Backstube kennen und ist fasziniert davon. Mit Matteo verbindet sie bald mehr als nur Freundschaft und sie ist stolz, ihn mit ihren Ideen und ihrer Hände Arbeit unterstützen zu können. Aber als Hausmädchen kann sie sich kaum Hoffnungen auf den Sohn der Inhaberfamilie machen, das passt vom Status her gar nicht zusammen.

Nach dem plötzlichen Tod des Vaters findet die Familie heraus, dass horrende Schulden bestehen und dass die Bank ihnen die Kredite kündigen will. Eine einflussreiche Familie, die ihre Tochter eigentlich mit Matteo verheiraten wollte, steht bereits als Käufer bereit. Den Biancos schwebte schon lange vor, sich das gutgehende Café einzuverleiben und die Milanis auszuschalten.

Diese Gefahr von außen schweißt Matteo und Francesca noch enger zusammen, ihr neues Produkt, die Crema Piemontese, hergestellt aus Nüssen der Region und Schokolade, wird schnell ein Renner und ist uns auch heute noch unter anderem Namen bestens bekannt.

Das Buch liest sich sehr flüssig und gut, auch wenn Schicksalsschläge nicht ausbleiben. Es ist ein steiniger und langer Weg zum Erfolg. Wenn Matteo und Francesca glauben, es endlich geschafft zu haben, tun sich an anderer Stelle wieder Schwierigkeiten auf. Und dennoch - die Hoffnung stirbt nie!
Im letzten Abschnitt wird das Buch noch einmal richtig dramatisch. Und hier zeigt sich Francescas Stärke ganz besonders. Ich habe mir ihr gelitten und mich später mit ihr gefreut, dass sie es als Frau auch ganz allein, wenn auch mit guten Mitarbeitern, schaffte, den Betrieb zu halten und weiterhin erfolgreich zu führen.

Das Buch ist auf mindestens zwei Teile angelegt und im Sommer soll es mit Teil 2 weitergehen. Es endet insofern versöhnlich, als sich zum Schluss eine neue Liebesgeschichte für Francesca andeutet. Aber ich gehe davon aus, dass die Widersache aus dem ersten Band uns auch in Band 2 weiter begleiten werden.

Ich würde das Buch als Wohlfühlschmöker, aber auch als Schicksalsroman bezeichnen. Francesca wird schon in ganz jungen Jahren Witwe, sie hat ihre Ehe kaum genießen können, zumal Matteo und sie schon so viele Widerstände überwinden mussten. Diese Verbindung bestand in erster Linie aus Arbeit und Sorgen, allerdings war geteiltes Leid auch halbes Leid.



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Veröffentlicht am 25.04.2024

Rätselhafter Leichenfund in Corniglia

Azzurro mortale
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Azzurro Mortale ist mein zweiter Krimi von Andrea Bonetto und ich fand es zunächst einmal sehr schön, wieder zurück in Ligurien zu sein, auch wenn einen die vielen Stufen hoch und runter schon beim Lesen ...

Azzurro Mortale ist mein zweiter Krimi von Andrea Bonetto und ich fand es zunächst einmal sehr schön, wieder zurück in Ligurien zu sein, auch wenn einen die vielen Stufen hoch und runter schon beim Lesen ins Schwitzen bringen.

Vito Grassi ist seit einigen Monaten an der ligurischen Küste, wo er das Haus seines verstorbenen Vaters mitsamt einer jungen Frau geerbt hat. Toni hatte damals mit seinem Vater zusammengelebt und pflegt Garten und Olivenhain. Außerdem ist sie eine gute Köchin und war ihm im ersten Band eine Brücke zu seinem Vater, mit dem er zu Lebzeiten wenig Kontakt pflegte.

Gerade sind Vitos Frau und Sohn zu Besuch und die drei erkunden die malerischen Dörfer entlang der Küste. Ein Anruf beendet diesen Anruf abrupt, vor Corniglia wurde eine Leiche im Wasser treibend gefunden.

Chiara weiß zwar von Tonis Existenz, hatte aber keine Ahnung, dass die beiden sich das Haus immer noch teilen. Verschnupft reist sie kurzentschlossen ab, als sie Toni in der Nähe des Fundorts der Leiche kennengelernt hat.

Somit kann Vito sich ganz auf den neuen Fall konzentrieren und der gibt Rätsel auf. Weder die Identität des jungen Mannes, noch die Todesursache lassen sich zunächst einfach bestimmen. Erst eine Einladung zu einem Rechtsanwalt nach Genua bringt erstes Licht in das Dunkel. Und diesem Licht folgen Grassi und seine Kollegin Ricci nun konsequent. Es führt sie zu Drogengeschäften, korrupten Baukonzernen und sogar der Mafia und die Ermittlungen sind alles andere als ungefährlich.

Gut fand ich, dass der Krimi auf realen Begebenheiten aufbaut, im Nachwort gibt der Autor dem Leser noch Informationen zu den zugrundeliegenden tatsächlichen Geschehnissen, die Ermittlungen Grassis und Riccis sind natürlich Fiktion.

Ricci und Grassi sind mittlerweile gut aufeinander eingespielt, beharken sich zwar noch hin und wieder ein wenig, aber das ist eher nett gemeint. Schön ist die Szene mit Anton, dem Drogenhund, hier blitzt der Humor des Autors durch, als Anton auch noch die Drogensorte benennen soll.:)

Typisch italienisch scheint mir die Liebe zu schönen Autos zu sein, nur sollte man sie vielleicht nicht gerade Grassi anvertrauen.

Wie in einem Cozy Crime üblich, spielen familiäre Beziehungen mit in die Handlung hinein. Die Zukunft von Vitos und Chiaras Ehe steht auf dem Spiel, Vito wünscht sich, seine platonische Freundin Toni in seiner Nähe zu haben, aber das muss zwischen ihm und Chiara geklärt werden. Vielleicht im nächsten Fall?!

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Veröffentlicht am 23.04.2024

Man kann die Geschichte auch immer in eine andere Richtung drehen

Yellowface
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Das Buch verfügt über ein aufmerksamkeitsstarkes Cover in leuchtendem Gelb mit mandelförmigen Augen, dazu einen passenden Farbschnitt.

Interessant wird es aber, wenn man den Schutzumschlag entfernt. Es ...

Das Buch verfügt über ein aufmerksamkeitsstarkes Cover in leuchtendem Gelb mit mandelförmigen Augen, dazu einen passenden Farbschnitt.

Interessant wird es aber, wenn man den Schutzumschlag entfernt. Es ist mir nur durch Zufall aufgefallen, dass, passend zum Inhalt des Buches, dort eine andere Autorin und ein anderer Titel genannt sind. Und so taucht man, bevor man überhaupt mit dem Lesen beginnt, schon mal in die Thematik ein. Es geht um ein entwendetes Manuskript, das unter einem anderen Namen später veröffentlicht wird.

Doch zum Anfang:

June Hayward hat Literaturwissenschaft und Schreiben studiert und hätte gern schon mit ihrem ersten Roman einen Erfolg gelandet. Das hat nicht geklappt, er erlebte keine zweite Auflage. Seit Studienzeiten ist sie bekannt mit Athena, Tochter chinesischer Einwanderer. Athena hat den Erfolg, den June sich wünscht, ihr erstes Buch wird ein Bestseller und seither reißen sich die Verlage um ihre Neuerscheinungen. Als Athena bei einem Unfall stirbt, ist June Augenzeugin und handelt impulsiv. Sie stiehlt Athenas gerade vollendetes Manuskript und veröffentlicht es nach mehreren Bearbeitungsdurchläufen unter einem Pseudonym.

Thema des Buches sind chinesische Soldaten, die während des 1. Weltkrieges auf Seiten der Alliierten kämpfen und dabei sehr viel Ausgrenzung und Rassismus erfahren.

Zunächst einmal scheint es auf dem Buchmarkt wichtig zu sein, trendige Themen zu bedienen. Rassismus ist ein solches Thema und es wird noch interessanter, wenn lange vergangene und selten thematisierte Ereignisse damit verbunden sind.

June, die sich ab der Veröffentlichung von Athenas Buch Juniper nennt, argumentiert, dass sie dem Buch überhaupt erst eine Leserschaft ermöglicht. Es wäre sonst im Nachlass verschwunden, niemand hätte sich je danach erkundigt. Sie hat außerdem noch zusammen mit einer Lektorin monatelang daran gearbeitet, hat Passagen gekürzt, andere erklärend hinzugefügt und so ist es ein Gemeinschaftswerk geworden. Die Idee und das Grundgerüst kamen allerdings von Athena und June unterlässt es, diesen wichtigen Punkt zu erwähnen.

June hatte lange gemutmaßt, dass junge weiße Frauen auf dem Buchmarkt als Autorinnen wenig nachgefragt seien. Sie hatte es darauf zurückgeführt, dass sie keinen besonderen Werdegang, keine Verfolgung in ihrer Vita vorweisen konnte und somit für die Buchwelt uninteressant sei. Später beschwert sich eine ihrer Kontrahentinnen genau über das Gegenteil. Sie habe kein Gehör gefunden, weil man mit Athena ja bereits eine Amerikanerin mit asiatischen Wurzeln unter Vertrag habe.

Dieses Buch allerdings schlägt ein, also muss es doch am Thema oder Inhalt liegen. Ohne große Schwierigkeiten findet sie einen namhaften Verlag und alle Unterstützung, die sie sich schon für ihr eigenes Buch gewünscht hätte. Es gibt eine mit viel Marketingmaßnahmen unterstützte Einführungskampagne, öffentliche Lesungen, Nominierungen für Buchpreise, Juniper ist einfach in aller Munde.

Aber wo Licht ist, da ist meistens auch Schatten. Erste Kritiker merken an, dass sie keinen chinesischen Hintergrund habe und daher nicht über dieses Thema authentisch schreiben könne.

Andere werfen ihr doch tatsächlich vor, sich bei Athenas Ideen bedient zu haben.

Als plötzlich noch Athenas Exfreund als Athenas Geist im Internet auftaucht ist es mit ihrer Ruhe vollends vorbei.

Ich hätte recht lange ihrer eigenen Erklärung folgen können, dass sie diesem Buch zu einer Leserschaft verholfen hat. Natürlich wäre es ehrlicher gewesen, Athenas Namen als Verfasserin dann auch zu nennen, zumal ihr das eine Menge Ärger erspart hätte. June aber hangelt sich von einer Lüge zur nächsten und macht die ganze Sache damit immer nur noch schlimmer. Ihre Kontrahentinnen schweigen nicht, im Internet tobt der Shitstorm und June kann ihre Augen nicht von den Einträgen bei Instagram oder Twitter lassen. Sie ist regelrecht süchtig danach, zu erfahren, was andere über sie denken und schreiben.

Ich bin selbst weder bei Facebook, Instagram noch Twitter aktiv und nach der Lektüre des Buches bin ich auch froh darüber. Es scheint mir, als ob jede Stimme auch eine Gegenstimme provozieren würde und der Ton ist äußerst rauh und verletzend. Kein Wunder, dass June mit der Zeit an Verfolgungswahn leidet, zumal ihr ehemalige Kritikerinnen immer mehr zusetzen. Nicht, um Athena Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, ganz im Gegenteil: es geht lediglich um das eigene Ego und um das erhoffte große Einkommen.

Irgendwie schien mir die Verlagswelt ein Haifischbecken zu sein, ein Fressen oder gefressen werden. Und so endet das Buch dann auch: Bei so viel Publicity hilft nur, immer wieder Öl ins Feuer zu gießen, um die Flamme brennen zu lassen. Keine wirklich guten Aussichten, aber sie rentieren sich.

Es sind eine ganze Reihe gerade aktueller Themen oder Streitpunkte, die ihren Niederschlag im Buch finden:

.Cancel Culture (Ächtung von vermeintlichem Fehlverhalten)
.Gendern (geschlechterbewusster Sprachgebrauch um die Gleichbehandlung aller Geschlechter/Identitäten zum Ausdruck zu bringen) - wird im Buch konsequent verfolgt
.Kulturelle Aneignung
.Rassismus
.Umgekehrter Rassismus

Ich fand das Buch sehr lesenswert, es arbeitet noch mit mir, vielleicht lese ich es in einigen Monaten ein zweites Mal.

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