Profilbild von Jackolino

Jackolino

Lesejury Profi
offline

Jackolino ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Jackolino über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.11.2023

Was geschah mit Beutekunst der Nazis

Das neunte Gemälde
0

Leonard Lomberg ist Kunstexperte, Wertgutachter und Experte in Sachen Beutekunst der Nazis in besetzten Ländern. Er erhält eines Tages im April 2016 einen Anruf eines Herrn namens Dupret, der ihn drängt, ...

Leonard Lomberg ist Kunstexperte, Wertgutachter und Experte in Sachen Beutekunst der Nazis in besetzten Ländern. Er erhält eines Tages im April 2016 einen Anruf eines Herrn namens Dupret, der ihn drängt, die Rückgabe eines verschollenen Gemäldes zu organisieren. Kurz darauf wird Dupret tot aufgefunden und von dem Gemälde fehlt jede Spur.

Lomberg nimmt sich dieses Auftrags nur an, weil der mysteriöse Anrufer ihm die Verquickung des eigenen Vaters in die Geschichte des mutmaßlichen Picassos suggeriert hat. Er macht sich auf die Suche nach dem neunten Gemälde und taucht damit tief ein in die Geschichte, die im ersten Weltkrieg ihren Anfang nahm.

Picasso, Derain und Braque malten ab 1913 einen Sommer lang zusammen in einem kleinen Dorf im Süden Frankreichs. Der erste Weltkrieg riss sie aus ihrer Kooperation, die beiden Franzosen wurden eingezogen, Picasso als Spanier blieb in Südfrankreich. Dort entstanden Bilder, die später in Kunstsammlungen eingingen, entweder von Museen oder von Privatleuten. Oft gehörten reiche jüdische Familien zu den privaten Sammlern. Die Nazis bezeichneten die Bilder dieser jungen Künstler als entartete Kunst, die jüdischen Familien wurden enteignet und ihre Bilder eingezogen, die Menschen selbst wanderten in die Konzentrationslager in Polen und Tschechien und wurden ermordet.

Aber natürlich wussten auch die Nazis damals schon um den Wert dieser Kunstwerke und so wird heute vermutet, dass bei öffentlichen Verbrennungen von Bildern die eher wertlosen auf den Scheiterhaufen landeten, während die namhaften Bilder in dunklen Kanälen verschwanden und oft ihren Weg in die Schweiz fanden. Die Schergen der SS bereicherten sich an diesen Geschäften.

Andreas Storm vermischt sehr geschickt Wahres mit Fiktion und das macht das Buch absolut lesenswert. Der Einordnung zum Genre Kriminalroman würde ich nicht uneingeschränkt zustimmen, zwar ging es auch um die Aufklärung eines Mordes, aber es war genauso ein historischer Roman und eine detektivische Aufarbeitung des damaligen Geschehens über die 60er Jahre bis in die Neuzeit hinein. Und es zeigte, wie in der Vergangenheit begangenes Unrecht noch Generationen später nachwirkt und seinen oft zerstörerischen Einfluss ausübt.

Auch der Einblick in den Kunstmarkt von heute, die engen internationalen Verflechtungen, das alles übte eine Faszination auf mich aus, ich spreche gerne eine Leseempfehlung für das Buch aus.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.10.2023

Ein schönes Buch für ein gemütliches Lese-Wochenende, am besten mit der Katze auf dem Schoß

Sautrog
0

Auch wenn man die vorangegangenen Bücher noch nicht kennt, so fällt der Einstieg in die Handlung leicht.

Mary Weidinger, Kommissarin in Essing im Altmühltal, ist nach einem schweren Unfall auf dem Weg ...

Auch wenn man die vorangegangenen Bücher noch nicht kennt, so fällt der Einstieg in die Handlung leicht.

Mary Weidinger, Kommissarin in Essing im Altmühltal, ist nach einem schweren Unfall auf dem Weg der Besserung, obwohl ihre Schulter immer noch sehr schmerzt. Ihre Reha ist abgeschlossen, jetzt soll sie sich zuhause weiter erholen. Doch dann wird am Morgen nach einem Fest eine Leiche in einem Sautrog auf dem Ludwig-Kanal gefunden. Eine erste Version vom Selbstmord eines Gurus kann nicht lange aufrechterhalten werden, es war eindeutig Mord und es traf den Guru einer Sekte, die sich vor einiger Zeit in Essing niedergelassen hat.

Ein Mord vor Ort, da kann Mary nicht tatenlos zusehen und schon bald steckt sie mit ihrem neuen Kollegen Erdem mitten in den Ermittlungen. Es bleibt auch nicht bei einer Leiche, da scheint sich ein "Sündenbabel" vor den Ermittlern aufzutun, die immer tiefer in das Leben der Sekte eintauchen.

Die Suche nach einem Motiv gestaltet sich schwer. Auch wenn Guru Engelbert eine zwielichtige Vergangenheit hatte, so scheint er doch sein altes Leben hinter sich gelassen und in Essing eine neue Heimat gefunden zu haben. Von seinen Mitbrüdern und vor allem -schwestern wird er jedenfalls geliebt, so ihre Aussage. Doch mit jeder Aussage ergeben sich Risse.

Der Krimi ist so geschrieben, dass man unbedingt weiterlesen will und deswegen habe ich es auch an diesem Wochenende bereits geschafft.

Was das Altmühltal angeht, so hatte ich mir ein paar mehr touristische Informationen erhofft. Meine Erwartungen gingen so in die Richtung der Frankreich-Krimis, die einen immer am liebsten gleich die Koffer packen lassen. Aber immerhin habe ich Essing gegoogelt und auf der Homepage des Ortes ein Bild von dem Kanal gefunden, auf dem der tote Guru im Sautrog schwamm. Lokalkolorit hatte der Krimi schon aufgrund der immer mal wieder eingeworfenen bayerischen Redewendungen und Flüche und der sicher passenden Charakterisierung der grantelnden Älteren im Dorf wie Opa und Rita. Die beiden sind zwar für mich nicht unbedingt Sympathieträger gewesen, dennoch führte ein kleiner Hinweis des Opas aber zur Aufklärung des Mordes.

Ein versöhnliches Happy End im Hause Weidinger gelingt auch, weil private Probleme endlich gelöst werden können und sich der menschliche und tierische Zuwachs im Haus besänftigend auf die Gemüter auswirkt.


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.10.2023

Ein Loblied auf den Muscadet

Bretonischer Ruhm
0

Georges und Claire haben geheiratet und ihre Hochzeitsreise führt sie – wie könnte es anders sein – in einen Teil der Bretagne, den wir noch nicht kennen. Und sollte es jemand wirklich bezweifelt haben: ...

Georges und Claire haben geheiratet und ihre Hochzeitsreise führt sie – wie könnte es anders sein – in einen Teil der Bretagne, den wir noch nicht kennen. Und sollte es jemand wirklich bezweifelt haben: auch die Weine der Bretagne, und hier insbesondere der Muscadet, gehören, wie alle anderen Erzeugnisse dieses Landstrichs auch, zu den besten der Welt. So viel Lokalpatriotismus ist wirklich selten, darüber freut man sich doch immer wieder 😂 .

Die beiden hatten vor, im Mündungsbereich der Loire eine Reise von Weingut zu Weingut zu machen. Unter anderem erwartet sie Claires beste Freundin, Cécile.

Kaum hat die Reise begonnen, wird Céciles Ex-Mann ermordet. Er war Besitzer eines sehr renommierten Weinguts mit großen Expansionsplänen. Am nächsten Tag trifft es den Marketing-Manager des Weinguts. Hier ergibt sich zunächst keine Gemeinsamkeit, er hätte sich eher unter den Verdächtigen für den Mord an seinem Chef eingereiht, schließlich war er kurz zuvor entlassen worden.

Hätte Dupin sich noch zurückgehalten, so ist es nun Claire, die unbedingt ihrer Freundin helfen will. Allerdings hat sich Commissaire Lelouche jegliche Einmischung verbeten und so geht es nur undercover. Aber natürlich eilt sein Ruf Dupin voraus und selbst die Zeitung mutmaßt bereits, dass er auf der Fährte des oder der Mörder ist.

Es ist wie immer bei den Bretagne-Krimis, Land und Leute und vor allem Küche, Keller und das gesamte Flair nehmen sehr viel Raum ein. Das macht den Krimi zu einem Cozy-Crime, den man auch gerne mit in Urlaub nimmt, vorzugsweise in die Bretagne😉 .

Dieses Mal darf nicht der gesamte Apparat der Polizei von Concarneau eingeschaltet werden, aber das Team ist natürlich trotzdem nicht weit. Und so nähert sich der Krimi einem spannenden Finale, das man in der Tat so nicht erwartet hätte, das aber nachvollziehbar ist.

Nun bleibt nur noch, Georges und Claire einen etwas friedlicheren Verlauf der weiteren Hochzeitsreise zu wünschen. Aber wer weiß, was in Saumur auf die beiden wartet.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.10.2023

Ein Ziel vor Augen

Die kleinen Lügen der Ivy Lin
0

Ivy Lin ist die Tochter chinesischer Einwanderer in die USA. Da ist auf der einen Seite die strenge Erziehung durch Mutter und Großmutter, wobei diese immer auf Bildung, Reichtum und gute Aussichten ausgerichtet ...

Ivy Lin ist die Tochter chinesischer Einwanderer in die USA. Da ist auf der einen Seite die strenge Erziehung durch Mutter und Großmutter, wobei diese immer auf Bildung, Reichtum und gute Aussichten ausgerichtet ist. Da waren aber auch die reuiigen Belohnungen, nachdem sie bestraft worden war. "Im Haushalt der Lins wurde man dafür belohnt, bestraft zu werden". Damit und durch schlechte Beispiele (kleinere Diebstähle der Großmutter) und Erzählungen der beiden Frauen, die noch geprägt vom Hunger und den Verfolgungen der Mao-Jahre sind, gelingt es Ivy nicht, sich ein angepasstes Bild von "Gut und Böse" aufzubauen, ihre Moral unterscheidet sich von der ihrer Mitschüler. Ihre Prägung, die den Vorgaben ihrer weiblichen Vorfahren folgt, legt die Grundlagen für ihr späteres Schicksal.

In der Schule ist sie isoliert. Ihr einziger Freund der Grundschulzeit und der ersten Jahre in der Mittelstufe ist ein ebenso mittelloses Einwandererkind aus Rumänien, Roux Roman. Mit ihm hat sie auch mit 14 den ersten Sexualkontakt, den sie aber nicht wirklich ernst nimmt, obwohl sie schon merkt, dass Roux in sie verliebt ist.

Sie schwärmt für Gideon Speyer, einen Mitschüler aus sehr gutem Hause. Einmal lädt er sie tatsächlich zu seiner Geburtstagparty ein und Ivy belügt ihre Eltern, um dabei sein zu können. Der Kontakt zu Gideon wird daraufhin von ihren Eltern ein für allemal durch einen Umzug blockiert.

Für mich ist Ivy in erster Linie an Anpassung und dazugehören wollen interessiert. Sie flunkert, aber bisher hat sie noch niemandem mit ihren Lügen geschadet. Die Dinge, die sie als Kind in kleinen Läden hat mitgehen lassen, waren billige Pfennigartikel. Damit heiße ich Diebstahl nicht gut, aber er hat auch niemanden ins Verderben gestürzt.

Dem Begriff „Charakterstudie“, der in manchen Rezensionen auftaucht, würde ich zustimmen. Eine Charakterstudie nicht nur von Ivy, sondern ihrem gesamten Umfeld: den Einwanderern genauso wie der besseren Gesellschaft der USA. Ihr ganzes Umfeld scheint aus Lügen und Heuchelei zu bestehen.

Ivy beendet die Schule und wird Lehrerin. Durch Zufall trifft sie Gideons Schwester Silvia wieder und durch sie auch Gideon selbst. Die beiden freunden sich an, aber es ist mehr sie, die emotional in die Beziehung investiert. Einerseits hält er sie auf Abstand, dann stellt er sie aber auch seinen Eltern vor und macht ihr schließlich einen Heiratsantrag. Sie scheint am Ziel ihrer Träume, doch da ist immer diese Distanz. Er wirkt nicht verliebt.

Dafür taucht plötzlich Roux an Silvias Seite auf. Er hat Karriere gemacht und Silvia über die Kunst kennengelernt. Nachdem Silvia zickt und immer launischer wird, kommt es, wie es kommen muss, Ivy betrügt Gideon mit Roux. Für sie fühlt es sich ehrlich an, „ehrliche Doppelzüngigkeit anstatt der weitaus anstrengenderen doppelzüngigen Ehrlichkeit“.

Und hier beginnen die Lügen, die schließlich fatale Folgen haben werden.

Über lange Strecken am Anfang war mir Ivy durchaus sympathisch. Manchmal hatte sie mein Mitleid. Die subtilen Feindseligkeiten gegenüber Menschen, die anders aussehen, dieses Ausgrenzen gibt es in Europa genauso wie in den USA. Erst das spätere Doppelleben und das letztendlich tragische Finale gehen auf ihr Konto und machen sie schuldig. Sie hat zwar ihr Ziel erreicht, zu einer der angesehenen Familien der USA zu gehören, aber zu welchem Preis? Und so gibt es zum Schluss eigentlich nur noch Verlierer!

Die fast 500 Seiten des Buches lesen sich leicht und flüssig und lassen keine Langeweile aufkommen. Sie bieten aber auch Gesprächsstoff, das Buch würde sich wunderbar für eine Leserunde eignen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.10.2023

Späte Rache

Wetterleuchten im Roussillon (Roussillon-Krimi 2)
0

Ich schäme mich ein wenig, es zuzugeben, aber französische Nachkriegsgeschichte lerne ich mittlerweile aus Krimis. Und glücklicherweise gibt es Autoren, die gut recherchieren. Bei Philippe Georget gibt ...

Ich schäme mich ein wenig, es zuzugeben, aber französische Nachkriegsgeschichte lerne ich mittlerweile aus Krimis. Und glücklicherweise gibt es Autoren, die gut recherchieren. Bei Philippe Georget gibt es im Anhang des Buches einen kleinen Katalog mit Literatur, um das Thema zu vertiefen.

Gilles Sebag ermittelt in diesem Fall parallel in zwei Fällen, später werden es sogar noch mehr. Zum einen ist ein Klassenkamerad seiner Tochter tödlich verunglückt. Der in den Unfall verwickelte Fahrer eines Lieferwagens kann sich, trotzdem er unter Alkoholeinfluss stand, an ein kleines Auto erinnern, dem er ausweichen musste. Nur leider glaubt ihm das niemand. Später wird sich seine Aussage bestätigen.

Ganz in der Nähe wird ein alter Mann erschossen, auch für diesen Mord ist der Inspektor zuständig. Auf der Tür prangt auffällig die Signatur OAS, eine französische Guerillaorganisation, die in der Zeit des Algerienkrieges gegen ihre Vertreibung aus Algerien mit allen Mitteln anging. Wenige Zeit später folgt ein weiterer Mord mit der gleichen Signatur.

Die Kollegen vom Kommissariat tauchen tief in die Zeit des Algerienkrieges ein. Das führt natürlich zu gewissen Längen und nimmt dem Krimi manchmal die Geschwindigkeit. Hier fand ich es aber besser, mehr über die Hintergründe zu erfahren. Wie gesagt: eine kleine zusätzliche Geschichtsstunde:)

Mir gefallen die Bücher von Philippe Georget und besonders gefreut hat es mich, dass es nun auch einen vierten Band gibt. Er steht schon auf meiner Wunschliste!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere