RomCom ohne Kitsch und umso mehr Gefühl und Echtheit
Romantic ComedyIn dem Roman “Romantic Comedy” von Curtis Sittenfeld können wir miterleben, wie sich die Comedy-Autorin von TNO/The Night Owls (= SNL/Saturday Night Live) Sally Milz und der Singer/Songwriter Noah Brewster ...
In dem Roman “Romantic Comedy” von Curtis Sittenfeld können wir miterleben, wie sich die Comedy-Autorin von TNO/The Night Owls (= SNL/Saturday Night Live) Sally Milz und der Singer/Songwriter Noah Brewster kennenlernen und was daraus entsteht. Ihre Beziehung entwickelt sich über unterschiedliche Wege. Es beginnt mit dem Kennenlernen während der Woche (Februar 2018), in der Noah als Gastmoderator und musikalischer Gast für die TNO-Sendung probt und diese schließlich durchführt. Nachdem die beiden trotz offensichtlich guter Connection einen Streit bei der Aftershow-Party haben, hören sie erst 1,5 Jahre (Juli 2020) später voneinander und kommunzieren von dort an zuerst ausschließlich per (teils endloser) Mails während der Pandemie, versöhnen sich schnell und bauen eine tiefe und ehrliche Verbindung auf. Daraufhin (August 2020) telefonieren sie, bis sie sich schließlich wieder persönlich treffen, als Sally zu ihm nach L.A. fährt und für ein paar Wochen bei ihm bleibt. Sie haben eine authentische und offene Beziehung zueinander, während sie herauszufinden, was sie füreinander sind und sein können. Dies wird erschwert und verkompliziert durch Selbstzweifel, gescheiterte Beziehungen in der Vergangenheit, die Pandemie in ihrer Frühphase und alle damit einhergehenden Probleme und Unsicherheiten, die unterschiedliche Popularität der beiden und dem vermeintlichen Gefälle an Attraktivität. All dies wird durch Einsicht in die Gedankenwelt aber auch durch lange und offene Gespräche dargestellt und nachvollziehbar gemacht. Man hat stellenweise beim Lesen wieder das Gefühl von damals, als es mit den coronabedingten Isolationen losging und man sich in mehr oder weniger große Bubbles zurückziehen musste. Ich habe mich sehr gut in beide Protagonisten reinfühlen können und ihre Probleme und Zweifel nachvollziehen können, obwohl mir ihre Lebensrealitäten und Alltage so fern sind. Ich finde den Roman einfach so gut geschrieben, auf eine nicht kitschige Art und Weise, die auf pathetische Gesten, die in manch anderen RomComs gerne genutzt werden, verzichtet. Dies beweist auch der letzte Teil, als beide zu dem an Corona erkrankten alten Stiefvater von Sally fliegen und ihn pflegen, wodurch ihre Beziehung noch vertieft und mit einer vom Alltäglichen und Ordinären geprägten Zeit nochmal gefestigt wird.
Die offensichtlichen Parallelen und zum Teil überhaupt nicht subtilen Seitenhiebe Richtung SNL und deren Persönlichkeiten sowie etablierten Hierarchien und Praktiken fand ich sehr unterhaltsam und interessant, vor allem, da ich großer Fan der Show bin und dessen (aktuelle und ehemalige) Besetzung gerne auch außerhalb der Sendung verfolge. Da ist so eine Einsicht in die alltäglichen und etablierten Tätigkeiten und wie es dort einfach abläuft, wirklich sehr spannend. Ein bisschen wie „30 Rock“ als ernsteres Buch und mit Fokus auf zwischenmenschliche und vor allem romantische Beziehungen und Positionen im „Machtgefüge“.
Mein einziger Kritikpunkt ist nicht einmal eine Kritik am Buch selbst, sondern an der Übersetzung. Ich kann natürlich nur vermuten, wie klug, authentisch, schlagfertig und irgendwie auch emotionaler die Geschichte und vor allem die Gespräche im Original klingen müssen. Die Übersetzung hingegen ist teilweise etwas hölzern und unnatürlich, vor allem wenn es eben um gesprochene Sprache und intime Gespräche oder Gedanken geht und dann auch noch von Personen, die in zeitgenössischer Sprache und mit popkulturellem Einfluss kommunizieren, ist eine deutsche Übersetzung oftmals schwierig. Im Deutschen würden die Charaktere niemals so sprechen, während ich mir gut vorstellen kann, wie dieselben Aussagen und Formulierung im Englischen komplett alltäglich sind. Auch ein häufiges und hier sehr exemplarisches Problem an deutschen Übersetzungen ist die Verwendung vom formellen „Sie“ statt „du“, die hier bis zum Ende zwischen Sally und Noah durchgezogen wird, während sich in meiner Vorstellung die entspannt wirkenden Charaktere spätestens nach einer durchgemachten Nacht im Writers Room oder während dem Gespräch auf der Aftershow Party duzen würden. Die sehr persönlichen Emails wirken dann durch das Gesieze so seltsam distanziert und ehrlich gesagt soooo „deutsch“ und das hat mich irgendwann regelrecht genervt. Da das eben alles nicht am Geschriebenen selbst kritisiert werden kann, ein gängiges Problem ist und zum Teil vielleicht auch einfach nur Geschmackssache, möchte ich keinen einzigen Stern von meiner finalen Bewertung abziehen.
Alles in allem und trotz der Übersetzung habe ich das Lesen sehr genossen und den Roman innerhalb von 2 Sitzungen regelrecht verschlungen. Ich war unterhalten, berührt, wurde zum Nachdenken angeregt und habe Sally und Noah wirklich zu schätzen und lieben gelernt. Ich habe wirklich für sie gerootet und war in ständiger Spannung, wie es weitergeht, obwohl die Geschichte über zwei Promis so unaufgeregt und „menschlich“ erzählt wurde. Die Spannung stammt eher aus der Angst, dass es kein Happy End für die toll erzählten Charaktere geben würde, da es sich offensichtlich ja nicht um eine gewöhnliche RomCom handelt.
Besonders gut hat mir übrigens auch das Cover gefallen, dass sich mit den schönen Farben und Formen nicht nur sehr gut in meinem Bücherregal macht und etwas von einem modernen und schlichten Kunstwerk hat. Es ist auch so schön unkitschig und untypisch für das Genre, genau wie der Inhalt selbst, was daraus einfach eine runde Sache macht.