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Veröffentlicht am 04.06.2024

Warmherzig erzählter Feel-good-Roman

Das Lied der Biene
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Das Lied der Biene von Gabriela Groß

Worum geht’s?

Mit Mitte vierzig steckt Protagonistin Marga seit Jahren im gleichen Trott fest. Nicht genug, dass sie der Wecker täglich mit dem gleichen Whitney Houston-Song ...

Das Lied der Biene von Gabriela Groß

Worum geht’s?

Mit Mitte vierzig steckt Protagonistin Marga seit Jahren im gleichen Trott fest. Nicht genug, dass sie der Wecker täglich mit dem gleichen Whitney Houston-Song aus dem Schlaf reißt, auch sonst läuft das Leben der Haushälterin in eingefahrenen Bahnen. Als die Verlobte ihres Chefs bei einem tragischen Unglück im Pool ums Leben kommt, sucht Marga nach einem Weg, dem Chef in seiner Trauer zu helfen und schreibt ihm eine anonyme Mail. Daraus entsteht schon bald ein angeregter Austausch, in dem wir als Leser: innen auch immer mehr über Margas Vergangenheit erfahren. Als Marga ihren Chef Paul zu einer Geschäftsreise nach Lissabon begleitet, kommt schließlich doch noch ans Licht, wer hinter den E-Mails steckt. Ob das nun damit endet, dass Marga ihren Job verliert, oder ob die beiden vielleicht sogar zueinander finden, dürft ihr gerne selbst herausfinden.

Wie war’s?

Gabriela Groß war mir bisher kein Begriff und dementsprechend unvoreingenommen bin ich an das Buch herangegangen, das mich sehr begeistert hat.

Angefangen beim hübschen Cover, das einen direkt in eine sommerliche Urlaubsstimmung versetzt. Der Roman liest sich locker weg und lädt dazu ein, ihn einem Rutsch zu verschlingen. Die Charaktere haben mir sehr gut gefallen, allen voran Marga, mit der ich mich in vielen Punkten identifizieren konnte. Gerade Marga macht im Laufe der Handlung eine erstaunliche Entwicklung durch und fängt an, das Leben immer mehr auszukosten und mutiger zu werden. Diese Szene, in der sie sich trotz ihrer Ängste plötzlich freischwimmt, hat mich sehr beeindruckt. Auch ihre beiden Freundinnen Eva und Kirsten sind wirklich erfrischend und sorgen für immer neuen Schwung in der Geschichte. Paul Alprecht, Margas Chef, ist ein weiterer äußerst interessanter Charakter, der mit Tochter Inga nochmal eine ganz andere Tiefe und neue Konflikte mitbringt, welche die Geschichte bereichern.

Fazit:

Für mich war das Buch ein echter Feel-Good-Roman, in den man sich super hineinfallen lassen und darin abtauchen kann.
Für alle, die noch auf der Suche nach der passenden Urlaubslektüre für den Sommerurlaub oder ein gemütliches Wochenende auf Balkonien sind, eine unbedingte Leseempfehlung!

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  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 28.05.2024

Queere Beziehungskisten mit viel Humor

Das glückliche Paar
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»Das glückliche Paar« von Naoise Dolan (übersetzt von Anke Caroline Burger)

Worum geht’s?

Celine liebt Luke – also irgendwie wenigstens. Viel wichtiger sind ihr jedoch ihre 88 schwarz-weißen Klaviertasten. ...

»Das glückliche Paar« von Naoise Dolan (übersetzt von Anke Caroline Burger)

Worum geht’s?

Celine liebt Luke – also irgendwie wenigstens. Viel wichtiger sind ihr jedoch ihre 88 schwarz-weißen Klaviertasten.
Luke liebt Celine – unter anderem. Auch sein Ex Archie spielt noch eine wichtige Rolle und richtig entscheiden kann er sich nicht.
Eine Hochzeit steht an – doch ob die wohl stattfinden wird?

Wie war’s?

Ich habe mich diesem Buch ohne große Erwartungshaltung genähert und wurde positiv überrascht.
Was die Bewerbung des Buches mit »Jane-Austen-Roman für das 21. Jahrhundert« angeht, so fehlen mir die Vergleichsmöglichkeiten, da ich leider (Schande über mein Haupt) noch nie was von Jane Austen gelesen habe.

Hier präsentieren sich gleich mehrere moderne Beziehungskisten der allesamt queeren Protagonisten.
Allen voran Pianistin Celine, die früher mal mit Maria, ihrer ehemaligen Kommilitonin und ebenfalls Pianistin, zusammen war. Celine plant die Hochzeit mit Luke, doch der spielt keine Hauptrolle in ihrem Leben, sondern ist eher schmückendes Beiwerk. Das zeigt sich schon, als sich Celine bei einer Parisreise absetzt, um sich stattdessen mit Musik zu beschäftigen.
Luke, der sich von seiner eigenen Verlobungsfeier absetzt und irgendwie immer noch sehr an seinem Ex Archie, dem Anwalt mit dem Drogenproblem, hängt und sich etliche Aktionen leistet, bei denen jede Frau mit etwas Selbstachtung ihn längst verlassen hätte.

Am besten hat mir hier allerdings eine Nebenperson gefallen, Celines Schwester Phoebe. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund, bringt die Dinge stets auf den Punkt, beispielsweise mit der Frage: »Wo ist dein Fickfehler von einem Verlobten?«

Besonders amüsiert habe ich mich über die diversen Aufstellungen (die ich als Frau, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt, nur zu gut aus eigener Erfahrung kenne). Allen voran: Welche von euch ist der Mann? 

Fazit:

Ich persönlich spreche hier eine absolute Leseempfehlung aus, habe mich sehr gut unterhalten gefühlt und den trockenen Humor von Dolan sehr genossen.


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Veröffentlicht am 05.05.2024

Inselalltag, der mich seltsam emotionslos zurücklässt

Die Tage des Wals
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Die Tage des Wals von Elizabeth O’Connor (Übersetzung: Astrid Finke)

Worum geht’s?

Das Leben auf einer kleinen walisischen Insel irgendwo im nirgendwo hält für die achtzehnjährige Manod nicht viele ...

Die Tage des Wals von Elizabeth O’Connor (Übersetzung: Astrid Finke)

Worum geht’s?

Das Leben auf einer kleinen walisischen Insel irgendwo im nirgendwo hält für die achtzehnjährige Manod nicht viele Überraschungen bereit. Das Leben orientiert sich am Rhythmus der Gezeiten und Jahreszeiten. Manod, deren Mutter schon früh gestorben ist, hilft dem Vater mit den gefangenen Hummern, kümmert sich um ihre jüngere Schwester Llinos und verbringt die Freizeit mit kunstvollen Stickereien, während sie immer wieder davon träumt, das Leben auf der Insel, das ihr kaum Perspektiven bietet, hinter sich zu lassen („Im Kopf hatte ich es geplant. Ich träumte immer wieder davon“, S. 99)

Als eines Tages ein Wal strandet und kurz danach zwei Engländer eintreffen, gerät nicht nur der Alltag auf der Insel, sondern auch Manods Innenleben gehörig aus den Fugen.

Wie war’s?

Eine schwierige Frage. Das Buch lässt mich nach dem Zuklappen der letzten Seite merkwürdig emotionslos zurück. Eigentlich liebe ich Bücher mit maritimem Setting, auch hier hat mich die bildhafte Sprache der Autorin gedanklich direkt ans Meer transportiert:

„Möwen lassen Fische aus dem Schnabel auf den Hof fallen, die in die schmalen Ritzen und Löcher der Steine kriechen, sodass er monatelang ranzig riecht. Die Hitze bringt sie nur noch näher zu uns: ihre Vogelgerüche, ihre Rufe, ihre rosig roten Jungen .“ Seite 10

Also die Grundstimmung passt für mich, erinnert an ein aufgewühltes Meer. Auch die Kapitelstruktur passt dazu, kurze, manchmal nur ½ Seite umfassende Kapitel wechseln sich mit Kapiteln ab, die über etliche Seiten gehen.

Mein Kritikpunkt an der Geschichte ist, dass die Charaktere seltsam blass bleiben. Hier wäre meiner Meinung nach deutlich mehr Potenzial gewesen, so bleibt man als unbeteiligter Beobachter ein wenig außen vor, kann sich mit niemandem näher identifizieren, was sehr schade ist.

Thematisch fühlte ich mich immer wieder ein wenig an Dörte Hanssens „Zur See“ erinnert, dort geht es ja auch um einen gestrandeten Wal, der den Alltag auf der Insel durcheinander bringt, im Vergleich dazu finde ich „Die Tage des Wals“ leider recht flach.

Außerdem hat mich gestört, dass einfach viel zu viele Fragen unbeantwortet geblieben sind, was Manods Zukunft und den Tod ihrer Mutter angeht. Das Ende konnte mich hier leider nicht überzeugen.

Gut gefallen hat mir als Literaturübersetzerin die Qualität der deutschen Übersetzung und auch die immer wieder eingestreuten walisischen Wörter und Sätze. Was für eine schöne, fremdartige Sprache, mit der ich mich gerne irgendwann näher beschäftigen würde.



Fazit

Mein Fazit fällt eher durchschnittlich aus. Ja, ich habe mich beim Lesen gut unterhalten gefühlt, ja, die Geschichte ist durchaus interessant, trotzdem glaube ich nicht, dass mir dieses Buch aus irgendeinem Grund länger in Gedächtnis bleiben wird.

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Veröffentlicht am 04.05.2024

Feuer und Flamme

Die Entflammten
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Worum geht’s?

Ein Buch, das eigentlich so gar nicht meinem klassischen Beuteschema entspricht. Trotzdem haben mich Klappentext und Cover sehr angesprochen, sodass ich mich für die Leserunde auf Was liest ...

Worum geht’s?

Ein Buch, das eigentlich so gar nicht meinem klassischen Beuteschema entspricht. Trotzdem haben mich Klappentext und Cover sehr angesprochen, sodass ich mich für die Leserunde auf Was liest du? beworben und tatsächlich ein Rezensionsexemplar ergattert habe.

Van Goghs Sonnenblumen kennt jeder. Aber was weiß man wirklich über das tragische Leben des Malers, der erst lange nach seinem Tod weltberühmt wurde? Und wie hat er das überhaupt geschafft?

»Die Entflammten« versucht, hierauf eine Antwort zu liefern. Seine Berühmtheit verdankt er fast ausschließlich den eifrigen Bemühungen seiner Schwägerin Jo van Gogh-Bonger, die, nachdem auch Vincents Bruder kurz nach seinem Selbstmord an Syphilis stirbt, plötzlich mit einem Baby und unzähligen Bildern eines bis dato unbekannten Malers dasteht.

In einem weiteren Erzählstrang geht es um Studentin Gina, die sich ein Jahrhundert später auf Spurensuche begibt und ein Buch darüber schreibt. Jo, Theo und Vincent van Gogh lassen sie einfach nicht mehr los. Immer wieder verschmelzen im letzten Teil der Geschichte beide Handlungsstränge ineinander.

Wie war’s?

Ich habe ein paar Kapitel gebraucht, um in der Geschichte »anzukommen«. Den Schreibstil, der stellenweise fast ohne wörtliche Rede auskommt, empfand ich als etwas gewöhnungsbedürftig. Dann aber hat mich diese Geschichte immer tiefer in ihren Strudel eingesaugt und ich konnte das Buch stellenweise kaum aus der Hand legen.

Anschaulich schreibt Simone Meier über das Leben in dieser schillernden Zeit um 1900. Mich hat vor allem die Beschreibung der »Künstler-Wohnung«, die sich die Brüder van Gogh in Paris teilen, komplett in ihren Bann gezogen:

»Bevor Vincent nach Südfrankreich zog, wohnte er mit Theo zusammen. Dries beschreibt ihr die Wohnung der Brüder als Höllenloch, überall lehnten Bilder von Vincent zum Trocknen gegen Wände, Schränke und Stühle, das Parkett sehe aus wie in einem Atelier, überhaupt befände sich das Atelier in der Wohnung selbst, im hintersten Zimmer, fertige Bilder stapelten sich unter dem Sofa und unter den Betten, die Möbel seien fleckig von den vielen Flaschen und Gläsern, aus denen Vincents Malerfreunde nächtelang getrunken hätten.« (Seite 30).

Man ist als Leser mittendrin im Geschehen, kann sich ausmalen, wie es gewesen sein muss, das Zusammenleben mit Vincent.

Auch die späteren Beschreibungen der Wohnungssuche, die Wege durch Montmartre, all das ist so lebendig beschrieben, als wäre man quasi selbst dabei.

Der zweite Erzählstrang um Gina und ihre Recherchen hätte für meinen Geschmack gern ein wenig kürzer ausfallen dürfen, hier konnte ich mich nicht so gut einfühlen und die vielen Anspielungen darauf, wie hübsch sich Gina findet, hätten nicht unbedingt sein müssen. Mehr erfahren hätte ich hingegen gerne über die Zeit, in der Jo alles getan hat, um Vincent berühmt zu machen. Ich finde, ein so großes Thema hätte gegen Ende des Buches noch das eine oder andere zusätzliche Kapitel vertragen können.

Fazit:

Alles in allem bin ich Feuer und Flamme für »Die Entflammten«. Das Buch hat mich dazu animiert, mich weiter mit van Goghs Leben und Werk auseinanderzusetzen, etwas, was ich vorher eigentlich kaum für möglich gehalten hätte und was mir gezeigt hat, dass es sich lohnen kann, beim Lesen mal aus der eigenen Komfortzone herauszukommen und sich an andere Themen zu wagen.

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Veröffentlicht am 04.05.2024

Das beste Buch, wo ich seit langem gelesen habe

James
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Worum geht’s?

Die Abenteuer Huckleberry Finn aus der Feder von Mark Twain dürften den meisten Leser:innen ein Begriff sein. Percival Everett hat sich in „James“ der Geschichte noch einmal angenommen und ...

Worum geht’s?

Die Abenteuer Huckleberry Finn aus der Feder von Mark Twain dürften den meisten Leser:innen ein Begriff sein. Percival Everett hat sich in „James“ der Geschichte noch einmal angenommen und sie aus einem neuen Blickwinkel erzählt, nämlich aus der Perspektive des Sklaven Jim.

Jim spielt den Dummen, damit die Weißen nicht merken, wie schlau er ist. Er gibt sogar den Kindern der übrigen Sklaven Sprachunterricht, um ihnen beizubringen, dass es immer die Weißen sein müssen, die ein Problem benennen und lösen. Als Jim eines Tages erfährt, dass er verkauft werden soll, flieht er mit Huck den Mississippi hinunter, immer das ultimative Ziel vor Augen: es in einen freien Staat zu schaffen, Geld zu verdienen und seine Familie freizukaufen. Die Reise wird zu einem wilden Roadtrip, auf dem die beiden die verschiedensten Abenteuer erleben, vom Schlangenbiss bis hin zu Menschen, die Jim ausnutzen und an einen neuen Besitzer verkaufen wollen, ist alles dabei. Und wie damals im Jugendbuch darf auch bei dieser Version der Geschichte das Happy End nicht fehlen.

Wie war’s?

Ich persönlich war sehr begeistert von James. Das Buch ist so brillant geschrieben, dass man es kaum aus der Hand legen mag. Teilweise urkomisch, teilweise aber auch richtig tragisch. Der Sklave Jim als Protagonist macht eine beeindruckende Entwicklung durch, während er anfangs sein Licht stets unter den Scheffel stellt, damit bloß niemand merkt, wie blitzgescheit er eigentlich ist („In Wahrheit scheute ich mich davor, wieder einzuschlafen, aus Angst, Huck würde zurückkommen und meine Gedanken hören, ohne dass sie meinen Sklavenfilter durchliefen“ S. 58), tritt er am Ende so stolz und selbstbewusst auf, wie ein freier Mann es nur sein kann („Ich bin der Todesengel, der gekommen ist, um bei Nacht süße Gerechtigkeit zu üben“, sagte ich. „Ich bin ein Zeichen. Ich bin deine Zukunft. Ich bin James.“ S. 329).

Als Literaturübersetzerin interessiere ich mich natürlich auch immer besonders für die Qualität der Übersetzung und muss hier dem Kollegen Nikolaus Stingl wirklich ein großes Kompliment machen. Er hat es geschafft, Jims sogenannten „Sklavenfilter“ sehr authentisch ins Deutsche zu übertragen, Chapeau!

Fazit:

Mich hat James wirklich beeindruckt und das Buch hat das Potenzial, es in die Top 3 meiner Lieblingsbücher zu schaffen. Außerdem eine wunderbare Hommage an das Lesen, die ich von Herzen nachvollziehen kann. Ich habe das Buch in einer für mich persönlich sehr schwierigen Zeit gelesen und konnte ebenso darin eintauchen wie James in diesem Zitat, mit dem ich diese Rezension beenden möchte:

Ich vergewisserte mich, dass Huck immer noch tief und fest schlief, dann schlug ich das Buch auf. Der Geruch der Seiten war herrlich.

Es lebte einst in Westfalen…

Ich war woanders. Ich war weder auf der einen noch auf der anderen Seite dieses verdammten Flusses. Ich war nicht auf dem Mississippi. Ich war nicht in Missouri.

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