Seit Jahren ist Marga geschieden und hat mit ihrer Stelle als Haushälterin bei dem Unternehmer Paul Alprecht den Lebensunterhalt für sich und ihre Tochter Conny erarbeitet. Nun geht Conny eigene Wege, der Grund für die momentane Funkstille zwischen Marga und ihr. Wenigstens ihre Freundinnen Kirsten und Eva halten ihr die Stange und versuchen Marga aus ihrem zurückgezogenen Leben zu locken. Als ausgerechnet am Tag, als Marga aufgrund der hochnäsigen und übergriffigen Verlobten ihres Arbeitgebers kündigen möchte, diese im Swimmingpool an einem Bienenstich verstirbt, wendet sich Margas Leben um 180 Grad. Marga möchte ihren Chef Paul in seiner Trauer unterstützen, deshalb schreibt sie ihm via E-Mail anonym Worte des Trostes und der Unterstützung, die Paul langsam wieder aufbauen. Er möchte unbedingt wissen, wer ihm diese Mails zukommen lässt, doch bis er durch Zufall herausfindet, dass es sich hierbei um Marga handelt, stehen sich die beiden privat schon sehr viel näher, als es jeder von ihnen es je für möglich gehalten hätte…
Gabriela Groß hat mit „Das Lied der Biene“ einen wunderschönen, unterhaltsamen Gegenwartsroman vorgelegt, dessen Handlung einerseits wie ein modernes Märchen anmutet, andererseits auch wie aus dem Leben gegriffen zu sein scheint. Der flüssig-leichte, farbenfrohe und empathische Erzählstil stellt den Leser sofort an Margas Seite, lässt diesen tief in ihre Seelenwelt blicken, während er gleichzeitig darauf hofft, dass Margas Leben vom Glück geküsst wird und sie aus ihrem Schneewittchenschlaf erwacht. Marga hat sich über die Jahre selbst immer mehr in den Hintergrund bugsiert und das Leben an sich vorbeiziehen lassen, was zwar sicher ist, aber auch schrecklich langweilig. Doch das Unglück in Pauls Haus lässt sie über sich hinauswachsen. Mutig und liebevoll formuliert sie Briefe per E-Mail an Paul, um nicht nur ihn bei seiner Trauer zu unterstützen, sondern auch, um ihre unbegründeten Schuldgefühle in den Griff zu bekommen. Dass Paul ihr auf die Schliche kommt, gleicht dem verlorenen gläsernen Schuh von Cinderella. Er musste irgendwann herausfinden, wer ihn die ganze Zeit mit sensiblen Worten und Lebensweisheit aufbaut. Die Autorin hat ihre Handlung wunderbar gestrickt und lässt den Leser Stück für Stück den Standesdünkel zwischen Haushälterin und Chef vergessen. Hier geht es um zwei Menschen, die auf der Suche nach dem privaten, erfüllenden Glück suchen und mit Unterstützung ihres Umfeldes Zugeständnisse und mutige Schritte machen müssen, damit es gelingt. Die farbenprächtigen Landschaftsbeschreibungen Portugals bilden einen schönen Rahmen und vermitteln eine aufgelockerte Atmosphäre, in der vieles passieren kann.
Die Charaktere sind ausgesprochen lebendig und authentisch beschrieben. Ihre glaubwürdigen Eigenschaften lassen den Leser glauben, sie schon lange zu kennen, weshalb er ihnen nicht von der Seite weicht, um keinen Augenblick ihres Schicksals zu verpassen. Marga ist eine patente, liebenswerte Frau, die ihr Licht viel zu sehr unter den Scheffel stellt. Sie ist hilfsbereit, zupackend und bisher leider „unsichtbar“. Doch im Verlauf der Geschichte wird sie immer mutiger, gewinnt Stärke und eine gewisse Leidenschaft – sie kämpft für sich und das steht ihr wahnsinnig gut. Paul ist ein freundlicher Mann, der trotz seines Reichtums nicht abgehoben, sondern sehr menschlich geblieben ist. Sowohl sein Freund Jörg als auch Stieftochter Inga nehmen ihm die Scheuklappen von den Augen. Aber auch Margas Tochter Connie sowie die Freundinnen Eva und Kirsten tragen zum Wohlfühlcharakter der Geschichte bei.
„Das Lied der Biene“ ist ein wundervoller Roman über Hoffnung, Mut, den eigenen Schatten zu überspringen, und vor allem Stärke, endlich für sich und sein Glück einzustehen. Ein modernes Märchen, das überall jederzeit wahr werden kann. Absolute Leseempfehlung für einen Roman, der mitten ins Leserherz trifft!