Profilbild von Jikky_reads

Jikky_reads

aktives Lesejury-Mitglied
offline

Jikky_reads ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Jikky_reads über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.11.2024

Ein etwas überladener aber dennoch bewegender Familienroman mit Nachhall

Endlich das ganze Leben
0

Mit „Endlich das ganze Leben“ von Roberta Recchia wird die Geschichte der Familie Ansaldo erzählt und Leser*innen in die Welt der 1980er Jahre nach Italien entführt. Die Erzählung dreht sich um das Leben ...

Mit „Endlich das ganze Leben“ von Roberta Recchia wird die Geschichte der Familie Ansaldo erzählt und Leser*innen in die Welt der 1980er Jahre nach Italien entführt. Die Erzählung dreht sich um das Leben der Eltern Stelvio und Marisa und ihrer Kinder Betta und Ettore. Mit dem Sommerbesuch der Cousine Miriam Bassevi nimmt das Leben der Familie eine dramatische Wende, die alles in ein „Leben davor“ und ein „Leben danach“ teilt.

Im „Leben davor“ entfaltet die Autorin das familiäre Gefüge und die individuellen Geschichten der Hauptfiguren. Dabei werden die Entstehung der Familie Ansaldo und die Beziehungen zwischen den Charakteren bis dato geschildert. Im „Leben danach“ rückt die Verarbeitung des einschneidenden Ereignisses in den Fokus. Themen wie sexualisierte Gewalt, Tod, Trauer, Suizid, Sucht, und Krankheit werden behandelt, aber auch Aspekte wie Liebe, Freundschaft und familiärer Zusammenhalt finden Platz. Diese kontrastreiche Darstellung zeigt eindrücklich, wie unterschiedlich Menschen mit Verlust und Schicksalsschlägen umgehen.

Die Charaktere sind vielfältig und rufen unterschiedliche Gefühle hervor – von Sympathie bis hin zu Verachtung. Diese starke Bandbreite verleiht der Erzählung eine zusätzliche Spannung und vermeidet Langeweile. Auch wenn die italienischen Namen zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig sind, überzeugt der Schreibstil durch seine fließende und eindringliche Erzählweise. Allerdings sind die Kapitel teilweise etwas lang, was den Lesefluss an einigen Stellen unterbricht.

Eine kleine Kritik: Das Buch enthält eine Fülle an Schicksalsschlägen, die sich nahezu auf jede Figur verteilen. Gefühlt muss jede einzelne mindestens ein tragisches Ereignis durchleben, was leider etwas überladen wirkt. Diese Häufung nimmt der für sich schon dramatischen Geschichte etwas von ihrer Wirkung und einzelne Schicksale erhalten nicht genügend Raum, um sich voll zu entfalten. Zudem wirken einige Handlungsstränge und Konflikte etwas klischeehaft, was die Tiefe der Erzählung gelegentlich schmälert.

Insgesamt ist das Buch jedoch eine packende, wenn auch bedrückende Familiengeschichte, die in ihrer Gesamtheit berührt und zum Nachdenken anregt. Von mir erhält es eine Bewertung von 3,5 Sternen – ein Roman, der für starke Nerven gemacht ist und lange nachklingt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.11.2024

Wenn Schönheit zur Waffe wird: Eine ergreifende Geschichte über Mut, Liebe und Pflicht.

A Song to Drown Rivers
0

“»Wenn Ihr Erfolg hab, Xishi «, sagte er ruhig, » werdet ihr die Retterin des Königreichs sein. Ihr werdet den Verlauf der Geschichte verändern.«“

„A Song to Drown Rivers“ von Ann Liang erzählt die Geschichte ...

“»Wenn Ihr Erfolg hab, Xishi «, sagte er ruhig, » werdet ihr die Retterin des Königreichs sein. Ihr werdet den Verlauf der Geschichte verändern.«“

„A Song to Drown Rivers“ von Ann Liang erzählt die Geschichte der schönen Xishi, basierend auf einer alten chinesischen Legende, und schafft damit einen wundervollen Roman über Intrigen, Opfer und tiefer Gefühle. Die Handlung beginnt in einem beschaulichen Dorf im Königreich Yue, wo Xishi mit ihrer Familie lebt und ein einfaches Leben führt. Noch nie hat sie ihr Dorf verlassen oder einen Jungen geküsst. Doch ihre Welt wird auf den Kopf gestellt, als der königliche Berater Fanli sie auswählt, um innerhalb weniger Wochen zur Spionin ausgebildet zu werden. Als Tribut soll sie im Königreich Wu die Gunst des gegnerischen Königs Fuchai gewinnen und so die Zukunft des Königreiches Yue sichern. Während Xishi ihre Mission annimmt, entspinnt sich eine heimliche, doch tiefe Verbindung zwischen ihr und Fanli, was die ohnehin heikle Mission noch komplizierter und gefahrvoller macht.

Die ersten Kapitel weckten sofort meine Neugier, und ich fand mich schnell in die Geschichte vertieft. Ann Liangs Schreibstil ist nicht nur flüssig, sondern auch voller Atmosphäre und Detailtreue, die die historische Kulisse lebendig werden lässt. Ihre bildhafte und blumige Sprache entführt einen direkt ins alte China und verstärkt das Gefühl, an Xishis Seite durch Höfe und Paläste zu wandeln. So wird jede Szene zu einem filmischen Erlebnis, das einen mühelos in die Handlung zieht.

Xishi ist als Protagonistin stark und faszinierend. Sie musste mit ihren jungen Jahren bereits einiges durchmachen und verkörpert den Mut, den ein solches Vorhaben erfordert, ohne ihre Verletzlichkeit zu verbergen. Mit ihrem Scharfsinn und ihrer Fähigkeit, sich auch in schwierigen Situationen zu behaupten, macht sie das zu einer greifbaren Figur. Fanli, der unnahbare und pflichtbewusste Berater von König Goujian, und König Fuchai, der zunehmend unberechenbar und impulsiv auftritt, bilden interessante Charaktere, die für zusätzliche Spannung und Dynamik sorgen. Besonders die behutsam aufgebaute Liebesgeschichte zwischen Xishi und Fanli fügt der Handlung Tiefe hinzu, ohne die zentrale Mission und die politische Spannung zu überlagern.

Auch das Buch selbst ist ein optisches Highlight: Umschlag, Farbschnitt und Buchdeckel sind kunstvoll gestaltet und passen hervorragend zum fernöstlichen Thema. Die hochwertige Aufmachung verleiht dem Buch das gewisse Extra und spiegelt die Liebe zum Detail, die sich auch im Text widerspiegelt.

Für mich ist „A Song to Drown Rivers“ ein echtes Lesehighlight in diesem Jahr und eine Empfehlung für Fans von Mulan oder Die Geisha. Mit seinem packenden und bewegenden Mix aus Emotion, Spannung und Tragik hat das Buch bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.11.2024

Eine gemütliche und leichte Herbstlektüre aus der Welt der Bücher

Die Abende in der Buchhandlung Morisaki
0

"Die Abende in der Buchhandlung Morisaki" von Satoshi Yagisawa nimmt Lesende mit in die stille Welt eines Antiquariats im Herzen Jinbochos (Japan). Die Protagonistin Takako findet in dem traditionsreichen ...

"Die Abende in der Buchhandlung Morisaki" von Satoshi Yagisawa nimmt Lesende mit in die stille Welt eines Antiquariats im Herzen Jinbochos (Japan). Die Protagonistin Takako findet in dem traditionsreichen Buchladen ihres Onkels Satoru einen Ort der Zuflucht und Ruhe. Obwohl es sich um die Fortsetzung von "Die Tage in der Buchhandlung Morisaki" handelt, lässt sich der Roman meines Erachtens auch eigenständig gut lesen (den ersten Teil habe ich zumindest nicht gelesen).

Der Schreibstil ist schlicht und fängt dennoch die besondere Atmosphäre der Buchhandlung sowie der Umgebung ein, die mit dem gemütlich gestalteten Cover identisch ist. Yagisawa verzichtet dabei auf Kapitelüberschriften und Nummerierungen, was einen fließenden Lesefluss ermöglicht – neue Kapitel sind allein durch die Formatierung erkennbar.

Der Roman zeichnet ein detailreiches Bild der kleinen Buchhandlung und des Verhältnisses zwischen Takako und ihrem eigenwilligen, aber warmherzigen Onkel. Beim Eintauchen in das Antiquariat Morisaki begegnet man nach und nach verschiedenen Charakteren, die alle das Interesse an Büchern gemeinsam haben. Neben der Erzählung rund um Takakos Alltag im Antiquariat thematisiert der Roman übergeordnete Themen wie Freundschaft, Familie, Liebe und Tod, die ihn zumindest teilweise an Tiefe gewinnen lassen.

Insgesamt ist Die Abende in der Buchhandlung Morisaki kein Roman voller Spannung oder überraschender Wendungen, und die Charaktere sowie ihre Beziehungen wirken stellenweise etwas flach. Dennoch bietet die Geschichte eine leichte, herbstliche Lektüre – ideal für ruhige Stunden auf dem Sofa. Ein kurzweiliges Wohlfühlbuch für alle, die gerne in Bücherwelten eintauchen und eine entschleunigte Erzählung genießen möchten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.11.2024

Ein märchenhaftes Liebesabenteuer mit leichten Schwächen

A thousand heartbeats - Der Ruf des Schicksals
0

Die Geschichte von A Thousand Heartbeats von Kiera Cass handelt von Annika und Lennox, zwei Menschen aus verfeindeten Welten, die sich trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft zueinander hingezogen fühlen. ...

Die Geschichte von A Thousand Heartbeats von Kiera Cass handelt von Annika und Lennox, zwei Menschen aus verfeindeten Welten, die sich trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft zueinander hingezogen fühlen. Annika, die Prinzessin von Kadier, steht vor einer arrangierten Ehe, um das Königreich ihres Vaters zu sichern, während Lennox für ein Volk kämpft, das Anspruch auf Kadier erhebt. Die Begegnung der beiden führt zu einem gemeinsamen Schicksal, das sowohl ihr Leben als auch die Zukunft ihrer Völker maßgeblich beeinflusst.

Kiera Cass schreibt in einem sehr leichten und flüssigen Stil, der den Leser einlädt, sich in die Welt von Annika und Lennox zu verlieren. Besonders gelungen ist der Perspektivwechsel zwischen den beiden, der einen guten Einblick in ihre Gedanken- und Gefühlswelten ermöglicht und den Figuren Nähe verleiht. Die kurzen Kapitel machen das Buch perfekt für „Nur-noch-ein-Kapitel“-Lesegewohnheiten.

Annika wird als mutige und starke Protagonistin dargestellt, jedoch ist sie fast schon zu perfekt, was ihrer Figur etwas Tiefe nimmt. Lennox bringt dagegen mehr Ecken und Kanten mit, was ihn als Charakter vielschichtiger und spannender erscheinen lässt. Insgesamt zeigt die Charakterzeichnung in A Thousand Heartbeats leichte Schwächen: Die Figuren wirken teilweise nicht ganz ausgereift und handeln widersprüchlich. Einige Entscheidungen scheinen weniger auf einer glaubwürdigen Charakterentwicklung zu basieren, sondern sind eher dem Handlungsverlauf geschuldet und wirken dadurch leider etwas unauthentisch.

Die Konflikte zwischen den beiden Völkern, die politischen Intrigen und die Liebesgeschichte zwischen Annika und Lennox sind spannend gestaltet, allerdings wirken einige Szenen etwas flach und zu konstruiert. Die Fantasy-Elemente sind nur spärlich eingestreut, was überraschen mag, aber der Geschichte keinen Abbruch tut.
Insgesamt ist A Thousand Heartbeats jedoch ein unterhaltsames Liebesabenteuer, das sich leicht lesen lässt und eine märchenhafte Romanze mit politischen Konflikten vereint. Die Handlung ist zwar teilweise vorhersehbar, bietet aber dennoch einige überraschende Wendungen und berührende Momente. Trotz der Schwächen ist das Buch eine schöne Lektüre, vor allem für jüngere Erwachsene, die romantische Geschichten mit einem Hauch Fantasy und politischer Spannung mögen.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Gefühl
Veröffentlicht am 25.10.2024

Ein berührender Einblick in das Leben mit Autismus

All die kleinen Vogelherzen
0

All die kleinen Vogelherzen von Viktoria Lloyd-Barlow ist ein ergreifender Roman, der mit viel Detailtreue die Welt der Protagonistin Sunday beleuchtet. Sunday, die mit Autismus lebt, ist eine ebenso ungewöhnliche ...

All die kleinen Vogelherzen von Viktoria Lloyd-Barlow ist ein ergreifender Roman, der mit viel Detailtreue die Welt der Protagonistin Sunday beleuchtet. Sunday, die mit Autismus lebt, ist eine ebenso ungewöhnliche wie interessante Figur: geschieden, Mutter einer 16-jährigen Tochter und von unverwechselbarer Art. Ihr Alltag ist geprägt von ihren Eigenarten – sie trinkt nur kohlensäurehaltige Getränke, bevorzugt weißes Essen und orientiert sich zur Bewältigung sozialer Interaktionen an einem alten Benimmratgeber für Damen aus den 1950er Jahren. Ihre besondere Art machen sie zu einer einzigartigen und liebenswürdigen Protagonistin, die mich hin und wieder durch ihre teils schroffe Art zum Schmunzeln brachte.

Als die neuen Nachbarn Vita und Rollo einziehen, verändern sie das Leben von Sunday und ihrer Tochter Dolly auf unvorhersehbare Weise. Vitas Charme übt eine besondere Faszination aus, die nach und nach sowohl Sunday als auch ihre Tochter in ihren Bann zieht und im Verlauf der Geschichte weitreichende Folgen hat.

Die Handlung entfaltet sich behutsam und ermöglicht einen tiefen Einblick in Sundays Gedanken- und Gefühlswelt. Meisterhaft lässt die Autorin uns Sundays Beziehungen in der Vergangenheit und Gegenwart reflektieren – zu ihren Eltern, ihrer Schwester, ihrem Ex-Mann, ihrer Tochter und den neuen Nachbarn Vita und Rollo. Man taucht in Sundays Sicht auf ihre täglichen Begegnungen ein und fühlt dabei intensiv mit ihr mit.

Der Schreibstil ist zwar nicht anspruchslos, doch gerade das macht den Roman so eindringlich. Sunday beschreibt oft alltägliche Situationen in einer Weise, die dem Lesenden neue Perspektiven eröffnet und interessante Gedankengänge anstößt. So benötigt man etwas länger für das Buch, doch die Lektüre lohnt sich: Man wird mit einer besonderen Tiefe und emotionalen Bandbreite belohnt, die einen nachhaltig berührt. Kein Wunder, dass dieser Roman 2023 für den englischen Literaturpreis nominiert war.

Lediglich der Epilog konnte mich nicht vollends überzeugen; hier hatte ich einfach etwas anderes erwartet. Tatsächlich wäre das Buch für mich sogar ohne Epilog besser abgerundet gewesen. Dennoch ist All die kleinen Vogelherzen ein rundum gelungenes Werk, das mich bewegt zurückgelassen hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere