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Julia_Matos

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.07.2021

Zu Herzen gehende Völkerverständigung der außerirdischen Art – bunt, unvorhersehbar, mit Tiefgang

Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten
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Dies ist ein utopischer Gegenentwurf zu „Krieg der Klone“ von John Scalzi. Viele außerirdische Spezies sind aufeinandergetroffen und entgegen der allermeisten Science-Fiction-Werke herrscht überwiegend ...

Dies ist ein utopischer Gegenentwurf zu „Krieg der Klone“ von John Scalzi. Viele außerirdische Spezies sind aufeinandergetroffen und entgegen der allermeisten Science-Fiction-Werke herrscht überwiegend Frieden, Wohlstand und freies Reisen. Immer mehr Völker schließen sich zur Galaktischen Union zusammen. Zwischen Menschen, Aliens und künstlichen Intelligenzen werden berufliche und freundschaftliche Beziehungen geflochten. Ein Hoch auf Diversität – angenehm unaufdringlich.
Der Roman beleuchtet überwiegend den Alltag an Bord der Wayfarer, eines kleinen Raumschiffs, das kurze Wegerouten im All generiert. Es gibt keine eindeutige Hauptfigur. Die Erzählperspektive wechselt. Zur Crew gehören: Captain Ashby Santoso, Rosemary Harper, Sissix, Kizzy, Mister Jenks, Mister Corbin, Dr. Koch, Ohan und die KI Lovey.
Ein übergeordneter Spannungsbogen zeichnet sich erst am Ende des Romans ab. Zu Beginn eines Kapitels hat man oft keine Idee, was passieren wird. Man lässt sich einfach überraschen, an die Hand nehmen, erlebt episodenhaft die Erlebnisse mit.
Ich brauchte ein paar Seiten, um hineinzufinden. Die X-Ray-Funktion beim eBook hat geholfen, die Teammitglieder, berufliche Qualifikation, Aussehen usw. richtig zuzuordnen. Umso besser ich die Charaktere kennenlernte, desto mehr habe ich es genossen. Ich war betrübt, als der Roman ausgelesen war. Es wirkt liebevoll, farbenfroh, lustig und traurig. Streckenweise kommen auch richtig Spannung und Dramatik auf. Faszinierend sind die Details zu unterschiedlichen Kulturen und Familienstrukturen und zu technischen Möglichkeiten. Religion scheint interessanterweise keine Rolle zu spielen. Enthalten sind Rückblicke auf die Geschichte der Erde sowie reizvolle philosophische Fragen, z. B. was Familie ausmacht und wie es sich anfühlt, wenn man zu den Letzten seiner Art gehört.
Meine Lieblingscharaktere sind Dr. Koch (Tiefgang) und Sissix (Humor, Offenherzigkeit, Andersartigkeit). Großartig sind die lebhaften Einblicke in die Kultur der Aandrisk. Zu meinen Lieblingskapiteln gehören „Port Coriol“, „Zirp“ (Begegnung mit Bär, Nib und Ember), „Der letzte Krieg“ und „Nest, Feder, Haus“. Ich habe mich von der Gefühlsachterbahn liebend gern mitnehmen lassen. Eine Verfilmung wäre sooo schön.
Das tolle Space-Opera-Erstlingswerk endet abgeschlossen. Traurig habe ich festgestellt, dass Band 2 der Reihe im gleichen Universum spielt, aber mit völlig anderen Figuren. Denen gebe ich natürlich auch bald eine Chance, mein Herz zu erobern.

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Veröffentlicht am 30.07.2021

Dystopischer und von Macht, Kampf und Flucht geprägter atmosphärischer Science-Fiction-Cyberpunk-Krimi

Der dunkle Schwarm
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Hier wird man hineingeworfen in ein pessimististisches, unterkühltes Weltbild im Jahr 2100. Die düstere Szenerie und Stimmung weckte bei mir Assoziationen zu Filmen wie Equilibrium, Matrix, Blade Runner ...

Hier wird man hineingeworfen in ein pessimististisches, unterkühltes Weltbild im Jahr 2100. Die düstere Szenerie und Stimmung weckte bei mir Assoziationen zu Filmen wie Equilibrium, Matrix, Blade Runner und Elysium und Romanen wie DAEMON und Darknet von Daniel Suarez.
Kernidee der Handlung: Alle Menschen können sich über Gehirnimplantate miteinander verbinden und Bilder und Gefühle unmittelbar teilen. Die 28-jährige Hauptfigur Atlas verdient Geld mithilfe der einzigartigen Gabe, Gehirne zu hacken und auf Gedanken und Erinnerungen zuzugreifen sowie Technik (z. B. Roboter) zu manipulieren.
Den futuristischen Weltenbau empfand ich als sehr atmosphärisch. Ich habe die technischen und infrastrukturellen Innovationen, die kühlen Farben und die Dunkelheit, die Sterilität und den Dreck vor dem inneren Auge gesehen und gespürt. Eine Welt, in der so viel möglich ist, und die doch so viel Armut und Ungerechtigkeit beherbergt. Faszinierend und abstoßend wie beispielsweise Natur, nach der sich die breite Unterschicht sehnt, zu bloßer Ästhetik für Superreiche herabgewürdigt wird.
Mehrere Rätsel (Auftraggeber und Motiv für Mord, Identität der Hauptfigur, …) erzeugen Spannung. Es sind aufregende Wendungen enthalten, besonders eine davon hat mich angenehm überrascht und den Atem geraubt.
Die Hauptfigur machte den Lesegenuss schwer. Ganz anders als bei der Neon-Birds-Trilogie von Marie Graßhoff, wo ich schnell alle Protagonisten ins Herz schloss und kräftig mitfieberte, trifft man hier auf einen anfangs egoistischen, unnahbaren Charakter. Mir war kalt. Ich vermisste Herz und Humor. Erschwerend kommt hinzu, dass mir bei den vielen actionreichen Schießereien und Fluchtsituationen das Schicksal der nahezu unkaputtbaren und machtvoll agierenden „Heldin“ mangels Sympathie ziemlich gleichgültig blieb. Ganz anders als z. B. in Matrix und Equilibrium mit vielen liebenswerten Figuren. Dann fühle ich mich schlecht und muss zwischendurch andere Romane lesen, damit es nicht runterzieht. Mit der Entwicklung, die Atlas durchmacht, wurde es besser.
Noah ist eine interessante Nebenfigur, allerdings habe ich manchmal an seiner Glaubwürdigkeit gezweifelt, wenn er sich in Lebensgefahr brachte.
Der Roman endet abgeschlossen. Auch wenn ich gern mehr mitgefiebert hätte und der Schluss gemischte Gefühle hinterlässt, reicht es für knappe vier Sterne, weil Ideen, Weltenbau, Atmosphäre, Spannung, Wendungen und die durchblitzende Botschaft gelungen sind.

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Veröffentlicht am 22.07.2021

Bildhafter All-Age-Science-Fiction-Mix aus Top Gun, Eragon und Aurora Rising

Skyward - Der Ruf der Sterne
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Wie bei einem Young-Adult-Roman üblich ist ein leichtes und flüssiges Lesen möglich. Von wenigen klar gekennzeichneten Zwischenspielen abgesehen wird alles chronologisch im Bewusstseinshorizont der 17-jährigen ...

Wie bei einem Young-Adult-Roman üblich ist ein leichtes und flüssiges Lesen möglich. Von wenigen klar gekennzeichneten Zwischenspielen abgesehen wird alles chronologisch im Bewusstseinshorizont der 17-jährigen rebellisch auftretenden Spensa erzählt. Nachdem ihr Vater im Luftkampf gegen Aliens unehrenhaft starb, möchte sie gegen alle Widerstände Kampfpilotin werden. Weil es viel um Schatten der Vergangenheit, Wahrheit, Identitätssuche und dem Streben nach Freundschaften und Anerkennung geht, ist es nicht nur eine Space Opera, sondern auch eine Coming-of-Age-Geschichte. Liebe spielt eine untergeordnete Rolle.

Bei einem Jugendbuch habe ich grundsätzlich Vorbehalte, ob nicht alles zu flach und vorhersehbar ausfällt. Das Verhalten der jungen Erwachsenen fand ich überzeugend und vielfältig umgesetzt. Der Widerstand gegen Aliens, zentrales Element der Handlung, wirkt anfangs ein bisschen plump und einseitig: Wer sind die Krell und was wollen sie? Kräfteverhältnisse im Gleichgewicht, seit Jahrzehnten keine innovativen Ideen. Dann beginnen kluge Figuren, die richtigen Fragen zu stellen. Stückchenweise erhält man Erklärungen, die nachvollziehbar und logisch erscheinen. Der Weltenbau ist räumlich eingeschränkt und nicht komplex, aber auch nicht zu dünn, mit gelungenen Details, lässt eine Ausweitung mit der Fortsetzung erwarten.

Protagonistin Spensa polarisiert und wuchs mir ans Herz. Nebenfiguren weisen Grauschattierungen auf, bergen Geheimnisse, gewinnen an Tiefe. Ich habe mich gefreut, manchmal Ersteindrücke überdenken zu können. Es dauerte nicht lange, bis mir die Charaktere etwas bedeuteten und ich emotional mitgehen konnte. Da fand ich es auch nicht allzu schlimm, dass einige Wendungen vorhersehbar waren. Es gibt viele tolle Rätsel. Kampfszenen und zwischenmenschliche Beziehungen sorgen für Spannung.
Gefreut und amüsiert habe ich mich über Schreckschneck sowie Sidekick M-Bot. Eine künstliche Intelligenz mit Amnesie und Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom – toller trockener Humor. Ernsthaftigkeit bleibt gewahrt.

Positiv hervorheben möchte ich, dass einige sehr schöne bedeutungsvolle, poetische Sätze enthalten sind.
Man sollte noch wissen, dass viel Text auf Kadettentraining und Flugmanöver entfällt. Ich empfand das als sehr atmosphärisch und eindrucksvoll. Zeichnungen der Flugobjekte tragen zur Veranschaulichung bei. Wer keine Lust hat, sich hineinzufühlen, könnte den Roman als langatmig empfinden und sich verleitet fühlen, Seiten zu überfliegen.

Fairerweise bildet das Ende ein Etappenziel, das die meisten aufgeworfenen Fragen beantwortet. Ich erwarte mit Spannung den Band 2 der Reihe „Claim the Stars“, der im Februar 2022 erscheint.

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Veröffentlicht am 08.07.2021

Provokant, lustig, entlarvend, oder auch: „menschliche Erkenntnis, pussytief reclaimt“

99 Ideen zur Wiederbelebung der politischen Utopie
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Hier präsentiert Martin Sonneborn, Vorsitz der sog. Satire-Partei „Die PARTEI“ und EU-Abgeordneter, ein Sammelsurium an politischen Ideen und Statements. Die Kapitel sind kurz (teils kürzer als 1 Minute) ...

Hier präsentiert Martin Sonneborn, Vorsitz der sog. Satire-Partei „Die PARTEI“ und EU-Abgeordneter, ein Sammelsurium an politischen Ideen und Statements. Die Kapitel sind kurz (teils kürzer als 1 Minute) und kurzweilig. Dabei sind Sternstunden „demokratischer Repräsentanz und -tanten“. Inhaltlich ist das meiste nicht neu (Mainstream-Meinung), aber durch den Wortwitz des Sprachakrobaten Sonneborn, eine solide Recherche rund um Zahlen, Daten, Fakten und zusätzliche Details bekommt es eine entlarvende Note. Mal tiefsinnig (z. B. Kapitel 55 Euphemisierungsverbot), mal offensichtlich und eingängig, extrem lustig (z. B. Kapitel 2 Weniger-peinliche-Namen-Gesetz, 36 Rekorde! Rekorde!, 37 Funklöcher stopfen!, 74 Wer hat uns noch beraten?). Auch wenn das Lachen oft einen faden Beigeschmack hat, weil es ja eben um ernste Themen wie Steuergeldverschwendung und Menschenrechtsverletzungen geht. Es amüsieren Running Gags wie z. B. verfälschte Namen und damit einhergehende Seitenhiebe auf das politische Establishment (CDU, SPD, Grüne, …). Dadurch prägen sich Verfehlungen und Lösungsansätze besonders intensiv ein.
Inhaltlich gehe ich auch mit vielem konform (z. B. Free Assange, Free Snowden, Lösung Welle-Teilchen-Problem), naturgemäß nicht mit allem (z. B. Schulbeginn 10 Uhr).
Ein paar Beiträge sind enthalten, die betont kompliziert geschrieben sind und die für mich weder spaß- noch informationsmäßig einen Mehrwert enthielten (z. B. Kapitel 58 Möglich aber ist es). Einiges war mir zu kurz abgehandelt und ich blieb etwas ratlos zurück. Aber keine Sorge, darüber hilft bereits das nächste Kapitel hinweg. Hier offenbart sich wohl die Diskrepanz zwischen Geschriebenem und dem vollen Programm mit Betonung, Körpersprache und Mimik, wie man es von Facebook-/YouTube-Videos kennt. Der direkte Griff zum Hörbuch könnte sich lohnen. Da sollte man dann anhand Tonlage und Pausen eindeutig erkennen können, was ernst gemeint ist und wo bewusst überspitzt und provoziert wird.
Achtung, das Buch ist nichts für Fans des gepflegten roten Fadens. Eine Struktur, z. B. erst Innenpolitik, dann Außenpolitik usw. gibt es hier nicht. Ich als Verwaltungsbeamtin hab‘s trotzdem überlebt. (Bitte kein Mitleid.) Dann schafft ihr das auch. Flash aus Zoomania hatte Struktur, aber wollen wir dahin?
In diesem Sinne, super Lektüre für Freunde der politischen Satire: Viele Denkanstöße, viel Vergnügen und „Wohlstand für Aale“!
(Zitate aus dem Buch mit Anführungszeichen gekennzeichnet, weil man selbst es ja besser machen möchte als MöchtegernBerlinOberhäuptlingIn und andere von der „Groko Haram“.)

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Veröffentlicht am 16.06.2021

Informativ, mit rotem Faden und großartiger Verortung – gelungener Abschluss der Familiensaga

Erntejahre
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Dieser Band 3 von 3 schlägt einen beachtlichen Bogen von der Nachkriegszeit bis ins 21. Jahrhundert.
Es ist eine Familiensaga mit historischen/zeitgenössischen Zügen und Coming-of-Age.
Band 1 legt den ...

Dieser Band 3 von 3 schlägt einen beachtlichen Bogen von der Nachkriegszeit bis ins 21. Jahrhundert.
Es ist eine Familiensaga mit historischen/zeitgenössischen Zügen und Coming-of-Age.
Band 1 legt den Fokus auf Constanze, Band 2 auf ihre Tochter Eva, Band 3 auf deren Tochter Bettina.

Den Stammbaum zu Beginn finde ich als Nachschlagewerk super. Kleine Spoiler sind enthalten.
Der Abschlussband heilt erfreulicherweise Nachteile von Band 2. Ich war insbesondere traurig über die Informationslücke rund um den Kontakt in die DDR. Dies wird nun nachträglich erzählt. Das Hin- und Herspringen zwischen den Zeiten und den Perspektiven macht das Lesen nicht ganz einfach, aber ich fand diesen Erzählstil bereichernd, zudem abwechslungsreich. Ich hatte kein Problem bei der Orientierung.

Für mich liegen die allermeisten geschilderten historischen Ereignisse vor meiner Geburt: Grenzschließung, Attentat im olympischen Dorf in München, 68er-Bewegung, RAF, Wiedervereinigung, … Der Schnelldurchlauf durch die Jahrzehnte trägt dazu bei, Wissen zu schaffen oder zu verfestigen. Weder fühlte ich mich gehetzt noch empfand ich es als trocken. Sinnieren, Beziehungen und Emotionen sind präsent. Dank des beruflichen Weges der im Mittelpunkt stehenden Figuren fügen sich die wertvollen Eindrücke zur Zeitgeschichte selbstverständlich in Querelen um Liebe, Selbstfindung, Vergangenheitsbewältigung usw. ein.

Die Figuren sind sympathisch. Bloß ging es manchmal zu schnell, zu glatt oder zu vorhersehbar, um mitfühlen zu können. Hier und da wären mehr Ecken und Kanten nicht verkehrt, das Gutmenschentum ist in der Familie halt sehr verbreitet.

Begeistert hat es mich, das Erscheinungsbild meiner Heimatstadt Braunschweig erspüren zu können, indem oft Straßen, prägnante Bauwerke, Topographie und Geschäfte - teils vergangen, teils heute noch existent oder für aktuelle Stimmungslagen und Diskussionen relevant - stimmig in die Handlung eingebunden sind.

Das Ende beantwortet alle Fragen und rundet gelungen ab. Ich vergebe 4 Sterne mit Tendenz zu 5 Sternen für den Abschlussband und für die gesamte Trilogie.

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